Das, was wir gestern in Prag erlebt haben,
ist nicht ein Einzelfall, es ist vielmehr ein typisches Merkmal
der politischen Zustände, in die wir, wie es scheint, auch
jetzt bei der gemischten Regierung der deutsch-èechischen
Regierung immer tiefer hineinkommen. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických a komunistických
poslancù.) Es ist nicht das erstemal,
daß sich die Polizei in die Versammlungsarbeit des Proletariates
einmengt und sich derartige Handlungen zuschulden kommen läßt,
die längst nicht mehr möglich sein sollten. Ich kann
mich erinnern, daß vor zwei Jahren bei einer Maidemonstration
in Trautenau der überwachende Kommissär erklärte,
eine Tafel dürfe nicht im Zuge getragen werden, auf der zwei
Ziffern des Staatsvoranschlages einander gegenübergestellt
waren, zwei amtliche Ziffern, nämlich die Ziffer, die sich
auf die Aufwendungen für die Kulturbedürfnisse, für
die Volksschulen und die Ziffer, die sich auf die Aufwendungen
für den Militarismus bezieht. Diese Tafel wurde beschlagnahmt.
Damals hat auf meine Einwendungen hin der amtierende Kommissär
erklärt, er habe dazu von Prag den Auftrag. (Výkøiky.
Hluk.) Wir sagen, daß auch die gestrige
Maßnahme von der Zentralbehörde ausgeht, daß
dafür verantwortlich die Männer auf der Regierungsbank
sind, vor allem der Minister des Innern.
Daß wir in jeder Versammlung von Spitzeln
überwacht werden, daß wir keinen Augenblick sicher
davon sind, in unseren Gesprächen belauscht zu werden, (Výkøiky.)
daß wir insbesondere heute ein freies
Wort kaum mehr sprechen können, daß unsere Versammlungen
genau so überwacht werden, wie im alten Österreich,
(Výkøiky.) das
ist eine allgemeine Erscheinung, das ist ein System, das ist die
Methode, mit der man in diesem Staate nunmehr zu regieren beliebt
Von Entösterreicherung ist uns wiederholt gesprochen worden.
Ich glaube, wir brauchen, wenn die Polizei so fortfährt wie
gestern und wenn das Ministerium des Innern zu solchen Handlungen
den Anlaß gibt, nicht allzulange zu warten, und wir können
sagen: "Wir sind entösterreichert, aber wir sind horthysiert!"
Es gibt da Zustände, die eine ausgesprochene Schande für
diesen Staat sind. Wenn man aber glaubt, uns deswegen daran hindern
zu können, daß wir die Wahrheit aussprechen, daß
wir die Gefährlichkeit des Faschismus und die Unmenschlichkeiten
der faschistischen Methoden aufdecken, dann irrt man! Erst recht
werden wir jetzt die Wahrheit verkünden und erst recht werden
wir jetzt darauf verweisen, daß viel ärger als das
Bürgertum in Frankreich das Bürgertum in diesem Staate
in der Beurteilung des Faschismus dasteht. In Frankreicht leben
gegenwärtig hunderttausende Flüchtlinge aus dem gequälten
Italien, meist arme Menschen, meist Arbeiter, kleine Leute, Menschen,
die man aller Habe entblößt hat, denen man alles
ruiniert hat, die man aus dem Lande gejagt hat, die am Leben bedroht
sind, wenn sie in das Heimatland wieder zurückkehren. In
Frankreich haben diese Hunderttausende von Menschen ein Asyl gefunden,
sie leben dort. Die Èechoslovakei aber hat
nichts besseres zu tun, in der Zeit, wo man sich überall
anschickt, daß Mussolinische Italien mit Verachtung zu behandeln,
die es verdient, als zur Ehrenrettung Mussolinis auszurücken.
(Výkøiky.)
