Pátek 26. listopadu 1926

Das, was wir gestern in Prag erlebt haben, ist nicht ein Einzelfall, es ist vielmehr ein typisches Merkmal der politischen Zustände, in die wir, wie es scheint, auch jetzt bei der gemischten Regierung der deutsch-èechischen Regierung immer tiefer hineinkommen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických a komunistických poslancù.) Es ist nicht das erstemal, daß sich die Polizei in die Versammlungsarbeit des Proletariates einmengt und sich derartige Handlungen zuschulden kommen läßt, die längst nicht mehr möglich sein sollten. Ich kann mich erinnern, daß vor zwei Jahren bei einer Maidemonstration in Trautenau der überwachende Kommissär erklärte, eine Tafel dürfe nicht im Zuge getragen werden, auf der zwei Ziffern des Staatsvoranschlages einander gegenübergestellt waren, zwei amtliche Ziffern, nämlich die Ziffer, die sich auf die Aufwendungen für die Kulturbedürfnisse, für die Volksschulen und die Ziffer, die sich auf die Aufwendungen für den Militarismus bezieht. Diese Tafel wurde beschlagnahmt. Damals hat auf meine Einwendungen hin der amtierende Kommissär erklärt, er habe dazu von Prag den Auftrag. (Výkøiky. Hluk.) Wir sagen, daß auch die gestrige Maßnahme von der Zentralbehörde ausgeht, daß dafür verantwortlich die Männer auf der Regierungsbank sind, vor allem der Minister des Innern.

Daß wir in jeder Versammlung von Spitzeln überwacht werden, daß wir keinen Augenblick sicher davon sind, in unseren Gesprächen belauscht zu werden, (Výkøiky.) daß wir insbesondere heute ein freies Wort kaum mehr sprechen können, daß unsere Versammlungen genau so überwacht werden, wie im alten Österreich, (Výkøiky.) das ist eine allgemeine Erscheinung, das ist ein System, das ist die Methode, mit der man in diesem Staate nunmehr zu regieren beliebt Von Entösterreicherung ist uns wiederholt gesprochen worden. Ich glaube, wir brauchen, wenn die Polizei so fortfährt wie gestern und wenn das Ministerium des Innern zu solchen Handlungen den Anlaß gibt, nicht allzulange zu warten, und wir können sagen: "Wir sind entösterreichert, aber wir sind horthysiert!" Es gibt da Zustände, die eine ausgesprochene Schande für diesen Staat sind. Wenn man aber glaubt, uns deswegen daran hindern zu können, daß wir die Wahrheit aussprechen, daß wir die Gefährlichkeit des Faschismus und die Unmenschlichkeiten der faschistischen Methoden aufdecken, dann irrt man! Erst recht werden wir jetzt die Wahrheit verkünden und erst recht werden wir jetzt darauf verweisen, daß viel ärger als das Bürgertum in Frankreich das Bürgertum in diesem Staate in der Beurteilung des Faschismus dasteht. In Frankreicht leben gegenwärtig hunderttausende Flüchtlinge aus dem gequälten Italien, meist arme Menschen, meist Arbeiter, kleine Leute, Menschen, die man aller Habe entblößt hat, denen man alles ruiniert hat, die man aus dem Lande gejagt hat, die am Leben bedroht sind, wenn sie in das Heimatland wieder zurückkehren. In Frankreich haben diese Hunderttausende von Menschen ein Asyl gefunden, sie leben dort. Die Èechoslovakei aber hat nichts besseres zu tun, in der Zeit, wo man sich überall anschickt, daß Mussolinische Italien mit Verachtung zu behandeln, die es verdient, als zur Ehrenrettung Mussolinis auszurücken. (Výkøiky.)

