Meine Damen und Herren! Ich bin namens meiner
Partei beauftragt, mich zu den staatlichen Unternehmungen zu äußern.
Laut Regierungserklärung vom 24. Oktober 1926 unter dem Titel
"Gleiche mit Gleichen" haben sich deutsche und
èechische Parteien zusammengeschlossen zur Schaffung eines
harmonischen gemeinsamen Lebens. In der Regierungserklärung
wird betont, daß jede gesunde Kritik und jede sachliche
positive Mitarbeit willkommen ist und respektiert wird.
Von der Kritik will ich Gebrauch machen und nicht zu wenig, und
wenn sie auch scharf ist, nehme ich trotzdem für mich in
Anspruch, daß ich sachlich bleiben will. Ich halte die Parlamentstribüne
nicht für das richtige Forum, mich über den Eintritt
der deutschen Parteien in die Regierung zu äußern,
aber das eine konstatiere ich, daß ich zur felsenfesten
Überzeugung gekommen bin, daß seitens der èechischen
bürgerlichen Parteien unter keinen Umständen der feste
Wille vorliegt, jenes harmonische Leben zu schaffen, zu welchem
Zwecke sie zusammengetreten sind, denn da müßten ganz
andere Vorbedingungen gegeben sein, da müßte man Beweise
sehen. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß seitens der
èechischen bürgerlichen Parteien der Eintritt der
Deutschen in die Regierung unter den gegebenen Verhältnissen
dringend gebraucht wurde.
Das Budget ist die wichtigste Gesetzesvorlage
des Jahres, es ist der ziffermäßige Jahres-Ausdruck
für die Vorbedingungen des Fortschrittes oder Rückschrittes
des nationalen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens.
Diese wichtige Vorlage wird in einen Eiltempo im Ausschuß
und im Hause durchgepeitscht, offenbar in der schon vorher vorgenommenen
Absicht: Eine Änderung an dem Staatsvoranschlag ist unter
keinen Umständen zulässig! Dieses abgekürzte Verfahren,
diese abgekürzte Redezeit, ist eine Unmöglichkeit, wenn
man auf der anderen Seite, wie man behauptet, die sachliche Mitarbeit
wünscht. Es ist vollständig physisch und geistig unmöglich,
eine derartige Materie in dieser Weise behandeln zu wollen. Allerdings
ist im Gesetz, in der Verfassungsurkunde schon von vornherein
im § 43 vorgesehen, daß man das Budget in diesem Tempo
erledigen will, denn man gibt dem Senat nicht mehr Zeit für
die Ausschußarbeit und für das Haus als einen Monat,
und hat er es in einem Monat nicht erledigt, gilt das Budget für
angenommen. Dadurch wird der Parlamentarismus zu einer wahren
Komödie herabgewürdigt, zu einem Scheindasein. Das ist
ein unmöglicher Zustand, der in keinem Staate Europas überhaupt
existiert. Wenn man aber behauptet, die Mitarbeit seitens der
deutschen Regierungsparteien sei erwünscht, dann stelle ich
mir die Behandlung des Budgets ganz anders vor. Dann müßte
mindestens gleichzeitig mit dem Staatsrechnungsabschluß
des Vorjahres am 1. September das Budget vorgelegt werden, und
zwar den Klubs, den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen
Verbänden zur Mitarbeit, zur Diskussion, zur Kritik, zur
Aufklärung, zur Abänderung, natürlich in dem Gefühl
der Mitarbeit auch in deutscher Übersetzung. Es müßte
eine Zentralstelle da sein, ob beim Finanzministerium oder bei
einem anderen Ministerium, es bleibt sich ganz egal, wo jeder
einzelne sich Aufklärungen holen kann. So stelle ich mir
eine andere Kritik, eine andere Mitarbeit für das Budget
vor, und dann müßte dem Ausschusse und dem Hause mindestens
ein Monat Zeit gelassen werden zur Behandlung und es müßte
den einzelnen Rednern möglich sein, nicht nach Minuten und
nach Sekunden sich richten zu müssen, denn in der Hast der
Gedanken kann niemals ersprießliche Arbeit geleistet werden.