Wir wissen sehr wohl, daß das italienische
Volk - und gegen das italienische Volk richtet sich nicht das
Urteil, das in den Versammlungen, die sich mit Mussolini beschäftigen,
ausgesprochen wird - nichts zu tun hat mit den Schandtaten eines
Mussolini, mit dem faschistischen Regimet, daß es in seinen
Empfindungen und politischen Anschauungen nichts zu tun hat damit,
daß der Meuchelmord zu einem politischen Kampfmittel geworden
ist, daß der Mann, der heute als der Diktator von Italien
gefeiert wird, Mitanstifter an der Ermordung Matteottis ist. (Hluk.
- Výkøiky nìm. soc.demokratických
poslancù.) Man möge versuchen
zu verhindern, dies immer wieder als Schande der zivilisierten
Welt festzustellen, man möge das immer wieder versuchen:
man wird aber nicht imstande sein, daß auszulöschen
und die Empfindungen, die uns ergreifen, zu unterdrücken.
Sie werden aber auch nicht aufhalten können den Befreiungskampf,
den das italienische Proletariat trotz allen Gefahren und Bedrohungen
tapfer und leidenschaftlich kämpft. Wenn auch heute seine
Organisationen am Boden liegen, seine besten Männer in den
Kerkern schmachten oder das Land verlassen mußten, verfolgt
werden und heimatslos geworden sind: Die Stunde wird kommen, wo
sich auch dieses System verbraucht haben wird und wo sich die
Menschheit gegen die Befleckung der Kultur durch den Faschismus
wie wir auflehnen wird.
Wir sind es der Bedeutung der Sache, um die
es sich bei unserem Proteste gegen die Zustände in Italien,
gegen die maßlosen Übergriffe der Prager Polizei und
gegen das Vorgehen des Innenministeriums handelt, schuldig, daß
wir jetzt nicht über Einzelheiten des Budgets sprechen. Was
wir verlangen und auch in einer Interpellation an die Regierung
fordern, ist, daß der Minister des Innern im Hause erscheint.
(Výkøiky nìm. soc.-demokratických
poslancù.) Er soll uns erklären, ob Mussolini
und seine gedungenen Trabanten berechtigt sind, von der Èechoslovakei
zu verlangen, daß ihre Behörden Versammlungen unterdrücken,
in denen dem italienischen Proletariat unsere Solidarität
ausgesprochen werden soll. (Trvalé výkøiky
nìm. soc.-demokratických a komunistických
poslancù. - Hluk.) Er gehört
hierher ins Haus, um Auskunft zu geben, denn es kann auch der
Regierung nicht gleichgiltig sein, ob ihre Schande in die Welt
hinausgetragen wird, es müßte ihr vielmehr daran liegen
die Ehre des Staates zu sichern und wahrzunehmen. Es müßte
auch Ihnen daran liegen zu zeigen, daß man hier nicht der
Hausknecht Mussolinis ist. (Rùzné výkøiky.)
Kommt der Minister des Innern nicht ins
Haus und gibt er nicht Auskunft, was wahrscheinlich ist, dann
wissen wir, wie wir daran sind, dann wissen wir, was uns unter
Umständen in diesem Staate drohen kann, dann wissen wir aber
auch, daß wir dagegen rechtzeitig alle Kräfte in Bewegung
setzen müssen, um uns vor dem Schicksaal zu bewahren, unter
dem das italienische Proletariat heute seufzt. (Souhlas
a potlesk nìm. sociálnì-demokratických
a komunistických poslancù.)
Hohes Haus! Wenn die deutsche christlichsoziale
Volkspartei für das vorliegende Budget stimmt, so bekundet
sie damit nicht etwa, daß alle Posten des Budgets ihren
Beifall und ihre Anerkennung finden. Im Gegenteil, das vorliegende
Budget läßt noch viel Raum für unerfüllte
Forderungen und berechtigte Wünsche. Ich bin mir bewußt,
daß ein Budget, das von einer Regierungsmehrheit vorgelegt
wird, deren Interessen nicht immer die gleichen sind, die infolge
ihrer sozialen und nationalen Unterschiede verschiedene Interessen
hat, kaum jemals alle Parteien wird befriedigen können. Das
Budget einer solchen Regierung wird immer die Folge eines Kompromisses
sein müssen und auf dem Kompromißwege zustande kommen.
