Hohes Haus! Seit Tagen tobt im Plenum dieses
Hauses und seit vielen Wochen in den Ausschüssen ein Kampf,
wie er zäher, wie er erbitterter und leidenschaftlicher wohl
in diesem Hause noch kaum geführt wurde. Auf der einen Seite
stehen jene, die nur für eine kleine Oberschicht ihrer Klasse
das Recht verlangen, mit Hilfe des Staates und der Gesetzgebung
hohe Gewinne aus ihrer Arbeit und größere Renten aus
ihrem Besitz herauszuholen. Auf der anderen Seite stehen jene,
die das Recht der großen Masse der Arbeiter auf ein menschenwürdiges
Leben oder auf ein Recht zum Leben überhaupt verteidigen
und im schärfsten Abwehrkampf mit größter Leidenschaft
alles einsetzen, um die Verschlechterung der Lebenshaltung der
arbeitenden Massen hintanzuhalten. Wenn der Abwehrkampf diesmal
so besonders leidenschaftlich geführt wird, so hauptsächlich
deshalb, weil wir grundsätzliche Gegner der Zölle sind,
von der Überzeugung geleitet, daß Zölle, mögen
sie nun heißen wie immer, verteuernd auf die Lebenshaltung,
vor allem der breiten arbeitenden Massen wirken.
Besonders jetzt, wo wir mitten in einer schweren
Wirtschaftskatastrophe stehen, wo Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit
von Tag zu Tag sich vermehren und verschärfen, wo vielleicht
in Wochen oder wenigen Monaten schon bei vielen Tausenden ja Zehntausenden
Menschen wird gefragt werden müssen, ob sie überhaupt
noch zu konsumieren in der Lage sind! Jetzt helfen die freien
Gewerkschaften der Arbeiter noch über die schwere Zeit hinweg.
Sie haben, durch des Gesetz und ihre Einrichtungen verpflichtet,
durch 13 Wochen für die Arbeitslosen zu sorgen und gerade
dieses Moment ist es, das es uns ermöglicht, scharf und genau
zu kontrollieren und festzustellen, wie sich die Wirtschaftskatastrophe
verschärft, wie die Wirtschaftskrise immer umfangreicher
wird. Denn fast alle Gewerkschaften wie auch die Organisation,
deren Vorsitzender ich bin, haben in den letzten Wochen und Monaten
ganz außergewöhnliche Steigerungen ihrer Unterstützungen
für Arbeitslose zu verzeichnen. Ich will das anführen,
weil gerade diese Ziffern ein klares Bild, ein scharfer Gradmesser
für die Verschärfung der Krise sind. Während unsere
Organisation im Jänner und Feber 1925 nur 150.00 Kronen für
das ganze Staatsgebiet an Unterstützungen zur Auszahlung
bringen mußte, haben wir im März dieses Jahres, also
in einem Monat, 243.000 Kè und im April 254.000
Kè zur Auszahlung bringen müssen. Das ist erst eine
von den vielen freien Gewerkschaften und Sie können an diesem
einen kleinen Beispiel sehen, wie ungeheuer sich die wirtschaftliche
Lage in diesem Staate verschlechtert hat. Gerade
in dieser Periode, ungehemmt und ungehalten, gar nicht berücksichtigend,
wie diese wirtschaftliche Situation ohnedies auf die konsumierende
Bevölkerung, vor allem auf die Arbeiter wirken muß,
kommen nun die Zollfreunde, die Zollkoalition mit Agrarzöllen,
mit Hochschutzzöllen für die Landwirtschaft.
Sie mögen ihre Forderungen begründen
wie sie wollen. Wenn der kleine Landwirt und der kleine Bauer,
der über seinen Betrieb nicht weit hinaussieht, die Argumente,
die für die Agrarschutzzölle angeführt werden,
auch glaubt, die führenden Männer in der Landwirtschaft
müssen und können aus den Erfahrungen, die bei den Industriezöllen
gemacht wurden, wissen und sie müßten, wenn sie bei
der Wahrheit bleiben wollen, anders zur Zollfrage sprechen. Sie
müssen wissen, daß der Zollschutz auch die Industrie
nicht vor dem Rückgang geschützt hat, wie ja die Wirtschaftskrise
zeigt, in der wir uns gegenwärtig befinden. Auch die Landwirtschaft
wird jenen Schutz und jene Hilfe, die vor allem von den führenden
Männern der Landwirtschaft hier aufgezeigt wurde, nichts
haben. Sie werden die Vorteile nicht genießen und sie glauben
auch gar nicht daran, daß die Absperrung der Grenzen mit
Hilfe der Zölle ihnen eine größere Möglichkeit
für den Absatz ihrer landwirtschaftlichen Produkte, ihrer
Viehüberschüsse u. s. w. verschaffen wird. Denn jede
Drosselung - und auch das wissen ihre führenden Männer
- des Importes, um welche Artikel es sich auch immer handelt,
hat immer auch eine Drosselung des Exportes zur Folge. Wir brauchen
bei unserer vernältnismäßig großen Industrie,
die ein Glück für dieses Land ist, eine Quelle des Reichtums
für dieses Land sein sollte, einen entsprechenden Export.