Wird man mit dem Budget nicht fertig, ist ein Provisorium für
den Voranschlag sofort gefunden.
Der Herr Generalberichterstatter Dr. Hnídek
findet es als kolossale Wichtigkeit, daß das
Budget mit 20 Millionen aktiv ist, durch eigene Kraft, durch eigene
Arbeit, ohne fremde Mithilfe. Wessen? Des Auslandes oder der Deutschen
in der Èechoslovakei?
Das Ausland kann nicht gemeint sein, weil man
keine fremden Anleihen aufgenommen hat. Wenn man aber behauptet,
ohne fremde Mithilfe das Budget aktiv gemacht zu haben, dann sage
ich: das ist ein Unrecht, wenn man das behauptet, denn zu den
Einnahmen des Budgets trägt nicht in Verhältnis der
Bevölkerung, sondern in einem ganz anderen Verhältnis,
das deutsche Wirtschaftsleben bei, wodurch das Budget mit 20 Millionen
aktiv ist. Wer Kaufmann ist, weiß ganz gut, daß ich
im selben Moment das Budget auch mit 20 Millionen passiv machen
kann, das ist ein reiner Zufall, von meinem Willen abhängig.
Ich habe mich einen Moment mit dem Budget und
dem Exposée des Herrn Finanzministers zu beschäftigen.
Ich konstatiere, ohne ihm zustimmen zu können, daß
Herr Finanzminister Dr. Enfliš unbestritten ein glänzender
Theoretiker und Fachmann ist. Ich konstatiere das nicht, um mich
vielleicht bei ihm einzuschmeicheln, dazu habe ich keine Ursache,
sondern ich bin jederzeit bereit, objektive Tatsachen zu konstatieren.
Die Anwendung seiner Theorien in der Praxis ist aber anders. Budget
und Exposée lassen nicht den Geist "als Gleiche mit
Gleichen" erkennen. Dr. Engliš sagt in seinem
Exposée auf der letzten Seite: "Ich habe die Finanzperiode,
in der wir leben, die Konsolidierungsperiode genannt, aber diese
Konsolidierung wird nicht nur ein Werk der Regierung und des Parlaments
sein können, weil sie die Mitarbeit der ganzen Nation voraussetzt.
Ich schöpfe die Hoffnung aus den Opfern, die wir in der Vergangenheit
für unsere Freiheit, für den Staat, für die Finanzen
und für die Währung gebracht haben. Ich schöpfe
sie aus dem Reichtum des Landes und aus der Arbeitsamkeit und
Disziplin des Volkes."
Wenn Dr. Engliš als Gleicher zu
Gleichen spräche, dann müßte es meiner Ansicht
nach heißen: "Mitarbeit der Völker", nicht
"Mitarbeit der Nation". Denn unzweideutig meint
der Herr Finanzminister doch sicher nur die Èechen. Er
hat in seinem Budget nicht ein einziges Wort für die Mitarbeit
der Deutschen. Ich frage mich: Kann er nicht, will er nicht, oder
darf er nicht? Bleibt sich ganz egal, meine
Verehrten! Auf der letzten Seite in seinem Exposée sagt
er weiter: "In dem vollständigen Anerkennen der Wahrheit
liegt Kraft". Ich rufe dem Herrn Finanzminister zu: "Seien
Sie kräftig und sagen Sie einmal der Öffentlichkeit,
in welchem Maße die deutsche Bevölkerung, in welchem
Maße die deutsche Wirtschaft bisher dazu beigetragen hat,
damit sie jene Ausgaben alle in ihrem einseitigen Sinn machen
können." (Souhlas poslancù nìm.
strany národní.)
Einverstanden bin ich mit dem Herrn Finanzminister
vollständig, wenn er sagt, daß nicht nur die staatliche,
sondern hauptsächlich die autonome Gesamtbelastung bei uns
übermäßig und auf die Dauer unhaltbar ist. Da
hat er vollständig recht. Aber er untersucht nicht, warum.
