Pátek 11. èervna 1926

9. Øeè posl. Kaufmanna (viz str. 1715 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Seit Tagen tobt im Plenum dieses Hauses und seit vielen Wochen in den Ausschüssen ein Kampf, wie er zäher, wie er erbitterter und leidenschaftlicher wohl in diesem Hause noch kaum geführt wurde. Auf der einen Seite stehen jene, die nur für eine kleine Oberschicht ihrer Klasse das Recht verlangen, mit Hilfe des Staates und der Gesetzgebung hohe Gewinne aus ihrer Arbeit und größere Renten aus ihrem Besitz herauszuholen. Auf der anderen Seite stehen jene, die das Recht der großen Masse der Arbeiter auf ein menschenwürdiges Leben oder auf ein Recht zum Leben überhaupt verteidigen und im schärfsten Abwehrkampf mit größter Leidenschaft alles einsetzen, um die Verschlechterung der Lebenshaltung der arbeitenden Massen hintanzuhalten. Wenn der Abwehrkampf diesmal so besonders leidenschaftlich geführt wird, so hauptsächlich deshalb, weil wir grundsätzliche Gegner der Zölle sind, von der Überzeugung geleitet, daß Zölle, mögen sie nun heißen wie immer, verteuernd auf die Lebenshaltung, vor allem der breiten arbeitenden Massen wirken.

Besonders jetzt, wo wir mitten in einer schweren Wirtschaftskatastrophe stehen, wo Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit von Tag zu Tag sich vermehren und verschärfen, wo vielleicht in Wochen oder wenigen Monaten schon bei vielen Tausenden ja Zehntausenden Menschen wird gefragt werden müssen, ob sie überhaupt noch zu konsumieren in der Lage sind! Jetzt helfen die freien Gewerkschaften der Arbeiter noch über die schwere Zeit hinweg. Sie haben, durch des Gesetz und ihre Einrichtungen verpflichtet, durch 13 Wochen für die Arbeitslosen zu sorgen und gerade dieses Moment ist es, das es uns ermöglicht, scharf und genau zu kontrollieren und festzustellen, wie sich die Wirtschaftskatastrophe verschärft, wie die Wirtschaftskrise immer umfangreicher wird. Denn fast alle Gewerkschaften wie auch die Organisation, deren Vorsitzender ich bin, haben in den letzten Wochen und Monaten ganz außergewöhnliche Steigerungen ihrer Unterstützungen für Arbeitslose zu verzeichnen. Ich will das anführen, weil gerade diese Ziffern ein klares Bild, ein scharfer Gradmesser für die Verschärfung der Krise sind. Während unsere Organisation im Jänner und Feber 1925 nur 150.00 Kronen für das ganze Staatsgebiet an Unterstützungen zur Auszahlung bringen mußte, haben wir im März dieses Jahres, also in einem Monat, 243.000 Kè und im April 254.000 Kè zur Auszahlung bringen müssen. Das ist erst eine von den vielen freien Gewerkschaften und Sie können an diesem einen kleinen Beispiel sehen, wie ungeheuer sich die wirtschaftliche Lage in diesem Staate verschlechtert hat. Gerade in dieser Periode, ungehemmt und ungehalten, gar nicht berücksichtigend, wie diese wirtschaftliche Situation ohnedies auf die konsumierende Bevölkerung, vor allem auf die Arbeiter wirken muß, kommen nun die Zollfreunde, die Zollkoalition mit Agrarzöllen, mit Hochschutzzöllen für die Landwirtschaft.

