Meine Damen und Herren! Es ist ein Spruch:
Plurimae leges, deterrima res publica. Je mehr Gesetze, desto
schlechter der Staat. Wenn diese Devise richtig ist, so muß
dieser Staat, in dem wir eingepfercht zu leben gezwungen sind,
nicht der beste sein. Heute haben wir 3 Gesetze zugleich auf der
Tagesordnung und in der Debatte. Mein geehrter Kollege Professor
Horpynka hat schon zu den zwei anderen Gesetzen, dem Beamtengesetz
und der Lehrergehaltsregelung das Nötige gesagt. Mir obliegt
es, das dritte in Debatte stehende Gesetz über die Regelung
der Verhältnisse der Distriktsärzte und Gemeindeärzte
zu besprechen.
Bei allen Gesetzen, die wir jetzt in diesem
Hause zu erledigen hatten, haben wir uns, getreu unserem Programme,
immer zuerst gefragt, welche Rückwirkung diese Gesetze auf
das Wohl unseres deutschen Volkes in diesem Lande haben
werden. Wir sind ja nicht gleichberechtigte Bürger, wir sind
Bürger zweiter Klasse, wir sind Heloten, Knechte unter den
Èechen, und müssen jedes Gesetz daraufhin ansehen,
welche Wirkung es in dem Verhältnis zwischen Herren und
Knechten hervorbringen wird. Wir leben ja seit 7 Jahren in einem
Zustande vollständiger Unsicherheit und Rechtlosigkeit. Jeder
deutsche Bürger und Grundbesitzer bangt um sein Eigentum,
jeder deutsche Beamte um seine Existenz, wir alle aber um unsere
Freiheit. Es ist traurig, aber wahr, daß die Demokratie
in den Staaten Mittel- und Osteuropas, die Lloyd George die ausgegrabenen
Nationen nennt, von Anfang ihrer neugebackenen Herrlichkeit an
ein schlimmeres Gebilde ist, als die rücksichtslosesten Tyrannen
der Vorkriegszeit. Diese Rücksichtslosigkeit, um nicht zu
sagen Rohheit und Gewissenlosigkeit, beherrscht den ganzen mit
neuem Protektionsmenschenmaterial angefüllten Staatsapparat.
Es wirkt geradezu erschreckend und ist ohne Beispiel in der Geschichte.
Nach der Niederringung des verruchten, verbrecherischen deutschen
Volkes im Weltkriege sollte ja ewiger Friede in Europa herrschen,
in dem neuen Europa des Masaryk und Beneš sollte
eine neue Zeit des Wohlstandes, der Freiheit, der Kultur und Zivilisation
anbrechen. Was sehen wir aber jetzt? Jetzt sehen wir, daß
für die Mittel der Zerstörung von Menschenleben Milliardenbeträge
jährlich aufgebracht werden. Wenn es sich aber um die Frage
handelt, Menschenleben zu erhalten, die Gesundheit zu fördern,
das Menschengeschlecht höher zu heben, da wird jeder
Heller und Pfennig dreimal umgedreht, ehe man ihn als Versicherungsprämie
für die Zukunft auf den Altar legt, damit in späterer
Zeit nicht größere Auslagen gemacht werden müssen.
Die Èechoslovakei als fortschrittlicher
Staat hat sich ein eigenes Gesundheitsministerium zugelegt. Das
klingt nach Außen sehr schön, aber es ist ein merkwürdiger
Zustand, hier zu leben. Es gibt scheinbar zweierlei Gesundheit,
die Gesundheit der Èechen und die Gesundheit der Minderheitsvölker.
Beides sind freilich Menschen und in beiden Fällen handelt
es sich um dieselben Gesundheitsfragen. Man sollte glauben, daß,
wenn schon in allen anderen Fragen politische und nationale Momente
eine Rolle spielen, daß gerade in dieser Frage das Gesundheitsministerium
die ganze Bevölkerung ohne Unterschied der Nation gleich
behandeln würde. Dem ist aber nicht so. Für die Zwecke
der Förderung der Gesundheit des Èechentums werden
Millionenbeträge leichterhand ausgegeben. Wir werden ja in
den nächsten Tagen schon ein großes
Schauspiel erleben, das für die ganze Welt berechnet ist.