Daß dieses Kompromiß sich in einer für unser
deutsches Volk günstigen Weise auswirke, das war die Veranlassung
unserer Mitarbeit und Teilnahme an der Regierung.
Wohl kaum ein anderes Gebiet als das unserer
Volkswirtschaft bedarf so sehr einer wohl überlegten vorausschauenden
Fürsorge des Staates. Denn auf unserer Volkswirtschaft beruht
das ganze Budget. Die jetzige Krise, falls ihr nicht Einhalt geboten
wird oder falls sie sich noch weiter in den bisher eingeschlagenen
Wegen auswirken wird, wäre imstande, auch das beste und wohlfundierteste
Budget zu stürzen, da die vorhergesehenen Einnahmen unmöglich
gemacht werden und außerordentliche Hilfsmaßnahmen
infolge der Verelendung der Arbeitermassen das budgetäre
Gleichgewicht stark ins Wanken bringen könnten. Die Wirtschaftskrise
ist eine allgemeine europäische Erscheinung. Sie ist begründet
in der unsinnigen Zerschlagung der großen Wirtschaftsgebiete,
die durch Jahrhunderte lange Gewöhnung zu einer wirtschaftlichen
Einheit zusammenwuchsen und den Charakter des Handels- und der
Industrie, ebenso auch Ort und Gegend ihrer Siedlungen und Niederlassungen
bestimmten. Die Folgen der Zerschlagung der Wirtschaftsgebiete
und die Errichtung einer Art wirtschaftlicher Schrebergärtnerei
ist der Verlust der Absatzgebiete namentlich dieses Staates. Gerade
unser Staat leidet dadurch am allerschwersten, weil er mit einem
Übermaß von Industrie begabt ist, die auf größere
Absatzgebiete, als uns jetzt zur Verfügung stehen,
eingestellt ist. Neben dieser allgemeinen Krise können wir
von einer speziellen èechoslovakischen Krise sprechen,
die begründet ist in den Handlungen und Unterlassungen der
jeweiligen Regierungen, der maßgebenden Faktoren unserer
Außen- und Handelspolitik und die hauptsächliich
ihren Grund in den ungeregelten Handelsverhältnissen mit
unseren konsumkräftigen Nachbarn hat.
Es ist richtig, die èechoslovakische Außenpolitik
hat es verstanden, sich in der Welt einen Namen zu machen und
sich im Rate der Völker einen bedeutenden
Platz zu sichern. Ehre und Anerkennung sind den Trägern dieser
Politik zuteil geworden, freilich Ehre und Anerkennung hauptsächlich
für die Träger dieser Politik, die zwar den persönlichen
Ehrgeiz bedeutend befriedigen können, auch die persönliche
Eitelkeit der Leiter dieser Politik, die aber leider Gottes keine
greifbaren Auswirkungen auf dem Gebiete der Staatswirtschaft brachten
und namentlich auf dem Gebiete der Volkswirtschaft ohne jedes
Echo geblieben sind. Es ist im Verlaufe der Budgetdebatte mehrmals
auf die hohen Kosten unserer Auslandsvertretung hingewiesen worden,
Kosten, die zur Größe des Staates in keinem richtigen
Verhältnis stehen. Ich würde diese Kosten für berechtigt
halten, wenn diese Auslandsvertretungen ihre Aufgabe nicht darin
erblickten, eine kostspielige und überflüssige Propagande
und Reklame für den Staat zu entfalten und dem Auslande mit
aller Gewalt falsche Anschauungen über die hiesigen Verhältnisse
beizubringen, sondern wenn sie Wegbereiter für unser Wirtschaftsleben
wären. Da jedoch die tatsächlichen Verhältnisse
die Führung einer kostspieligen Großmachtpolitik verwehren,
so wären diese Kräfte vor allem der Volkswirtschaft
dienstbar zu machen. Daß unsere Auslandsvertretungen in
Anbahnung von wirtschaftlichen Beziehungen eine glückliche
oder auch nur regsame Hand hätten, wird kein Kundiger zu
behaupten wagen.