Wir wissen, daß wir bei der großen Industrie unbedingt
einen erheblich großen Teil, fast 80% unserer normalen Produktion
ins Ausland ausführen müssen. Wir brauchen gar nicht
zu warten, bis die Zollvorlage, über die wir beraten und
in ganz kurzer Zeit vielleicht in zwei oder drei Stunden durch
Abstimmung entscheiden werden, Gesetz geworden ist, denn die ersten
Stimmen, die uns zeigen, was geschehen wird, haben wir bereits
hier. Mit dem heutigen Tag haben wir aus Budapester Mitteilungen
faststellen können, daß Ungarn bereits entschlossen
ist, die Absperrung der Grenzen für Agrarprodukte nach der
Èechoslovakei, zu beantworten
mit der Absperrung der Grenzen für èechoslovakische
Industrieprodukte. Ja, man geht noch weiter, man wird selbst dort,
wo es notwendig ist, die Einfuhr zu bewilligen, wo vertragliche
Momente die Absperrung der betreffenden Industrieprodukte nicht
möglich machen, mit Strafzöllen gegen die èechoslovakische
Industrie vorgehen. Das ist die erste Ankündigung, die erste
Kriegserklärung, der Zollkrieg ist damit zur Tatsache geworden.
Was die Absperrung der Grenzen für die Ausfuhr unserer Industrieprodukte
bedeutet, im jetzigen Augenblick bedeutet, das braucht man dem,
der nur ein bischen von Volkswirtschaft versteht, ein bischen
die Folgewirkungen eines Zollkriegs kennen gelernt hat, nicht
zu sagen. Aber wenn wir jetzt außerdem noch durch Mangel
an Arbeit durch verminderten Lohn infolge Kurzarbeit und Einlegen
von Feierschichten feststellen müssen, daß der verkürzte
Lohn die Konsumfähigkeit der Bevölkerung und vor allem
der Arbeiter vermindert und als Folge dieser verminderten Konsumfähigkeit
wiederum einer Vermiuderung unseres Warenabsatzes kommen muß,
dann können wir sagen, daß die Zölle, von denen
Sie sich soviel erhofften, Ihnen den erwarteten Vorteil nicht
bringen werden. Wenn wir aber durch die Zölle solche Auswirkungen
noch verschärfen, wenn die Arbeitslosigkeit die Unmöglichkeit
eines entsprechen den Verdienstes, die Unmöglichkeit zu konsumieren
eintritt, so wird eine weitere Herabsetzung des Warenumsatzes
und auch der landwirtschaftlichen Produkte die Folge sein. Sie
wollen aber mit Ihren Zöllen noch etwas anderes. Sie wollen
nicht nur die Absperrung der Grenzen, sie wollen nicht nun die
Auflage des Zolls, um den Auslandspreis für Getreide und
landwirtschaftliche Produkte zu erhöhen, Sie wollen außerdem
noch eine Beschränkung der Beschickung des Marktes und dadurch
eine Verschiebung der Auswirkungen des Gesetzes von Angebot und
Nachfrage zu Ihren Gunsten. Sie wollen die Preise erhöhen,
höhere Profite, höheren Gewinn haben. Diese Wirkung
wird ebenfalls ausbleiben, denn wenn Sie auch die Grenzen absperren,
so wird sich dadurch, daß die Konsumfähigkeit der Arbeiterschaft
zurückgeht, ein kleiner Vorteil, den die größeren
Grundbesitzer, die größeren Bauern aus den Zöllen
genießen werden, wieder aufzehren, weil der Umsatz kleiner
wird. Es ist noch nicht lange her, vor einigen Tagen, als mir
Koll. Böllmann von den deutschen Agrariern auf der
Fahrt von Prag nach Hause klagte, wie die Verhältnisse in
der Landwirtschaft traurig sind, daß Überfluß
an landwirtschaftlichen Produkten, vor allem an Vieh und Schweinen
vorhanden sei, daß das Vieh nicht an den Mann zu bringen
ist. Glauben Sie nun, wenn Sie durch die Zölle die Konsumfähigkeit
der Bevölkerung noch weiter herabsetzen, daß sie dann
imstande sind, den Absatz ihres Viehüberflusses besser zu
