Hohes Haus! Wir beschäftigen uns mit der
Novellierung des Zolltarifs. Eine Reihe von Zollposten wird geändert
und wir hören von einer Reihe von Rednern der Zollmehrheit
bewegliche Klagen darüber, daß im Zolltarif soviele
Zollposten enthalten sind, die die Zollmehrheit belasten. Sie
klagen über die Höhe der Industriezölle und hätten
heute, nachdem Sie die Mehrheit haben, die bequeme Gelegenheit,
auch diese Zollpositionen zu ändern. Sie greifen nicht dazu,
sondern begnügen sich damit, für sich selbst Zollpositionen
zu verbessern, die Produkte, die Sie hauptsächlich produzieren,
mit Schutzzöllen zu umgeben. Meine Damen und Herren! Auch
wir haben Klage über den Zolltarif zu führen und wären
auch dafür, daß eine Regelung des Zolltarifs herbeigeführt
würde. Wir finden so schwere Ungerechtigkeiten in den einzelnen
Zollpositionen, daß deren Abänderung schon lange anerkannt
wurde, daß sich zu verschiedenenmalen die Wirtschaftsinstitutionen
dafür ausgesprochen haben, daß eine Reihe von Zollpositionen
geändert werde. Aber bis jetzt ist das nicht geschehen und
auch im jetzigen Moment denkt man nicht daran, die schwer belastenden
Einanzzölle und noch eine Reihe anderer Zölle herabzusetzen.
Ich möchte nur auf Kaffee und Tee verweisen, wo für
alle Qualitäten der gleiche Zoll gezahlt werden muß,
gleichgultig, ob das gewaschener feiner Kaffee oder ob das der
schlechteste Kaffee ist. Der Zollsatz ist gleich. Ich möchte
Sie, um Ihnen so den krassen Unterschied vor Augen zu führen,
daran erinnern, daß bei Uhren, die mit einem schwachen
Goldrand versehen sind, der Zoll genau so 60 Kè beträgt
wie bei einer schweren mit Brillanten besetzten Golduhr. Es sind
da schwere Mängel im Zolltarif enthalten und darum wären
wir sehr einverstanden gewesen, wenn Sie, wenn Sie
schon an die Novellierung des Zolltarifs schritten, ihn einer
vollständigen Korrektur unterzögen.
Wir sind selbstverständlich programmatisch
Anhänger des Freihandels. So wie mein Freund und Klubkollege
Pohl schon in seiner Rede hervorgehoben hat, stehen wir
programmatisch auf dem Standpunkt der Zollfreiheit und wir werden
auch diesen Standpunkt nicht verlassen. Die neuen Zollpositionen
sind in zwei Gruppen geteilt, in die Mindestzölle, die nicht
herabgesetzt werden dürfen und in die Zölle, die als
Kompensationsobjekte bei Handelsverträgen benützt werden
sollen. Zuerst, als die Frage der Getreidezölle überhaupt
auf die Tagesordnung gekommen ist, hat man uns erklärt, das
geschehe nur aus der Notwendigkeit heraus, um Kompensationsobjekte
bei dem Abschluß von Handelsverträgen zu haben, um
Handelsverträge mit den Agrarstaaten leichter abschließen
zu können. Heute hören wir das anders. Heute hören
wir die bewegliche Klage der Landwirte, die erklären, die
einzige Rettung, die es für die Bauern gibt, sind die Zölle
und wenn sie die Zölle nicht erhalten, so bedeute das die
Vernichtung der Landwirtschaft.
Schauen wir uns einmal die Ziffern ein bischen
an, ob das der Wahrheit entspricht. Schauen wir uns den Einlagenstand
in den Sparinstituten an. 1919 hatten wir zusammen in unseren
Sparinstituten 12 Milliarden Spareinlagen, sie sind 1925 auf 35
Milliarden gestiegen, sie haben sich also verdreifacht. Wenn Sie
untersuchen, wo diese Spareinlagen liegen, so finden Sie Banken,
Sparkassen, Raiffeisenkassen, landwirtschaftliche Bezirksvorschußkassen
und die slovakischen Geldinstitute. Rechnen wir einmal die Ziffern
in Gold um, um zu einem klaren Bilde zu kommen. In den Sparkassen
waren 1914 2819 Millionen Kronen in Gold, 1925 1722 Millionen
Kronen, die Einlagen in den Sparkassen in Gold gerechnet haben
sich also um 38% verringert. Bei den Bezirksvorschußkassen
hatten wir 1914 245 Millionen in Gold, 1925 341 Millionen, also
um 35% mehr. So ist es bei den Raiffeisenkassen, so ist es bei
den landwirtschaftlichen Vorschußkassen, so ist es bei allen
anderen Instituten.
