Meine Herren, der Mangel, wenn ich besonders
von Post und Bahn spreche, liegt darin, daß diese Unternehmungen
keine kaufmännische Leitung besitzen. Was nützt es,
wenn man Fachleute als Berater hat und doch den Rat der Fachleute
nicht befolgt! Wir haben zwar einen Staatseisenbahnrat für
Fragen der Organisation, Fahrordnung, Tarifwesen, Bau neuer Bahnen,
er gibt sogar Gutachten, aber die zuständigen Stellen befolgen
die Gutachten nicht und müssen sie nicht befolgen Dasselbe
ist bei der Post zu sehen. Auf der anderen Seite finden wir doch
die Notwendigkeit, daß die eigentliche Verwaltung, daß
die Leitung vollständig in kaufmännische Hände
übergehe, dann wird auch das Vertrauen zu diesen Unternehmungen
kommen. Dann wird man auch den Unternehmungen zeigen, daß
kaufmännisch gedacht werden muß, daß ein ganz
anderer Geist hereinkommen muß, der Geist, daß man
dem Publikum gegenüber höflich und entgegenkommend sei,
daß man die Pflicht habe als volkswirtschaftliche Unternehmung
zu diesen.
Ich möchte Ihnen ein gutes Beispiel sagen.
Westfalen schreibt in einem Aufsatze über die Gestaltung
der wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Europa und Amerika:
Der wichtigste Wegbereiter und der Maßstab des Fortschrittes
der wirtschaftlich en Entwicklung in der Union sind die Eisenbahn
und mit ihr in Verbindung die Post. Verehrte Anwesende, ich brauchte
eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, der Geist müßte
bei diesem Satze in dem Sinne einziehen. Die Bedeutung der Eisenbahnen
soll doch in dem Güter- und Personenverkehr beruhen, in der
Schnelligkeit, im Massentransport, in Regelmäßigkeit,
Pünktlichkeit, Verläßlichkeit, im Schutz des Publikums
und des Gutes. Das wichtigste Moment für die ganzen Eisenbahnen
ist die Entwicklung der Tarife. Dem Eisenbahntarifwesen fällt
die bedeutungsvolle Aufgabe zu, in Übereinstimmung mit der
Zoll- und Handelspolitik des Staates unter besonderer Berücksichtigung
der geographischen Lage und der wirtschaftlichen Verhältnisse
des Landes die Tätigkeit der Industrie, des Gewerbes und
der Landwirtschaft durch Erleichterung des Bezuges von Rohstoffen
und Halbfabrikaten zu fördern und ihnen teils durch geeignete
Tarifmaßnahmen usw. neue Absatzgebiete zu erschließ
en, teils den Wettbewerb gegen die fremden Erzeugnisse im In-
und Auslande zu ermöglichen. Aber in der Praxis find en wir
so viele Widersprüche innerhalb des Verkehrswesens. Nehmen
wir die Personentarife. Sie sind erhöht worden. Es tagen
Fahrplankonferenzen, die Erfüllung aber wird meist nicht
eingehalte. Ich erinnere an die Durchrechnung der Frachtsätze
der Staatsbahnen mit den Lokalbahnen, an die direkten Gütertarife
mit dem Ausland. Wir hören zwar vom Eisenbahnministerium:
Alles in Vorbereitung, alles in Vorbereitung. Ja, aber der Kaufmann
muß geschwind arbeiten, da dürfen wir uns nicht so
viel Zeit lassen. Ich erinnere weiters an die Ausnahmstarife,
die notwendig wären für den Export und Import. Was hat
die Textilindustrie in dieser Hinsicht schon unternommen, mit
wenig Erfolg! Ich erinnere an den Kohlentarif. Deutschland zahlt
beim Bezug von Kohle, die gleichen Grundpreise angenommen, bei
100 Kilometer Entfernung um 240 Kronen 60 Heller weniger, das
sind 17%. Ich erinnere daran, wie notwendig es sein wird, verschiedene
Mißstände zu beheben. Ein interessanter Fall: In einer
Station im Niederlande stimmt eine Bahnwage nach Angabe und Zugabe
des Personals um 1000 kg nicht. Es ist ein unhaltbarer Zustand,
niemand kann sich auf die bahnamtliche Wägung verlassen.