Ich finde den Grund in dem vollständig verfehlten Staatsproblem,
in der einseitigen Auffassung vom Nationalstaate, in der Fortsetzung
des Krieges in Innern gegen alles, was deutsch heißt, und
auf der andern Seite in der Vergeudung und Verschwendung der Gelder,
in dem Größen-Wahnsinn, in dem Sie sich befinden mit
Ihren übermäßigen Auslagen für Militär,
Auslandspropaganda usw. Da wird aus den Vollen geschöpft
und mit vollen Händen gegeben. Was sagte aber auf der anderen
Seite der Herr Finanzminister Dr Engliš, als er seinerzeit
Rektor der Brünner Hochschule war? Da war seine Rede eine
ganz andere. Damals sagte er in einem Leitartikel der "Lidové
Noviny" wörtlich: "Wohl besitzen wir die natürlichen
Vorbedingungen für ein finanzielles Aufblühen, für
wirtschaftlichen Wohlstand, wir befinden uns aber bei demgegenwärtigen
System der staatlichen finanziellen Wirtschaftspolitik und Organisation
der Arbeit auf einer schiefen Ebene, welche zum Zusammenbruch
führen wird, wenn wir uns nicht rechtzeitig der Entwicklung
der Dinge bewußt werden und andere Wege betreten."
Meine Herren! Geändert hat sich nichts, aus den eigenen Worten
des Finanzministers erkennen wir, wohin wir kommen. Der Herr Finanzminister
erklärt in seinem Exposée: "Das Bild, das ich
Ihnen entrollt habe, ist nicht rosig, aber es hat den Vorzug,
daß es wahr ist." Es ist bestimmt in vielen Sachen
wahr. Das ist sicher. Aber an vielen Tatsachen zweifle ich, ob
sie wahr sind.
Wahr ist jedenfalls die Gesamtjahresbelastung
von 15,5 Milliarden, wovon 9,7 Milliarden auf die Staatsverwaltung
und 5,8 auf die autonome Verwaltung fallen. Ob das Budget im Gleichgewicht
ist, d. h., ob das Budget laut Rechnungsabschluß für
1927 im Gleichgewicht sein wird, das bezweifle ich unter allen
Umständen. Macht der Finanzminister doch selbst das Gleichgewicht
davon abhängig, daß das Jahr 1927 genau so ist wie
1926. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen, daß diese
Möglichkeit vielleicht viel weniger vorhanden ist, als das
Gegenteil. Er macht es auch abhängig davon, daß das
Kriegsinvalidengesetz in seinem Sinne erledigt wird. Ich konstatiere
hier - nicht etwa aus dem Grunde, weil ich selbst 13 Monate als
Schwerverwundeter gelegen bin - daß es vollständig
unsozial ist, gerade bei den Kriegsinvaliden mit dem Sparen zu
beginnen. Da sollte man doch eher bei der Organisation beginnen,
die in letzter Konsequenz die Menschen zum Krüppel, zum Kriegsinvaliden
macht. Da sollte man nicht in sieben Jahren 23 Milliarden hinauswerfen.
Ich zweifle auch aus einem anderen Grunde, weil wir noch nicht
genügend Aufklärung über das Geheim-Budget haben,
über die außeretatmäßigen Ausgaben im Anleiheoder
Vorschußwege. Denn laut Staatsrechnungsabschluß für
das Jahr 1924 - für 1925 haben wir ihn noch nicht - finden
wir, daß 4,9 Milliarden für die bereits liquidierte
Getreidezentrale, 256 Millionen an die Finanzverwaltung der russischen
Legionen, 1.6 Milliarden an die Landesverwaltungen, 920 Millionen
an die Kaschau-Oderberger Bahn gegeben worden sind. Ja, das sind
Forderungen, das ist ganz richtig, aber als Kaufmann muß
ich Ihnen sagen: Diese Forderungen muß ich glatt mit einer
Krone als dubios als uneindringlich abbuchen. Wo kommt das hin?
Ich bin neugierig wo man diese Milliarden hingibt. Der Finanzminister
erklärt, mit dieser Vorschußpolitik müsse aufgeräumt
werden und damit sind wir ganz bestimmt einverstanden.