Sie mögen ihre Forderungen begründen wie sie wollen. Wenn der kleine Landwirt und der kleine Bauer, der über seinen Betrieb nicht weit hinaussieht, die Argumente, die für die Agrarschutzzölle angeführt werden, auch glaubt, die führenden Männer in der Landwirtschaft müssen und können aus den Erfahrungen, die bei den Industriezöllen gemacht wurden, wissen und sie müßten, wenn sie bei der Wahrheit bleiben wollen, anders zur Zollfrage sprechen. Sie müssen wissen, daß der Zollschutz auch die Industrie nicht vor dem Rückgang geschützt hat, wie ja die Wirtschaftskrise zeigt, in der wir uns gegenwärtig befinden. Auch die Landwirtschaft wird jenen Schutz und jene Hilfe, die vor allem von den führenden Männern der Landwirtschaft hier aufgezeigt wurde, nichts haben. Sie werden die Vorteile nicht genießen und sie glauben auch gar nicht daran, daß die Absperrung der Grenzen mit Hilfe der Zölle ihnen eine größere Möglichkeit für den Absatz ihrer landwirtschaftlichen Produkte, ihrer Viehüberschüsse u. s. w. verschaffen wird. Denn jede Drosselung - und auch das wissen ihre führenden Männer - des Importes, um welche Artikel es sich auch immer handelt, hat immer auch eine Drosselung des Exportes zur Folge. Wir brauchen bei unserer vernältnismäßig großen Industrie, die ein Glück für dieses Land ist, eine Quelle des Reichtums für dieses Land sein sollte, einen entsprechenden Export. Wir wissen, daß wir bei der großen Industrie unbedingt einen erheblich großen Teil, fast 80% unserer normalen Produktion ins Ausland ausführen müssen. Wir brauchen gar nicht zu warten, bis die Zollvorlage, über die wir beraten und in ganz kurzer Zeit vielleicht in zwei oder drei Stunden durch Abstimmung entscheiden werden, Gesetz geworden ist, denn die ersten Stimmen, die uns zeigen, was geschehen wird, haben wir bereits hier. Mit dem heutigen Tag haben wir aus Budapester Mitteilungen faststellen können, daß Ungarn bereits entschlossen ist, die Absperrung der Grenzen für Agrarprodukte nach der Èechoslovakei, zu beantworten mit der Absperrung der Grenzen für èechoslovakische Industrieprodukte. Ja, man geht noch weiter, man wird selbst dort, wo es notwendig ist, die Einfuhr zu bewilligen, wo vertragliche Momente die Absperrung der betreffenden Industrieprodukte nicht möglich machen, mit Strafzöllen gegen die èechoslovakische Industrie vorgehen. Das ist die erste Ankündigung, die erste Kriegserklärung, der Zollkrieg ist damit zur Tatsache geworden. Was die Absperrung der Grenzen für die Ausfuhr unserer Industrieprodukte bedeutet, im jetzigen Augenblick bedeutet, das braucht man dem, der nur ein bischen von Volkswirtschaft versteht, ein bischen die Folgewirkungen eines Zollkriegs kennen gelernt hat, nicht zu sagen. Aber wenn wir jetzt außerdem noch durch Mangel an Arbeit durch verminderten Lohn infolge Kurzarbeit und Einlegen von Feierschichten feststellen müssen, daß der verkürzte Lohn die Konsumfähigkeit der Bevölkerung und vor allem der Arbeiter vermindert und als Folge dieser verminderten Konsumfähigkeit wiederum einer Vermiuderung unseres Warenabsatzes kommen muß, dann können wir sagen, daß die Zölle, von denen Sie sich soviel erhofften, Ihnen den erwarteten Vorteil nicht bringen werden. Wenn wir aber durch die Zölle solche Auswirkungen noch verschärfen, wenn die Arbeitslosigkeit die Unmöglichkeit eines entsprechen den Verdienstes, die Unmöglichkeit zu konsumieren eintritt, so wird eine weitere Herabsetzung des Warenumsatzes und auch der landwirtschaftlichen Produkte die Folge sein. Sie wollen aber mit Ihren Zöllen noch etwas anderes. Sie wollen nicht nur die Absperrung der Grenzen, sie wollen nicht nun die Auflage des