Und kommt ein großer Waggon, dann wird zuerst die eine Hälfte
abgewogen und dann die andere Hälfte und aus den zwei Hälften
ermittelt man das Gewicht. Das sind Zustände, die unhaltbar
sind, da muß Ordnung geschaffen werden.
Die Ordnung würde auch sofort geschaffen,
würde man die Haftpflicht der Eisenbahn und der Post auf
die Paragraphen des bürgerlichen Gesetzbuches, bzw. des Handelsgesetzbuches
setzen, dann würden Sie einmal sehen, wie sofort bei diesen
beiden Unternehmungen Ordnung wäre. Da müßten
Sie zahlen, daß Sie schwarz würden. Das würde
sehr rasch eine Änderung bringen.
Ich möchte noch die Bahnhofsanlagen, die Stationseinrichtungen
erwähnen. Mit den èechischen Stationsnamen in deutschen
Gegenden und dem Blumenschmuck in allen Bahnhofsanlagen ist nicht
alles gemacht.
Ein ähnliches Verhältnis ist auch
bei der Post. Ich muß natürlich die Mißstände
rügen, dazu habe ich die Pflicht, ob im Telegrammoder Telephonverkehr.
Sie müßten einmal in die Provinz hinausgehen, da würden
Sie schauen, daß Sie stundenlang auf ein Prager Gespräch
warten müssen, das Sie einfach überhaupt nicht bekommen,
auf das Sie dringend drei bis vier Stunden warten müssen.
Wenn Sie loco sprechen, bekommen Sie weiß Gott wie lange
keine Verbindung, sprechen Sie, kommt interurban dazwischen, und
sind Sie fertig, werden Sie lange nicht ausgeschaltet. Das sind
scheinbar Kleinigkeiten, sind aber Verkehrshindernisse und sie
müssen erwähnt werden. Dasselbe haben wir durch den
Abbau. Die Mißstände bei der Zustellung der Post. Die
Zustellungen haben abgenommen, Telegramme werden nicht mehr zugestellt.
Ich erwähne einen Fall in Großschönau. Das Postamt
liegt von der Firma eine halbe Minute entfernt, das Telegramm
bleibt im Postschließfach liegen und der Kaufmann bekommt
es erst einen Tag später, weil ein Sonntag dazwischen liegt.
Beim Postscheckamt haben wir es genau so. Die Sprachenfrage ist
die Hauptsache. Auch da ist der kaufmännische Geist noch
nicht hineingekommen.
Bei diesem Kapitel möchte ich etwas zum
zukünftigen Entwurf über die Postsparkasse sagen. Bei
uns soll eine Postsparkassa eingeführt werden. Es ist richtig,
daß in fast allen Ländern nicht nur Europas, sondern
auch in Amerika, Japan usw. Postsparkassen seit Jahrzehnten bestehen.
Es ist auch richtig, daß gerade bei der österreichischen
Postsparkassa kürzlich Verluste von 110 Millionen
Schilling, das sind ungefähr 550 Millionen Kè, vorgekommen
sind. Ich habe vom allgemeinen volkswirtschaftlichen Standpunkte
gegen die Errichtung der Postsparkassa absolut nichts einzuwenden,
aber ich bin zu der Erkenntnis gekommen, daß wir in unserem
Staate zwei Volkswirtschaften zu unterscheiden
haben, die deutsche Volkswirtschaft und die èechische Volkswirtschaft.
Die Regel ist die, daß aus der deutschen Volkswirtschaft
herausgezogen wird, in Prag gesammelt wird und fast ausnahmslos
der èechischen zugewiesen wird. Schon
von diesem Gesichtspunkte aus könnte man sich heute noch
nicht endgültig dafür entscheiden.