gestalten? Es ist kein Wunder, daß dies unmöglich
ist. Hunderttausende von Menschen, auch in der Èechoslovakei,
die früher gewohnt waren, Tag zu Tag ein Stück Fleisch
auf ihrem Tisch zu haben, haben diesen Luxus längst einstellen
müssen und nicht mehr Tag für Tag, in vielen
Arbeiterfamilien nicht einmal in der Woche, kommen einige Deka
Fleisch auf den Tisch und weil diese große Masse nicht mehr
Fleisch zu konsumieren vermag, deshalb Ihr Überfluß
an Vieh, der von Tag zu Tag, von Monat zu Monat größer
wird. Nicht Sie, nicht die Bauern, der Zwischenhändler wird
den Vorteil davon haben. Daß von den Bauern, von ihren Führern
und den Großgrundbesitzern, besonders die kleinen Leute
als Mitläufer für ihre Forderungen mißbraucht
werden, die Ankündigungen, daß Vorteile für sie
entstehen, ist ein großer Schwindel, ist eine Unwahrheit
und Entstellung und das können wir festellen, wenn wir die
Zollstatistik des alten Österreich betrachten. Trotz weitgehenden
Zollschutzes war der Roggenverbrauch im alten Österreich
im Jahre 1880 noch 176.4 kg pro Kopf, im Jahre 1890 war der Verbrauch
trotz Zollschutzes auf 162.3 und im Jahre 1905 und folgenden Jahre
auf 144.6 kg zurückgegangen. Nicht während der Hochschutzzölle
haben Sie die Vorteile gehabt, Sie haben wohl etwas höhere
Preise erzielt, aber durch den Rückgang des Konsums ist der
Vorteil, den die erhöhten Zölle brachten, wieder verloren
gegangen. In der zollfreien Zeit nach dem Kriege, also in einer
der schlechtesten Perioden hat sich der Konsum wieder gehoben
und zwar bis zum Jahre 1922, in der Zeit, wo sich die Löhne
und Kaufkraft wieder erhöht haben und haben Sie wieder mehr
umsetzen vermocht, als es unter dem Hochschutzzoll möglich
war. Sie waren aber auch in den letzten Jahren, seitdem einer
ihrer prominentesten Vertreter Herr Švehla Premierminister
war, nicht schutzlos. Herr Švehla hat es sehr gut
verstanden, unauffällig ohne Gesetzgebung ihnen einen ziemlich
weit gehenden, für die Konsumentenschaft empfindlichen Schutz
zu schaffen. Auf administrativem Wege wurde das Anmeldeverfahren
eingeführt. Wer Getreide, Lebensmittel einführen wollte,
mußte Quantum und Gattung angeben. Aus diesem Anmeldeverfahren
hat derselbe Ministerpräsident wieder auf dem Wege der Administrative
das Bewilligungsverfahren gemacht, das die Bürokratie dieses
Staates, den betreffenden Beamten, der über die Ansuchen
um Einfuhr von Getreide und anderen Lebensmitteln zu entscheiden
hatte, befähigte, das ihm die Möglichkeit gab, durch
Verschiebung der Erledigung, durch Zurücklage des Ansuchens
auf Wochen oder Monate hinaus dem betreffenden Händler oder
Käufer entweder überhaupt die Einfuhr unmöglich
zu machen, indem die günstige Zeit verstrich oder bis sich
der Kaufvertrag zerschlagen hatte. Kurz und gut, es war schon
damals möglich, die Einfuhr ganz gewaltig zu drosseln. Sie
haben dann auf dem Wege der Gesetzgebung die gleitenden Zölle
bekommen. Sie haben nicht nur den Ausgleich zum Weltmarktpreis
gefunden und gehabt, die Preise sind höher gestiegen. Sie
haben einen höheren Schutz erhalten, denn Sie hatten neben
den gleitenden Zöllen noch das Bewilligungsverfabren. Dort,
wo die gleitenden Zölle nicht ausreichten, den Ausgleich
zum Weltmarktpreise, bezw. den von Ihnen verlangten höheren
Vorteil zu sichern, mußte das Bewilligungsverfahren wieder
in Kraft treten, um die gesetzlichen Bestimmungen über die
gleitenden Zölle und ihre Auswirkungen noch zu verschärfen.