Versuchen wir einmal, einige Sparkassen in
den landwirtschaftlichen Gebieten herauszuheben. In Laun haben
sich in zwei Jahren die Spareinlagen um 18 Millionen erhöht,
in Kolin sind sie von 57 auf 85 Mill. gestiegen, in Rakonitz von
54 auf 75, in Pisek von 70 auf 97 Millionen. Wenn wir in das deutsche
Gebiet gehen, sehen wir dasselbe. In Postelberg, Auscha, Luditz,
Braunau, Plan, Mies, Podersam, in den landwirtschaftlichen Bezirken
hat sich überall der Einlagestand ganz bedeutend erhöht,
und die bewegliche Klage, die hier über die furchtbaren Nöte
der Landwirtschaft geführt wird, scheint doch der Wahrheit
nicht zu entsprechen.
Während wir hier darüber diskutieren,
welche Wirkung die Zölle ausüben werden, welchen Nutzen
sie bringen, während dieser Zeit valorisiert die Spekulation
der Börse bereits den Preis. Die Chicagoer Börse notierte
am 4. Mai einen Weizenpreis von 167.57, der Preis ist rückläufig
und erreichte am 9. Juni 164.70, bei uns war am 1. Mai der Preis
212 Kronen und am 8. Juni 226 Kronen. Bei uns ist der Weizenpreis
gestiegen, an der Börse in Chicago ist er gefallen. Bei Korn
ist dasselbe der Fall. In New-York am 4. Mai 98, am 9. Juni 94
Kronen, bei uns aber am 1. Mai 128 und am 8. Juni 138.50 Kronen.
Die Börse valorisiert also bereits den Mehrpreis und die
Landwirte werden davon keinen Nutzen haben. Die Landwirte sind
nicht diejenigen, die heute als Verkäufer auftreten. Die
Landwirte haben ihre Produkte bereits lange abgesetzt, insbesondere
die kleinen, es kommt die Valorisierung des Preises nur den großen
Grundbesitzern, den großen Produzenten und Spekulanten zugute.
Wen wir uns die Wirkung der Zölle aus dem Jahre 1905 vor
Augen führen, so sehen wir, daß sich die Zölle
in der Preisbildung vollständig ausgewirkt haben. Wenn heute
zum Trost für die Konsumenten von einer Reihe von Verteidigern
der Zölle gesagt wird: "Ihr braucht keine Angst zu haben,
die Preise werden sich nicht auswirken", so zeigt uns die
Tatsache des Zolltarifes aus dem Jahre 1905, daß sich die
Preise in einer kurzen Zeit vollständig ausgewirkt haben.
Von 1900 bis 1912 ist die Indexzahl von 100 auf 135 gestiegen,
also eine Verteuerung von 35%. Schauen wir uns einmal die Lebenshaltung
an, wie sie heute bei den Arbeitern ist. Laut der Statistik, die
vom statistischen Amt über den Haushalt in einer Reihe von
Arbeiterfamilien geführt wird, ergibt sich folgender Durchschnitt:
1924 sind pro Kopf entfallen 17 kg 52 dkg Rindfleisch, 1925 ist
diese Menge auf 13 kg 29 dkg gesunken. An Brot wurde pro Kopf
nach dieser Statistik verbraucht im Jahre 1924 77 kg 73 dkg, im
Jahre 1925 52 kg 22 dkg. Der Kartoffelverbrauch aber zeigt folgende
Ziffern: im Jahre 1924 58.65 kg, im Jahre 1925 86.85 kg. Sie sehen
also, der Fleischkonsum hat abgenommen, nicht deshalb, weil die
Familien auf den Fleischgenuß verzichten wollten, sondern
er hat abgenommen, weil die Notlage im Haushalt gezwungen hat
zu sparen und ein anderes Nahrungsmittel herauszuziehen die Kartoffeln,
die weniger kosten und ein größeres Volumen ergeben.
Das zeigt deutlich den Weg der Entwicklung, den wir gehen, das
sagt mehr als alle die Reden. Vergessen Sie nicht, daß die
Zahl der Arbeitslosen steigt. Im April hatten wir ihrer 64.000,
im Mai 66.000, die die Unterstützung nach dem Genter System
bezogen. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich erhöht, obwohl
wir in die günstigere Zeitperiode kommen, obwohl der Beginn
der Bausaison und die Landwirtschaft Kräfte benötigen.