Es kommen aber auch noch andere wichtige Momente
hinzu. Die Sparkassen sind berufen, die Ersparnisse der kleinen
Leute zu sammeln und sie gesammelt der Volkswirtschaft zur Verwertung
gegen entsprechende Verzinsung zuzuwenden. Die Sparkasseneinlagen
sind von jeher - das ist das höchste Prinzip - mit unbedingter
Pupillarsicherheit ausgerüstet, d. h. mit Mündelsicherheit,
genau so wie die Staatspapiere. Nun muß ich aber doch einen
dringenden Appell an Sie richten und fragen: Hat der Staat nicht
diese Pupillarsicherheit schon verletzt durch die Nichteinlösung
der Kriegsanleihe? Und auf der anderen Seite ist durch diese Nichteinlösung
eine Zwangslage bei Sparkassen hervorgerufen worden. Ich frage
hier den Herrn Finanzminister - die prinzipielle Bewilligung des
Ministerrates ist schon seit langer Zeit vor - ist er bereit,
die Frage der Volksgeldanstalten zu regeln und wann? Er hat wohl
keine Ahnung von diesem unendlichen Elend, von der Not, die in
dieser Beziehung unter das Volk gekommen ist. Ich lade ihn höflichst
ein, mit mir zu fahren, und ich werde ihn zu Einlegern von Sparkassen
führen, die auf ihre alten Tage ein gutes Dasein führen
könnten und heute in bitterster Not und im Elend leben. Ich
stelle die offene Anfrage nochmals an den Herrn Finanzminister:
Ist er bereit, die Sparkassenfrage endlich zu regeln? Ich halte
es für eine Selbstverständlichkeit. Heute stellt man
sich auf den Standpunkt, daß es eine kapitale Forderung
der deutschen Parteien ist. Pflicht ist es, diese Forderung zu
erfüllen, Pflicht ist es, den Begriff der Pupillarsicherheit
unter keinen Umständen wanken zu lassen.
Meine sehr Verehrten! Ich möchte noch
erwähnen, daß man der Frage des Radios, der Flugpost,
des Automobilpersonenverkehres eine große Bedeutung beimessen
soll, um der Wirtschaft entsprechende Erleichterungen zu geben,
wie sie international überall bestehen. Was die Investitionen
bei den Unternehmungen anbelangt, steht der Herr Finanzminister
auf dem Standpunkte, daß sie aus den Einnahmen zu bezahlen
sind. Er führt dafür an, daß die Unternehmungen
und speziell die Bahnen und die Post nicht rentabel sind und daß
der Zinsfuß zu hoch ist. Darüber läßt sich
entschieden streiten. Theoretisch läßt sich streiten,
ob es richtig ist, auf diesem Wege Investitionen zu erledigen.
Die alten österreichischen Bahnen hatten eine Rentabilität
von 3% und da hat man immer geschimpft auf die Bahnen, daß
sie nichts nütze seien. Unsere Bahnen sind unrentabel, Geld
ist schwer zu bekommen vielleicht steht man auch auf dem Standpunkte,
daß man in dieser Beziehung Kredit überhaupt schwer
bekommt, denn im Wege einer Zwangsanleihe ist das unter keinen
Umständen zu machen. Da wäre ich der Ansicht, wenn man
die Post und die Bahnen, die hauptsächlichsten Unternehmungen,
zu jener Rentabilität durch kaufmännische Leitung und
Führung aufrütteln würde, dann wäre die ganze
Frage anders zu regeln. Der gegenwärtige Zustand läßt
eine andere Lösung nicht zu. Nun bin ich der Ansicht, daß
man zwischen produktiven und unproduktiven Investitionen unterscheiden
muß. Man muß auch unterschieden, wo Investitionen
am dringendsten notwendig sind. So sympatisch mir die Slovaken
sind, so muß ich ehrlich sagen, ich halte doch dafür,
daß an Stelle der Kabellegung, die so viel Geld kostet,
die Herstellung geregelter Telephonverhältnisse in den Industriereichen
Bezirken Nordwestböhmens und Nordböhmens notwendiger
wäre. Die Orientierung darf nicht allein nach Osten gehen,
sonst kämen wir wieder zu dem Schlusse, daß man das
deutsche Wirtschaftsleben in dieser Beziehung verkürzen will.
