Pátek 26. listopadu 1926

Die deutsche Landwirtschaft ist, was das landwirtschaftliche Unterrichtswesen anlangt, stiefmütterlich bedacht. Von den 44 staatlichen Landwirtschaftsschulen gibt es nicht eine einzige mit deutscher Unterrichtssprache. Für die staatliche Landwirtschaftsschule in Troppau sind im Voranschlage 1 und   1/4 Millionen Kronen eingesetzt, weiters erhält die staatliche Obst- und Weinbauschule in Melnik den Betrag von 897.660 Kè, insgesamt beträgt der Bedarf für die èechischen landwirtschaftlichen Staatsschulen 27.8 Millionen Kronen, von welcher Summe den Deutschen nicht ein Heller zukommt, hingegen werden aber die Deutschen zur Deckung dieser Summe durch Steuerzahlung mitherangezogen.

Für die nichtstaatlichen landwirtschaftlichen Schulen ist ein Betrag von 3.8 Millionen Kronen ausgeworfen, aus diesem Titel erhalten auch die deutschen Landwirtschaftsschulen Beträge, die jeder Beschreibung spotten. So erhielt die landwirtschaftliche Fachschule Saaz, eine Lehranstalt mit 2 Jahrgängen, für 1926 einen Brosamen von 7500 Kè, welcher Betrag für 1927 auf 5600 Kè herabgesetzt werden soll. Das ist ein Hohn auf das landwirtschaftliche Unterrichtswesen im deutschen Gebiete und wir verlangen, daß auch auf diesem Gebiete die Gleichberechtigung, die der Herr Ministerpräsident Švehla in der Regierungserklärung angedeutet hat, eingeführt wird. Gerade die ärmere deutsche Landwirtschaft benötigt, wenn sie die karge Scholle erhalten soll, ein umfassendes gründliches Fachwissen, und um dies möglich zu machen, muß der Staat eingreifen. Die Millionen für diesen Zweck sind wohl nützlicher an gelegt als für die Beschaffung von Kanonen und Pulver. Wenn ich ins besonders an mein armes, vorwiegend gebirgiges Land Schlesien und Nordmähren denke, wo eine so strebsame fleißige und fortschrittlich gesinnte deutsche Bevölkerung tätig ist auf dem Gebiete von Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft, so kann ich nicht unterlassen, hier darauf hinzuweisen, daß der Steuerdruck, der auf der Bevölkerung lastet, einfach unerträglich ist.

Es muß unbedingt in Form von Zuwendungen aus öffentlichen Staatsmitteln überall dort, wo ein hilfreiches Eingreifen dringend notwendig wird, wenigstens einigermaßen ein Ausgleich geschaffen werden. Die hochentwickelte Industrie entzieht der Landwirtschaft die besten Kräfte, was eine ungemeine Erschwerung der Betriebsführung in der Landwirtschaft bedeutet. Durch die sinnlose Belastung, durch die sogenannte Sozialversicherung, die den Arbeitskräften nicht einmal genug zum Leben und Sterben nach 65 Jahren gibt, wird die Sache noch viel schlimmer. Die schlesische und nordmährische Landwirtschaft muß daher auf Feldfutterbau und Wiesenkultur ihr ganzes Augenmerk lenken, da doch mehr als 60% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche des Landes dem gebirgigeren Teile angehört und nur ein unverhältnismäßig kleines Flächenausmaß an fruchtbaren ebenen Gebieten vorhanden ist. Seit jeher wurden die Schlesier sehr stiefmütterlich bedacht. Darum fordere ich in erster Linie, die armen, mit Beschwerlichkeit aller Art ringenden Gebirgsgebiete von vornherein reichlicher aus Staatsmitteln zu fördern. Die Steuern werden ja von ihnen auch genommen. Auch sehr wichtig erscheint es mir, Arbeitsgelegenheiten zu schaffen auf dem Gebiete der Bach- und Flußregulierungen, Straßen- und Eisenbahnbauten. Bei dieser Gelegenheit muß ich doch darauf hinweisen, daß die deutschen Gebirgsbauern auch in den übrigen Randgebieten, ich denke an ihre schwere Arbeit auf den steilen Hängen im Riesen- und Erzgebirge, aber auch im ganzen deutschen Böhmerwald, genau in derselben schlechten Lage sind und vom Staate genau so stiefmütterlich behandelt werden, wie wir in Schlesien und Nordmähren. Ich fordere die deutschen Bauernvertreter aus diesen Gegenden auf, gemeinsam mit mir diesem unhaltbaren Zustand ein Ende zu machen und für unsere Verbesserungsvorschläge zu stimmen.