Schutzzölle bedeuten eine feindliche Absperrung
aller Länder gegeneinander, sie fördern die Bildung
von Kartellen und Trusts in jedem Lande und führen zur Aushungerung
der Volksmassen durch eine verschärfte Teuerung. Wir spüren
daß die Krise, die sich von Tag zu Tag verschärft,
uns alle wieder schwer trifft. Wenn wir unsere Handelsstatistik
einer eingehenden Prüfung unterziehen, sollte uns angst und
bange werden, welche rüchläufige Bewegung diese Bilanz
zeigt. Während wir früher gewohnt waren, hohe Ausfuhrüberschüsse
zu erzielen, vermindert sich diese Menge von Monat zu Monat und
mit knapper Mühe waren wir imstande, in den ersten 4 Monaten
einer Überschuß in der Handelsbilanz von 180 Millionen
Kronen zu errechnen. Wie lange sich das noch halten wird? Wir
wissen nicht, wann sich diese Ziffern in ihr Gegenteil verwandeln
werden, wir haben heute schon Monate, wo der Geldwert der Einfuhr
größer ist als jener der Ausfuhr, haben heute schon
passive Monate, Monate, die unseren Zollfreunden warnende Beispiele
sein sollten. Denn glauben Sie, daß das, was wir hier tun,
die Absperrung und die Unmöglichkeit der Einfuhr von Produkten
aus Agrarländern, all das werde ohne Antwort bleiben? Es
wird Widerhall finden, wie wir den einen den Weg zu uns absperren,
so werden uns die anderen den Weg zu ihnen absperren. Unsere Industrieprodukte
werden schwerer draußen in der Welt einen Absatz finden,
namentlich in den Ländern, die unser natürliches Absatzgebiet
darstellen. Wir werden nicht imstande sein, die Mengen abzusetzen,
die Krise im Innern des Landes wird sich verschärfen, wird
immer schärfer und schwerer auf uns lasten und schließlich
und endlich werden die wenigen Beträge, die wir ans den Zöllen
einnehmen, nicht genügen, um unsere Landwirtschaft aufrecht
zu erhalten, wir werden auch Gefahren der Finanzwirtschaft entgegensehen.
Was sagen eigentlich die Wissenschaftler zu
der Frage der Zölle? Lujo Brentano, einer der bekanntesten
Nationalökonomen sagt: "Was ist der Zweck des Getreidezolles?
Er soll den Getreidepreis steigern. In dem Maße, in dem
dieser Zweck erreicht wird, steigt die Geldrente, welche der Boden
abwirft. Der Minimalpreis des Bodens aber ist gleich der Geldrente,
die er abwirft, kapitalisiert mit dem herrschenden Zinsfuß.
Entsprechend der gesteigerten Geldrente steigt als der Bodenwert.
Der Landwirt, der dann sein Grundeigentum verkauft - und je höher
er verschuldet war, desto größer ist für ihn die
Versuchung, zu verkaufen - hat, wenn er sich von weiteren Landwirtschaftsbetriebe
zurückzieht, vom Getreidezoll allerdings großen Nutzen.
Er wird von aller Not befreit und macht noch darüber einen
Vermögensgewinn. Allein der Getreidezoll soll ja nicht denen
helfen, die sich aus der Landwirtschaft zurückziehen, sondern
denen, die dabei bleiben". Hier ist also in geradezu klassischer
Weise die Nutzlosigkeit der Schutzzölle für die landwirtschaftliche
Produktion dargelegt. Den größten Nutzen ziehen aus
der gestiegenen Bodenrente diejenigen, die sich von der Landwirtschaft
zurückziehen. Lujo Bretano kommt zu dem Schusse, daß
nur diejenigen von den Getreidezöllen Nutzen haben, die die
Absicht haben, die Landwirtschaft aufzugeben und ihren Grund zu
veräußern.
Professor Sering sagte in der deutschen Agrarenquete:
"Man kann der Landwirtschaft nicht helfen, indem man der
konsumierenden Bevölkerung Mittleuropas durch Erhöhung
der Brotgetreidepreise und durch höhere Zölle die Lebenslage
weiter verschlechtert". Es sei die Aufgabe, nicht der Landwirtschaft
durch höhere Zölle zu helfen, sondern ihre Produktionskosten
zu vermindern.