Wir wissen sehr wohl, daß das italienische Volk - und gegen das italienische Volk richtet sich nicht das Urteil, das in den Versammlungen, die sich mit Mussolini beschäftigen, ausgesprochen wird - nichts zu tun hat mit den Schandtaten eines Mussolini, mit dem faschistischen Regimet, daß es in seinen Empfindungen und politischen Anschauungen nichts zu tun hat damit, daß der Meuchelmord zu einem politischen Kampfmittel geworden ist, daß der Mann, der heute als der Diktator von Italien gefeiert wird, Mitanstifter an der Ermordung Matteottis ist. (Hluk. - Výkøiky nìm. soc.demokratických poslancù.) Man möge versuchen zu verhindern, dies immer wieder als Schande der zivilisierten Welt festzustellen, man möge das immer wieder versuchen: man wird aber nicht imstande sein, daß auszulöschen und die Empfindungen, die uns ergreifen, zu unterdrücken. Sie werden aber auch nicht aufhalten können den Befreiungskampf, den das italienische Proletariat trotz allen Gefahren und Bedrohungen tapfer und leidenschaftlich kämpft. Wenn auch heute seine Organisationen am Boden liegen, seine besten Männer in den Kerkern schmachten oder das Land verlassen mußten, verfolgt werden und heimatslos geworden sind: Die Stunde wird kommen, wo sich auch dieses System verbraucht haben wird und wo sich die Menschheit gegen die Befleckung der Kultur durch den Faschismus wie wir auflehnen wird.

Wir sind es der Bedeutung der Sache, um die es sich bei unserem Proteste gegen die Zustände in Italien, gegen die maßlosen Übergriffe der Prager Polizei und gegen das Vorgehen des Innenministeriums handelt, schuldig, daß wir jetzt nicht über Einzelheiten des Budgets sprechen. Was wir verlangen und auch in einer Interpellation an die Regierung fordern, ist, daß der Minister des Innern im Hause erscheint. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.) Er soll uns erklären, ob Mussolini und seine gedungenen Trabanten berechtigt sind, von der Èechoslovakei zu verlangen, daß ihre Behörden Versammlungen unterdrücken, in denen dem italienischen Proletariat unsere Solidarität ausgesprochen werden soll. (Trvalé výkøiky nìm. soc.-demokratických a komunistických poslancù. - Hluk.) Er gehört hierher ins Haus, um Auskunft zu geben, denn es kann auch der Regierung nicht gleichgiltig sein, ob ihre Schande in die Welt hinausgetragen wird, es müßte ihr vielmehr daran liegen die Ehre des Staates zu sichern und wahrzunehmen. Es müßte auch Ihnen daran liegen zu zeigen, daß man hier nicht der Hausknecht Mussolinis ist. (Rùzné výkøiky.) Kommt der Minister des Innern nicht ins Haus und gibt er nicht Auskunft, was wahrscheinlich ist, dann wissen wir, wie wir daran sind, dann wissen wir, was uns unter Umständen in diesem Staate drohen kann, dann wissen wir aber auch, daß wir dagegen rechtzeitig alle Kräfte in Bewegung setzen müssen, um uns vor dem Schicksaal zu bewahren, unter dem das italienische Proletariat heute seufzt. (Souhlas a potlesk nìm. sociálnì-demokratických a komunistických poslancù.)

4. Øeè posl. Krumpeho (viz str. 945 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wenn die deutsche christlichsoziale Volkspartei für das vorliegende Budget stimmt, so bekundet sie damit nicht etwa, daß alle Posten des Budgets ihren Beifall und ihre Anerkennung finden. Im Gegenteil, das vorliegende Budget läßt noch viel Raum für unerfüllte Forderungen und berechtigte Wünsche. Ich bin mir bewußt, daß ein Budget, das von einer Regierungsmehrheit vorgelegt wird, deren Interessen nicht immer die gleichen sind, die infolge ihrer sozialen und nationalen Unterschiede verschiedene Interessen hat, kaum jemals alle Parteien wird befriedigen können. Das Budget einer solchen Regierung wird immer die Folge eines Kompromisses sein müssen und auf dem Kompromißwege zustande kommen. Daß dieses Kompromiß sich in einer für unser deutsches Volk günstigen Weise auswirke, das war die Veranlassung unserer Mitarbeit und Teilnahme an der Regierung.