Ich verweise hier vor allem auf Frankreich.
Frankreich, das zu den hauptsächlichsten Bewunderern und
Nutznießern der Außenpolitik dieses Staates gehört,
behandelt uns handelspolitisch direkt als Feinde. Der französische
Zolltarif tötet geradezu unsere Ausfuhr nach Frankreich,
und unsere Textilindustrie, die sonst in Frankreich ein dankbares
Absatzgebiet fand, stößt auf unübersteigliche
Zollmauern. Dabei behandelt Frankreich den èechoslovakischen
Staat außerordentlich schlecht im Gegensatz zu den übrigen
Staaten Europas, denen es zumeist die Meistbegünstigung gewährt
hat. Und es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß sich Deutschland
wahrscheinlich viel eher einen Handelsvertrag
auf Grund der Meistbegünstigung mit Frankreich erringen wird
als die verbündete und befreundete Èechoslovakische
Republik.
Als vor einiger Zeit Österreich das Zusatzabkommen
zum Zolltarife kündigte und kritisierende Stimmen sich erhoben
und auf Unterlassungen des Handelsministeriums hinwiesen, wurde
öffentlich bekanntgegeben, daß der schleppende Gang
der Handelsvertragsverhandlungen zum großen Teile auf technischen
Schwierigkeiten beruhe, da es an dem notwendigen Personal fehle.
Wenn irgendeinmal im Staatsbetriebe Sparsamkeit unangebracht und
schädlich war, so ist es auf diesem Gebiete, denn unsere
gesamte Industrie und Wirtschaft hat ein ungeheures Interesse
daran, daß die ungeregelten Verhältnisse mit unseren
Nachbarn baldigst einer befriedigenden Regelung zugeführt
werden. Seit Jänner schon schweben Handelsvertragsverhandlungen
mit dem Deutschen Reiche. Es muß zugegeben werden, daß
diese Verhandlungen wegen der Gleichartigkeit der industriellen
Interessen auf besondere Schwierigkeiten stoßen. Und doch
sind sie für unsere Volkswirtschaft von allergrößter
Bedeutung, weil ja von unserer Gesamteinfuhr 30% und von der Gesamtausfuhr
23% auf Deutschland entfallen. Die Einfuhr aus Deutschland betrug
im Jahre 1925 2,486.000 Tonnen und 57.000 Stück im
Werte von 5.497,000.000 Kè, unsere Ausfuhr dagegen 6,193.000
Tonnen und 528.000 Stück im Werte von 4.223,000.000 Kè.
Diese imposanten Zahlen haben allerdings unterdessen bedeutende
Rückschläge erlitten, unser gesamter Handel mit Deutschland
weist einen bedenklichen Rückgang
auf. In den ersten drei Quartalen des Jahres 1926 betrugen diese
Posten 1,476.000 Tonnen und 2.341,000.000 Kè in der Einfuhr
und 3,272.000 Tonnen und 2.183 Millionen Kè in der Ausfuhr.
Diese Zahlen zeigen deutlich, daß unsere
Industrie an der Belebung des Handelsverkehrs mit Deutschland
das erste und wichtigste Interesse hat.