Der deutsche Reichsminister für Ernährung
und Landwirtschaft Graf Kanitz sagt: "Die Landwirtschaft
habe keinerlei Interesse an den hohen Preisen für Getreide,
sondern nur daran, daß die Preise für ihre Erzeugnisse
zu denen der Produktionsmittel in richtigen Relationen stünden".
Das sagen die Wirtschaftler. Unsere Landwirte
müßten eigentlich ihre Kräfte darauf konzentrieren,
auf diesem Wege die Landwirtschaft wieder zu Blüte und größerem
Ertrag zu bringen. Es ist heute schon von Holland gesprochen werden.
Die holländische Landwirtschaft hat sich in einer schweren
Krise befunden und wenn sie sich nicht rechtzeitig umgestellt
hätte, wäre sie untergegangen. Aber die holländischen
Landwirte hatten Beweglichkeit, sie hatten begriffen, worum es
ging und haben es verstanden, sich eine Organisation aufzurichten
und sich in der Produktion umzustellen, so daß heute die
Landwirtschaft dort zu den bestentwickelten gehört, wie überhaupt
in den nordischen Staaten die Landwirtschaft am höchsten
entwikkelt ist. Wenn aber unsere Landwirte nicht versuchen, denselben
Weg zu gehen, wenn unsere Landwirte nicht ebenfalls die Zeit erkennen
und versuchen, nicht durch Zölle eine höhere Einnahme
zu erzielen, sondern durch Verringerung der Produktionskosten,
durch Verbesserung ihres Bodens, so ist ihnen nicht zu helfen,
so werden sie ganz einfach nicht imstande sein, von ihren Erträgnissen
leben zu können. Wo bleibt das Landwirtschaftsministerium?
Warum greift es nicht ein und versucht es nicht fördernd
miteinzutreten? Überall in allen Staaten, wo Arbeitslosigkeit
herrscht, wo das Problem der Versorgung im Vordergrunde steht,
wo nicht so viel produziert als gebraucht wird, in all diesen
Staaten beschäftigt man sich damit, wie man eigentlich die
Produktion steigern könnte. Unser Landwirtschaftsministerium
scheint von der Frage des gartenbaumäßigen Getreidebaues
noch nichts gehört zu haben. Warum wird nicht auch bei uns
versucht, im gartenmäßigen Getreidebau zumindest den
Versuch zu machen, wie weit sich das bewährt und welche Resultate
man dabei erzielen kann? Die Verfechter dieses Gedankens erklären,
daß es möglich sei, auf diese Weise einen Hektarertrag
von 40 bis 50 q zu erzielen. Sie erklären weiter, daß
eine Familie mit 2 ha vollauf beschäftigt wäre und daß
die Familie damit auch ihr Auskommen finden könnte. Es könnte
damit zum Teil das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst werden,
es könnte damit auch die Produktion gesteigert werden und
wir könnten schließlich damit Ersparnisse in der Einfuhr
machen. Welche ungeheuere Mengen müssen wir einführen!
Wir haben im Jahre 1925 16.000 Waggons Weizen, 17.000 Waggons
Roggen, 24.000 Waggons Weizenmehl und 3000 Waggons Roggenmehl
eingeführt, also unerhörte Mengen, die notwendig waren,
um unsere Bedürfnisse zu decken. Könnten wir nicht durch
eine Steigerung der Produktion im Inlande selbst dazu kommen,
unseren Bedarf zu decken? Unsere Landwirtschaft umfast 42% des
Bodens. Wir wären sicher imstande, unseren Bedürfnisse
selbst decken zu können, wir könnten soviel produzieren,
oder zumindest den größten Teil dessen produzieren,
was wir im Inlande selbst brauchen. Aber je geringer das Einkommen,
umso größer der Anteil der Ausgaben für die notwendigen
Lebensmittel. Das ist eine alte Erkenntnis und ich will wieder
auf die Statistik des staatlichen Amtes zurückgreifen und
sagen, daß bis zu 80% des Lohneinkommens für Nahrungsmittel
verbraucht werden und daß nur höchstens 20 bis 25%
in den Arbeiterfamilien für andere Bedürfnisse übrig
bleiben.
Daß nun der Arbeiter versucht, auch durch
eine wirtschaftliche Organisation sich zu helfen, und leichter
in den Genuß der Bedarfsgüter zu kommen, ist eine Selbstverständlichkeit.