Man hat alle Nationen, sogar das Deutsche Reich eingeladen. Es
wird hier im Stadion gezeigt werden, wie das Sokoltum, in welchem
reichen Maße, in Pracht und Schönheit sich das èechische
Volk den Leibesübungen hingibt. Dafür sind Millionen
leichterhand zu haben. Wenn aber ein deutscher Turnverein um eine
Subvention beim Gesundheitsministerium ansucht, für einen
Spielplatz für Kinder, für einen Turnplatz, für
die Errichtung einer Schwimmanstalt, da findet man stets taube
Ohren, wenn man Gesuche überreicht, da ist es plötzlich
mit allerlei Mängeln behaftet, da findet man immer einen
Haken, um es zurückzuweisen, zurückzustellen, bis die
Leute es satt bekommen und überhaupt auf eine staatliche
Unterstützung verzichten. Es ist also auch auf diesem Gebiete,
wo es nur um Menschenleben und um die Gesundheit geht, im Èechenstaate
der Chauvinisten, der Nationalchauvinismus des Èechentums
Lenker und Richter.
Daß die öffentliche Gesundheitspflege
ohne Mitwirkung von Aerzten nicht durchgeführt werden kann,
ist klar. Es wurde deshalb schon im alten Österreich in den
80iger Jahren das System der Distriktsärzte eingeführt.
Ihre Anstellung war den autonomen Körperschaften, den Bezirken
überlassen, in größeren Städten mit eigenem
Statut dem Magistrat oder den Stadtvertretungen. Der Staat behielt
sich nur die Oberaufsicht und die Regelung des Dienstverhältnisses
vor. Jetzt im neuen Staate ist das anders geworden. Es mag an
dem alten System wie es in Österreich war und auch hier fortbestand,
bis die Neuregelung eintrat, gewiß vieles mangelhaft gewesen
sein. Es ist aber ebenso gewiß, daß das jetzige staatliche
System gegen das frühere keine Besserung weder für die
Bevölkerung noch für die Ärzte gebracht hat. Im
Gegenteil. Früher arbeitete der ärztliche Beamte direkt
mit den Gemeindeämtern. In kurzem Wege wurde alles erledigt,
ohne viel Schreibarbeit wurde es in praktischer Weise, wie es
notwendig war, durchgeführt. Jetzt muß alles über
die staatliche Bezirksbehörde gehen, von der Anzeige des
Falles einer ansteckenden Krankheit bis zu dem Zeitpunkte, wo
der Amtsarzt verständigt wird und eingreifen und Vorsorge
treffen kann, damit sich diese Krankheit unter der Bevölkerung
nicht ausbreitet, ist jetzt gegen früher ein bedeutender
Umweg, mindestens um 1 bis 2 Tage. Denn die Anzeige muß
erst in die Bezirksstadt gehen, von der Bezirksstadt erst kommt
der Auftrag herunter, vielmehr die Anzeige von der Anzeige und
die Aufforderung, das Nötige zu veranlassen. Früher
war es praktisch mit wenig Schreibarbeit, jetzt ist es bürokratisch
mit viel Schreibarbeit. Ich behaupte aber, daß dieser alte
Bürokratenschimmel, der sich nirgends bewährt hat und
besonders dem Ärztestand unsympathisch ist, durchaus keine
Möglichkeit hat, den Karren vorwärts zu bringen. Wenn
er schon im anderen Verwaltungszweige versagte, wird er auf dem
Gebiete des Sanitätswesens erst recht versagen. Denn von
Statistik wird kein Mensch gesund und durch Rundschreiben wird
keine Epidemie verhindert. Freilich, nach außen kann man
mit prunkendem, Ziffernmaterial glänzen, aber damit ist praktisch
kein Erfolg erzielt. Das Volk hat also von dieser Verstaatlichung
des Ärztesystems keinen Vorteil und die Volksgesundheit auch
nicht.
Aber vielleicht haben die beamteten Ärzte
davon einen Vorteil? Sehen wir, wie es da bestellt ist! Vielleicht
sind sie glänzend bezahlt, können sich mehr dem Gebiete
der öffentlichen Gesundheitspflege widmen, brauchen nicht
mehr der Privatpraxis nachzugehen und können so mehr für
die Volksgesundheit leisten? Dem ist aber auch nicht so. In Reichenberg
waren die Stadtärzte vor der Verstaatlichung von der Stadt
so bezahlt - ich sage ja nicht glänzend - aber so, daß
sie den größten Teil ihrer Zeit dem öffentlichen
Gesundheitsdienste widmen konnten. Bei der jetzigen Bezalflung,
die ihnen der Staat gibt, wäre es geradezu lächerlich,
wenn das jemand verlangen wollte, und wenn nicht die Stadt aus
eigenen Mitteln dazulegte und so das Manko, das der Staat entstehen
ließ, ausgliche, so würden wir in Reichenberg einen
viel schlechter bezahlten Sanitätsdienst haben als vorher.