Ich habe mich noch einen Moment über das
Salz zu äußern. Bekanntlich hat der Staat das Salzmonopol
und seit langem währt der Wirtschaftskampf, um das billigere
bessere deutsche Salz einführen zu können. Das inländische
Speisesalz ist unappetitlich und unsauber. Das inländische
Gewerbesalz enthält eine Reihe von Stoffen, insbesondere
Eisen, die die Verwendbarkeit für industrielle Zwecke arg
beeinträchtigen. Zu alledem ist das inländische Salz
doppelt so teuer wie das reichsdeutsche, das im Vergleiche noch
besser ist. Es ist geradezu unmoralisch vom Staate, wenn der Staat
die schlechte Ware weiterhin so teuer wie bisher verkaufen will.
Es ist undenkbar, daß unsere Grenze für das hochwertige
reichsdeutsche Salz weiter verschlossen bleibt. Es ist nicht richtig,
wenn das Finanzministerium sich darauf beruft, daß das Salz
teuerer ist, weil die Werke am Ende der Slovakei liegen. Ich muß
mich auch namens der Kaufmannschaft dagegen wehren, daß
das Koch- und Speisesalz durch die Kaufmannschaft verunreinigt
wird. Da hat kein Kaufmann ein Interesse daran, das Salz staubig
zu machen. Über die anderen Betriebe, so z. B. Tabakregie
usw., kann ich mich hier weiter nicht ausdehnen. Ich hätte
noch viel darüber zu sagen, aber ich stehe auf dem Standpunkt,
daß in alle diese Unternehmungen, wenn sie für den
Staat eine Rentabilität aufweisen sollen, wenn durch sie
eine Erleichterung des Steuerdrucks kommen soll, der kaufmänntsche
Geist einziehen muß. Theorie und Praxis sind sehr verschieden.
Ich würde manchmal wünschen, daß die Ressortminister
in die Praxis hinausgingen und sich davon überzeugen würden,
wie unverhältnismäßig groß der Unterschied
zwischen Theorie und Praxis ist. Ein Sprichwort sagt: "Weich
im Stuhle sitzen die Minister, doch hart im Raume stoßen
sich die Völker." Das entspricht der Wahrheit und das
kann nur abgeändert werden, wenn man hinauskommt in die Praxis
und ansieht, wie reibungsvoll, wie hinderlich und wie beschwerlich
alles ist.
Einige Worte noch zu den Affären. Ich
will nicht über die Gajda-Affäre, auch nicht über
die Eisler-Affäre sprechen, ich habe gar keine Zeit mehr,
ich habe nur zwei Minuten noch zur Verfügung. Eines konstatiere
ich aber: Die Affären sind recht, nur heraus, und noch viele
dazu! Wissen Sie warum? Dann wird man auch im Ausland einmal erkennen
und sehen, wem das Schicksal von 3 1/2 Millionen Deutschen
und anderer Minderheitsvölker anvertraut ist. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)
Hohes Haus! Vor uns liegt der Staatsvoranschlag
des Jahres 1927, ein Voranschlag, an dem die Deutschen noch keine
Gelegenheit hatten mitzuwirken, und der bereits vor Eintritt der
Deutschen in die Regierung fertiggestellt war. Die Belange des
deutschen Volkes haben in diesem Staatsvoranschlag keinesfalls
entsprechende Berücksichtigung gefunden. Die Zusammenarbeit
der gegenwärtigen Zeit, sowie der natürliche Rechtsbegriff
erfordert eine Verschiebung der Zahlen und eingesetzten Beträge
für die notwendigen Bedürfnisse eines Volkes, das seinen
Willen zur Mitarbeit an der Staatsverwaltung durch Eintritt in
die Regierung bekundet hat. Der Generalberichterstatter hat in
seinen Ausführungen die Aktivität des Voranschlages
besonders betont und dabei nicht unterlassen zu erklären,
daß aus eigener Kraft und eigener Arbeit ohne fremde Hilfe
- gemeint war wahrscheinlich die eines anderen Staates - die Aktivität
des Staatsvoranschlages für das Jahr 1927 möglich war
und daß die Herabsetzung des Staatsbudgets um 10 Milliarden
in 5 Jahren ein erfreuliches Zeichen für die Konsolidierung
des Staates und Stabilisierung seiner gesamten Wirtschaft sind.