Zolls, um den Auslandspreis für Getreide und landwirtschaftliche Produkte zu erhöhen, Sie wollen außerdem noch eine Beschränkung der Beschickung des Marktes und dadurch eine Verschiebung der Auswirkungen des Gesetzes von Angebot und Nachfrage zu Ihren Gunsten. Sie wollen die Preise erhöhen, höhere Profite, höheren Gewinn haben. Diese Wirkung wird ebenfalls ausbleiben, denn wenn Sie auch die Grenzen absperren, so wird sich dadurch, daß die Konsumfähigkeit der Arbeiterschaft zurückgeht, ein kleiner Vorteil, den die größeren Grundbesitzer, die größeren Bauern aus den Zöllen genießen werden, wieder aufzehren, weil der Umsatz kleiner wird. Es ist noch nicht lange her, vor einigen Tagen, als mir Koll. Böllmann von den deutschen Agrariern auf der Fahrt von Prag nach Hause klagte, wie die Verhältnisse in der Landwirtschaft traurig sind, daß Überfluß an landwirtschaftlichen Produkten, vor allem an Vieh und Schweinen vorhanden sei, daß das Vieh nicht an den Mann zu bringen ist. Glauben Sie nun, wenn Sie durch die Zölle die Konsumfähigkeit der Bevölkerung noch weiter herabsetzen, daß sie dann imstande sind, den Absatz ihres Viehüberflusses besser zu gestalten? Es ist kein Wunder, daß dies unmöglich ist. Hunderttausende von Menschen, auch in der Èechoslovakei, die früher gewohnt waren, Tag zu Tag ein Stück Fleisch auf ihrem Tisch zu haben, haben diesen Luxus längst einstellen müssen und nicht mehr Tag für Tag, in vielen Arbeiterfamilien nicht einmal in der Woche, kommen einige Deka Fleisch auf den Tisch und weil diese große Masse nicht mehr Fleisch zu konsumieren vermag, deshalb Ihr Überfluß an Vieh, der von Tag zu Tag, von Monat zu Monat größer wird. Nicht Sie, nicht die Bauern, der Zwischenhändler wird den Vorteil davon haben. Daß von den Bauern, von ihren Führern und den Großgrundbesitzern, besonders die kleinen Leute als Mitläufer für ihre Forderungen mißbraucht werden, die Ankündigungen, daß Vorteile für sie entstehen, ist ein großer Schwindel, ist eine Unwahrheit und Entstellung und das können wir festellen, wenn wir die Zollstatistik des alten Österreich betrachten. Trotz weitgehenden Zollschutzes war der Roggenverbrauch im alten Österreich im Jahre 1880 noch 176.4 kg pro Kopf, im Jahre 1890 war der Verbrauch trotz Zollschutzes auf 162.3 und im Jahre 1905 und folgenden Jahre auf 144.6 kg zurückgegangen. Nicht während der Hochschutzzölle haben Sie die Vorteile gehabt, Sie haben wohl etwas höhere Preise erzielt, aber durch den Rückgang des Konsums ist der Vorteil, den die erhöhten Zölle brachten, wieder verloren gegangen. In der zollfreien Zeit nach dem Kriege, also in einer der schlechtesten Perioden hat sich der Konsum wieder gehoben und zwar bis zum Jahre 1922, in der Zeit, wo sich die Löhne und Kaufkraft wieder erhöht haben und haben Sie wieder mehr umsetzen vermocht, als es unter dem Hochschutzzoll möglich war. Sie waren aber auch in den letzten Jahren, seitdem einer ihrer prominentesten Vertreter Herr Švehla Premierminister war, nicht schutzlos. Herr Švehla hat es sehr gut verstanden, unauffällig ohne Gesetzgebung ihnen einen ziemlich weit gehenden, für die Konsumentenschaft empfindlichen Schutz zu schaffen. Auf administrativem Wege wurde das Anmeldeverfahren eingeführt. Wer Getreide, Lebensmittel einführen wollte, mußte Quantum und Gattung angeben. Aus diesem Anmeldeverfahren hat derselbe Ministerpräsident wieder auf dem Wege der Administrative das Bewilligungsverfahren gemacht, das die Bürokratie dieses Staates, den betreffenden Beamten, der über die Ansuchen um Einfuhr von Getreide und anderen Lebensmitteln zu entscheiden hatte, befähigte, das ihm die Möglichkeit gab, durch Verschiebung