Wohl kaum ein anderes Gebiet als das unserer Volkswirtschaft bedarf so sehr einer wohl überlegten vorausschauenden Fürsorge des Staates. Denn auf unserer Volkswirtschaft beruht das ganze Budget. Die jetzige Krise, falls ihr nicht Einhalt geboten wird oder falls sie sich noch weiter in den bisher eingeschlagenen Wegen auswirken wird, wäre imstande, auch das beste und wohlfundierteste Budget zu stürzen, da die vorhergesehenen Einnahmen unmöglich gemacht werden und außerordentliche Hilfsmaßnahmen infolge der Verelendung der Arbeitermassen das budgetäre Gleichgewicht stark ins Wanken bringen könnten. Die Wirtschaftskrise ist eine allgemeine europäische Erscheinung. Sie ist begründet in der unsinnigen Zerschlagung der großen Wirtschaftsgebiete, die durch Jahrhunderte lange Gewöhnung zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenwuchsen und den Charakter des Handels- und der Industrie, ebenso auch Ort und Gegend ihrer Siedlungen und Niederlassungen bestimmten. Die Folgen der Zerschlagung der Wirtschaftsgebiete und die Errichtung einer Art wirtschaftlicher Schrebergärtnerei ist der Verlust der Absatzgebiete namentlich dieses Staates. Gerade unser Staat leidet dadurch am allerschwersten, weil er mit einem Übermaß von Industrie begabt ist, die auf größere Absatzgebiete, als uns jetzt zur Verfügung stehen, eingestellt ist. Neben dieser allgemeinen Krise können wir von einer speziellen èechoslovakischen Krise sprechen, die begründet ist in den Handlungen und Unterlassungen der jeweiligen Regierungen, der maßgebenden Faktoren unserer Außen- und Handelspolitik und die hauptsächliich ihren Grund in den ungeregelten Handelsverhältnissen mit unseren konsumkräftigen Nachbarn hat.

Es ist richtig, die èechoslovakische Außenpolitik hat es verstanden, sich in der Welt einen Namen zu machen und sich im Rate der Völker einen bedeutenden Platz zu sichern. Ehre und Anerkennung sind den Trägern dieser Politik zuteil geworden, freilich Ehre und Anerkennung hauptsächlich für die Träger dieser Politik, die zwar den persönlichen Ehrgeiz bedeutend befriedigen können, auch die persönliche Eitelkeit der Leiter dieser Politik, die aber leider Gottes keine greifbaren Auswirkungen auf dem Gebiete der Staatswirtschaft brachten und namentlich auf dem Gebiete der Volkswirtschaft ohne jedes Echo geblieben sind. Es ist im Verlaufe der Budgetdebatte mehrmals auf die hohen Kosten unserer Auslandsvertretung hingewiesen worden, Kosten, die zur Größe des Staates in keinem richtigen Verhältnis stehen. Ich würde diese Kosten für berechtigt halten, wenn diese Auslandsvertretungen ihre Aufgabe nicht darin erblickten, eine kostspielige und überflüssige Propagande und Reklame für den Staat zu entfalten und dem Auslande mit aller Gewalt falsche Anschauungen über die hiesigen Verhältnisse beizubringen, sondern wenn sie Wegbereiter für unser Wirtschaftsleben wären. Da jedoch die tatsächlichen Verhältnisse die Führung einer kostspieligen Großmachtpolitik verwehren, so wären diese Kräfte vor allem der Volkswirtschaft dienstbar zu machen. Daß unsere Auslandsvertretungen in Anbahnung von wirtschaftlichen Beziehungen eine glückliche oder auch nur regsame Hand hätten, wird kein Kundiger zu behaupten wagen.

Ich verweise hier vor allem auf Frankreich. Frankreich, das zu den hauptsächlichsten Bewunderern und Nutznießern der Außenpolitik dieses Staates gehört, behandelt uns handelspolitisch direkt als Feinde. Der französische Zolltarif tötet geradezu unsere Ausfuhr nach Frankreich, und unsere Textilindustrie, die sonst in Frankreich ein dankbares Absatzgebiet fand, stößt auf unübersteigliche Zollmauern. Dabei behandelt Frankreich den èechoslovakischen Staat außerordentlich schlecht im Gegensatz zu den übrigen Staaten Europas, denen es zumeist die Meistbegünstigung gewährt hat. Und es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß sich Deutschland wahrscheinlich viel eher einen Handelsvertrag auf Grund der Meistbegünstigung mit Frankreich erringen wird als die verbündete und befreundete Èechoslovakische Republik.