Ebenso ist es im Landbezirk Reichenberg der Fall, daß die
Distriktsärzte vorher von der autonomen Bezirksverwaltung
besser bezahlt wurden, als sie jetzt vom Staat bezahlt werden.
Es hat also die Entlohnung der Ärzte im allgemeinen nicht
etwa so zugenommen, daß die Ärzte wesentliche Vorteile
aus dieser Regelung des Sanitätswesens hätten. Worin
soll also der Vorteil dieses ganzen Systems bestehen? Es muß
doch einen Grund haben, warum die Èechen das eingeführt
haben. Aus Liebe zur Gesundheit des, Volkes haben sie es nicht
getan, aus Liebe zu den Ärzten auch nicht, also muß
ein anderer Grund vorhanden gewesen sein, und der ist ja auch
ganz klar. Der Vorteil dieses ganzen Zustandes
beruht darin, daß die deutschen Ärzte ganz der Willkür
der Behörden ausgeliefert sind. Denn hierzulange ist nichts
fest, gar nichts, nur die Willkür, die steht fest, und diese
Willkür hat ein Ziel, ein bestimmtes, sicheres und festes
Ziel. Mag am Steuerruder oben von den Èechen sitzen,
wer da will, welche Partei immer, ein Ziel schwebt allen vor Augen,
das ist die Entdeutschung unserer angestammten Heimat. Diesem
Ziele sollte auch dieses Gesetz damals dienen. Darum die sprachlichen
Sekkierungen, darum das Ansinnen, daß
Ärzte, die 50, 55, 60 Jahre und noch älter sind, jetzt
die Kenntnis der èechischen Staatssprache nach weisen sollen,
selbst in ganz deutschen Gegenden, wie z. B. Friedland, wo es
vielleicht 2 bis 3% Èechen gibt. Aber die kommen
doch wirklich nicht in Betracht, denn dann müßte man
doch auch in Prag italienisch oder türkisch kennen. Aber
in solchen Gegenden wird einfach dem System zuliebe gesagt: Du
bist ein staatlicher Angestellter, der Staat ist ein Nationalstaat,
er hat eine nationale Sprache, eine Staatssprache, die mußt
Du als staatlicher Angestellter kennen. Es ist das der berühmte
globus hungaricus, übertragen auf den böhmischen
Raum. Er hat sich dort nicht bewährt in 50 Jahren und wird
sich auch hier nicht bewähren, umso weniger, als dieses ganze
staatliche Gebiet vom deutschen Sprachgebiet umklammert ist und
doch historisch zum Deutschen Reich gehört. Aus diesem Grunde
wurden auch die deutschen Drucksorten, die noch in Massen zu tausenden
und tausenden in jedem Bezirk lagen, rasch und mit möglichster
Schnelligkeit durch èechische ersetzt. Man spart sonst
immer, wenn es sich um die Bezahlung von Beamten handelt, aber
in dieser Beziehung, was die Hinaussendung èechischer Drucksorten
anlangt, da spart man nicht, da hat man auch
gar nicht die Zeit, die Drucksorten erst einmal ordentlich zu
übersetzen. Hätte man die alten Drucksorten wenigstens
übersetzt, die aus dem alten Österreich mit übernommen
wurden! Man übernimmt aber scheinbar nur das Prügelpatent
und ähnliche Feinheiten aus dem alten Österreich, um
sich dann zu rühmen, daß man sich entösterreichert
hat. Das Gute, Praktische, daran denkt man nicht, es zu übernehmen.