der Erledigung, durch Zurücklage des Ansuchens auf Wochen oder Monate hinaus dem betreffenden Händler oder Käufer entweder überhaupt die Einfuhr unmöglich zu machen, indem die günstige Zeit verstrich oder bis sich der Kaufvertrag zerschlagen hatte. Kurz und gut, es war schon damals möglich, die Einfuhr ganz gewaltig zu drosseln. Sie haben dann auf dem Wege der Gesetzgebung die gleitenden Zölle bekommen. Sie haben nicht nur den Ausgleich zum Weltmarktpreis gefunden und gehabt, die Preise sind höher gestiegen. Sie haben einen höheren Schutz erhalten, denn Sie hatten neben den gleitenden Zöllen noch das Bewilligungsverfabren. Dort, wo die gleitenden Zölle nicht ausreichten, den Ausgleich zum Weltmarktpreise, bezw. den von Ihnen verlangten höheren Vorteil zu sichern, mußte das Bewilligungsverfahren wieder in Kraft treten, um die gesetzlichen Bestimmungen über die gleitenden Zölle und ihre Auswirkungen noch zu verschärfen. Ich will einen ganz kleinen Beweis durch eine chronologische Gliederung Ihrer ganzen Aktion erbringen, die 1920 und 1921 begonnen hat. 1920 und 1921 waren es die Herren auf den Bänken der Agrarier die in der unflätigsten, schärfsten und schroffsten Weise gegen die Zwangswirtschaft wetterten, die die Zwangswirtschaft, die noch aus der Kriegszeit verblieben war, verurteilten, alle Mängel und Schäden aufzählten, die daraus entstanden waren oder entstanden sein sollten. Sie forderten damals freien Handel, freie Wirtschaft, in Verbindung damit selbstverständlich auch freie Einfuhr. Die Zwangswirtschaft muß beseitigt werden, war Tag für Tag Ihre Parole gewesen, Sie verlangten bei der Preisbestimmung die Einfluß nahme der Behörden und der Regierung. Man hat Ihren Wünschen mehr oder weniger offen, direkt und indirekt Rechnung getragen. Sie haben Ihre Forderungen, gestützt auf den Ministerpräsidenten, sukzesive durchgesetzt. Als Sie freien Handel und freie Wirtschaft hatten, schrieen Sie auf und verlangten Weltmarktpreise, die im Inland durch Angebot und Nachfrage geregelten Preise entsprachen Ihnen nicht. Weltmarktpreise wollten Sie haben. Die gleitenden Zölle brachten wohl Weltmarktpreise, den Ausgleich zum Weltmarktpreis, Sie wollten aber noch mehr haben und Sie haben auch mehr bekommen. Sie hatten den garantierten Weltmarktpreis und verlangten nun feste Zölle. Wir können heute feststellen, daß das, was Sie jetzt durch die Vorlage bekommen sollen und wollen, nicht das ist, was man sich allgemein unter Zollerhöhung vorstellt, was man normaler Weise unter Zollschutz versteht, sondern wir behaupten, daß in 90 von 100 Fällen zu dem jetzigen Weltmarktpreis noch die Zollerhöhungen kommen, daß eine bedeutend größere Steigerung der Warenpreise herbeigeführt werden wird, als wir uns je träumen lassen. Sie beginnen Ihre Aktion zu der Zeit, wo die gleitende Zölle errichtet wurden, Sie haben damals für den Meterzentner Weizen einen Preis von 140 Kronen erzielt. Sie haben damals aber auch erklärt, daß dieser Preis annehmbar, daß er auskömmlich ist, daß Sie damit zufrieden sind. Heute haben Sie einen Preis von 230 Kronen erzielt und erklären, daß dieser Preis nicht auskömmlich ist, daß er nicht auslangt, daß Sie höhere Preise haben müssen, und dazu muß nun ein fester Zoll dienen und führen. Sie wollen also nicht die Parität mit dem Weltmarktpreis, Sie wollen mehr, Sie wollen feste Zölle, um auch die Preissteigerung, die Sie im letzten Jahre durchgeführt haben und die ca 90% betrug, noch weiter zu treiben. Wir müssen aber fragen, müssen Sie von der Landwirtschaft fragen: Haben Sie selbst etwas dazu beigetragen, daß der Ertrag Ihrer landwirtschaftlichen Arbeit größer und erfolgreicher werde?