Aber das, was den Landwirten sehr recht und willkommen ist, das
verurteilen und verdammen sie bei den Arbeitern. Wir haben heute
und in der Debatte wiederholt böse Worte gegen unsere Konsumentenorganisationen
gehört. Uns verübelt man es, daß wir es versuchen,
auf diesen Wege auch unsere Wirtschaft zu verbessern. Anstatt
zu versuchen, daß eine Verwertung der Produkte vom Produzenten
zum Konsumenten herbeigeführt wird, anstatt zu versuchen,
die Parasiten auszuschalten und den Zwischenhandel zu beseitigen,
anstatt zu versuchen, daß die Landwirte mit uns Gemeinsamkeit
suchen und auf diesem Wege zum vollen Werte ihrer Produkte kommen,
machen Sie das Gegenteil. Die Herren Sekretäre des Bundes
der Landwirte ziehen draußen in den Ortschaften herum und
sagen den Mitgliedern der Partei, sie müssen aus den Konsumvereinen
austreten, widrigenfalls sie ausgeschlossen würden. Wir sehen
es in den landwirtschaftlichen Blättern, die die Landwirte
auffordern, den Konsumvereinen die Lokalitäten zu kündigen,
ihnen die Errichtung von Verkaufsstellen unmöglich zu machen.
Wir sehen, daß eine Verfolgungswut bei diesen Leuten besteht,
um die kleinen Ansätze unserer wirtschaftlichen Organisationen
zu vernichten. Ja, meine sehr Verehrten, auf diesem Wege werden
die Landwirte unsere Entwicklung nicht aufhalten, sie werden sich
aber selbst dabei auch nicht nützen. Es wäre nur recht
und billig, wenn auch auf dieser Seite einmal die Vernunft so
weit gehen würde, daß sie Notwendigkeiten, die sich
naturgemäß ergeben, Rechnung trägt. Sie klagen
darüber, daß die Viehpreise zu niedrig sind, daß
sie für das lebende Vieh einen so kleinen Preis bekommen
und das Fleisch so teuer bezahlen müssen. Sie klagen, daß
der Zwischenhandel sie ansauge, daß er eigentlich derjenige
sei, der den großen Nutzen hat und Sie selbst verbinden
sich mit dem Zwischenhandel. Sie stützen und schützen
diesen Zwischenhandel, anstatt den Weg zu suchen, der der direkte
zwischen Produzenten und Konsumenten wäre. Man begreift schwer
die Politik, die unsere Landwirte treiben. Sie jammern auf der
einen Seite und klagen über Not und auf der anderen Seite
verrammeln Sie jeden Weg, der ihnen einen vollen Ertrag Ihrer
Produkte bringen könnte. Ein landwirtschaftlicher Betrieb,
der allen Anforderungen der Ackerbauwissenschaft genügt,
ist vielleicht heute einer der schwersten Betriebe geworden, der
an die wissenschaftliche Ausbildung seiner Leitung die größten
Ansprüche stellt. Man kann vielleicht sagen, daß die
Landwirtschaft heute den kompliziertesten Teil der chemischen
Industrie darstellt. In keinem kapitalistischen Lande werden die
Anforderungen, die an einen landwirtschaftlichen Betrieb zu stellen
wären, wirklich erfüllt. Überall bleibt die Produktion
hinter der Produktionsfähigkeit eines wirklich rationell
eingerichteten Betriebes zurück.
Die Erhöhung der Bodenpreise und der Preise
für Nutzvieh erschwert dem landwirtschaftlichen Arbeiter
und dem Kleinbauer die Erwerbung von Grund und Boden und die Erweiterung
ihres Besitztums, sie erleichtert die Konzentration des Bodens
im Besitze des Großbauern und Großgrundherren. Wir
sehen also hier, daß den Lohnarbeitern immer auch in der
Landwirtschaft der Weg zur Selbständigkeit abgeschnitten
wird, der Weg, zum Erwerb von Grund und Boden durch die Politik,
die heute von den Landwirten getrieben wird. Wir sehen, daß
die Wirkung, die die Zölle ausüben werden, in furchtbarer
Weise in jedem Arbeitshaushalt sich äußern wird. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Wie es heute wiederholt gesagt worden ist:
wenn Sie den Plan durchführen, wenn Sie darauf beharren,
daß die Zölle zum Gesetz werden, so werden sich als
notwendige Folge neue soziale Kämpfe ergeben. Die Arbeiter
und die Lohnempfänger werden nicht imstande sein, mit ihrem
Einkommen die erhöhten Kosten zu decken, sie werden den natürlichen
Weg betreten müßen, zu versuchen, höhere Löhne
zu erreichen, um den höheren Anforderungen, die an sie bezüglich
der Preise gestellt werden, auch entsprechen zu können. Sie
werden soziale Kämpfe schwerer Natur heraufbeschwören,
Erschütterungen, aber alles nur um des kleinen Vorteils willen,
der eigentlich kein Vorteil für Sie sein wird. Glauben Sie
nicht, meine Herren, wenn da bezüglich der Slovakei Klage
geführt worden ist, wenn da gesagt wird, daß man dort
nicht imstande sei, die Produkte zu verwerten, daß die Zölle
das Mittel sein werden, um Ihnen die Möglichkeit zu geben,
diese Produkte zu verwerten! Andere Wege müßten Sie
beschreiten, Sie müßten versuchen, durch Tariferleichterungen
Ihre Waren in die Industriegebiete, in die Gebiete zu bringen,
wo diese Waren gebraucht werden, Sie müßten versuchen,
auf anderem Wege Ihre Produkte dahin zu bringen, wo sie auch verwertet
werden können. Nicht dadurch, daß Sie durch Zölle
höhere Einnahmen zu erzielen suchen, werden Sie Rettung finden.