So hat man eine Drucksorte, die jeder beamtete Arzt x-mal braucht,
die Totenbeschauzettel, plötzlich geändert, èechisch
gemacht, das Protokoll èechisch gemacht, und sehr bald
kam man darauf, daß man in der Eile - wer weiß, welches
Kreuzel das im Ministerium gemacht hat, jedenfalls kein Arzt,
denn der hätte das wissen müssen - daß man an
eine ganze Zahl Rubriken vergessen hat. (Posl.
dr Keibl: Die Todesursache?) Nein, die ist noch drin, aber
wann der Mann geboren ist, wohin er zuständig ist, Religionsbekenntnis
usw. Dann kommt der Ukas hintennach: Das ist handschriftlich zu
ergänzen. Nun lagern die Drucksorten da, man hat viel mehr
Arbeit, man muß trachten, daß man das irgendwo hineinflickt,
die Zettel sehen auch danach aus, Das ist das neue System, mit
jungen Leuten, die irgendwo eine Heldentat in Sibirien oder Italien
begangen haben, füllt man die Posten aus und die machen auch
die Arbeit danach: da sind keine Heldentaten mehr, die sie jetzt
verüben können, also machen sie es, wie sie es verstehen.
Aber wenn schon über diese Sachen gesprochen wird, muß
man nicht immer bloß, wie es meine Vorredner taten, die
Glanzpunkte aller dieser Gesetze hervorheben, sondern hinweisen,
wo die tiefen Schatten liegen, wo überall die Löcher
sich finden, die notdürftig zugeflickt und zugeschustert
werden, damit nicht die häßliche Blöße zu
sehen ist, die sich das System überall gibt. Es kommt einem
so vor, als ob auch bei diesem Gesetz immer die Angst in
den Ministerien lebte und auch in den maßgebenden Kreisen,
daß alles nur schnell gemacht werden müsse, bevor die
Preußen kommen, Vorläufig glaube ich ja nicht, daß
sie so schnell kommen und ich halte diese Angst für verfehlt
und würde den maßgebenden Personen raten, doch einmal
diese unnötige Angst zu verlieren und ruhig und sachlich
zu arbeiten.
Nun kommt ein Neues dazu, Wer von den angestellten
Ärzten ist denn jetzt noch seines Postens sicher? Wir haben
es vor einiger Zeit erlebt, daß es einem Kreuzel in irgendeinem
Ministerium eingefallen ist, auf einmal sämtliche Bahnärzte
zu kündigen. Ja, die hatten auch eine smlouva, einen Vertrag,
Die Distriktsärzte haben auch eine smlouva, einen Vertrag
mit dem Staate, sie sind Vertragsbeamte. Wer aber kann nach dem,
was vorgefallen ist, noch an ein Versprechen und an ein Wort glauben?
Die Bahnärzte hat man gekündigt. Im alten Österreich,
in dem verfluchten Österreich, wäre so etwas nicht möglich
gewesen. Das war einfach undenkbar, in der Èechoslovakei
ist das aber in Ordnung, Man nimmt es einfach wieder zurück,
wenn man sieht, daß es nicht geht. Aber man kann es machen.
Wenn es nun so einem Kreuzel wieder einfällt, sämtliche
deutsche Distriktsärzte oder alle
Distriktsärzte, auch die èechischen, zu kündigen,
um ein neues System einzuführen!? Wir sind ja im Experimentieren
drinnen, da kann man so weiter fortfahren. Welchen Einfluß
hat solch ein Zustand auf die Ärzte? Es war ja schon eine
große Gnade, daß der Pater Šrámek
- Gott halt' ihn selig, so lange lebt und auch nach seinem
Tode! - daß, der damalige Gesundheitsminister hielt, was
er versprochen hatte, daß alle von den autonomen Körperschaften
angestellten deutschen Ärzte in den Staatsdienst übernommen
werden, Ich rechne ihm das sehr hoch an, denn sonst haben wir
vor Ministerworten keine so große Achtung, wie uns Habrman
und andere gezeigt haben. Aber er hielt das. Nun hat der Ärztestand
durch seine Erziehung und durch seine ganze Stellung die Gewohnheit,
daß er als oberste Richtschnur seines Handelns nicht materiellen
Gewinn, sondern das innere Gefühl der Befriedigung über
die erfüllte Pflicht ansieht. Aber von Idealismus und Menschenliebe
allein kann auch der Arzt nicht leben. Das wird ein jeder einsehen.
Eine gewisse Sicherstellung vor Armut und Not ist nötig,
um dem Arzt auf die Dauer Berufsfreude zu wahren, Woher soll aber
diese Berufsfreude beim beamteten Arzte herkommen, wenn er sieht,
daß die, Bezahlung schlecht ist, daß er den Schikanen
und der Willkür der Behörden ausgeliefert ist und daß
er dazu noch keinen Tag vor der Kündigung sicher ist?