(Výkøiky nìm. soc. demokratických
a komunistických poslancù.) Der
Herr Berichterstatter hat auch in anerkennenswerter Weise das
Verdienst der Deutschen an dem aktiven Voranschlag durch Teilnahme
an der produktiven Arbeit der gesamten Volkswirtschaft nicht verschwiegen,
und von diesem Gesichtspunkt aus möge auch auf der èechischen
Seite die Zusammenarbeit mit den Deutschen und die Behandlung
derselben für die Zukunft in nationaler Hinsicht gewertet
werden. (Výkøiky poslancù nìm.
strany národní a nìm. poslancù soc.
demokratických.) Die Staatsverwaltung der Èechoslovakischen
Republik ermöglicht, auch im Verlaufe der nächsten Zeit
weitere Herabsetzung der Beträge des Voranschlages zu erzielen,
welches Moment insbesondere durch die Reform, durch Vereinfachung
der staatlichen Verwaltung gegeben wäre,
die Anstellung nur tüchtiger und fähiger Beamter, die
Einschränkung der Auslagen für Propaganda und Repräsentation,
die Liquidierung des Unifizierungs- und Ernährungsministeriums,
was der Staatsverwaltung allein jährlich 12 Millionen kostet,
die Herabsetzung der Ausgaben jener Ministerien, soweit sie Kultur
und Wirtschaft nicht betreffen, wird die Möglichkeit der
Verringerung der Staatsausgaben mit sich bringen. Nicht vergessen
darf werden, daß durch die Handelsverträge mit Deutschland,
Österreich und Ungarn die Vermehrung der Ausfuhr gefördert
wird, was im Interesse einer aktiven Handelsbilanz und somit im
Interesse der gesamten Volkswirtschaft gelegen ist, und deshalb
die Abschließung derartiger Handelsverträge in der
Zukunft stets im Auge behalten werden muß. Die Reduktion
der Staatsschulden durch freundschaftliche Beziehungen mit den
Auslandsstaaten würde der Wirtschaft dieses Staates und seiner
Bevölkerung bedeutende Erleichterung bringen.
Meine Aufgabe ist es heute, den Voranschlag
des Ministeriums für Landwirtschaft für das Jahr 1927
vom wirtschaftlichen und nationalen Gesichtspunkte aus zu behandeln.
Der Voranschlag des Ministeriums für Landwirtschaft gibt
uns ein übersichtliches Bild über die Förderungsmaßnahmen
dieses Ministeriums, aber auch ein ebenso übersichtliches
Bild der Benachteiligung gewisser Zweige der Landwirtschaft. Bei
dieser Gelegenheit muß ich betonen, daß die Landwirtschaft
im Staatsvoranschlage einer sehr stiefmütterlichen Behandlung
zuteil wurde und daß ein Sparsystem auf diesem Gebiete sehr
unangebracht ist, da die Verwaltung des Staates stets darauf bedacht
sein muß, daß die unterstützung der Landwirtschaft
aus öffentlichen Mitteln eine Herabsetzung der Produktionskosten
mit sich bringt und daß diese Herabsetzung im Interesse
der Allgemeinheit gelegen ist. Durch Hebung der landwirtschaftlichen
Produktion sollte die Ernährung der Bevölkerung in diesem
Staatsgebiet aus den eigenen Erzeugnissen möglich gemacht
werden.
In Besprechung der einzelnen Posten
und Kapitel wende ich mich in erster Linie der Verwaltung des
Ministeriums für Landwirtschaft zu. Die Verwaltung dieses
Ministeriums hat eine Ausgabe von 8,041.000 Kè zu verzeichnen.
Was diese Verwaltung anlangt, so muß immer wieder darauf
verwiesen werden, daß im Ministerium
für Landwirtschaft keine Deutschen als Beamte bisher Anstellung
gefunden haben. (Výkøiky nìm. soc.
demokratických poslancù.) Es
ist notwendig, daß in dieser Hinsicht Änderungen getroffen
werden, und zwar in der Form, daß Zukunft auch deutsche
Beamte entsprechen dem Bevölkerungsschlüssel in die
Verwaltung des Landwitschaftsministeriums eingestellt werden.