Ich komme zur Schuld. Die Schuld gibt der Herr
Finanzminister mit 35 Milliarden an. 35 Milliarden für die
Größe des Staates ist unbedingt - das muß man
konstatieren eine ganz ungeheuerliche Summe. (Výkøiky
- Befreiungstaxe!) Pardon, meine
Herren, greifen Sie mir nicht vor, Sie werden ja sehen, was ich
für ein Bild entwerfen werde. Die 35 Milliarden erfordern
einen Zinsendienst von 2.572,937.582 Kronen. Davon entfallen auf
die innere Schuld 24 Milliarden, auf die Auslandsschuld 6 1/2
Milliarden, Vorkriegsschuld 4,4 Milliarden, das macht zusammen
34,9 Milliarden. Der Herr Finanzminister sagt, daß der kleine
Rest an Vorkriegsschulden und dann der französischen und
vielleicht italienischen Forderung noch zusammen höchstens
den Betrag von einer Milliarde ausmacht, die kommt noch hinzu
und das würde dann 35,9 Milliarden ausmachen. Für mich
stellt sich die Rechnung anders dar. Der Herr Finanzminister spricht
in der ganzen Aufzählung der Schulden nicht ein Wort von
der Reparationsschuld, die wir noch zu bezahlen haben. Die hängt
noch, die macht schätzungsweise bei Übernahme der Bahnen
allein 15 Milliarden aus. Dazu kommen noch die Post- "Gebäude
und Staatsbürger" etc. Wenn ich das zusammenrechne in
dem geringen Betrag von 25 Milliarden, so ergibt sich für
mich eine Staatsschuld von 60,9 Milliarden. Diese Schuld erfordert
mit 7 1/4% - das entspricht dem Schlüssel des Zinsendienstes
- einen Zinsendienst von 4.515 Millionen. Die Rechnung habe ich
auch noch schlecht gemacht, weil es nämlich anders kommen
kann. Der Herr Finanzminister spricht mit keinem einzigen Worte
davon, daß er die Vorkriegsschulden, das, was wir an Österreich
zu zahlen haben, 4,4 Milliarden, mit 1: 1 rechnet. Es kann auch
passieren, daß sie 1: 6 genommen wir d. Es kann auch passieren,
daß wir die Reparationsschuld in einem höheren Betrage
zahlen müssen. Mit dieser Annahme kommt für mich ein
Betrag von 92,9 Milliarden den Staatsschuld heraus. Das ergibt
einen Zinsendienst von 6 Milliarden 735 Millionen.
Nur nebenbei sei die schwebende Schuld mit
4,6 Milliarden erwähnt. Ja, warum nicht heraus mit der Wahrheit,
frage ich den Herrn Finanzminister, warum der Öffentlichkeit
dieses Bild nicht entwerfen? Dem Kaufmann im gewöhnlichen
Leben draußen hat man bei den Steueradministrationen, wie
er gekommen ist und gesagt hat: "Um Gotteswillen, die Steuern,
mit denen habe ich doch in dieser Höhe nicht gerechnet"
- erklärt: "Ja, mein Lieber, mit den Steuern müßten
Sie rechnen, wir können nicht dafür, wenn Sie der Teufel
holt". Also machen wir uns nichts vor, heraus mit der Wahrheit,
sage ich dem Herrn Finanzminister, das wird ein Tropfen kalten
Wasser sein auf den Größenwahnsinn, auf den Hochmut,
auf den einseitigen Standpunkt des Nationalstaates, den die Regierung
bis jetzt an den Tag gelegt hat. Ich werde den Beweis bringen,
wie schlecht bis jetzt gewirtschaftet worden ist.
Die Arbeitslosenziffern stimmen nicht, es sind
darin nicht die Ausgesteuerten und nicht die Unorganisierten enthalten.
Der Herr Finanzminister spricht von der Krise
und ist natürlich genau so optimistisch wie die anderen Ressorts.
Er sagt: "Die Krise ist keinesfalls katastrophal, es scheint,
daß die Krise den Kulminationspunkt überwunden ha t."
Meine Verehrten! Ich komme aus dem praktischen Leben, komme aus
einem Wirtschaftszweig, der mit ca 80% auf den Export angewiesen
ist. Ich erkläre Ihnen hier, daß wir in unserem Staate
seit Bestand desselben in einer ununterbrochenen Krise leben.