Die Versuche werden ins Gegenteil umschlagen. Ein Teil der Landwirtschaft
wird im Faulbett der Zölle es gar nicht notwendig haben,
eine Intensivierung des Bodens herbeizuführen, ein Teil der
Landwirtschaft, und zwar die großen Betriebe, die abgeben,
werden den Nutzen von den Zöllen allein haben, die kleinen
aber, wie das meine Freun de Pohl und Schweichhart
bereits ausgeführt haben, werden keinen Gewinn von den Zöllen
haben, sie werden an ihnen so schwer zu tragen haben, wie die
Arbeiter und Lohnempfänger, sie werden nicht imstande sein,
mit ihren geringen Erträgnissen den ganzen Bedarf für
ihren Haushalt zu decken, sie werden als Käufer, als Konsumenten
auftreten müssen und werden die Zollpreise in den Produkten,
die sie einkaufen, ebenfalls mitbezahlen müssen. (Potlesk
nìm. soc.-demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Es waren die Herren Vertreter der
zollfeindlichen Parteien, die in ihren Reden besondere Sorge um
das Gedeihen der Landwirtschaft durchblicken ließen. Wir
freuen uns der Unterstützung dieser Kreise, da uns wiederholt
das Herauskommen dieser Herren auf das Dorf in sichere Aussicht
gestellt wurde, wohl doch nur zu dem Zweck, um unsere ehrliche
Arbeit kennen zu lernen. In der Erkenntnis, daß wir in unseren
Dörfern die unser harrende Arbeit mit den uns zur Verfügung
stehenden wenigen Arbeitskräften nicht zu bewältigen
imstande sind, werden diese fürsorglichen Herren hoffentlich
auch die derzeit gezwungen feiernden Arbeitskräfte mit hinausbringen.
Mit deren Hilfe sind wir dann sicher imstande, ein gutes Stück
Arbeit vorwärtszubringen. Dadurch erst wäre eine Intensivierung
unserer Produktion sichergestellt und könnten wir dann an
einen langsamen Wiederaufbau der derzeit der gänzlichen Verschuldung
zueilenden Landwirtschaft glauben. Der Schutz für unsere
Produktion aller Art ist die Lebensfrage der Landwirtschaft. Die
sogenannte Bereicherung und Entschuldung der deutschen Landwirtschaft
während des Krieges und nach ihm war nur ein Truggebilde.
Die Inventarverkäufe brachten wohl Mittel, die Gott sei Dank
zur Deckung der Schulden verwendet wurden. Die Kriegsanleiheeinlösung
und die Vermögensabgabe im Verein mit den ins ungeheurliche
ansteigenden Steuervorschreibungen, welch letztere besonders dem
leicht zu erfassenden Mittel- und Kleinbesitz mit besonderem Vergnügen
im schärfsten Maße zuteil wurden, brachten es sehr
bald zustande, daß diese angebliche "Bereicherung"
in kürzester Zeit wieder abgebaut wurde. So rasch, daß
die Landwirtschaft bis zum heutigen Tage schon wieder mit über
fünf Milliarden verschuldet erscheint.