Wenn wir die sogenannten Vorteile dieses Gesetzes
in Betracht ziehen: Was ist das für ein Bettel von 80.000
Kronen im ersten Jahre von 800,000 Kronen, die im letzten Jahre,
nach 10 Jahren - wer weiß was für staatliche Umwälzungen
bis dahin wieder stattgefunden haben - als Zuschuß gegeben
werden! Das ganze öffentliche Sanitätswesen ist dem
Staate nichts mehr wert, während er für das Militärwesen
jährlich 3 Milliarden auszugeben in der Lage ist. Und wieviel
wird von diesem kleinen Betrage auf die deutschen Bezirke entfallen?
Es ist ja der berühmte Schlüssel, die Möglichkeit,
daß die Regierung den Gehalt ausnahmsweise erhöhen
kann, Der berühmte Schlüssel wird angewendet,
der Deutsche ist natürlich schlüsselmäßig
immer der mit Null zu Bezeichnende. Die èechische Seite
wird das ganze bekommen. Und was wird von dem immensen Betrag,
auf die Tausende von Ärzten verteilt, auf den einzelnen entfallen?
Es ist also, auch wenn man ganz materiell denken
wollte, vom ärztlichen Standpunkte aus - ich spreche jetzt
hier als Arzt - zu verwerfen, wenn für dieses Gesetz gestimmt
wird. Wenn man sich noch überlegt, daß der Arzt das
erhebende Bewußtsein hat, daß er gegenüber allen
Kategorien von Staatsangestellten keine Aktivitätszulage
erhält, daß er keinen Erziehungsbeitrag für
die Kinder bekommen darf - ja sollen wir dann gegen den
Malthusianismus predigen, wenn der Staat ihn selbst züchtet?
Diese Frage möchte sich das Gesundheitsministerium und das
Gesamtministerium vorlegen.
Das vorliegende Gesetz ist eben wieder eines
von denen, wie wir es hier gewöhnt sind, eines von den vielen,
die nur provisorisch gelten werden. Es ist zusammengestoppelt
und in Eile gemacht, unsystematisch, undurchdacht und unzureichend,
wie alles, was bisher hier gemacht wurde. Es ist so, daß
man nur das Notdürftigste ausbessert. Wir leben in einer
ewigen Reparatur. Die Staatsmaschine will niemals funktionieren,
da wird da und dort geflickt und es kommt nichts Ganzes und Haltbares
heraus. (Posl. Matzner: Wir sind lauter Flickschuster!) Sehr
wahr gesprochen. Wir würden uns an dieser Schusterarbeit
beteiligen, wenn wir Abänderungsanträge stellen würden.
Abgesehen davon, daß es unserer Partei bei der eigentümlichen
Stellung, die andere deutschen Parteien uns gegenüber einnehmen,
nicht möglich ist, alle unsere Abänderungsanträge
mit der nötigen Anzahl von Unterschriften versehen hier vorzulegen,
würden wir es auch deshalb nicht tun, da ja die Sache einmal
abgemacht und vorläufig unabänderlich ist, bis sich
die Folgen wieder herausstellen werden. Vielleicht werden wir
schon in ein paar Monaten wieder darüber reden. Heute ist
es unabänderlich. Das ist hier so Sitte, und der müssen
wir uns fügen. (Výkøiky posl.
Horpynky.) Deshalb haben wir verzichtet,
erst Abänderungsanträge einzubringen.
Wir wollen aber eines den Machthabern ins Gewissen
rufen. Das Volksglück steht über allem. Kein Glück
des Volkes, kein irdisches Glück ohne Gesundheit, und keine
Gesundheit ohne sachliche Beratung und Führung. Für
dieses höchste Gut materielle Opfer zu bringen, würde
tausendfach lohnen. Der Staat tut das nicht, deshalb werden wir
gegen dieses Gesetz stimmen. (Posl. Horpynka: Hier sind auch
Bajonette sehr hygienisch!) Gewiß, zum Stechen und zum
Verwunden sind sie sehr gut.