Wir fordern weiters, daß an den deutschen landwirtschaftlichen Lehranstalten die gleiche Anzahl von Lehrkräften bestellt wird wie an den èechischen Schulen und daß freiwerdende Stellen sofort wieder besetzt werden, da jede Lücke im Lehrkörper für die Schüler nie wieder gutzumachen ist und großen Schaden bedeutet.

Es müssen aber auch für den landwirtschaftlichen Wanderunterricht ausgiebige Mittel bewilligt werden, damit die Neuerungen und Forschungsergebnisse den praktischen Landwirten, die für die Schule nicht mehr in Betracht kommen, bekannt werden. Insbesondere muß das landwirtschaftliche Buchführungswesen am Lande verbreitet werden, was für die gegenwärtige Wendezeit in der Landwirtschaft von geradezu ungeheurer Wichtigkeit ist. Es muß weiters den Landwirtschaftstöchtern, die die landwirtschaftliche Haushaltungsschule nicht besuchen können, durch die Abhaltung von Haushaltungskursen zur Weiterbildung Gelegenheit gegeben werden, es müssen aber so viele Haushaltungslehrerinnen bestellt werden, damit allem Bedarfe seitens des Landes entsprochen werden kann.

Die meisten deutschen landwirtschaftlichen Schulen haben einen bedenklichen Mangel an Lehrmitteln, diesem Übelstande muß abgeholfen werden, da ein erfolgreicher Unterricht ohne die wichtigsten Lehrbehelfe unmöglich ist. Auch in dieser Hinsicht wird die Gleichstellung mit den èechischen Anstalten verlangt.

Es ist ganz unverständlich, daß der Bedarf für das landwirtschaftliche Unterrichtswesen für 1927 gegenüber dem Vorjahre um 5 Millionen gekürzt werden konnte. Es muß verlangt werden, daß für diesen Titel der volle erforderliche Aufwand, der nach den Anträgen der landwirtschaftlichen Unterrichtsanstalten festzusetzen wäre, bewilligt wird, damit die landwirtschaftlichen Schulen ihre hohe Aufgabe für die heimische Landwirtschaft und Volkswirtschaft erfüllen können. Die Landwirtschaft bedarf eines geschulten Nachwuchses, damit die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zur höchsten Entfaltung gebracht werden können. Dies liegt nicht nur im Interesse der Landwirte selbst, sondern ist ein Gewinn der gesamten Volkswirtschaft, weshalb ich wohl erwarten darf, daß meine diesbezüglichen Forderungen volle Unterstützung finden werden.

Das Verordnungsblatt des Landwirtschaftsministeriums erscheint bis nun nur in èechischer Sprache. Wir verlangen, daß dasselbe auch in deutscher Sprache herausgegeben wird, zu welchem Zwecke der vorläufige Betrag von 20.000 Kè auf 30.000 Kè erhöht werden soll. Auch die deutschen Landwirte haben ein volles Recht darauf, daß ihnen die amtlichen Mitteilungen des Landwirtschaftsministeriums in der deutschen Sprache bekanntgemacht werden.