Durch diesen berechtigten Wunsch der deutschen Landwirtschaft
soll keinesfalls die Unparteilichkeit der gegenwärtigen Beamtenschaft
angezweifelt werden, sondern im Zeichen der Demokratie (Výkøiky
komunistických poslancù.) im
Zeitalter, wo die Deutschen am öffentlichen Leben und an
der staatlichen Verwaltung teilnehmen, ist der Wunsch nach Anstellung
deutscher Beamter im Ministerium für Landwirtschaft voll
berechtigt. Wir wollen von dieser Stelle aus anerkennen, daß
für das landwirtschaftliche Schulwesen von Seite des Landwirtschaftsministeriums
ziemlich viel geschieht und wir wollen die Worte des Herrn Ministers
im Budgetausschusse über den Ausbau des landwirtschaftlichen
Schulwesens mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, doch muß
auch in dieser Hinsicht der ausdrückliche Wunsch ausgesprochen
werden, daß alle landwirtschaftlichen Kreise, auch die der
Deutschen, der Segnungen des landwirtschaftlichen Schulwesens
teilhaft werden und es ist für die Zukunft notwendig,
daß von den 31 Millionen Kè, welche wir im Staatsvoranschlage
für das Jahr 1927 für das landwirtschaftliche Schulwesen
eingesetzt finden, eine ansehnliche Summe der deutschen Landwirtschaft
zugewiesen wird, damit das Netz der landwirtschaftlichen
Schulen im deutschen Gebiete noch viel enger gezogen werden kann,
um seinem Zweck als landwirtschaftliches Schulwesen erfüllen
zu können. (Výkøiky nìm. soc.
demokratických poslancù.)
Bezüglich des landwirtschaftlichen Schul-
und Versuchswesens muß die Beschwerde erhoben werden, daß
die deutschen Gebiete in dieser Hinsicht sehr benachteiligt sind.
Das landwirtschaftliche Versuchswesen hat den Zweck, die Ergebnisse
der Überprüfung von Wissenschaft und Forschung auf dem
Gebiete der Landwirtschaft dem praktischen Landwirte zu
übermitteln. Die Èechoslovakei wendet für das
landwirtschaftliche Versuchswesen große Beträge auf,
welche aber der deutschen Landwirtschaft keinesfalls zugute kommen,
da die Versuchsstationen sich nur im èechischen Gebiete
befinden und die Veröffentlichungen
nur in èechischer Sprache ausgegeben werden. Es wird der
Staatsverwaltung bei einigem guten Willen keinesfalls schwierig
werden, die deutschen Land- und Kleinlandwirte durch Errichtung
staatlicher Versuchsanstalten mit deutschen
Beamten im deutschen Gebiete an den Ergebnissen der Überprüfung
von Wissenschaft und Forschung der Landwirtschaft teilhaftig zu
machen. Für das Jahr 1926 waren für das Kapitel 9 "Landwirtschaftliche
Organisationen" über 9 Millionen Kè ausgeworfen,
während für das Jahr 1927
nur mehr ein Betrag von über 6 1/2 Millionen Kè
eingestellt ist. Die Unterstützung der landwirtschaftlichen
Organisationen und der mittleren und kleinen Landwirtschaft ist
mit Rücksicht auf die notwendige Aufklärungsarbeit,
die in sehr umfangreichen Maße
zu geschehen hat, gewiß sehr am Platze. Es ist deshalb meine
Aufgabe, die berechtigte Forderung auszusprechen, daß die
Summe von über 9 Millionen Kè in Zukunft keinesfalls
eine derartige weitere Herabsetzung mehr erfährt, und daß
von dem eingestellten Betrage alle landwirtschaftlichen
Organisationen dieses Staatsgebietes die entsprechende Unterstützung
erhalten. Auf Grund des Gesetzes vom 17. Feber 1922 garantiert
das Ministerium für Landwirtschaft die Zinsen den landwirtschaftlichen
Genossenschaften für Konjunkturverluste. Da im Motivenbericht
des Staatsvoranschlages insbesondere von der Unterstützung
der Erwerber von beschlagnahmtem Grund und Boden die Rede ist
und dieses Post von 2 1/2 Millionen Kronen im Jahre 1926