Ich will einen ganz kleinen Beweis durch eine chronologische Gliederung
Ihrer ganzen Aktion erbringen, die 1920 und 1921 begonnen hat.
1920 und 1921 waren es die Herren auf den Bänken der Agrarier
die in der unflätigsten, schärfsten und schroffsten
Weise gegen die Zwangswirtschaft wetterten, die die Zwangswirtschaft,
die noch aus der Kriegszeit verblieben war, verurteilten, alle
Mängel und Schäden aufzählten, die daraus entstanden
waren oder entstanden sein sollten. Sie forderten damals freien
Handel, freie Wirtschaft, in Verbindung damit selbstverständlich
auch freie Einfuhr. Die Zwangswirtschaft muß beseitigt werden,
war Tag für Tag Ihre Parole gewesen, Sie verlangten bei der
Preisbestimmung die Einfluß nahme der Behörden und
der Regierung. Man hat Ihren Wünschen mehr oder weniger offen,
direkt und indirekt Rechnung getragen. Sie haben Ihre Forderungen,
gestützt auf den Ministerpräsidenten, sukzesive durchgesetzt.
Als Sie freien Handel und freie Wirtschaft hatten, schrieen Sie
auf und verlangten Weltmarktpreise, die im Inland durch Angebot
und Nachfrage geregelten Preise entsprachen Ihnen nicht. Weltmarktpreise
wollten Sie haben. Die gleitenden Zölle brachten wohl Weltmarktpreise,
den Ausgleich zum Weltmarktpreis, Sie wollten aber noch mehr haben
und Sie haben auch mehr bekommen. Sie hatten den garantierten
Weltmarktpreis und verlangten nun feste Zölle. Wir können
heute feststellen, daß das, was Sie jetzt durch die Vorlage
bekommen sollen und wollen, nicht das ist, was man sich allgemein
unter Zollerhöhung vorstellt, was man normaler Weise unter
Zollschutz versteht, sondern wir behaupten, daß in 90 von
100 Fällen zu dem jetzigen Weltmarktpreis noch die Zollerhöhungen
kommen, daß eine bedeutend größere Steigerung
der Warenpreise herbeigeführt werden wird, als wir uns je
träumen lassen. Sie beginnen Ihre Aktion zu der Zeit, wo
die gleitende Zölle errichtet wurden, Sie haben damals für
den Meterzentner Weizen einen Preis von 140 Kronen erzielt. Sie
haben damals aber auch erklärt, daß dieser Preis annehmbar,
daß er auskömmlich ist, daß Sie damit zufrieden
sind. Heute haben Sie einen Preis von 230 Kronen erzielt und erklären,
daß dieser Preis nicht auskömmlich ist, daß er
nicht auslangt, daß Sie höhere Preise haben müssen,
und dazu muß nun ein fester Zoll dienen und führen.
Sie wollen also nicht die Parität mit dem Weltmarktpreis,
Sie wollen mehr, Sie wollen feste Zölle, um auch die Preissteigerung,
die Sie im letzten Jahre durchgeführt haben und die ca 90%
betrug, noch weiter zu treiben. Wir müssen aber fragen,
müssen Sie von der Landwirtschaft fragen: Haben Sie selbst
etwas dazu beigetragen, daß der Ertrag Ihrer landwirtschaftlichen
Arbeit größer und erfolgreicher werde?