Es erscheint uns unverständlich, warum der Betrag für das landwirtschaftliche Versuchswesen gegenüber dem Vorjahre um 2 Millionen gekürzt worden ist. Dazu muß festgestellt werden, daß die landwirtschaftlichen Versuchsanstalten durchwegs im èechischen Gebiete liegen. Wir fordern jedoch mit allem Nachdrucke, daß auch auf diesem Gebiete die Gleichstellung eingeführt wird und auch das deutsche Gebiet die ihm zukommenden Versuchsanstalten erhält, dies ist jetzt umso notwendiger geworden, seit die deutschen Großgrundbesitzer, die bisher den deutschen Landwirten Beispiel gaben und Muster waren, durch die Bodenreform zerschlagen wurden oder in Hände übergegangen sind, von denen eine Förderung der deutschen Landwirte nicht erwartet werden kann.

Unter den Versuchsanstalten erscheint auch die èechische Hopfenversuchsstelle in Teschnitz bei Saaz. Wir fordern, daß ehestens eine deutsche Hopfenversuchsanstalt, und zwar im Saazer Lande errichtet werde, wo das Hopfenzentrum der Welt ist und der Saazer Hopfenbau von Deutschen eingeführt und auf seine heutige Höhe gebracht worden ist. Wichtig ist es auch festzustellen, daß für die èechische Hopfenversuchsstelle in Teschnitz ein Aufwand von 599.000 Kornen ausgewiesen ist und daß dieselbe Gutseinheit unter den Staatseinnahmen mit 1,303.000 Kronen dargestellt wird. Es ist eine Beleidigung für die gesamten deutschen Hopfenbauern, daß auf dem früher Dreherschen Maierhofe in der deutschen Ortschaft Teschnitz eine èechische Hopfenversuchsanstalt errichtet wurde und daß die deutsche Hopfenwirtschaft bis heute die deutsche Hopfenversuchsanstalt noch nicht besitzt. Wir fordern die eheste Schaffung dieser Stelle. Wir fordern, daß die Versuchsergebnisse der landwirtschaftlichen Versuchsanstalten amtlich auch in deutscher Sprache bekannt gemacht werden, weil erst dadurch des Zweck der Versuchsanstalten erfüllt wird.

Es ist eine Herausforderung, daß im Voranschlage zum Zwecke von Bau- und Wiederherstellung der Spiritusvereinigung 4 Millionen Kronen ausgeworfen werden. Wir fordern die Streichung dieser Post, da wir nicht einsehen können, daß der Spiritusvereinigung der durch die Bodenreform zugefügte Schaden aus Steuergeldern gutgemacht werden soll. An dieser Stelle fordere ich mit allem Nachdrucke, daß das Bodenamt endlich eine klare Aufstellung, bezw. eine genaue Rechnung über das ganze Geschäft vorlegt, welches das Bodenamt bisher mit der Reform gemacht hat. Diese Abrechnung ist dem Parlamente vorzulegen. Schäden, die durch die Bodenreform entstanden sind, sind vom Bodenamte zu vergüten, keinesfalls aber darf der Staatssäckel damit belastet werden. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse müssen mit allen Mitteln gefördert werden, da Landwirtschaft Volkswirtschaft bedeutet. Der veranschlagte Betrag von 600.000 Kè für Saatgut ist ganz unzulänglich, umsomehr, als die deutschen Gebiete in den höheren Lagen in diesem Jahre von einer Korn- und Kartoffelmißernte heimgesucht worden sind. Wir fordern die sofortige Einleitung einer Notstandsaktion und muß den geschädigten Landwirten das Saatgut unentgeltlich überlassen werden. Es muß aber auch in jenem Gebieten, wo die Ernte durch Elementarereignisse vernichtet wurde, den betroffenen Landwirten der Bedarf an Brotfrucht und das für die Erhaltung des Viehes notwendige Futter, bezw. der hiefür notwendige Geldbetrag überlassen und müssen ausgiebige Steuernachlässe bewilligt werden.