Als vor einiger Zeit Österreich das Zusatzabkommen zum Zolltarife kündigte und kritisierende Stimmen sich erhoben und auf Unterlassungen des Handelsministeriums hinwiesen, wurde öffentlich bekanntgegeben, daß der schleppende Gang der Handelsvertragsverhandlungen zum großen Teile auf technischen Schwierigkeiten beruhe, da es an dem notwendigen Personal fehle. Wenn irgendeinmal im Staatsbetriebe Sparsamkeit unangebracht und schädlich war, so ist es auf diesem Gebiete, denn unsere gesamte Industrie und Wirtschaft hat ein ungeheures Interesse daran, daß die ungeregelten Verhältnisse mit unseren Nachbarn baldigst einer befriedigenden Regelung zugeführt werden. Seit Jänner schon schweben Handelsvertragsverhandlungen mit dem Deutschen Reiche. Es muß zugegeben werden, daß diese Verhandlungen wegen der Gleichartigkeit der industriellen Interessen auf besondere Schwierigkeiten stoßen. Und doch sind sie für unsere Volkswirtschaft von allergrößter Bedeutung, weil ja von unserer Gesamteinfuhr 30% und von der Gesamtausfuhr 23% auf Deutschland entfallen. Die Einfuhr aus Deutschland betrug im Jahre 1925 2,486.000 Tonnen und 57.000 Stück im Werte von 5.497,000.000 Kè, unsere Ausfuhr dagegen 6,193.000 Tonnen und 528.000 Stück im Werte von 4.223,000.000 Kè. Diese imposanten Zahlen haben allerdings unterdessen bedeutende Rückschläge erlitten, unser gesamter Handel mit Deutschland weist einen bedenklichen Rückgang auf. In den ersten drei Quartalen des Jahres 1926 betrugen diese Posten 1,476.000 Tonnen und 2.341,000.000 Kè in der Einfuhr und 3,272.000 Tonnen und 2.183 Millionen Kè in der Ausfuhr. Diese Zahlen zeigen deutlich, daß unsere Industrie an der Belebung des Handelsverkehrs mit Deutschland das erste und wichtigste Interesse hat.

Mit größter Erwartung blickt unsere Industrie auf die Verhandlungen mit Ungarn, mit welchem Lande wir in einer Art politischer Feindschaft lebten, die sich namentlich in autonomen Zollsätzen auf handelspolitischem Gebiet schädigend für unsere Industrie auswirkte, so daß wir einen großen Teil des ungarischen Marktes verloren haben, weil Ungarn den übrigen Staaten Europas bedeutend bessere Einfuhrbedingungen stellte als für Waren aus der Èechoslovakei. Infolge des Pressionsmittels der Agrarzölle wurde in Sommer dieses Jahres ein Handelsprovisorium erreicht, das uns allerdings auch den Vorzug der Meistbegünstigung sichert. Leider ist dieses Handelsprovisorium mit 1. Jänner 1927 begrenzt. Angesichts des Umstandes, daß ein Zehntel unserer Gesamteinfuhr nach Ungarn geht, wobei die Hälfte auf Textilien entfällt, ist es von größter Wichtigkeit, daß dieses Provisorium sich in einen dauernden Handelsvertrag verwandle. Dabei ist es natürlich Voraussetzung, daß nicht seitens unserer Außenpolitik unnötige Reizungen des politischen und Nationalgefühls des ungarischen Staates vorkommen, wodurch der freundliche Abschluß eines Vertrages erschwert und gestört wird.