Da müssen wir wieder, wenn wir in die
Vergangenheit zurückblicken, erklären: Nein! Im Gegenteil,
Sie haben die Vermehrung der Produktion, die Erhöhung des
landwirtschaftlichen Ertrages direkt durch Anbausabotage gehemmt
und gestört, und deshalb haben Sie kein Recht, jetzt mehr
zu verlangen mit Hilfe des Staates und der Gesetzgebung. Sie hätten
durch eigene Kraft, durch eigenes Wollen und Können sich
dieses Mehr auf legalem, gerechten und berechtigten Wege verschaffen
sollen und können. Wenn wir die Anbauflächen nur in
Böhmen, Mähren und Schlesien in Vergleich ziehen, müssen
wir feststellen, daß z. B. die Anbaufläche für
Weizen im Jahre 1879 noch 374.086 ha betrug, 1925 nur 341.977
ha, die Anbaufläche für Roggen 1879 867.397 ha, 1925
nunmehr 673.200 ha. Wir sehen also, daß die Anbaufläche
ganz bedeutend verringert wurde, und zwar die Anbaufläche
für die wichtigsten Getreidesorten, die die Bevölkerung
konsumiert. Ich glaube, wenn es möglich wäre, wenn sie
die Empörung der Bevölkerung nicht allzu sehr fürchten
würden, hätten sie noch zu anderen Methoden und Mitteln
gegriffen. In der Vorkriegszeit haben wir ja auch bei unseren
österreichischen Großgrundbesitzern die Forderung und
die Sehnsucht feststellen können, den Beispiel ihrer ungarischen
Kollegen zu folgen oder dem Beispiel der amerikanischen Großgrundbesitzer
und Plantagenbesitzer, die in einem guten Erntejahr ihren Überschuß
an landwirtschaftlicher Produktion nicht auf den Markt brachten,
um den Warenpreis nicht zu drücken, sondern daran gingen,
das von der Natur hervorgebrachte Produkt oder den Überschuß
über den momentanen Bedarf, ja gedrosselten Bedarf, ganz
einfach zu vernichten, zu verbrennen oder, wenn es nicht anders
ging, den Kessel der Lokomobile bei den Dreschgarnituren damit
zu heizen. Sie haben damals absichtlich gedrosselt, und tun dasselbe
heute in anderer Form, um Angebot und Nachfrage entsprechend zu
beeinflussen, das Angebot zu verringern und dadurch die Möglichkeit
einer Preissteigerung herbeizuführen.
Wir hören immer aus landwirtschaftlichen
Kreisen Klagen, die Landwirtschaft sei verschuldet. Diese Klage
war vielleicht in der Vorkriegszeit berechtigter, die Verschuldung
der Landwirtschaft in der Vorkriegszeit in erhöhtem Ausmaße
vorhanden. Auch da müssen wir feststellen, daß gerade
zur Zeit des Schutzzolles die Hypothekarschulden der Landwirtschaft
von Jahr zu Jahr größer geworden sind. Nicht die Zeiten
des Hochschutzzolles, sondern die Kriegszeit, die Zeit der größten
Not der Allgemeinheit hat ihnen, den)Landwirten, gute Ernte gebracht.
Rücksichtslos haben sie in der Kriegszeit die konsumierende
Bevölkerung ausgenützt. Sie haben die konsumierende
Bevölkerung ausgeplündert und es ist noch nicht vergessen
worden und wird auch nicht vergessen werden, wie das letzte Hemd,
die Ohrgehänge, der Ehering nicht geschützt und bewahrt
waren vor ihrer Gier. Sie haben sich nicht gescheut, dem Konsumenten
für ihre landwirtschaftlichen Produkte das letzte wegzunehmen.
In dieser Zeit und mit diesen Methoden haben sie ihre Schulden
auf der Landwirtschaft getilgt und bezahlt.
Wenn wir das "Fremdenblatt" von 1915
nachschauen, finden wir den Aufruf zur Werbung für die Kriegsanleihe.
In diesem Aufruf, der sich an die gut verdienende Landwirtschaft
wendet, konstatiert das Fremdenblatt, daß bei der Ernte
1914 nur bei Weizen und Roggen, Gerste und Hafer die Landwirtschaft
um 910 Millionen Friedenskronen mehr verdient hat, als sie verdient
hätte, wenn der Krieg nicht die Zwangslage für die Konsumenten
geschaffen hätte. Der Mehrverdienst bei Mais und Vieh ist
unabschätzbar gewesen. 1914 war, wie wir feststellen können,
die Landwirtschaft mit Schulden von ca 2 1/2 Milliarden Friedenskronen
belastet. 1918 betrugen die Banken- und Sparkasseneinlagen über
3 Milliarden, d. h. daß die Landwirtschaft in einem Zeitraum
von etwas über 4 Jahren in der Zeit der höchsten Not
und der höchsten Verzweiflung der Bevölkerung des alten
Österreichs, in der Zeit, wo die Menschen am verhungern waren,
wo Hungertyphus und Hungerödem Tag für Tag bei Tausenden
neu konstatiert werden konnte, 5 Milliarden verdiente, überverdiente,
und 2 1/2 Milliarden Schulden abgezahlt und Ersparnisse von
3 Milliarden neu gemacht hat. Also nicht der Getreide- und nicht
der Viehzoll, der Krieg war das Heil für die Landwirtschaft
gewesen, der Krieg, der alle übrigen Gesellschaftschichten,
vor allem die arbeitenden Klassen vollständig ruiniert hat,
hat den Landwirten ungeheuren Gewinn und Reichtum gebracht. Wir
müssen uns fragen, müssen Sie fragen, wie Sie diese
Milliarden verwendet haben, um Ihre Wirtschaft zu verbessern,
um Ihre Betriebe, die landwirtschaftlichen Werkzeuge zu modernisieren
und leistungsfähiger zu machen. Der Wohlstand war während
des Krieges, wie man sagte, von der Stadt aufs Land gezogen. Wir
konnten und mußten feststellen, daß oft in der unsinnigsten
Weise das erworbene, ich will nicht sagen verdiente, das erwucherte
wieder verausgabt wurde. Es ist Tatsache, daß seit 1920
wiederum eine Verschuldung der Landwirtschaft eingesetzt hat.