Da müssen wir wieder, wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, erklären: Nein! Im Gegenteil, Sie haben die Vermehrung der Produktion, die Erhöhung des landwirtschaftlichen Ertrages direkt durch Anbausabotage gehemmt und gestört, und deshalb haben Sie kein Recht, jetzt mehr zu verlangen mit Hilfe des Staates und der Gesetzgebung. Sie hätten durch eigene Kraft, durch eigenes Wollen und Können sich dieses Mehr auf legalem, gerechten und berechtigten Wege verschaffen sollen und können. Wenn wir die Anbauflächen nur in Böhmen, Mähren und Schlesien in Vergleich ziehen, müssen wir feststellen, daß z. B. die Anbaufläche für Weizen im Jahre 1879 noch 374.086 ha betrug, 1925 nur 341.977 ha, die Anbaufläche für Roggen 1879 867.397 ha, 1925 nunmehr 673.200 ha. Wir sehen also, daß die Anbaufläche ganz bedeutend verringert wurde, und zwar die Anbaufläche für die wichtigsten Getreidesorten, die die Bevölkerung konsumiert. Ich glaube, wenn es möglich wäre, wenn sie die Empörung der Bevölkerung nicht allzu sehr fürchten würden, hätten sie noch zu anderen Methoden und Mitteln gegriffen. In der Vorkriegszeit haben wir ja auch bei unseren österreichischen Großgrundbesitzern die Forderung und die Sehnsucht feststellen können, den Beispiel ihrer ungarischen Kollegen zu folgen oder dem Beispiel der amerikanischen Großgrundbesitzer und Plantagenbesitzer, die in einem guten Erntejahr ihren Überschuß an landwirtschaftlicher Produktion nicht auf den Markt brachten, um den Warenpreis nicht zu drücken, sondern daran gingen, das von der Natur hervorgebrachte Produkt oder den Überschuß über den momentanen Bedarf, ja gedrosselten Bedarf, ganz einfach zu vernichten, zu verbrennen oder, wenn es nicht anders ging, den Kessel der Lokomobile bei den Dreschgarnituren damit zu heizen. Sie haben damals absichtlich gedrosselt, und tun dasselbe heute in anderer Form, um Angebot und Nachfrage entsprechend zu beeinflussen, das Angebot zu verringern und dadurch die Möglichkeit einer Preissteigerung herbeizuführen.

Wir hören immer aus landwirtschaftlichen Kreisen Klagen, die Landwirtschaft sei verschuldet. Diese Klage war vielleicht in der Vorkriegszeit berechtigter, die Verschuldung der Landwirtschaft in der Vorkriegszeit in erhöhtem Ausmaße vorhanden. Auch da müssen wir feststellen, daß gerade zur Zeit des Schutzzolles die Hypothekarschulden der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr größer geworden sind. Nicht die Zeiten des Hochschutzzolles, sondern die Kriegszeit, die Zeit der größten Not der Allgemeinheit hat ihnen, den)Landwirten, gute Ernte gebracht. Rücksichtslos haben sie in der Kriegszeit die konsumierende Bevölkerung ausgenützt. Sie haben die konsumierende Bevölkerung ausgeplündert und es ist noch nicht vergessen worden und wird auch nicht vergessen werden, wie das letzte Hemd, die Ohrgehänge, der Ehering nicht geschützt und bewahrt waren vor ihrer Gier. Sie haben sich nicht gescheut, dem Konsumenten für ihre landwirtschaftlichen Produkte das letzte wegzunehmen. In dieser Zeit und mit diesen Methoden haben sie ihre Schulden auf der Landwirtschaft getilgt und bezahlt.

Wenn wir das "Fremdenblatt" von 1915 nachschauen, finden wir den Aufruf zur Werbung für die Kriegsanleihe. In diesem Aufruf, der sich an die gut verdienende Landwirtschaft wendet, konstatiert das Fremdenblatt, daß bei der Ernte 1914 nur bei Weizen und Roggen, Gerste und Hafer die Landwirtschaft um 910 Millionen Friedenskronen mehr verdient hat, als sie verdient hätte, wenn der Krieg nicht die Zwangslage für die Konsumenten geschaffen hätte. Der Mehrverdienst bei Mais und Vieh ist unabschätzbar gewesen. 1914 war, wie wir feststellen können, die Landwirtschaft mit Schulden von ca 2 1/2 Milliarden Friedenskronen belastet. 