Wir haben noch niemals den Beweis dafür bringen können,
daß unsere Wirtschaft überhaupt für normale Verhältnisse
auf dem Weltmarkte geschaffen ist. Unser Produktionsapparat hat
bis jetzt zum großen Teile auf Grund abnormaler Verhältnisse
in anderen Ländern, ob Ruhrbesetzung, Streik in England,
ob Fallen der Valuten usw. gearbeitet. Die praktische Erfahrung
für normale Verhältnisse haben wir noch nicht. Wir werden
uns wundern, wenn unsere Umgebung, wie wir sehen, wirtschaftlich
hochkommen wird. Deshalb kann ich nicht verstehen, wenn der Herr
Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung einfach
davon spricht: Die Gründe der Krise, die müssen wir
untersuchen. Ich kann auch nicht verstehen, wenn der Herr Finanzminister
sagt: "Der Staat hat die ernste Pflicht durch seine Steuer-
und Tarifsysteme den Geschäftsgang nicht zu stören,
aber es kann bei jeder Krise nicht das Bringen positiver Opfer
vom Staate verlangt werden". Ich argumentiere umgekehrt und
sage: "Du Staat, hättest du nicht so schlecht gewirtschaftet,
dann wären wir alle in einer anderen Situation. Denn ein
Staat, der wirtschaftlich konsolidiert ist, besteht die Krise
viel viel leichter."
Meine Verehrten! Wir erhalten den Rat: ökonomisieren
Sie, rationalisieren Sie, rüsten Sie sich technisch aus,
ergreifen Sie eine bessere Administrative! Für die technische
Ausrüstung müssen erst die Mittel übrig geblieben
sein und da darf man nicht von vornherein Schwierigkeiten machen.
Ich verweise nur z. B. auf die Einfuhr von Maschinen usw. Der
Herr Handelsminister beruft Enqueten ein und überprüft,
in welchem Maße die Weltwirtschaftskrise und in welchem
Maße die inneren Ursachen an der Krise Schuld sind. Ich
konstatiere das eine nur, ich stehe auf dem Standpunkt, wenn man
der Krise beikommen will, dann muß man etwas anderes machen,
dann muß man den Kernpunkt, die Überbelastung der Wirtschaft
durch die Staatsabgaben erkennen und auf der anderen Seite das
Fehlen der Verbindung mit der Umgebung, die wir wirtschaftlich
brauchen, bei seitigen. Die Krise ist als Dauerkrise hier und
schreitet fort. Wir dürfen uns durch ein zeitweises Aufflackern
nicht irremachen lassen.
Ich komme auf die Währung zu sprechen.
Der Herr Finanzminister sagt: "Eine stabile Währung
ist das größte Glück für ein Volk."
Ist richtig. Die Situation unserer Währung ist absolut fest
und glänzend. Ich frage den Herrn Finanzminister allen Ernstes:
"Bleibt es dabei, wenn es nicht gelingt, die Konkurrenzfähigkeit
der Wirtschaft durchzusetzen? Wie wird dann unsere Handelsbilanz,
die doch der Grundfaktor für unsere Zahlungsbilanz ist, ausschauen?
Wie wird es ausschauen, wenn die Gläubiger unserer Staatsschuld
kommen und sagen: "Bitte zahlen!"
Der Herr Finanzminister spricht von der Stabilisierung
der Auslagen. Nein, ich will von ihm hören: "Herunter
mit den Ausgaben! " Ja, aber wo? Deren sind für mich
Posten genug hier. Ich fange entschieden bei den großen
Lasten an, die das Militär von uns fordert. Die Ministerien,
sie systemisieren, sie ökonomisieren sie rationalisieren
- selbst die Kultur, wie wir im Exposé hören - sie
stabilisieren und konsolidieren die Staatswirtschaft auf Kosten
der Volkswirtschaft. Wenn Sie die Volkswirtschaft zugrundegerichtet
haben, frage ich Sie, was ist mit der Staatswirtschaft? Ich bin
der Ansicht, daß schließlich hier doch der engste
Zusammenhang besteht. Ich komme ja aus dem deutschen Wirtschaftsleben
und erkläre hier eines: Wenn die deutsche Wirtschaft nicht
so tragfähig und so fleißig gewesen wäre, dann
wären Sie mit Ihrer Kunst schon längst am Ende. Der
Herr Finanzminister versprach uns periodische Publikation der
indirekten Steuern und nach der Depurationsperiode auch Publikationen
der direkten Steuern. Ich frage hier den Herrn Finanzminister:
Ist er bereit uns zu sagen, welcher Betrag seit 1914 bzw. für
die Jahre von 1914 aufwärts dem deutschen Wirtschaftsleben
vorgeschrieben worden ist? Ich frage: Welche Steuern hat das deutsche
Wirtschaftsleben für diese Jahre geleistet? Gleichzeitig
frage ich den Herrn Handelsminister: Mit welchem Prozentsatz ist
das deutsche Wirtschaftsleben der Èechoslovakei
an der Außenhandelsbilanz beteiligt?