Wenn Sie aber glauben, daß Sie mit Zöllen diese Erscheinung
reparieren und gutmachen können, müssen wir mit nein
antworten. Die Gewinne während des Krieges - mein Parteifreund
Dietl hat darauf verwiesen - haben vor allem zur Steigerung
der Grundrente und der Grundpreise beigetragen. Auch darüber
hat mein Fraktionskollege gesprochen, daß durch Ankauf und
Wiederverkauf förmlich Kettenhandel mit den Gütern getrieben
wurde, so daß die Preise ganz außerordentlich hinaufschnellten.
Der Verkauf der Güter hat ganz bedeutende Preissteigerungen
gebracht. Der Prozentsatz betrug beim Verkauf bis 173%,
bei Übergabe an den Erben, an den Familienältesten oder
an jenes Kind, welches die Landwirtschaft vom Vater übernahm,
oft bis 297%. Bei solchen Wertsteigerungen hätten
entweder ganz bedeutende Verbesserungen der Betriebseinrichtungen,
hätte eine Rationalisierung der Produktion eintreten müssen
oder aber hat das kommen müssen, was wir zu verzeichnen haben,
daß diese so auf abnormale Art verteuerten Besitze nicht
mehr ertragsfähig sind, keinen Zinsenertrag und keinen Gewinn
mehr abzuwerfen vermögen. Der Umstand, daß der Erbe,
der Familienälteste, der Übernehmer des Gutes an seine
Geschwister den Erbanteil auszahlen mußte, führte wiederum
zur Aufnahme von Hypotheken. Das sind die Ursachen, da ist die
Wurzel der neuen Verschuldung zu suchen, aber nicht darin, weil
die Landwirtschaft etwa ungeschützt war. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.)
Von den Industriezöllen gilt das gleiche.
Auch die Industriezölle haben nicht die Industrie geschützt,
haben sie nicht leistungsfähiger, nicht konkurrenzfähiger
gemacht, sie haben nur die Produkte verteuert, dem Staate Einnahmen
geschaffen, die Industrie aber durch die Verteuerung leistungsunfähiger
gemacht. Trotz allen Zollschutzes sehen wir, daß andere
industrielle, fortgeschrittenere Länder mit höher entwickelter,
technisch besser ausgestalteter Industrie auf unserem Markte konkurrenzfähig
auftreten können und daß alle Zollschutzmaßnahmen
für unsere Industrie wirkungslos geblieben sind. Der Zollschutz
der Industrie ist aber weder nach volkswirtschaftlichen noch
nach handelspolitischen Gesichtspunkten behandelt worden. Einige
Beispiele: Die Èechoslovakei hat einige große Uhrenfabriken,
die darunter leiden müssen, daß der Zollkoeffizient
außerordentlich niedrig angesetzt wurde. Nicht die Vertreter
der Industrie oder der Arbeiterschaft, nicht
die in Betracht kommenden und darunter leidenden Interessenten,
sondern ein halbes oder ein Dutzend kleiner Uhrmacher in Prag
hat darüber entschieden, wie sich die Lage in der Uhrenindustrie
gestaltet soll. Sie haben entschieden, daß 18, 20
und 21 Heller für 1 kg Ware ein genügender Zoll sein
sollen, während in der Maschinenindustrie 3.40 bis 4 Kè
pro Kilo, in der Druckereimaschinenbranche bis 7 Kè pro
Kilo Zoll eingehoben wird. Ein Dutzend kleiner Uhrmachermeister,
die nicht bei der inländischen Industrie
einkaufen wollten, weil diese Uhrenindustrie in deutschen Händen
ist, sondern bei der französischen, von der sie die Ware
ohne nennenswerte Zollbelastung hereinbekommen wollten, um der
inländischen Industrie Konkurrenz zu machen, haben
entschieden, wie hoch der Zollschutz für Uhren sein soll.
In der Emailindustrie haben wir etwas ähnliches gesehen.