1918 betrugen die Banken- und Sparkasseneinlagen über 3 Milliarden, d. h. daß die Landwirtschaft in einem Zeitraum von etwas über 4 Jahren in der Zeit der höchsten Not und der höchsten Verzweiflung der Bevölkerung des alten Österreichs, in der Zeit, wo die Menschen am verhungern waren, wo Hungertyphus und Hungerödem Tag für Tag bei Tausenden neu konstatiert werden konnte, 5 Milliarden verdiente, überverdiente, und 2 1/2 Milliarden Schulden abgezahlt und Ersparnisse von 3 Milliarden neu gemacht hat. Also nicht der Getreide- und nicht der Viehzoll, der Krieg war das Heil für die Landwirtschaft gewesen, der Krieg, der alle übrigen Gesellschaftschichten, vor allem die arbeitenden Klassen vollständig ruiniert hat, hat den Landwirten ungeheuren Gewinn und Reichtum gebracht. Wir müssen uns fragen, müssen Sie fragen, wie Sie diese Milliarden verwendet haben, um Ihre Wirtschaft zu verbessern, um Ihre Betriebe, die landwirtschaftlichen Werkzeuge zu modernisieren und leistungsfähiger zu machen. Der Wohlstand war während des Krieges, wie man sagte, von der Stadt aufs Land gezogen. Wir konnten und mußten feststellen, daß oft in der unsinnigsten Weise das erworbene, ich will nicht sagen verdiente, das erwucherte wieder verausgabt wurde. Es ist Tatsache, daß seit 1920 wiederum eine Verschuldung der Landwirtschaft eingesetzt hat. Wenn Sie aber glauben, daß Sie mit Zöllen diese Erscheinung reparieren und gutmachen können, müssen wir mit nein antworten. Die Gewinne während des Krieges - mein Parteifreund Dietl hat darauf verwiesen - haben vor allem zur Steigerung der Grundrente und der Grundpreise beigetragen. Auch darüber hat mein Fraktionskollege gesprochen, daß durch Ankauf und Wiederverkauf förmlich Kettenhandel mit den Gütern getrieben wurde, so daß die Preise ganz außerordentlich hinaufschnellten. Der Verkauf der Güter hat ganz bedeutende Preissteigerungen gebracht. Der Prozentsatz betrug beim Verkauf bis 173%, bei Übergabe an den Erben, an den Familienältesten oder an jenes Kind, welches die Landwirtschaft vom Vater übernahm, oft bis 297%. Bei solchen Wertsteigerungen hätten entweder ganz bedeutende Verbesserungen der Betriebseinrichtungen, hätte eine Rationalisierung der Produktion eintreten müssen oder aber hat das kommen müssen, was wir zu verzeichnen haben, daß diese so auf abnormale Art verteuerten Besitze nicht mehr ertragsfähig sind, keinen Zinsenertrag und keinen Gewinn mehr abzuwerfen vermögen. Der Umstand, daß der Erbe, der Familienälteste, der Übernehmer des Gutes an seine Geschwister den Erbanteil auszahlen mußte, führte wiederum zur Aufnahme von Hypotheken. Das sind die Ursachen, da ist die Wurzel der neuen Verschuldung zu suchen, aber nicht darin, weil die Landwirtschaft etwa ungeschützt war. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)

Von den Industriezöllen gilt das gleiche. Auch die Industriezölle haben nicht die Industrie geschützt, haben sie nicht leistungsfähiger, nicht konkurrenzfähiger gemacht, sie haben nur die Produkte verteuert, dem Staate Einnahmen geschaffen, die Industrie aber durch die Verteuerung leistungsunfähiger gemacht. Trotz allen Zollschutzes sehen wir, daß andere industrielle, fortgeschrittenere Länder mit höher entwickelter, technisch besser ausgestalteter Industrie auf unserem Markte konkurrenzfähig auftreten können und daß alle Zollschutzmaßnahmen für unsere Industrie wirkungslos geblieben sind. Der Zollschutz der Industrie ist aber weder nach volkswirtschaftlichen noch nach handelspolitischen Gesichtspunkten behandelt worden. Einige Beispiele: Die Èechoslovakei hat einige große Uhrenfabriken, die darunter leiden müssen, daß der Zollkoeffizient außerordentlich niedrig angesetzt wurde. Nicht die Vertreter der Industrie oder der Arbeiterschaft, nicht die in Betracht kommenden und darunter leidenden Interessenten, sondern ein halbes oder ein Dutzend kleiner Uhrmacher in Prag hat darüber entschieden, wie sich die Lage in der Uhrenindustrie gestaltet soll. Sie haben entschieden, daß 18, 20 und 21 Heller für 1 kg Ware ein genügender Zoll sein sollen, während in der Maschinenindustrie 3.40 bis 4 Kè pro Kilo, in der Druckereimaschinenbranche bis 7 Kè pro Kilo Zoll eingehoben wird. Ein Dutzend kleiner