Ich will Ihnen durch diese Ziffern beweisen,
welchen Irrweg Sie in der Wirtschaft gegangen sind. Die Zeit erlaubt
es mir nicht, mich weiter damit zu beschäftigen. Ich werde
bei nächster Gelegenheit Veranlassung nehmen, Ihnen einen
Rückblick über die Wirtschaft vom Anfang des Staates
bis heute unter Berücksichtigung der nationalen, kulturellen
und sozialen Verhältnisse zu geben. Ich werde auch den Nachweis
bringen, in welch verkehrtem Systeme Sie wirtschaftlich gearbeitet
haben. Der Herr Finanzminister schreibt sehr oft in ausländischen
Zeitungen Artikel. Er hat unlängst einen sehr interessanten
Artikel in der Londoner Finanzzeitschrift "Europäische
Finanzen" über die Staatsfinanzen der Èechoslovakei
geschrieben und er schließt mit den Worten: "Ich schloß
meinen letzten Bericht vor dem parlamentarischen Ausschusse mit
der Erklärung, daß der Stand der èechoslovakischen
Finanzen ein befriedigender ist. Aber noch bedeutungsvoller ist
es, daß die gegenwärtige Lage die
Keime einer zukünftigen Aufwärtsentwicklung in sich
birgt." Er schloß seine Budgetrede im Hause: "Ich
bin voller Hoffnung für die Zukunft." (Výkøiky
na levici.) Ich bedauere, ich kann mich
diesen Gedankengängen unter keinen Umständen anschließen.
Mein Bild, das ich ungefähr gezeigt habe, sieht ganz anders
aus. Es ist kein Bild des Hasses, aber der rauhen Wirklichkeit.
Mein Bild ist auch nicht rosig und ist auch wahr. Nun steht Wahrheit
gegen Wahrheit und die Zukunft soll lehren, wer recht hat. Jedenfalls
konstatiere ich aus den Erfahrungen, daß wir allgemein wirtschaftlich
unbedingt auf einem absteigenden Aste sind, wirtschaftlich unbedingt
dadurch, weil durch die Maßnahmen, die gegen das deutsche
Wirtschaftsleben als Saugfaktor geführt wurden und werden
gegen alle, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ob Industrien, Handel,
Gewerbe oder Landwirtschaft, die Gesamtwirtschaft im Staate in
Mitleidenschaft gezogen werden muß. Wir gehen dem wirtschaftlichen
Verfall unbedingt entgegen, wenn nicht ein anderes System in dieser
Beziehung eintritt. Wir gehen dem Verfalle unbedingt entgegen,
in dem Momente, wo sich unsere Nachbarn entwickeln. Wir werden
meiner Ansicht nach die Prüfung für normale Verhältnisse
nicht bestehen. Ich sage das eine: Durch Ihr System arbeitet
wirtschaftlich die Zeit gegen uns als Deutsche und gegen Sie als
Èechen, nationalpolitisch arbeitet die Zeit für uns,
aber gegen Sie. Das ist mein Standpunkt ohne Rücksicht auf
die gegenwärtige politische Konstellation ohne Rücksicht
auf den Eintritt der Deutschen in die Regierung. Jedenfalls haben
wir durch Ihr bisheriges Verhalten kein Vertrauen in nationaler
kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht schöpfen können.