Wir fordern ausgiebige Förderung der Grassamenzucht, die für das deutsche Randgebiet von großer Wichtigkeit ist. Die Saatgutförderung bedarf der vollen staatlichen Unterstützung. Insbesondere muß dem Flachsbaue volles Augenmerk zugewendet werden, und verlangen wir die Errichtung einer Flachsversuchsstelle und staatliche Unterstützung für diesen Landwirtschaftszweig, der vorwiegend nur im deutschen Gebiete vorkommt, und dies umsomehr, als der Flachs eines Schutzzolles entbehrt. Ausgiebige Staatsunterstützung wird für die Bekämpfung der Pflanzenschädlinge (Kartoffelkrebs) Peranospora bei Hopfen und Wein, Weizenfrittfliege, die in Nordmähren und Schlesien stark auftritt, dann für die Mäusevertilgung u. dgl. verlangt.

Volle Förderung benötigt die Viehzucht durch Hebung der Milchleistungen, was durch die Kontrollvereine am besten bewerkstelligt wird, und fordern wir, daß die diesbezüglichen Anträge der Geschäftsstelle für Landwirtschaft, weiters der Landeskulturräte für Böhmen und Mähren und der Landwirtschaftsgesellschaft für Schlesien in Troppau volle Berücksichtigung finden. Wir fordern, daß der Schmuggel mit fremdem Vieh unterbunden wird, damit die heimischen Bestände abgesetzt werden können. Auch müssen die Viehverwertungsgenossenschaften, die z. B. in Dänemark ihre volkswirtschaftliche Bedeutung voll erwiesen haben, bei uns volle staatliche Unterstützung finden. Durch sie wird der unreelle Zwischenhandel, der nur verteuernd wirkt, ausgeschaltet. Wir verlangen auch staatliche Förderung der deutschen Viehzuchtgebiete (Kuhländchen, Schönhengstgau, Nordmährisch-schlesisches Zuchtgebiet), damit die Einfuhr von fremdem Zuchtvieh eingedämmt wird und hochwertige inländische Zuchttiere sich sehen lassen können, was wiederum der heimischen Landwirtschaft und Volkswirtschaft von großem Vorteil sein wird.

Es sind auch die ausgeworfenen Beträge für landwirschaftliiches Maschinenwesen, (Prüfungen), für Bauwesen, bezw. für die Beratung der Landwirte in diesen Punkten viel zu gering bemessen.

Dringend wird verlangt, daß die längst fälligen Unterstützungen für Entwässerung und Bewässerung unverzüglich flüssig gemacht werden, und wird schärfstens dagegen Einspruch erhoben, daß die staatlichen Beihilfen erst im letzten Kalendervierteljahr zur Auszahlung kommen sollen.

Es bedarf weiters die Pferdezucht, die ohnehin durch das Automobil- und Motorwesen ernstlich gefährdet erscheint, besonderer staatlicher Unterstützung und muß der staatliche Einkreisungszwang fallen und dem Pferdezüchter die Wahl der Zuchtrichtung durch Beistellung der zutreffenden Zuchthengste erleichtert, bezw. freigestellt werden.

Die kurze Zeit, die mir zur Verfügung steht, gestattet mir leider nicht, daß ich noch weitere Punkte anführe, die bei diesem Kapitel behandelt werden sollten. Ich habe mich nur auf das Wichtigste beschränken müssen. Zum Schlusse muß ich noch auf einen Fall aufmerksam machen, der deutlich zeigt, daß die deutschen Kleinlandwirte von der Bodenreform absichtlich ausgeschlossen werden. Der èechische Zuteilungskommissär Linhardt aus Laun nahm kürzlich die Aufteilung des Czerninschen Meierhofes in Petersburg im Bezirke Jechnitz vor. Nicht ein einziger Deutscher erhielt Boden, trotzdem sehr viele deutsche Bewerber Boden angesprochen hatten. Die Deutschen wurden geradezu verhöhnt. Die Èechen erhielten mehr Boden, als sie angesprochen haben. Ein èechischer Binder, der nicht einmal eine Ziege im Stalle hat, erhielt 6 ha besten Boden zugeteilt. Einem Deutschen wurde erklärt, er müsse eine Bestätigung des èechischen Minderheitsvereines vorlegen, und dessen Obmann verlangte von dem Deutschen, er müsse seine Kinder in die èechische Schule schicken.