Weil ich schon beim Worte bin, will ich nicht
die Gelegenheit vorübergehen lassen, um auf Vorkommnisse
hinzuweisen, die sich wieder in letzter Zeit im deutschen Gebiete
dieses Staates abspielen, Wir müssen sehen, daß in
unseren deutschen Städten und Orten Fremde in auffallender
Tracht erscheinen, sich in Umzügen durch die Straßen
bewegen, daß sie Festplätze mit staatlichen Geldunterstützungen
anlegen und dort ihre Feste ab, halten, daß sie uns fremde
Fahnen in großer Aufmachung aufziehen und kurzum sich gebärden,
wie wenn sie die Herren wären. Unsere Bevölkerung ist
so vernünftig und ruhig und hat diese Provokationen bisher
ganz unbeachtet gelassen. Wir wollen von dieser Stätte aus
unsere Bevölkerung nicht auffordern, daß sie
diese Leute in ihrem Vergnügen stört. Im Gegenteil.
Ich wünsche, daß die Èechen recht viele Feste
feiern, daß sie an diesen Festen zugrunde gehen. Was wir
aber nicht ungerügt und nicht ohne schärfsten Protest
hinnehmen können, ist, daß an denselben
Tagen die einheimische Bevölkerung, wenn sie deutsche Feste
abhalten will, die deutsche Fahne nicht zeigen darf. (Výkøiky
poslancù nìmecké strany národní.)
Man mache entweder ein Gesetz, das die
schwarz-rot-goldenen Farben als staatsgefährlich verbietet,
dann werden wir 31/2 Millionen Hochverräter
haben, dann werden die Kerker nicht groß genug sein, um
uns alle zu fassen, uns und unsere Kinder, denn jedes Kind trägt
seine schwarz-rot-goldene Knospe, wenn es sie nicht offen zeigen
darf, unter dem Rocke. Sucht dann Fahnen, reißt sie überall
herunter, zeigt, daß ihr die Herren seid. Oder sagt, die
Deutschen sind hier Staatsbürger und haben auch das Recht,
ihre Fahnen zu zeigen. Dann bedarf man es nicht mehr, da die provokatorischen
Minderheiten draußen die Behörden aufputschen, daß
sie auf administrativem Wege die schwarz-rot-goldenen Fahnen entfernen.
Das ist ein Zustand, der eines demokratischen freiheitlich en
Staates unwürdig ist und der durchaus nicht geeignet ist,
das Ansehen des Staates im Ausland zu heben. Damit werden Sie
keine guten Staatsbürger erziehen, das merken Sie sich. Wir
von unserem Standpunkt müßten eigentlich wünschen,
daß Sie in Ihrer Theorie fortfahren, daß Sie die Nadelstiche
nicht aufhören lassen, daß Sie die Deutschen immer
wieder daran erinnern, daß sie gequält, geknechtet
und gepeinigt sind und daß sie ewig geknechtet, gepeinigt
und gefoltert sein werden, so lange dieser Staat besteht. (Potlesk
poslancù nìmecké strany národní.)
Hohes Haus! (Výkøiky
poslancù stran socialistických a poslancù
stran lidové a ¾udové.) Hohes
Haus! (Trvalý hluk.)
Místopøedseda Stivín
(pøevzal pøedsednictví -
zvoní): Prosím o klid. Pan posl. Taub
má slovo.
Posl. Taub (pokraèuje):
Kollege Malík sagte in der
Dezembersitzung 1922 als Referent zu dem berüchtigten Gesetze,
mit welchem der Abbau der Angestelltenbezüge in Szene gesetzt
wurde und der damit begründet wurde, daß eine Sanierung
der Staatsfinanzen damit geplant sei, folgendes: "Ich würde
wünschen, daß der Schmerz, welcher den Angestellten
durch diese Operation zugefügt wird, möglichst klein
und zeitlich begrenzt wäre, und ich bin der festen Zuversicht,
daß er auch ein zeitlicher sein wird. Der Preissturz in
der letzten Zeit und die wirtschaftliche Situation erfordern,
daß mit der Herabsetzung der Gehalte der Staatsangestellten
begonnen werde. Dieser Abbau soll eine weitere Herabsetzung der
Preise unterstützen, und er wird zweifellos diese Aufgabe
erfüllen."