Mit größter Erwartung blickt unsere
Industrie auf die Verhandlungen mit Ungarn, mit welchem Lande
wir in einer Art politischer Feindschaft lebten, die sich namentlich
in autonomen Zollsätzen auf handelspolitischem Gebiet schädigend
für unsere Industrie auswirkte, so daß wir einen großen
Teil des ungarischen Marktes verloren haben, weil Ungarn den übrigen
Staaten Europas bedeutend bessere Einfuhrbedingungen stellte
als für Waren aus der Èechoslovakei. Infolge des Pressionsmittels
der Agrarzölle wurde in Sommer dieses Jahres ein Handelsprovisorium
erreicht, das uns allerdings auch den Vorzug der Meistbegünstigung
sichert. Leider ist dieses Handelsprovisorium
mit 1. Jänner 1927 begrenzt. Angesichts des Umstandes, daß
ein Zehntel unserer Gesamteinfuhr nach Ungarn geht, wobei die
Hälfte auf Textilien entfällt, ist es von größter
Wichtigkeit, daß dieses Provisorium sich in einen dauernden
Handelsvertrag verwandle. Dabei ist es natürlich Voraussetzung,
daß nicht seitens unserer Außenpolitik unnötige
Reizungen des politischen und Nationalgefühls des ungarischen
Staates vorkommen, wodurch der freundliche Abschluß eines
Vertrages erschwert und gestört wird.
Unsere Handelsbilanz mit Österreich ist
zwar derzeit noch aktiv, allein die Ausfuhr nach Österreich
ist im ständigen Sinken begriffen, während die Einfuhr
aus Österreich ständig im Steigen begriffen ist. Daher
hat Österreich an einer zolltarifarischen Regelung seines
Verhältnisses zur Èechoslovakei das größte
Interesse, da ja dieser Staat in Bezug auf die Ausfuhr an zweiter
Stelle, gleich nach Deutschland, steht. Es wird sich bei den Verhandlungen
mit Österreich nicht so sehr um die Errichtung neuer Zollmauern
als vielmehr um eine gegenseitige Ermäßigung
jener Zölle handeln, an welchen beide Vertragsteile ein berechtigtes
Interesse haben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Regelung
unserer Handelsverhältnisse ist die tatsächliche Herstellung
der Handelsfreiheit. Die Aufhebung der verschiedenen Beschränkungen
für Ein- und Ausfuhr ist eine dringende Notwendigkeit. Die
hohen Schutzzölle gewährleisten der heimischen Produktion
einen derartigen Schutz, daß Maßnahmen, die dem alten
Zunftgedanken entsprungen sind, überflüssig sind. Daher
ist die Forderung der gesamten Volkswirtschaft nach einem raschen
Abbau des allgemeinen Bewilligungsverfahrens vollkommen berechtigt,
schon deshalb, weil gerade das Bewilligungsverfahren nur allzuviel
Raum für die individuelle Behandlung der einzelnen Ansuchenden
gibt. Hand in Hand damit muß gehen die Aufhebung der Beschränkungen
im Grenzverkehr. Der heutige Paß- und Visumzwang hat sich
geradezu zu einem sadistischen Betätigungsfelde der Bürokratie
ausgewachsen und stört den Handel und Verkehr in empfindlichster
Weise, daß hiebei aus der Visumzwang zu einem Eintreibungsmittel
für die Steuerämter gemacht wird, ist geradezu eine
perverse Ausartung. Es ist geradezu widersinnig, in jedem Geschäftsmann,
der im Inlande ein wohlfundiertes Unternehmen besitzt und dessen
Betrieb trotz der Auslandsreise ungestört weiter geht, einen
Steuerflüchtling zu sehen, der mit den schärfsten Mitteln
zur Bezahlung der Steuern, deren Höhe ihm gewöhnlich
noch unbekannt ist, gezwungen werden muß. Zu einer wahren
Chikane wachsen sich die Bestimmungen im kleinen Grenzverkehr
aus und sind imstande, den Fremdenverkehr auf das empfindlichste
zu schädigen. Viele Grenzgebiete, namentlich das Elbesandsteingebiet,
sind auf den Grenzverkehr direkt angewiesen und finden ihren Lebensunterhalt
und ihren Erwerb darin. Die Bestimmungen über den kleinen
Grenzverkehr stören den Fremdenverkehr und unterbinden ihn
vollständig, so daß wir eine förmliche Grenzsperre
gegen Sachsen aufzuweisen haben. Das Gesetz über die Einhebung
von Gebühren für Amtshandlungen hat es so weit
gebracht, daß für eine kleine Grenzüberschreitung
in einem ganz eng begrenzten Rayon der Betrag von 13 Kè
erlegt werden muss, was selbstverständlich den Zustrom größerer
Massen in unser Gebiet vollkommen unmöglich macht.