Das sind Zustände, die zum schärfsten Widerstande herausfordern, und ich verlange, daß der Präsident des Bodenamtes dazu Stellung nimmt, weil solche Vorkommnisse mit seiner kürzlichen Erklärung im krassen Widerspruche stehen.

Wir fordern, daß unseren zu diesem Kapitel eingebrachten Anträgen stattgegeben wird, und verlangen, daß die deutsche Landwirtschaft in diesem Staate das volle Recht erhält, das ihr nach ihrer Bedeutung zukommt. Für die deutsche Landwirtschaft besonders schwer ist der Gedanke, daß dieser Staatsvoranschlag, der ihr so wenig Rechnung trägt, auch von einem deutschen Minister mitvertreten wird, der aus der Landwirtschaft hervorgegangen ist und zweifellos als einer ihrer hervorragendsten Vertreter bezeichnet werden muß. Ich rufe nicht nur sein deutsches, sondern auch sein bäuerliches Empfinden an, in der Erwartung, daß er bei seiner Partei dafür sorgen wird, daß dieser Staatsvoranschlag in dieser, die Landwirtschaft so schwer schädigenden Form nicht angenommen wird. (Potlesk poslancù nìmecké strany nrodní.)

3. Øeè posl. Schäfera (viz str. 927 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ein Vorkommnis am gestrigen Tage hat blitzartig die politische Entwicklung, die wir in diesem Staate durchmachen, beleuchtet. Das Vorkommnis veranlaßt uns, heute dazu Stellung zu nehmen und eine Erklärung abzugeben, in der wir aussprechen, wie wir das Vorgehen beurteilen, dessen Zeugen wir gestern gewesen sind. (Výkøiky posl. Kaufmanna.) Die Prager Polizei hat gestern die traurigsten Erwartungen, die man vor ihr hegen konnte, durch einen Willkürakt übertroffen, durch den sie dem èechoslovakischen Polizeiregime vor der ganzen Öffentlichkeit unauslöschliche Schande angetan hat. Unsere Prager Bezirksorganisation - ich will den Vorgang ganz sachlich erzählen - hatte für den gestrigen Abend die große revolutionäre Vorkämpferin Angelika Balabanoff zu einem Vortrag über den Faschismus, Mussolini und die italienische Arbeiterbewegung gewonnen. In zahlreichen Orten der Republik hat dieser Vortrag stattfinden dürfen, (Výkøiky.) nur der Prager Polizei blieb es vorbehalte, in feiger Liebedienerei vor Mussolini den Aufschrei eines gemarterten Proletariates brutal zu unterdrücken. (Výkøiky nìm. soc. demokratických a komunistických poslancù.) Obwohl der Vortrag ordnungsgemäß angemeldet, das Thema in aller Form bewilligt war, wurde Frau Balabanoff gleich bei ihrer Ankunft in Prag, ohne daß ihr die Möglichkeit gegeben wurde, von den Reisestrapazen auszurasten, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, ja auch nur sich mit ihren Parteigenossen ins Einvernehmen zu setzen, zur Polizei geschleppt (Hört! Hört!) und ihr die Unterfertigung eines sinnlosen Reverses abgenötigt. (Výkøiky posl. dr Czecha.) Es ist doch sinnlos und lächerlich, einen Vortrag zu bewilligen und dann von der Vortragenden zu verlangen, daß sie über das Thema des Vortrages nicht spreche. Wir erwarten von der èechoslovakischen Polizei kein Verständnis für die Größe einer sozialistischen Vorkämpferin, wir erwarten von ihr nicht einmal Achtung vor dem Unglück einer Frau, die zum Dank für ihre Wirksamkeit im Dienste des Proletariates wiederholt ins Exil getrieben wurde, aber wir hätten wenigstens die Einhaltung der unter gesitteten Menschen