Unsere Handelsbilanz mit Österreich ist zwar derzeit noch aktiv, allein die Ausfuhr nach Österreich ist im ständigen Sinken begriffen, während die Einfuhr aus Österreich ständig im Steigen begriffen ist. Daher hat Österreich an einer zolltarifarischen Regelung seines Verhältnisses zur Èechoslovakei das größte Interesse, da ja dieser Staat in Bezug auf die Ausfuhr an zweiter Stelle, gleich nach Deutschland, steht. Es wird sich bei den Verhandlungen mit Österreich nicht so sehr um die Errichtung neuer Zollmauern als vielmehr um eine gegenseitige Ermäßigung jener Zölle handeln, an welchen beide Vertragsteile ein berechtigtes Interesse haben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Regelung unserer Handelsverhältnisse ist die tatsächliche Herstellung der Handelsfreiheit. Die Aufhebung der verschiedenen Beschränkungen für Ein- und Ausfuhr ist eine dringende Notwendigkeit. Die hohen Schutzzölle gewährleisten der heimischen Produktion einen derartigen Schutz, daß Maßnahmen, die dem alten Zunftgedanken entsprungen sind, überflüssig sind. Daher ist die Forderung der gesamten Volkswirtschaft nach einem raschen Abbau des allgemeinen Bewilligungsverfahrens vollkommen berechtigt, schon deshalb, weil gerade das Bewilligungsverfahren nur allzuviel Raum für die individuelle Behandlung der einzelnen Ansuchenden gibt. Hand in Hand damit muß gehen die Aufhebung der Beschränkungen im Grenzverkehr. Der heutige Paß- und Visumzwang hat sich geradezu zu einem sadistischen Betätigungsfelde der Bürokratie ausgewachsen und stört den Handel und Verkehr in empfindlichster Weise, daß hiebei aus der Visumzwang zu einem Eintreibungsmittel für die Steuerämter gemacht wird, ist geradezu eine perverse Ausartung. Es ist geradezu widersinnig, in jedem Geschäftsmann, der im Inlande ein wohlfundiertes Unternehmen besitzt und dessen Betrieb trotz der Auslandsreise ungestört weiter geht, einen Steuerflüchtling zu sehen, der mit den schärfsten Mitteln zur Bezahlung der Steuern, deren Höhe ihm gewöhnlich noch unbekannt ist, gezwungen werden muß. Zu einer wahren Chikane wachsen sich die Bestimmungen im kleinen Grenzverkehr aus und sind imstande, den Fremdenverkehr auf das empfindlichste zu schädigen. Viele Grenzgebiete, namentlich das Elbesandsteingebiet, sind auf den Grenzverkehr direkt angewiesen und finden ihren Lebensunterhalt und ihren Erwerb darin. Die Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr stören den Fremdenverkehr und unterbinden ihn vollständig, so daß wir eine förmliche Grenzsperre gegen Sachsen aufzuweisen haben. Das Gesetz über die Einhebung von Gebühren für Amtshandlungen hat es so weit gebracht, daß für eine kleine Grenzüberschreitung in einem ganz eng begrenzten Rayon der Betrag von 13 Kè erlegt werden muss, was selbstverständlich den Zustrom größerer Massen in unser Gebiet vollkommen unmöglich macht. Außerdem ist die Grenzpolizei namentlich im politischen Bezirk Tetschen-Bodenbach bemüht, infolge rigoroser Behandlung der einzelnen Übertretungsfälle jedem den Aufenthalt zu verleiden, da bei Überschreitung selbst weniger Schritte des Kilometergebietes sofort strengste Strafen verhängt werden. Da wird es sich so mancher Ausländer überlegen, ob er eine derartig gastliche Stätte überhaupt aufsuchen soll, wo er immer Gefahr läuft, mit der Grenzpolizei in Konflikt zu kommen.