von 1,268.000 Kronen im heurigen Staatshaushalt herabgesetzt ist
und teilweise Beträge dieser Zinsengarantie für die
Jahre 1924 und 1925 den betreffenden landwirtschaftlichen Organisationen
nicht ausgezahlt wurde, so besteht die Gefahr, daß in Hinkunft
die landwirtschaftlichen Genossenschaften die ihnen 10 Jahre garantierte
Verzinsung aus den Verlusten der Jahre 1920 und 1921 nicht mehr
erhalten können. Namens der Genossenschaftsverbände
des deutschen Gebietes der historischen Länder spreche ich
den ausdrücklichen Wunsch und die vollkommen berechtigte
Forderung aus, daß diese Zinsenzuschüsse auch in Zukunft
garantiert erscheinen. Im Voranschlag des Jahres 1926 betrug die
Post zur teilweisen Deckung des Revisionsaufwandes und der Statistik
landwirtschaftlicher Unternehmungen 2 Millionen Kronen. In dem
uns vorliegenden Staatsvoranschlag ist nur mehr eine Million Kronen
eingesetzt, so daß der Staatsbeitrag zu den Revisionsauslagen
insbesondere der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbände
kaum annähernd einem Drittel der tatsächlichen Ausgaben
entspricht. In diesem Falle handelt es sich um eine sonst vom
Staate zutragende Auslage, da die Revision nur im übertragenen
Wirkungskreis durchgeführt wird. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Eine Herabsetzung des eingestellten Betrages
im Voranschlag des Jahres 1927 ist in diesem Falle, wo es sich
um die Organisation der mittleren und kleineren Landwirtschaft
handelt, sehr unangebracht und es wäre der Wunsch insbesondere
der Genossenschaftsverbände aller Länder dieses Staates,
den Staatsbeitrag zu den Revisionskosten in der gegenwärtigen
Höhe von 2 Millionen Kronen belassen zu sehen.
Es geht nicht an, daß beispielsweise
dem mährischen Genossenschaftsverband mit Erlaß vom
9. Juli 1926, Zahl 53171/VII, der Staatsbeitrag zu den Revisionsauslagen
einfach abgesprochen wird. Neu aufgenommen in diesen Voranschlag
wurde eine Post von 4 Millionen Kronen für die Unterstützung
der Erbauung von maschinellen Einrichtungen genossenschaftlicher
Spiritusbrennereien. Der Motivenbericht spricht von Brennereigenossenschaften,
welche bei der Durchführung der Bodenreform übernommen
wurden und welche zwecks entsprechender Ausgestaltung ihrer Betriebe
Staatsunterstützungen brauchen. Im deutschen Gebiete wurde
meines Wissens keine Brennerei an deutsche Genossenschaften
zugewiesen und es fällt also dieser Betrag ausschließlich
èechischen Genossenschaften zu.
Nicht begrüssenswert ist es, daß
das landwirtschaftliche Ausstellungswesen eine Herabsetzung der
staatlichen Unterstützung bei einer halben Million auf die
Hälfte erfährt, weil es unter solchen Umstände
sehr fraglich erscheint, ob landwirtschaftliche Ausstellungen
in Zukunft überhaupt abgehalten werden können. Eine
der schwierigsten Fragen der Landwirtschaft des deutschen Gebietes
ist der große Mangel an landwitschaftlicher Arbeiterschaft
und anläßlich der Beratung des Staatsbudgets ist notwendig,
daß auf diesen ungesunden Zustand verwiesen wird. Auf der
einen Seite Tausende von Arbeitslosen auf der anderen Seite die
Beeinträchtigung der Wirtschaftsführung durch das Fehlen
landwirtschaftlicher weiblicher Hilfsarbeiter. (Posl. Schmerda:
Bezahlt die Landarbeiter!) Bitte, 200 Kè bekommt
ein landwirtschaftlicher weiblicher Hilfsarbeiter monatlich im
nordböhmischen Gebiete, dabei Behandlung wie die eigenen
Kinder, und wenn unter solchen Umständen keine landwirtschaftlichen
Arbeiter zu haben sind, dann nehme ich an, daß gewisse Agitationen
am Werke sind, welche der Landwirtschaft die Arbeiter nehmen.