üblichen Umgangsformen erwartet. (Výkøiky posl. Kirpalové.) Aber die Polizei ging in der Mißachtung allen Rechtes und aller Sitten noch weiter. Als Genossin Balabanoff vor einer begeisterten Zuhörerschaft zu dem von der Polizei bewilligten Thema zu sprechen begann, schritt der anwesende Regierungsvertreter sogleich mit größter Rücksichtslosigkeit ein, löste die Versammlung auf und ließ die Versammelten durch ein in Bereitschaft gehaltenes Polizeiaufgebot auseinandertreiben. (Výkøiky posl. dr Czecha.) Der Polizeikommissär hat sich in einer Weise aufgeführt, wie wir es uns im alten Österreich nicht hätten gefallen lassen, wie es im alten Österreich nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Polizeikommissär verlangte vom Vorsitzenden gleich nach dem ersten Satze das Wort, sprach zur Versammlung, wahrscheinlich um die feige Maßnahme zu begründen. (Výkøiky: Hanba! - Hluk.) Der zweite Polizeibeamte führte sich ebenfalls in rüpelhafter Weise auf, indem er einen Versammlungsteilnehmer wegen des Ausdruckes "Das ist eine Schande für die Republik!" sofort tätlich angriff und sich nur erst nachher entschuldigte, als sich herausstellte, daß es ein Abgeordneter war. Ja, die Polizei verstieg sich sogar dazu, in eine vertrauliche Zusammenkunft èechischer sozialdemokratischer Vertrauensmänner einzudringen und den Versuch zu machen, sie zu sprengen. Von diesem unerhörten Vorgehen mußte sie allerdings Abstand nehmen. Wir wissen, daß dieser Übergriff auf direkten Auftrag des Ministeriums des Innern erfolgte und machen den Minister des Innern für diese Schande voll verantwortlich. Aber wir sagen der Regierung, daß sie durch diesen kindischen Unterdrückungsversuch den Abscheu des Proletariates vor dem faschistischen Blutregime nicht verringert, sondern vergrößert hat. (Sehr richtig!) Vergeblich verbietet sie, auszusprechen, was wegen der Größe der Schmach und der Tiefe des Unglücks unaussprechlich ist. Sie hat mit diesem unwürdigen Knechtesdienst Mussolini nicht genützt, aber sie hat dem Proletariat dieses Landes sehr nachdrücklich ihren eigenen erzreaktionären Charakter vor Augen geführt. Mit umso größerer Leidenschaft werden wir gegen dieses System kämpfen und wir werden uns nicht daran hindern lassen, unsere Pflicht gegenüber dem gequälten italienischen Proletariat zu erfüllen. Ist doch die Anklage vor dem Forum des Auslandes, die Aufrüttelung des internationalen Gewissens nahezu das letzte Kampfmittel, das eine beispiellose Tyrannei dem italienischen Proletariat gelassen hat. Wir wissen, daß sich die internationale Bourgeoisie durch ihren Klasseninstinkt mit Mussolinis Schandregime verbunden fühlt und daß ein Appell an ihr Gewissen vergeblich wäre. Aber das internationale Proletariat wird seiner italienischen Brüder nicht vergessen. Wir erinnern uns an das Dichterwort: "Ein guter Schlag in Norden ist auch im Süd ein Schlag" und werden gegen die Reaktion im eigenen Lande kämpfen in der Hoffnung, damit auch der italienischen Arbeiterschaft Trost, Stärkung und Hilfe zu bringen. Wir versichern das italienische Proletariat unserer glühenden Liebe, unserer tiefsten Anteilnahme an seinem Schicksal und unserer heißen Bewunderung für seine Standhaftigkeit. (Potlesk nìm. soc. demokratických a komunistických poslancù.)