Es muß zugegeben werden, daß auf dem Gebiete des Eisenbahnverkehres verschiedene Anstrengungen gemacht werden, berechtigten Verkehrswünschen entgegenzukommen und sie zu befriedigen. Bei dieser Gelegenheit muß ich allerdings auf ein Gebiet hinweisen, das von dieser Verkehrsfürsorge fast ausgenommen worden ist, nämlich das nördliche Böhmen, die Gebiete der politischen Bezirksverwaltungen Schluckenau, Rumburg und Warnsdorf, Städte von ungeheurer industrieller Bedeutung, die aber eine vollkommen unzulängliche Verbindung mit dem Elbetal und fast keine Verbindung unter einander besitzen. Die große Menschenfalle, der Bahnhof von Kreibitz, spricht allen Verkehrsverhältnissen geradezu Hohn. Es ist förmlich ein Wunder, daß die Unfallschronik nicht ständig den Namen Kreibitz zu nennen gezwungen ist. Es ist nur zu begreiflich, daß sich die von diesem Verkehrselend betroffenen Gebiete bemühen, im Wege der Selbsthilfe genügend Verkehrsmittel zu verschaffen, u. zw. durch Einführung von gut funktionierenden Autolinien. In diesem Bestreben wurden sie allerdings empfindlich gestört durch den Einspruch des Eisenbahnministeriums, welches in den Autolinien eine bedeutende Konkurrenz sieht und hievon eine Schmälerung der Einnahmen befürchtet, wohl nicht mit Unrecht. Aber falsch ist der Weg, die Konkurrenz eines besseren und billigeren Verkehrsmittels im Wege des Verbotes auszuschalten. Die Eisenbahnverwaltung soll im Gegenteil bemüht sein, die Konkurrenz durch erhöhte Tüchtigkeit, durch erhöhte Leistungsfähigkeit der Bahnen, durch größere Beweglichkeit in Gütertransport u. s. w., aufzunehmen. Es wäre rückschrittlich, neuere und bessere Verkehrsmittel nur deshalb auszuschalten, weil die Eisenbahnverwaltung den neuen Anforderungen nicht genügen und mit der fortschreitenden Entwicklung nicht Schritt zu halten vermag. Die Steigerung der Einnahmen der Etsenbahnverwaltung kann nur auf dem Wege herbeigeführt werden, daß die wirtschaftlichen Betriebe des Staates, sowohl Eisenbahn als Post, in jenen Personen, die diese Betriebe in Anspruch nehmen, vor allem Geschäftskunden erblicken und nicht etwa nur Objekte zu geeigneten Amtshandlungen. Bahn und Post sind Geschäftsunternehmungen, und diejenigen, die sie benützen, sind Kunden und in diesem Sinne sollen sie auch betrachtet und behandelt werden. Es ist leider keine vereinzelte Erscheinung, daß namentlich jugendliche Angestellte bei Post und Eisenbahn sich nur als Beamte fühlen und den Amtscharakter bei jeder Gelegenheit zur Geltung bringen, ja vor allem in sich den Drang spüren, daß Publikum vorerst einmal an den Gebrauch der Staatssprache zu gewöhnen und das Publikum dazu zu erziehen, auch wenn es zum Schaden des Betriebes gereicht. Wie wenig auf die Wirtschaftlichkeit dieser Betriebe Rücksicht genommen wird, zeigt der Umstand, daß oftmals in deutschen Städten, deren Privattelephonverkehr zu mehr als 90% in deutscher Sprache geführt wird, Telephonbeamte und Beamtinnen entsendet werden, die nicht imstande sind, sich auch nur mit einem Wort mit der einheimischen Bevölkerung zu verständigen. Bei dieser Gelegenheit möchte auf einen Übelstand hinweisen, der besonders kraß ist auf den sogenannten Telephontarif. Wir haben einen Tarif für interurbane Gespräche und wenn heute jemand eine Telephonstelle einrichtet, bekommt er diesen Tarif als ein Offert der Postverwaltung mit zugestellt. Nun sind das aber Tarife, zu denen ein Telephongespräch nicht geführt werden kann, weil bei der Rückständigkeit unseres ganzen Telephonnetzes ein Gespräch mit normalen Tarifsätzen niemals zu erreichen ist und jeder Abonnent auf die dringende Gebühr aufmerksam gemacht wird. Es ist eine Forderung kaufmännischen Anstandes, daß das von der Postverwaltung im Tarifverzeichnis gemachte Offert auch tatsächlich den einzelnen Abonnenten gegenüber eingehalten wird.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen besonderen Übelstand unserer Bahnhöfe hinweisen, nämlich auf die Zufahrstraßen zu den Bahnhöfen, soweit sie sich im Besitz der Bahnverwaltung befinden. Die einzelnen Städte haben, obwohl in wirtschaftlicher Not sich in hervorragender Weise bemüht ihre Straßenzufahrten halbwegs in Ordnung zu bringen, sie zu pflastern und sie dem modernen Verkehr halbwegs anzupassen. An diesem Bestreben hat die Bahnverwaltung aber nirgends teilgenommen und es ist geradezu eine Schande, wenn man von den wohlgepflegten Gemeindestraßen das Gebiet der Bahnhofstraßen betritt, soweit sie in der Verwaltung der Eisenbahnen sind. Die Bahnverwaltung ist zwar ängstlich bemüht, ihr Eigentumsrecht an diesen Straßen peinlichst zu wahren, leider Gottes meist nur in der Weise, daß sie gut aufpaßt, daß sich nicht etwa auf dem Straßenrand einmal eine deutsche Aufschrift finde. Aber die Fahrbarkeit der Straßen liegt ihr weniger am Herzen, und wir können in Städten wie Tetschen, Rumburg und Bodenbach, die sonst sehr gut gepflegte Straßen haben, geradezu von einem Straßenskandal sprechen, soweit es sich um solche Bahnhofstraßen der Bahnverwaltung handelt.