Unser Ruf nach Schutz der ländlichen Arbeit
verhallte ungehört. Die wenigen Ersparnisse gingen verloren
und es zog die Unrentabilität der Wirtschaft die neue Verschuldung
nach sich. Unter diesen Verhältnissen leidet nicht nur die
Landwirtschaft. Die arg verminderte Kaufkraft fühlt mit das
Gewerbe, der Arbeiter und die Industrie. Zahlen die Landwirtschaft
betreffend hörten wir schon zu Tausenden. Nur zwei Gruppen
will ich herausgreifen. Noch vor wenigen Jahren standen die ländlichen
Sparkassen bei den verschiedenen Zentralverbänden zu annähernd
80% im Einlagenstand. Heute stehen die angeschlossenen
Kassen zu annähernd 90% und darüber im Darlehensstand.
Der Zentralverband deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften
für Mähren zahlte im Laufe des heurigen Jahres annähernd
18 Millionen Kronen mehr aus an Abhebungen und Darlehensgewährungen
gegenüber den erfolgten Einlagen. Beim Zentralverband deutscher
landwirtschaftlicher Genossenschaften für Böhmen in
Prag vergeht seit den letzten Monaten fast kein Tag, an welchem
die Abhebungen die Einlagen nicht um viele Hunderttausende übersteigen
würden. Unter den derzeitigen Spareinlegern finden wir größtenteils
nur mehr unsere Wirtschaftsgehilfen und Kleinbesitzer, welch letztere
nur durch ihre verbilligte Regie noch zur Not unter äußerster
Anspannung ihrer und ihrer Kinder Kräfte kleine Ersparnisse
machen können.
Wer diese Zeichen ehrlich deuten will, muß
zugestehen, daß die Widerstandskraft des Landes zu erlahmen
beginnt.
Schutz deshalb auch dieser ehrlichen Arbeit,
wenn nicht die ganze Volkswirtschaft zusammenbrechen soll. Und
wie sieht es mit diesem Schutz in diesem Staate derzeit aus? Der
Weinbau ist bereits zu Tode geschützt, der Gemüsebau
ist in vielen Gegenden nur mehr für Gründungszwecke
möglich.
Der Rübenbau ist so beschützt, daß
der Konsumzuckerpreis trotz des Sinkens des Rohproduktes, der
Zuckerrübe, von 28 auf 14 Kronen, sogar steigen muß.
Das Getreide genießt dadurch Schutz, daß Preise festgelegt
werden, die nicht einmal die Gestehungskosten decken. Den größten
Schutz genießt die Viehzucht. Um sie nicht zu schädigen,
kauft man dem heimischen Landwirt überhaupt kein Vieh mehr
ab, führt fleißig aus dem Ausland ein, damit hier die
Ställe schön voll bleiben. (Posl. Wünsch: Gar
so dürfen Sie doch nicht übertreiben!) Gehen Sie
hinaus und schauen Sie die Sache einmal an. Allenfalls kann diesem
Überfluß dann infolge der klaglosen Handhabung der
veterinärpolizeilichen Vorschriften durch miteingeführte
Seuchen begegnet werden. Der Flachsbau bedarf keines Schutzes!
Die Flachsbauern sind scheinbar in der glücklichen Lage,
über derartige Bodenqualitäten zu verfügen, daß
sie jedes andere landwirtschaftliche Produkt mit garantiertem
Ertrag zu bauen vermögen. Dieser schwächste Produktionszweig,
diese erschwerteste Erwerbsmöglichkeit, diese genügsamsten
Menschen unter uns Landwirten und ländlichen Arbeitern müssen
in ihrer Existenz preisgegeben werden, um die heimische Industrie
zu schützen. (Výkøiky komunistických
poslancù.) Über 290.000 Spindeln
von den 300.000 im alten Österreich befinden sich in diesem
Staatswesen. Diese Industrie, die angeblich mit unserem Flachsprodukt
nicht arbeiten kann, muß geschützt werden. Der Flachsbauer
und der auf den Flachsbau angewiesene Arbeiter wird geopfert.
Der Flachs bekommt keinen Schutzzoll. Die Friedensanbaufläche
erreichte ein Höchstausmaß von 59.000 ha. Dieser blühende
Flachsbau verfiel von Jahr zu Jahr. Die Anbaufläche sank
bis auf 14.000 ha im Jahre 1917. Im Jahre 1925 wurde eine Anbaufläche
von 25.000 ha erreicht, um heuer wieder auf annähernd 20.000
ha zurückzugehen. Weiter andauernde Unrentabilität des
Flachsbaues wird diese Anbaufläche noch weiter einschränken.