Uhrmachermeister, die nicht bei der inländischen Industrie einkaufen wollten, weil diese Uhrenindustrie in deutschen Händen ist, sondern bei der französischen, von der sie die Ware ohne nennenswerte Zollbelastung hereinbekommen wollten, um der inländischen Industrie Konkurrenz zu machen, haben entschieden, wie hoch der Zollschutz für Uhren sein soll. In der Emailindustrie haben wir etwas ähnliches gesehen. Dort waren es ebenfalls ganz unberufene und unfähige Leute, die daran interessiert waren, daß die èechoslovakische Emailindustrie weniger geschützt sei als andere Industrien, die haben bestimmend auf den Zollkoeffizienten für Rohmaterialien eingewirkt. Umgekehrt wiederum gibt es Betriebe, die den Zollschutz in ganz außerordentlicher Höhe genießen, obwohl sie ihn nicht brauchen. Wir haben in der Èechoslovakei 3 Betriebe, die Kunstseide erzeugen, die ohne Zollschutz nicht nur den Inlandsmarkt gut beherrschen könnten, sondern auch bei der ausländischen Konkurrenz zu bestehen vermöchten. Auf Kunstseide wird ein außergewöhnlich hoher Zoll beantragt. Für Autos, Flugmotoren ist das gleiche der Fall. Bei diesen Industriezöllen ist es interessant festzustellen, daß die Živnostenská banka Hauptinteressent ist, daß die Živno das meiste Interesse daran hat, diese Industriezweige durch hohe Zölle auf dem Inlandsmarkt zu schützen. So wird uns auch klar, warum gerade die Herren von der Nationaldemokratie so intensiv und mit so großer Vehemenz und mit so großer Solidarität für die Wünsche der Agrarier eintreten. Eine Hand wäscht die andere. Auf der einen Seite die Herren von der national-demokratischen Partei im Auftrage und über Wunsch der Živnostenská banka, als Schützer der Agrarier und umgekehrt werden die Agrarier, wenn es notwendig ist, für die Živnostenská banka als Schützer auftreten. (Výkøik: Die deutschen Agrarier sind auch dabei!) Sehr richtig!

Wie sich die Zölle auswirken, hat vor wenigen Tagen eine Prager Zeitung ganz richtig aufgezeigt. Sie hat den Weg gezeigt, den die Produkte von der Urproduktion bis zur Fertigware, bis zur Lebensmittelerzeugung zurücklegen. Sie hat aufgezeigt, wie oft auf diesem Wege die Ware durch Zölle belastet wird. Die Abendzeitung schrieb: Die englische Kohle geht zum französischen Erz, welches in Roheisen umgewandelt wird. Auf dem Wege dahin mußte für englische Kohle nach Frankreich Zoll entrichtet werden. Das französische Roheisen geht nach Deutschland und wird zu Maschinen verarbeitet. Das Roheisen wird mit Zoll belegt. Es ist hier schon eine zweifache Zollbelastung. Die deutsche Maschine geht nach Österreich, dort wird mit der Maschine die Pflugschar erzeugt und wir haben wiederum eine Zollgrenze und eine Zollbelastung. Die Pflüge gehen nach Rumänien, um dort der Landwirtschaft behilflich zu sein, Weizen und andere landwirtschaftliche Produkte zu bauen, wiederum Zollgrenze, wiederum Zollbelastung, der Weizen geht in die ungarischen Mühlen, um zu Mehl vermahlen zu werden, wiederum Zollbelastung. Das ungarische Mehl geht zurück nach England, damit die Bergarbeiter und Eisenhüttenarbeiter ihr Brot davon erzeugen und ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Wiederum Zoll. Also auf dem Wege, den die englische Kohle begonnen und das ungarische Mehl beendet hat, ist in diesem Zusammenhang und in der sich gegenseitig ergänzenden Produktion sechsmal Zoll eingehoben, also eine ganz bedeutende Verteuerung des Endproduktes herbeigeführt worden. Die Lebenshaltung wird also verteuert und die Folge davon ist ein erhöhter Notstand, vor allem der arbeitenden, konsumierenden Bevölkerung. In der Zeit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise kommen Sie mit dem Zollgesetz, wo seine Auswirkung die Krise noch verheerender und furchtbarer machen wird. Not, Verzweiflung und Empörung wird das Resultat sein. Wenn Sie glauben, daß Sie die Empörung der arbeitenden Massen mit dem Polizeiknüppel beschwichtigen können, dann irren Sie sich. Wenn Sie glauben, daß Sie, wie es der heutige