Gibt es für die Èechoslovakei einen berechtigten Anlaß, sich zum Anwalt und zum Verteidiger Mussolinis aufzuwerfen? (Hluk. - Rùzné výkøiky. - Místopøedseda Stivín zvoní.) Ist die Prager Polizei dazu da, die Wahrheit unterdrücken zu helfen? Sollte man nicht viel eher vermeinen, daß sich überall und auch in diesem Staate alles, was demokratisch und menschlich denkt, zusammenschließt und Verwahrung dagegen einlegt, daß in einem Lande ein Blutregiment aufgerichtet wird, wie wir es in Italien sehen? Die letzten Nachrichten zeigen uns wieder die Schrecklichkeit der Zustände in Italien. Beim italienischen Rechtsanwalt und Abgeordneten Labriola ist vor einigen Tagen eine faschistische Bande eingebrochen, hat seinen Sohn, einen Knaben, unbekleidet angetroffen, und in diesem Zustande, unbekleidet, wurde der Sohn des in Italien überaus geschätzten Rechtsanwalts auf die Straße getrieben und gepeitscht. (Výkøiky. - Hluk.) In einem Lande, wo Menschen, wo Kinder gepeitscht werden, in einem Lande, wo man Arbeiter deswegen, weil sie treu zu ihrer Organisation halten, in Ketten legt, in einem Lande, wo Frauen von Arbeitern deswegen, weil ihre Männer treu zur Organisation halten, verschleppt, am Leben bedroht und in Internierungslager gebracht werden, in einem solchen Lande herrscht keine Kultur und keine Sitte mehr, außer bei denen, die sich wehren, die ringen und kämpfen mit dem Aufgebot aller ihrer Kraft gegen ein solches Schandregiment. Ich wiederhole, wenn es unter dem Bürgertum hier zu Lande Menschen gibt, wenn es unter der bürgerlichen Klasse noch so etwas wie Achtung vor Menschenwürde gibt, so müßte man mit einem Schrei der Entrüstung das Vorgehen der Prager Polizei verurteilen, müßte man es begrüßen daß sich im Lande Menschen finden, die in Versammlungen Protest und Verwahrung gegen die faschistische Schändung der Kultur und der Zivilisation einlegen. Aber es scheint, als ob wir in raschem Laufe immer mehr nach rückwärts schritten, es scheint, als ob man sich nach der Ordnung, von der vielfach in ltalien gesprochen wird und die dort nach Aufrichtung des faschistischen Regiments herrschen soll, als ob man sich nach dieser Ordnung sehnen würde, als ob man es auch in der Èechoslovakei lieber sehen würde, wenn das bischen Demokratie, dessen wir uns trotz des Polizeiregimes erfreuen, uns auch noch genommen und vernichtet würde.