Außerdem ist die Grenzpolizei namentlich im politischen
Bezirk Tetschen-Bodenbach bemüht, infolge rigoroser Behandlung
der einzelnen Übertretungsfälle jedem den Aufenthalt
zu verleiden, da bei Überschreitung selbst weniger Schritte
des Kilometergebietes sofort strengste Strafen verhängt werden.
Da wird es sich so mancher Ausländer überlegen, ob er
eine derartig gastliche Stätte überhaupt aufsuchen soll,
wo er immer Gefahr läuft, mit der Grenzpolizei in Konflikt
zu kommen.
Es muß zugegeben werden, daß auf
dem Gebiete des Eisenbahnverkehres verschiedene Anstrengungen
gemacht werden, berechtigten Verkehrswünschen entgegenzukommen
und sie zu befriedigen. Bei dieser Gelegenheit muß ich allerdings
auf ein Gebiet hinweisen, das von dieser Verkehrsfürsorge
fast ausgenommen worden ist, nämlich das nördliche Böhmen,
die Gebiete der politischen Bezirksverwaltungen Schluckenau, Rumburg
und Warnsdorf, Städte von ungeheurer industrieller Bedeutung,
die aber eine vollkommen unzulängliche Verbindung mit dem
Elbetal und fast keine Verbindung unter einander besitzen. Die
große Menschenfalle, der Bahnhof von Kreibitz, spricht allen
Verkehrsverhältnissen geradezu Hohn. Es ist förmlich
ein Wunder, daß die Unfallschronik nicht ständig den
Namen Kreibitz zu nennen gezwungen ist. Es ist nur zu begreiflich,
daß sich die von diesem Verkehrselend betroffenen Gebiete
bemühen, im Wege der Selbsthilfe genügend Verkehrsmittel
zu verschaffen, u. zw. durch Einführung von gut funktionierenden
Autolinien. In diesem Bestreben wurden sie allerdings empfindlich
gestört durch den Einspruch des Eisenbahnministeriums, welches
in den Autolinien eine bedeutende Konkurrenz sieht und hievon
eine Schmälerung der Einnahmen befürchtet, wohl nicht
mit Unrecht. Aber falsch ist der Weg, die Konkurrenz eines besseren
und billigeren Verkehrsmittels im Wege des Verbotes auszuschalten.
Die Eisenbahnverwaltung soll im Gegenteil bemüht sein, die
Konkurrenz durch erhöhte Tüchtigkeit, durch erhöhte
Leistungsfähigkeit der Bahnen, durch größere Beweglichkeit
in Gütertransport u. s. w., aufzunehmen. Es wäre rückschrittlich,
neuere und bessere Verkehrsmittel nur deshalb auszuschalten, weil
die Eisenbahnverwaltung den neuen Anforderungen nicht genügen
und mit der fortschreitenden Entwicklung nicht Schritt zu halten
vermag. Die Steigerung der Einnahmen der Etsenbahnverwaltung kann
nur auf dem Wege herbeigeführt werden, daß die wirtschaftlichen
Betriebe des Staates, sowohl Eisenbahn als Post, in jenen Personen,
die diese Betriebe in Anspruch nehmen, vor allem Geschäftskunden
erblicken und nicht etwa nur Objekte zu geeigneten Amtshandlungen.