Einer Gepflogenheit der meisten Redner der Budgetdebatte folgend, will ich mich noch mit einem Gegenstand befassen, der nicht so sehr zur vorliegenden Mater gehört, der aber doch zur Belebung der Budgetdebatte wesentlich beigetragen hat, nämlich mit der Koburg-Affäre. Vorausschickend möchte ich betonen, daß die deutschen Christlichsozialen an der Koburg-Affäre und an der lex Cyrill weder direkt noch indirekt interessiert sind. Wir waren nicht beteiligt am Zustandekommen dieses Gesetzes, wir sind nicht interessiert an den Vergünstigungen, die Einzelnen dadurch erwachsen sind, wir sind auch nicht interessiert an der politischen Ausschlachtung dieses Falles und seiner Benützung zu Reklame- und Agitationszwecken. Interessiert sind wir nur in dem Maße, das wir den Wunsch hegen und die Forderung aufstellen, daß das Recht seinen ungehemmten Lauf nehme und daß alle Schuldigen in diesem Falle vor dem Strafrichter ihre Verurteilung erfahren. (Posl. Schweichhart: Nun, das können Sie ja leicht durchsetzen!) Wir werden den Finger schon darauf legen. Die lex Cyrill als solche, so ungeheuerlich sie ist, ist nicht etwa eine vereinzelte Erscheinung. Der Geist, der die lex Cyrill geschaffen hat, schuf auch andere Gesetze, die ebenso wie die lex Cyrill der Beeinträchtigung der Rechte und des Vermögens einzelner Staatsbürger gewidmet waren. Derselbe Geist, der die lex Cyrill schuf, schuf auch eine Reihe anderer Gesetze, auch die Bodenverteilung führte er durch. Die lex Cyrill ist nur ein kleiner Teil aus der gesamten Summe dieser Gesetze, die mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz einzelner geendet haben. In der Atmosphäre des Bodenamtes konnte der Konzern des Dr. Eisler gedeihen, in dieser Atmosphäre nur konnte der persönliche Schacher zu einer Art Staatseinrichtung gemacht werden, in dieser Atmosphäre konnten auch diese Hyänen, die um Eisler sich sammelten, leben. Und, meine Herren, es ist nicht der einzige Konzern, der den Dr. Eisler geführt hat. Auf diesem Boden in Prag leben noch mehrere solcher Konzerne und die Koburg-Millionen sind nicht die einzigen, die in die Taschen dieser Freibeuter gewandert sind. Scham und Zurückhaltung verhindern viele Kreise, die die Opfer dieser Ausbeutung geworden sind, heute die Summen zu nennen, die sie an diese politischen Geschäftemacher verloren haben. Eine große Zahl von Leuten lebt in Prag davon, wirkliche oder auch nur vorgespiegelte politische Beziehungen in Geld umzuwandeln und Hilfesuchende auszubeuten. Es wird notwendig sein, diesen Sumpfexistenzen auf dem Prager Boden die Lebensmöglichkeit zu entziehen. In allen Staaten ist das Schiebertum des Umsturzes allmählich schon ausgerottet worden durch eine gewisse Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, leider ist es durch die bisher betriebene Politik möglich gewesen, daß auf dem Prager Boden sich diese Schieberexistenzen, diese Umsturzhyänen, noch ungestört ihr Leben und Treiben weiterführen können. Um diese Verhältnisse unmöglich zu machen, ist es notwendig, eine klare scharfumgrenzte Politik zu treiben, die die Erfüllung von Forderungen und Wünschen nicht abhängig macht von persönlichen Stimmungen, nicht abhängig macht von chauvinistischen Einflüssen, sondern lediglich von der Berechtigung dieser Wünsche, und eine Politik, die vor allem Verwaltung und Geschäft sauber zu trennen weiß. In diesem Sinne wollen wir zur Reinigung des politischen Lebens mitarbeiten, wollen wir mitarbeiten zur Gesundung unseres wirtschaftlichen Lebens und zum Vorteil unseres deutschen Volkes, das gerade aus dieser Politik bisher den schwersten Schaden erlitten hat. (Potlesk.)

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