Das sind die Worte, mit denen Kollege Malík
jenes Gesetz einbegleitet hat, zu dem sich kein anderes Mitglied
dieses Hauses als Referent hergeben wollte. Man muß sich
daran erinnern und muß sich die Frage vorlegen, ob das,
was Kollege Malík damals prophezeit hat und unter
welchen Voraussetzungen seinerzeit an den Abbau der Staatsbeamtengehalte
geschritten wurde, auch zugetroffen ist. (Posl. Hackenberg:
Er hat es ja nicht ehrlich gemeint!) Zugegeben, daß
das seine ehrliche Überzeugung war, Aber fragen wir uns,
ob diese Voraussetzungen, von denen seinerzeit Kollege Malík
ausgegangen ist, tatsächlich eingetreten sind. Ich glaube,
es nicht notwendig zu haben, an der Hand von Ziffern den Nachweis
zu führen, daß die Behauptungen des Kollegen Malík
nicht zugetroffen sind, sondern das Gegenteil. Es wäre
meiner Ansicht nach Pflicht der Koalition gewesen, schon früher
dieses schwere Unrecht, das an den Staats- und öffentlich
en Angestellten verübt wurde, gutzumachen. Ich kann also
wohl feststellen, ohne der Übertreibung geziehen zu werden,
daß sich Kollege Malík als Prophet auf volkswirtschaftlichem
Gebiete nicht bewährt hat. Wir haben damals sofort Zweifel
an der Richtigkeit dieser Behauptungen geäußert und
laben gewußt, daß dieser Abbau der Staatsangestelltenbezüge
zu nichts anderem dienen werde, als zu einem Signal für den
allgemeinen Abbau der Arbeiterlöhne. Und wie recht wir gehabt
haben, das haben uns schon die folgenden Wochen gezeigt, Wir werden
also jetzt noch etwas kritischer die Einbegleitung betrachten
müssen, die Koll. Malík zu dem neuen Gesetz
gemacht hat, zu dem er wieder als Referent auserkoren wurde. Koll.
Malík meint nun, überall gehe es drunter und
drüber, nur wir benützen diese Zeit, um eine Vorlage
zu unterbreiten, die den Charakter solider Friedensarbeit, Ruhe
und Überlegung sowie des gesunden Menschenverstandes trage
und die als ein Produkt der demokratischen Diskussion zu werten
sei. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
inž. Dostálek.)
Solide Friedensarbeit bedeutet nach der Auffassung
des Koll. Malík der Rüstungskredit für
das Ministerium für nationale Verteidigung, bedeutet die
Vorlage, die wir heute auf dem Tisch des Hauses bekamen, nämlich
die Verlängerung der Präsenzdienstzeit, ruhige Überlegung,
das sind dem Koll. Malík die Zölle und gesunder
Menschenverstand, das sind die Verbrauchssteuern, ist die Kongrua.
Er hat weiter gemeint, die öffentlichen Angestellten seien
nicht eine Schichte, die befähigt wäre, sich in Bezug
auf die divergierenden Auffassungen zu einigen und dann das Resultat
als Wunsch des Ganzen vorzutragen. (Posl. Grünzner. Weil
sie gespalten werden durch die Vorlage!) Ja, und weil sie
noch nicht die Erfahrungen der Zollkoalition gemacht haben! Koll.
Malík sagt uns weiter, daß die Grundsätze
der Vorlage mit der größten Gewissenhaftigkeit verhandelt
wurden, welche angemessen sei dem Umfang der vorbereiteten Gesetze.
Gestatten Sie mir hiezu einige Worte. Wir sind schon daran gewöhnt,
daß man zur Begründung der Anträge alle möglichen
Unterlagen schafft, die den Tatsachen nicht entsprechen. Meine
Herren, ich kann wohl ruhig behaupten, daß das, was uns
hier als angebliche Konstatierung von Tatsachen aufgetischt wird,
den Tatsachen direkt ins Gesicht schlägt. Es ist unrichtig,
daß uns als Parlamentariern die Möglichkeit einer wirklichen
ernsten Beratung der Staatsangestelltenvorlage gegeben wurde.
Ich kann ruhig behaupten, daß mit der Beratung dieser Vorlage
Komödie gespielt wurde. Sie werden sich zu erinnern wissen,
daß seitens des sozialpolitischen Ausschusses zur Beratung
dieser so wichtigen und umfangreichen Vorlage ein Subkomitee eingesetzt
wurde. Die Verhandlungen des Subkomitees sind ein Hohn auf parlamentarische
Verhandlungen. Es genügt, wenn ich feststelle, daß
die Beratungen im Subkomitee über diese umfangreiche Vorlage,
sage und schreibe, zwei Stunden bis zur völligen Erledigung
gedauert haben. Innerhalb dieser zweier Stunden wurde die ganze
Vorlage vom Referenten verlesen und sie war verabschiedet, Das
nennt man hier Verhandlung im Ausschusse.