Bahn und Post sind Geschäftsunternehmungen, und diejenigen,
die sie benützen, sind Kunden und in diesem Sinne sollen
sie auch betrachtet und behandelt werden. Es ist leider keine
vereinzelte Erscheinung, daß namentlich jugendliche Angestellte
bei Post und Eisenbahn sich nur als Beamte fühlen und den
Amtscharakter bei jeder Gelegenheit zur Geltung bringen, ja vor
allem in sich den Drang spüren, daß Publikum vorerst
einmal an den Gebrauch der Staatssprache zu gewöhnen und
das Publikum dazu zu erziehen, auch wenn es zum Schaden des Betriebes
gereicht. Wie wenig auf die Wirtschaftlichkeit dieser Betriebe
Rücksicht genommen wird, zeigt der Umstand, daß oftmals
in deutschen Städten, deren Privattelephonverkehr zu mehr
als 90% in deutscher Sprache geführt wird, Telephonbeamte
und Beamtinnen entsendet werden, die nicht imstande sind, sich
auch nur mit einem Wort mit der einheimischen Bevölkerung
zu verständigen. Bei dieser Gelegenheit möchte auf einen
Übelstand hinweisen, der besonders kraß ist auf den
sogenannten Telephontarif. Wir haben einen Tarif für interurbane
Gespräche und wenn heute jemand eine Telephonstelle einrichtet,
bekommt er diesen Tarif als ein Offert der Postverwaltung mit
zugestellt. Nun sind das aber Tarife, zu denen ein Telephongespräch
nicht geführt werden kann, weil bei der Rückständigkeit
unseres ganzen Telephonnetzes ein Gespräch mit normalen Tarifsätzen
niemals zu erreichen ist und jeder Abonnent auf die dringende
Gebühr aufmerksam gemacht wird. Es ist eine Forderung kaufmännischen
Anstandes, daß das von der Postverwaltung im Tarifverzeichnis
gemachte Offert auch tatsächlich den einzelnen Abonnenten
gegenüber eingehalten wird.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf
einen besonderen Übelstand unserer Bahnhöfe hinweisen,
nämlich auf die Zufahrstraßen zu den Bahnhöfen,
soweit sie sich im Besitz der Bahnverwaltung befinden. Die einzelnen
Städte haben, obwohl in wirtschaftlicher Not sich in hervorragender
Weise bemüht ihre Straßenzufahrten halbwegs in Ordnung
zu bringen, sie zu pflastern und sie dem modernen Verkehr halbwegs
anzupassen. An diesem Bestreben hat die Bahnverwaltung aber nirgends
teilgenommen und es ist geradezu eine Schande, wenn man von den
wohlgepflegten Gemeindestraßen das Gebiet der Bahnhofstraßen
betritt, soweit sie in der Verwaltung der Eisenbahnen sind. Die
Bahnverwaltung ist zwar ängstlich bemüht, ihr Eigentumsrecht
an diesen Straßen peinlichst zu wahren, leider Gottes meist
nur in der Weise, daß sie gut aufpaßt, daß sich
nicht etwa auf dem Straßenrand einmal eine deutsche Aufschrift
finde. Aber die Fahrbarkeit der Straßen liegt ihr weniger
am Herzen, und wir können in Städten wie Tetschen, Rumburg
und Bodenbach, die sonst sehr gut gepflegte Straßen haben,
geradezu von einem Straßenskandal sprechen, soweit es sich
um solche Bahnhofstraßen der Bahnverwaltung handelt.