Ich komme nun zu den staatlichen Unternehmungen.
Als staatliche Unternehmungen werden angeführt Tabakregie,
Staatslotterie, Münzamt, Post, Telegraphen und Telephon,
Postscheckamt, Staatseisenbahnen, Staatsgüter, Forste usw.
Ich möchte vorweg ein paar Worte über die Rentabilität
dieser Unternehmungen sagen, bzw. fragen, in welchem Maße
sind die Unternehmungen des Staates für die Deckung der Staatsausgaben
in Betracht zu ziehen. Die Unternehmungen des Staates decken nur
12,25% aller Staatsausgaben. Wenn aber bedacht wird, daß
zu dem. Unternehmungen des Staates auch die Tabakregie und die
Staatslotterie gehören, welche allein 1100 Millionen Kronen
abwerfen, daß somit alle anderen Unternehmungen nur etwa
50 Millionen an die Staatskassa abzuführen haben und eigentlich
das Tabalmonopol nur die Form einer Verbrauchssteuer ist, gelangt
man, wie der Finanzminister in seinem Exposé bemerkt, zu
dem Schlusse, daß die staatlichen Unternehmungen mit Ausnahme
des Tabakmonopols und der Staatslotterie für die Deckung
der Staatsausgaben ohne Bedeutung sind. Bei der Eisenbahn und
bei der Post wird der Reingewinn durch die Investitionen aufgezehrt,
die staatlichen Güter und Wälder versprechen einen Ertrag
von 50 Millionen, wovon 16 Millionen entfallen. Die staatlichen
Berg- und Hüttenwerke werden den ganzen erwarteten Reinertrag
für Investitionszwecke verwenden. Die Staatsverwaltung ist
also nahezu zur Gänze auf die Zölle, Gebühren und
Steuern angewiesen. Laut Gesetz Nr. 404 vom 18. Dezember 1922
wurde die Kommerzialisierung der Unternehmen ausgesprochen. Durch
dieses Gesetz sollte die Rückständigkeit und die Unwirtschaftlichkeit
der staatlichen Anstalten, Unternehmungen und Betriebe ausgeschaltet
werden. Es sollte kaufmännischer Geist in sie hineinkommen.
Natürlich sind die Grundprinzipien des kaufmännischen
Geistes, Fleiß, Einfachheit, Elastizität, Zuverläßigkeit,
Anpassungsfähigkeit, Leistungsfähigkeit, Promptheit,
Pünktlichkeit, Schnelligkeit, Solidität, Organisation,
Ökonomisierung, Rationalisierung, Befreiung von Bürokratismus,
Einstellung und Erhaltung tüchtigen, bewährten, geschulten
Personals, Höflichkeit und Entgegenkommen. Diese kaufmännischen
Grundprinzipien, volkswirtschaftlich bei den Unternehmungen verwendet,
müßten unbedingt eine Rentabilität ergeben. Mit
der Einführung der doppelten Buchführung, der Aushebung
des Budgets aus dem allgemeinen Verwaltungsbudget und mit der
Teilung desselben als Betriebs- und Investitionsbudget ist nicht
alles gemacht. Unsere staatlichen Unternehmungen kommen in keinem
vollen Maße ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung nach.
Sie atmen nicht den Geist der Wirtschaftlichkeit, sie sind Ämter,
sie sind Behörden, sie sind Versorgungs- und Èechisierungsanstalten
trotz all den gegenteiligen Behauptungen der Ressortminister.
Erst wurde der Verwaltungsapparat aufgefüllt, alle Zweige
der Verwaltung, besonders Eisenbahn und Post natürlich, es
mußten Dankbarkeitsgefühle, nationale Pflichten erfüllt
werden. Und dann begann man den Abbau einzig und allein ausschließlich
zu Lasten der Deutschen. Der § 128 der Verfassungsurkunde
gewährleistet zwar die volle Gleichberechtigung in jeder
Beziehung auch bezüglich des Eintrittes in den Staatsdienst,
ohne Rücksicht auf die Sprache, was heißt das aber?