Dort waren es ebenfalls ganz unberufene und unfähige Leute,
die daran interessiert waren, daß die èechoslovakische
Emailindustrie weniger geschützt sei als
andere Industrien, die haben bestimmend auf den Zollkoeffizienten
für Rohmaterialien eingewirkt. Umgekehrt wiederum gibt es
Betriebe, die den Zollschutz in ganz außerordentlicher Höhe
genießen, obwohl sie ihn nicht brauchen. Wir haben
in der Èechoslovakei 3 Betriebe, die Kunstseide erzeugen,
die ohne Zollschutz nicht nur den Inlandsmarkt gut beherrschen
könnten, sondern auch bei der ausländischen Konkurrenz
zu bestehen vermöchten. Auf Kunstseide wird ein außergewöhnlich
hoher Zoll beantragt. Für Autos,
Flugmotoren ist das gleiche der Fall. Bei diesen Industriezöllen
ist es interessant festzustellen, daß die Živnostenská
banka Hauptinteressent ist, daß die Živno das meiste
Interesse daran hat, diese Industriezweige durch hohe Zölle
auf dem Inlandsmarkt zu schützen. So wird
uns auch klar, warum gerade die Herren von der Nationaldemokratie
so intensiv und mit so großer Vehemenz und mit so großer
Solidarität für die Wünsche der Agrarier eintreten.
Eine Hand wäscht die andere. Auf der einen Seite die
Herren von der national-demokratischen Partei im Auftrage und
über Wunsch der Živnostenská banka, als Schützer
der Agrarier und umgekehrt werden die Agrarier, wenn es notwendig
ist, für die Živnostenská banka als Schützer
auftreten. (Výkøik: Die deutschen
Agrarier sind auch dabei!) Sehr
richtig!
Wie sich die Zölle auswirken, hat vor
wenigen Tagen eine Prager Zeitung ganz richtig aufgezeigt. Sie
hat den Weg gezeigt, den die Produkte von der Urproduktion bis
zur Fertigware, bis zur Lebensmittelerzeugung zurücklegen.
Sie hat aufgezeigt, wie oft auf diesem Wege die Ware durch Zölle
belastet wird. Die Abendzeitung schrieb: Die englische Kohle geht
zum französischen Erz, welches in Roheisen umgewandelt wird.
Auf dem Wege dahin mußte für englische Kohle nach Frankreich
Zoll entrichtet werden. Das französische Roheisen geht nach
Deutschland und wird zu Maschinen verarbeitet. Das Roheisen wird
mit Zoll belegt. Es ist hier schon eine zweifache Zollbelastung.
Die deutsche Maschine geht nach Österreich, dort wird mit
der Maschine die Pflugschar erzeugt und wir haben wiederum eine
Zollgrenze und eine Zollbelastung. Die Pflüge gehen nach
Rumänien, um dort der Landwirtschaft behilflich zu sein,
Weizen und andere landwirtschaftliche Produkte zu bauen, wiederum
Zollgrenze, wiederum Zollbelastung, der Weizen geht in die ungarischen
Mühlen, um zu Mehl vermahlen zu werden, wiederum Zollbelastung.
Das ungarische Mehl geht zurück nach England, damit die Bergarbeiter
und Eisenhüttenarbeiter ihr Brot davon erzeugen und ihren
Lebensunterhalt bestreiten können. Wiederum Zoll. Also auf
dem Wege, den die englische Kohle begonnen und das ungarische
Mehl beendet hat, ist in diesem Zusammenhang und in der sich gegenseitig
ergänzenden Produktion sechsmal Zoll eingehoben, also eine
ganz bedeutende Verteuerung des Endproduktes herbeigeführt
worden. Die Lebenshaltung wird also verteuert und die Folge davon
ist ein erhöhter Notstand, vor allem der arbeitenden, konsumierenden
Bevölkerung. In der Zeit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise
kommen Sie mit dem Zollgesetz, wo seine Auswirkung die Krise noch
verheerender und furchtbarer machen wird. Not, Verzweiflung und
Empörung wird das Resultat sein. Wenn Sie glauben, daß
Sie die Empörung der arbeitenden Massen mit dem Polizeiknüppel
beschwichtigen können, dann irren Sie sich. Wenn Sie glauben,
daß Sie, wie es der heutige Zwischenfall in Prag zeigte,
die Arbeiterbewegung mit Ihren Polizeistiefeln nieder zu trampeln,
dann machen Sie eine falsche Rechnung. Auch andere Ereignisse
könnten wir feststellen, wo die Arbeiter als Konsumenten
aufbegehrten und ihr Recht verlangten und ihnen mit Bajonetten
geantwortet wurde. Wenn Sie glauben, die Arbeiterorganisationen
in ihrer Tätigkeit für die Arbeiterschaft drosseln und
einschränken zu können, dann irren Sie sich!