Die jetzt schon bemerkbare Umstellung auf den in den Flachsbaugebieten
unrentablen Getreidebau mit den Erträgen von 8, 10 und höchstens
12 q pro ha führt zur unvermeindlichen Verarmung und Verelendung
dieser Gebiete. Diese wackeren Pioniere der Arbeit auf kärglichstem
Boden haben doch auch Anspruch auf Schutz ihrer Arbeit, der ihnen
vom Staat und von der Allgemeinheit in vollstem Maße zuteil
werden muß. (Hluk.) Der Staat selbst hat die Pflicht,
erster und bester Konsument der aus dem heimischen Flachs erzeugten
Produkte zu werden. Die auf Kosten des ungeschützten Flachsbaues
geschützte Leinenindustrie gibt den bisher geübten Boykott
des heimischen Produktes auf und sorgt mit für Absatzmöglichkeiten
des überflüssigen Brechflachses im Ausland. Der Förderung
und Veredelung unseres Flachsbaues und der Flachsverarbeitung
gewähren die zuständigen Staatsbehörden durch zur
Verfügungstellung von Mitteln an die Landeskulturräte
aus den Zollerträgen die größtmögliche Förderung.
Der genossenschaftlichen Verwertung und Verarbeitung wird möglichste
Förderung durch tarifarische Maßnahmen, sowie Steuererleichterungen
zuteil. Und nicht zuletzt hilft auch die Allgemeinheit durch Verwendung
von Leinenwaren, die scheinbar wohl teuer, infolge ihrer Dauerhaftigkeit
jedoch die billigeren sind. Erst bei Erfüllung dieser von
den Flachsbauernorganisationen schon seit Jahren erhobenen Forderungen
wird auch dieses heute ungeschützte Produkt wenigstens zum
Teil geschützt, sodaß auch eine weitere Verelendung
der Bewohner der Flachsbaugebiete hintangehalten wird.
Viel wurde heute auch von einer Teuerungswelle
gesprochen, trotzdem kein Grund hiezu vorliegt, da eine Steigerung
der Lebensmittel infolge der Einführung der Zölle nicht
notwendig ist. Diese Steigerung hat der unreelle große Zwischenhandel
zu tragen und dadurch von seinen Riesengewinnen abzugeben, die
er während der Preissenkung unserer Produkte ohne Arbeit
mühelos anzusammeln vermochte. Diesen Gewinnen des internationalen
Zwischenhandels muß durch die Schaffung eines arischen Großkapitals
entgegengetreten werden, welches mit Erfolg den Kampf gegen das
internationale Kapital aufzunehmen vermag. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Wir Vertreter des im Bunde der Landwirte organisierten
deutschen Landvolkes finden uns bei der Bereinigung der Frage
der landwirtschaftlichen Zölle mit den deutschen Gewerbetreibenden
und Christlichsozialen, sowie unseren ungarischen Freunden an
der Seite der èechischen bürgerlichen Parteien, um
diese Existenzfrage der Landwirtschaft in günstigem Sinne
zu beeinflussen und endlich auch der Landwirtschaft den lang entbehrten
Schutz ihrer Arbeit zu sichern. Seit Jahren schon zu Verrätern
an unserem Volk gestempelt, rechnen uns heute gewisse Volkskreise,
bezw. deren Führer, bar jeder vernünftigen und ehrlichen
Erwägung, unser Verhalten in der Zollfrage als neues Verbrechen
an. Und doch ist unsere Stellungnahme in dieser Frage klar vorgezeichnet.
Ein Volk, das ruhig zusieht, wie seine Landwirtschaft Schritt
um Schritt dem Abgrund zugedrängt wird und nicht mithilft,
bei der Sicherung der Existenzgrundlagen seines sichersten Rückhalts,
wird mit dem Untergang seiner Landwirtschaft mit in den Abgrund
gerissen.
Unsere Prüfungszeit ist noch nicht vorüber.
Noch immer beherrscht der Siegesrausch die Sinne weiter Kreise
der verantwortlichen und unverantwortlichen Machthaber, die nur
in der Unterdrückung und in der Vergewaltigung der übrigen
Völker das Heil ihres Staates erblicken. Der drohende Zusammenbruch
der gesamten Volkswirtschaft wird sie hoffentlich nicht zu spät
aus ihrem Sinnenrausch erwecken. Noch immer finden sich Schlagwortritter,
die ehrliche Arbeit schänden. Unentwegt wollen wir trotz
allem den betretenen Weg ehrlicher Arbeit für unser Volk
weiter verfolgen. (Potlesk.)