Zwischenfall in Prag zeigte, die Arbeiterbewegung mit Ihren Polizeistiefeln nieder zu trampeln, dann machen Sie eine falsche Rechnung. Auch andere Ereignisse könnten wir feststellen, wo die Arbeiter als Konsumenten aufbegehrten und ihr Recht verlangten und ihnen mit Bajonetten geantwortet wurde. Wenn Sie glauben, die Arbeiterorganisationen in ihrer Tätigkeit für die Arbeiterschaft drosseln und einschränken zu können, dann irren Sie sich! Wir haben das schon seit einiger Zeit feststellen können. Sämtliche Organisationen, die seit dem Jahre 1919 nach dem èechoslovakischen Vereinsgesetz oder nach dem von Österreich übernommenen und noch geltenden Vereinsgesetz gegründet wurden, die von der Statthalterei, vom Ministerium des Innern durch Genehmigung der Statuten sanktioniert wurden, diese Organisationen werden seit einigen Wochen überall in ihren Filialen und Ortsgruppen belästigt, die Polizei und vor allen anderen die Staatspolizei verlangt die neuerliche Vorlage der Statuten, Nachweise, daß diese Vereine als Ortsgruppen einer freien Gewerkschaft zurecht bestehen, ja noch mehr, sie hat zu Pfingsten den Kongreß der Metallarbeiter, der in Karlsbad stattgefunden hat, ununterbrochen belästigt. Tag für Tag waren zwei Vertreter der Staatspolizei im Kongreßlokal, verlangten die Teilnehmerlisten des Kongresses, der auf Grund des § 2 des Versammlungsgesetzes einberufen war, sie verlangten die Tagesordnung, sie verlangten zu wissen, was auf dem Kongreß besprochen und beraten wird. Wir haben noch ein anderes Beispiel. Die èechoslovakischen Bergarbeiter im deutschen, wie auch im èechischen Sprachgebiet haben bei dem großen Kampfe der englischen Bergarbeiter, wie nicht anders zu erwarten war, Solidarität beschlossen, nicht Solidarität durch Kundgebungen und Erklärungen, sondern praktische Solidarität durch Beistellung der Kampfmittel, durch Füllung der Kampffonde. Als unsere Bergarbeiter auf ihren Schächten den Beschluß gefaßt hatten, einen Stundenlohn, d. h. die qualifizierten Arbeiter, die im Akkord arbeitenden Arbeiter sechs und die Regiearbeiter 3 Kronen, für die Unterstützung der kämpfenden englischen Bergarbeiter zu sammeln, kam Gendarmerie und untersuchte dieses Unternehmen der Bergarbeiter auf den Schächten. Sie intervenierte bei der Betriebsleitung, ja noch mehr, die Gendarmen verbaten die Sammlung von Beiträgen für die englischen Bergarbeiter. Das war wohl auch im alten Österreich nicht zu verzeichnen, daß eine freiwillige Solidaritätsaktion, die keiner behördlichen Kontrolle unterliegt und die durch kein Gesetz untersagt ist, daß ein freiwilliger Akt der Solidarität durch ein Verbot der Gendarmerie unmöglich gemacht und aufgehoben werden kann. Mit solchen Mitteln werden Sie die Empörung der Arbeiterschaft nicht eindämmen und beseitigen, im Gegenteil, Sie werden diese Empörung vermehren und Sie werden dann, wenn die Auswirkung der Zölle kommt, in diesem Staate Dinge erleben, die Sie sich heute nicht träumen lassen. Die Verteuerung der Lebensmittelhaltung in Verbindung mit der Verkürzung der Arbeitszeit, in Verbindung mit Feierschichten, in Verbindung mit der Verkürzung des Einkommens um 50 und mehr Prozent, muß die Arbeiter zu Aktionen um Erhöhung ihres Einkommens treiben. Wir können uns schon nach den letzten Vorfällen in Prag ungefähr eine Vorstellung machen, was die Arbeiterschaft, die keinen andern Weg hat, als zu ihrem Arbeitsgeber zu gehen und von ihm höhere Löhne, die sich den Teuerungsverhältnissen anpassen, zu verlangen, wenn sie von ihren Unternehmern schroff und protzig abgewiesen, zum letzten Mittel, zur Arbeitsverweigerung greift, zu erwarten hat. Wir können uns vorstellen, wie die Polizei und Gendarmerie in diesem wirtschaftlichen Kampfe "objektive Neutralität" bewahren wird, dann können wir uns auch vorstellen, wie diese Gendarmen und Polizisten unter den um einen größeren Lohn und eine bessere Lebenshaltung kämpfenden Arbeiter wüten werden.


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