Die gestrigen Vorgänge sind ein Gegenstück zu den Erfahrungen, die wir im ehemaligen Österreich in den 80er Jahren erlebt haben. Wer gestern in der Versammlung war, in der sich die Prager Polizei so aufführte, wie ich das eben geschildert habe, der mußte wirklich glauben, wir seien zurückversetzt in die alten Zeiten der schlimmsten Reaktion. (Rùzné výkøiky. - Hluk.) Dabei will ich bemerken, daß sich im alten Österreich gegen die Willkürlichkeiten der Behörden und gegen die Polizeiübergriffe nicht nur die sozialdemokratische Partei gewehrt hat und gegen sie aufgestanden ist. Zu einer Zeit, in der wir Arbeiter im österreichischen Reichsrat nicht vertreten waren, sind es Pernerstorfer und Kronawetter gewesen, die die Übergriffe der Bezirkshauptleute und Polizeidirektoren immer und immer wieder aufgezeigt und bekämpft haben. Und an der Seite dieser beiden demokratisch denkenden österreichischen Abgeordneten befand sich Dr. Kaizl, ein Mann des èechischen Bürgertums, der in genau derselben scharfen Weise wie die beiden deutschen demokratischen Abgeordneten das Polizeiregiment Österreichs verurteilte und bekämpfte. Ich bin neugierig darauf, ob sich im èechischen Bürgertum ein Dr. Kaizl finden wird, der so wie damals im alten Österreich auftreten wird gegen die Polizei und ihre Organe, die sich jetzt anmaßen, in die Rechte der Staatsbürger einzugreifen.

Nun aber handelte es sich gestern nicht um einen vereinzelten Übergriff. Das ist nicht bloß eine Entgleisung, nicht nur die Tat eines übereifrigen, vielleicht im Innern faschistisch gesinnten Polizeikommissärs, sondern was wir gestern erlebt haben, das ist unter der vollen Verantwortung des Ministeriums des Innern geschehen. Der Minister des Innern ist verantwortlich dafür, daß noch gestern in der Nacht Polizeiorgane nachgeforscht haben, wo sich die Frau Balabanoff aufhält und daß heute vormittag sich Polizeiorgane nach ihr erkundigten, wann sie abreist u. s. w. (Posl. dr Czech: Im Hause eines Abgeordneten!) Im Hause eines Abgeordneten hat die Polizei Erkundigungen eingezogen. Noch mehr! Das Ministerium des Innern hat die Weisung ergehen lassen, Frau Balabanoff nicht über Politik reden zu lassen, u. zw. an jene Bezirke, wo noch Vorträge stattfinden sollen. (Posl. Kaufmann: In Komotau!) Die Komotauer politische Bezirksverwaltung ist bereits beauftragt, nicht zuzulassen, daß in der heutigen Versammlung Frau Balabanoff über die Politik Italiens und über Politik überhaupt, natürlich auch nicht über die Politik in der Èechoslovakei, spricht. Wir haben es also nicht mit der Dummheit oder mit dem Übergriff einer Polizeibehörde zu tun, sondern mit Maßnahmen, die von der Regierung, vom Ministerium des Innern angeordnet worden sind, und es wäre nicht mehr als billig, wenn der Minister des Innern im Hause erscheinen und uns sagen würde, warum solche Maßnahmen getroffen worden sind. (Hluk.) Ist die Èechoslovakei ein Vasallenstaat Mussolinis oder ein freie Staat? (Hluk.) Diese Frage möge der Innenminister beantworten. Er möge sagen, ob es in der Èechoslovakei erlaubt ist, ein Wort über Italien zu sprechen, genau so wie wir hier über die Zustände jedes anderen Staates sprechen. (Výkøiky.) Ich bin überzeugt, wenn sich in Prag ein Gast zu einem Vortrage einfinden würde, der sich gegen den Sozialismus richten und den Faschismus feiern würde, wenn es der Vertreter einer reaktionären Gruppe wäre, so würde das umgekehrte geschehen, dann würde die Polizei von Prag zum Schutze eines solchen Mannes aufmarschieren, wenn die Arbeiter sich anhören wollten, was der Mann in Prag gegen den Sozialismus zu sagen hat. (Výkøiky.) Wir haben solche Vorkommnisse schon wiederholt in der Èechoslovakei erlebt. Wiederholt sind ausländische Redner dagewesen, die sich auch mit politischen Fragen beschäftigt haben, waren sie keine Sozialisten, sondern bürgerliche Reaktionäre, dann stand zu derem Schutz die Polizei immer bereit. (Výkøiky.)

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