Im alten Österreich hatte die Verwaltung ungefähr 432.000
Beamte ohne die Lehrer. Wir hatten am 30. Juni 1924 ohne die Lehrer
342.000 Beamte. Der Bevölkerungsziffer nach hätten uns
Deutschen also ungefähr 89.000 Dienstposten gebührt.
In Wirklichkeit hatten wir ungefähr 54.000. Wenn ich also
10% abrechne, die abgebaut werden sollten, hätten uns immer
noch 72.000 gebührt. In Wirklichkeit aber sind ungefähr
26.000 bis 27.000 Deutsche abgebaut worden und dafür sind
Èechen eingestellt worden.
Besehen Sie sich einmal das Bild, daß
die Bahnen bieten. Die Bahnen hatten vor dem Abbau 164.807 Angestellte
und nach dem Abbau 164.686, das gibt einen Abbau von 201 Mann.
Bei einem Abbau von 26.000 bis 27.000 Leuten! Hier liegt
es doch klar zu Tage. Man hat die Deutschen abgebaut und die Èechen
eingestellt, man hat auch Verschiebungen vorgenommen, wer bei
der Bahn war, ist zur Post gekommen etc. Noch schöner ist
es bei der Post. Im Jahre 1912 gab es in den Gruppen A, C und
D der Postbeamten bei den Direktionsbezirken
Brünn, Prag und Troppau ohne die Unterbeamten und Diener
8808 Beamte. 1924, also vor dem Abbau, 15.034 und 1926 nach dem
Abbau 14.706. Dazu kommen freie Kräfte gegen Taggeld, ungefähr
400 und noch massenhaft Leute gegen Stundengeld. Sie sehen hier
die unbedingte Zunahme.
Ich erlaube mir, hier an den Eisenbahnminister
und Postminister folgende Anfrage zu richten. Sind die beiden
Herren bereit, eine genaue namentliche Statistik der seit dem
Bestand der Republik abgebauten deutschen und èechischen
Beamten bekanntzugeben und ausdrücklich uns zu sagen, wie
die abgebauten èechischen Beamten jetzt verwendet werden?
Diese Umstände müßten alle angeführt werden,
weil erst aus ihnen die Rücksichtslosigkeit zu erkennen ist,
mit welcher man die abgebauten deutschen Beamten
in Not und Elend gestürzt hat. Ich erinnere an den Abbau
genau vor Weihnachten. Es ist so recht ein Beweis, daß in
diese Unternehmungen keinesfalls der Geist des Kaufmanns hineingekommen
ist, denn ein Kaufmann hält mit allen Mitteln an seinem geschulten,
bewährten Personal fest, weil im umgekehrten Falle unbarmherzig
der Teufel sein Geschäft holen müßte. Die Leistungen
sind herabgedrückt worden. Das macht nichts, die Hauptsache
ist die Verfolgung nationaler Zwecke. Die Sprachenfrage geht bei
den Unternehmungen, das ist vorwegzunehmen, vor der eigentlichen
Leistung. Es kommt mir wirklich kindisch vor, wenn jetzt der Herr
Postminister Nosek öffentlich im Budgetausschuß
erklärt, daß die Briefe aus dem Ausland anders behandelt
werden als aus dem Inland, weil man im Inland, wenn man den Namen
auf das Kuvert nicht richtig schreibt, eine böse Absicht
vermutet. (Rùzné výkøiky
na levici.) Die müßte doch erst
bewiesen werden. Stellen Sie sich doch auf der anderen Seite so
viele Briefschreiber vor, die gar keine böse Absicht haben,
dann die bekannten Briefkastengeschichten und alles andere. Es
ist wirklich viel zu kleinlich und ich habe zu wenig Zeit darüber
zu sprechen, aber all das zusammengenommen bildet doch das Kapitel:
Verfolgung des einseitigen nationalen Zweckes. Die notwendige
Betriebsfülhrung kennzeichnet der Finanzminister ganz richtig
mit dem wahren Wort: Leistung für Leistung. Ich würde
sagen: Leistung für Minderleistung, denn wir als Kunden,
als Bezieher, als Inanspruchnehmer der Post, der Bahn etc., wir
müssen unter allen Umständen die Gebühren bezahlen
und werden doch in vielen Fällen schlecht bedient, nicht
mit der vollständigen Leistung entlohnt.