Einer Gepflogenheit der meisten Redner der
Budgetdebatte folgend, will ich mich noch mit einem Gegenstand
befassen, der nicht so sehr zur vorliegenden Mater gehört,
der aber doch zur Belebung der Budgetdebatte wesentlich beigetragen
hat, nämlich mit der Koburg-Affäre. Vorausschickend
möchte ich betonen, daß die deutschen Christlichsozialen
an der Koburg-Affäre und an der lex Cyrill weder direkt noch
indirekt interessiert sind. Wir waren nicht beteiligt am Zustandekommen
dieses Gesetzes, wir sind nicht interessiert an den Vergünstigungen,
die Einzelnen dadurch erwachsen sind, wir sind auch nicht interessiert
an der politischen Ausschlachtung dieses Falles und seiner Benützung
zu Reklame- und Agitationszwecken. Interessiert sind wir nur in
dem Maße, das wir den Wunsch hegen und die Forderung aufstellen,
daß das Recht seinen ungehemmten Lauf nehme und daß
alle Schuldigen in diesem Falle vor dem Strafrichter ihre Verurteilung
erfahren. (Posl. Schweichhart: Nun, das können Sie ja
leicht durchsetzen!) Wir werden den Finger schon darauf legen.
Die lex Cyrill als solche, so ungeheuerlich sie ist, ist nicht
etwa eine vereinzelte Erscheinung. Der Geist, der die lex Cyrill
geschaffen hat, schuf auch andere Gesetze, die ebenso wie die
lex Cyrill der Beeinträchtigung der Rechte und des Vermögens
einzelner Staatsbürger gewidmet waren. Derselbe Geist, der
die lex Cyrill schuf, schuf auch eine Reihe anderer Gesetze, auch
die Bodenverteilung führte er durch. Die lex Cyrill ist nur
ein kleiner Teil aus der gesamten Summe dieser Gesetze, die mit
der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz einzelner geendet
haben. In der Atmosphäre des Bodenamtes konnte der Konzern
des Dr. Eisler gedeihen, in dieser Atmosphäre nur konnte
der persönliche Schacher zu einer Art Staatseinrichtung gemacht
werden, in dieser Atmosphäre konnten auch diese Hyänen,
die um Eisler sich sammelten, leben. Und, meine Herren, es ist
nicht der einzige Konzern, der den Dr. Eisler geführt hat.
Auf diesem Boden in Prag leben noch mehrere solcher Konzerne und
die Koburg-Millionen sind nicht die einzigen, die in die Taschen
dieser Freibeuter gewandert sind. Scham und Zurückhaltung
verhindern viele Kreise, die die Opfer dieser Ausbeutung geworden
sind, heute die Summen zu nennen, die sie an diese politischen
Geschäftemacher verloren haben. Eine große Zahl von
Leuten lebt in Prag davon, wirkliche oder auch nur vorgespiegelte
politische Beziehungen in Geld umzuwandeln und Hilfesuchende auszubeuten.
Es wird notwendig sein, diesen Sumpfexistenzen auf dem Prager
Boden die Lebensmöglichkeit zu entziehen. In allen Staaten
ist das Schiebertum des Umsturzes allmählich schon ausgerottet
worden durch eine gewisse Konsolidierung der wirtschaftlichen
Verhältnisse, leider ist es durch die bisher betriebene Politik
möglich gewesen, daß auf dem Prager Boden sich diese
Schieberexistenzen, diese Umsturzhyänen, noch ungestört
ihr Leben und Treiben weiterführen können. Um diese
Verhältnisse unmöglich zu machen, ist es notwendig,
eine klare scharfumgrenzte Politik zu treiben, die die Erfüllung
von Forderungen und Wünschen nicht abhängig macht von
persönlichen Stimmungen, nicht abhängig macht von chauvinistischen
Einflüssen, sondern lediglich von der Berechtigung dieser
Wünsche, und eine Politik, die vor allem Verwaltung und Geschäft
sauber zu trennen weiß. In diesem Sinne wollen wir zur Reinigung
des politischen Lebens mitarbeiten, wollen wir mitarbeiten zur
Gesundung unseres wirtschaftlichen Lebens und zum Vorteil unseres
deutschen Volkes, das gerade aus dieser Politik bisher den schwersten
Schaden erlitten hat. (Potlesk.)