(Výkøiky.) Verschiedene
Aufnahmen in den Zeitungen zeugen von Arbeitslosigkeit und Elend,
besonders in den Böhmerwaldgebieten, während wir in
Nordböhmen, wo die Wechslung der ständigen landwirtschaftlichen
Hilfarbeiter sich in den nächsten 3 Wochen vollzieht, vor
der Tatsache stehen, daß im Bezirke Tetschen an 400 landwirtschaftlichen
Hilfsarbeiterinnen fehlen. Es wäre zu erwägen, ob nicht
durch Einführung von landwirtschaftlichen Arbeitsvermittlungsstellen
bei den landwirtschaftlichen Organisationen im Bereiche jeder
politischen Bezirksverwaltung und weitere durchgreifende Organisierung
des Arbeitsmarktes in dieser Hinsicht die baldige notwendige Abhilfe
zu erreichen wäre. Im Interesse der Fortführung mancher
landwirtschaftlichen Existenz, deren Fortführung auch im
Interesse der Allgemeinheit gelegen ist, muß ich von dieser
Stelle aus eine Regelung dieser Frage auf gesetzlichem Wege schon
auch mit Rücksicht auf die unhaltbaren Verhältnisse
insbesonders in unserem industriereichen Nordböhmen wie auch
in allen übrigen Gebieten in kürzester Zeit verlangen.
Wir sehen deshalb der Herabsetzung der Post 10 "Landwirtschaftliche
Arbeiterschaft" - "Arbeitvermittlung" - "Belohnung
langjähriger Dienste" keineswegs freudig entgegen, da
für die deutsche Landwirtschaft die Frage der Landarbeiter
in der Zukunft eine der brennendsten Fragen bedeutet. Bei dieser
Gelegenheiten weise ich auf die große Unzufriedenheit der
landwirtschaftlichen Arbeiterschaft mit dem gegenwärtigen
Systeme der Sozialversicherung hin. Unsere Arbeiterschaft verlangt
die baldige Novellierung der bestehenden Sozialversicherungsgesetze,
jene Novellierung, die im Interesse aller Berufsschichten gelegen
ist. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických
a komunistických poslancù.) Das
ganze nordböhmische Gebiet, sowie auch andere Teile dieses
Staates wurden in den Jahren 1923 und 1924 von einer schweren
Katastrophe heimgesucht Tausende Hektar Waldbestände im Alter
von 10 bis 80 Jahren wurden durch Nonnenfraß gänzlich
vernichtet und der Ertrag dieser Waldbestände betrug nur
ein Fünftel des Ertrages, bei normalem Schlage.
Infolge Fehlens finanzieller Mittel, ausgiebiger
Unterstützung durch Staatsbeiträge sind heute noch tausende
ha Wald nicht bebaut und es geht nicht an, daß im Voranschlage
vom Jahre 1927 der Betrag von 3/4 Millionen Kronen für
die Aufforstung der kahlen Flächen und für die Erhaltung
der Waldbaumschulen weniger als im Jahre 1926 beeingesetzt ist.
Die Schwerbeschädigten verlangen, daß
die Dotation für dieses Kapitel nach dem Voranschlage belassen
werde, um weitere Unterstützungen den Geschädigten möglich
zu machen. Ich verweise bei dieser Gelegenheit darauf, daß
mit Rücksicht auf die geschilderten Umstände die Herabsetzung
der Kriegszuschläge zur Grundsteuer bei Wald im Steuergesetzentwurfe
notwendig ist und die Steuerfreiheit auf eine Reihe von Jahren
für derartige neuaufzuforstende und bereits angebaute Flächen
durch gesetzliche Bestimmungen geregelt wird.