Wir haben das schon seit einiger Zeit feststellen können.
Sämtliche Organisationen, die seit dem Jahre 1919 nach dem
èechoslovakischen Vereinsgesetz oder nach dem von Österreich
übernommenen und noch geltenden Vereinsgesetz gegründet
wurden, die von der Statthalterei, vom Ministerium
des Innern durch Genehmigung der Statuten sanktioniert wurden,
diese Organisationen werden seit einigen Wochen überall in
ihren Filialen und Ortsgruppen belästigt, die Polizei und
vor allen anderen die Staatspolizei verlangt die neuerliche Vorlage
der Statuten, Nachweise, daß diese Vereine als Ortsgruppen
einer freien Gewerkschaft zurecht bestehen, ja noch mehr, sie
hat zu Pfingsten den Kongreß der Metallarbeiter, der in
Karlsbad stattgefunden hat, ununterbrochen belästigt. Tag
für Tag waren zwei Vertreter der Staatspolizei im Kongreßlokal,
verlangten die Teilnehmerlisten des Kongresses, der auf Grund
des § 2 des Versammlungsgesetzes einberufen war, sie verlangten
die Tagesordnung, sie verlangten zu wissen, was auf dem Kongreß
besprochen und beraten wird. Wir haben noch ein anderes Beispiel.
Die èechoslovakischen Bergarbeiter im deutschen, wie auch
im èechischen Sprachgebiet haben bei dem großen Kampfe
der englischen Bergarbeiter, wie nicht anders zu erwarten war,
Solidarität beschlossen, nicht Solidarität
durch Kundgebungen und Erklärungen, sondern praktische Solidarität
durch Beistellung der Kampfmittel, durch Füllung der Kampffonde.
Als unsere Bergarbeiter auf ihren Schächten den Beschluß
gefaßt hatten, einen Stundenlohn, d. h. die qualifizierten
Arbeiter, die im Akkord arbeitenden Arbeiter sechs und die Regiearbeiter
3 Kronen, für die Unterstützung der kämpfenden
englischen Bergarbeiter zu sammeln, kam Gendarmerie und untersuchte
dieses Unternehmen der Bergarbeiter auf den Schächten. Sie
intervenierte bei der Betriebsleitung, ja noch mehr, die Gendarmen
verbaten die Sammlung von Beiträgen für die englischen
Bergarbeiter. Das war wohl auch im alten Österreich nicht
zu verzeichnen, daß eine freiwillige Solidaritätsaktion,
die keiner behördlichen Kontrolle unterliegt und die durch
kein Gesetz untersagt ist, daß ein freiwilliger Akt der
Solidarität durch ein Verbot der Gendarmerie unmöglich
gemacht und aufgehoben werden kann. Mit solchen Mitteln werden
Sie die Empörung der Arbeiterschaft nicht eindämmen
und beseitigen, im Gegenteil, Sie werden diese Empörung vermehren
und Sie werden dann, wenn die Auswirkung der Zölle kommt,
in diesem Staate Dinge erleben, die Sie sich heute nicht träumen
lassen. Die Verteuerung der Lebensmittelhaltung in Verbindung
mit der Verkürzung der Arbeitszeit, in Verbindung mit Feierschichten,
in Verbindung mit der Verkürzung des Einkommens um 50 und
mehr Prozent, muß die Arbeiter zu Aktionen um Erhöhung
ihres Einkommens treiben. Wir können uns schon nach den letzten
Vorfällen in Prag ungefähr eine Vorstellung machen,
was die Arbeiterschaft, die keinen andern Weg hat, als zu ihrem
Arbeitsgeber zu gehen und von ihm höhere Löhne, die
sich den Teuerungsverhältnissen anpassen, zu verlangen, wenn
sie von ihren Unternehmern schroff und protzig abgewiesen, zum
letzten Mittel, zur Arbeitsverweigerung greift, zu erwarten hat.
Wir können uns vorstellen, wie die Polizei und Gendarmerie
in diesem wirtschaftlichen Kampfe "objektive Neutralität"
bewahren wird, dann können wir uns auch vorstellen, wie diese
Gendarmen und Polizisten unter den um einen größeren
Lohn und eine bessere Lebenshaltung kämpfenden Arbeiter wüten
werden.