Aber nicht nur die Arbeiter, auch die Staatsbeamten
und die Staatsangestellten werden bei der Verteuerung der Lebenshaltung
mit ihrem jetzigen Einkommen das Auslangen nicht finden. Auch
die Staatsangestellten werden an den Staat als Arbeitsgeber herantreten
müssen und wenn dieser Staat diesen An gestellten wirklich
den Ausgleich zu der vermehrten Belastung im Haushalte geben will
und geben wird, dann bedeutet das eine Erhöhung der Staatsausgaben,
dann bedeutet das in weiterer Folge natürlich wiederum eine
Erhöhung der Steuern, der Abgaben, die der Staat von den
andern Staatsbürgern einhebt. Das ist das Resultat, daß
Sie auf dem Wege, den Sie gehen, erzielen werden. Sie gehen diesem
Weg, weil Sie so wie viele Industrielle auch zu bequem und zu
konservativ sind, um die Steigerung des Ertrages Ihrer Arbeit
und Ihrer Betriebe durch Verbesserung der Betriebe und die Vervollkommung
ihrer Arbeitsmethoden zu erhöhen.
Nun noch etwas anderes, auf das ich hier an
dieser Stelle eingehen muß. Es ist das erstemal, daß
wir in diesem Hause eine natürliche Gruppierung der Parteien
zur Mehrheit und zur Opposition sehen, nicht mehr eine Gruppierung
durch Schacher und Handel beeinflußt und geleitet vom Herrschaftsgedanken,
eine Gruppierung der programmatisch widersprechendsten und gegensätzlichsten
Parteien, die ein widernatürlicher Bund zusammengefaßt
hat. Wir sehen eine Gruppierung, die auf der einen Seite autonom
durch ähnliche oder fast gleiche programmatische Grundsätze
und gleiche Ziele, auf der andern Seite durch das gleiche Bestreben
mit politischer Macht materielle Vorteile zu erringen,
zustande kam. Durch das Attentat der Zollparteien auf die Taschen
der Ärmsten, auf die großen Massen der durch die Wirtschaftskrise
in die schwerste Not und Verzweiflung getriebenen Arbeiter aufgeschreckt,
haben die èechischen sozialistischen Parteien,
die bereits durch den Zerfall der Koalition begonnene Loslösung,
etwas weiter getrieben. Wir hoffen, daß diese Loslösung
auch innerliche Fortschritte gemacht hat, sie geht langsam, wir
wünschen aber, daß sich dieser Prozeß fortsetzt,
wir wünschen, daß das Zusammenwirken aller sozialistischen
Parteien in diesem Hause eine dauernde Tatsache werde.
Die èechischen sozialistischen Parteien stehen in diesem
Augenblicke an einem Scheidewege von vielleicht historischer Bedeutung
für die Zukunft des Proletariates in diesem
Staate. Wir wünschen, daß sie in diesem Augenblicke
nicht schwach sind und nicht schwach werden.
Auf ihren Schultern lastet eine ungeheure Verantwortung
und wir wünschen, daß sie sich auf die richtige Seite
des Wegweisers stellen, nicht auf die Seite, wo der Arm zurück
zur Koalition deutet, sondern zu jenem Arm, der auf die geschlossene
Phalanx der sozialistischen Parteien in dies em Hause hinweist.
Der Kampf für das notleidende Proletariat, gegen den Zollwucher,
hat wohl eine lose aber eine gemeinsame Front aller sozialistischen
Parteien geschaffen. Wir wünschen, daß die sozialistischen
èechischen Parteien an dieser Front festhalten. Durch Mitarbeit
und Zusammenarbeit mit uns soll alles Trennende beseitigt werden.
Wir glauben, daß der Augenblick gekommen
ist, wo eine ernste und gewichtige Entscheidung über die
künftige Zusammenarbeit, über die künftige Stellung
der sozialistischen Parteien in diesem Hause zu einander gegeben
ist. Auch dann, wenn alle sozialistischen Parteien in diesem Hause
eine Minorität bleiben, auch dann, wenn die neue sogenannte
Zollkoalition eine dauernde würde und durch sie gestützt
die Reaktion in diesem Staate stark werden sollte. Wir fürchten
nicht die Reaktion, wir sind gewohnt, den Kampf gegen unsere Bedrücker
zu führen und wir wünschen nur, daß in diesem
Hause eine Situation entstehe und bleibe, die das Feld vor uns
klar überblicken läßt, die klar sehen läßt,
wo unsere Feinde sind, die klar sehen läßt, wo wir
diese Feinde bekämpfen müssen und können. Im Kampfe
gegen den Klassenfeind ist die sozialistische Arbeiterbewegung
groß und stark geworden. Dieser Kampf war und ist uns Bedürfnis
und hat Hunderttausende von Arbeitern mit Vertrauen zu uns erfüllt,
sie zu uns gebracht. Wir wissen, daß die èechischen
Genossen in der Koalition vieles verhindert
haben, wir wissen, daß ihr Austritt, ihre gänzliche
Abkehr von der alten allnationalen Koalition die Reaktion fördert,
ihr den Weg freimacht. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß
es besser wäre, wenn wir klar und deutlich den Feind vor
uns sehen, unsere Kampftaktik darnach einzurichten vermögen.
Wenn wir auch dadurch vielleicht kleine Gegenwartsvorteile verlieren,
wir stehen zumindest nicht mit gebundenen Händen der Reaktion,
die uns die neue Zollkoalition aufgezeigt hat, gegenüber,
wir werden mit freien Händen alle Widersacher der Arbeiter
im Interesse derselben besser bekämpfen können. Nicht
nur der Arbeiter, auch der kleine Mann, der kleine Landwirt, der
kleine Geschäftsmann muß sich darüber klar werden,
wem er näher steht. Er muß sich darüber klar werden,
daß seine Interessenverbindung mit dem Arbeiter eine viel
innigere ist, als mit der Bourgeoisie aller Nationen in diesem
Staate. Lassen wir ein, zwei Jahre vorüber gehen und lassen
wir die Neuwahlen auch für dieses Haus kommen, dann werden
wir eine andere Situation haben. Wir wissen, daß, wenn sich
die Dinge so weiter entwickeln und wenn den Arbeitern klar und
deutlich aufgezeigt wird, wer ihr Freund und wer ihr Feind ist,
dann werden die Arbeiter auch im entscheidenden Augenblick klüger
urteilen, als es das letztemal geschehen ist. Die technische Entwicklung,
die Kapitalskonzentration wird eine immer schärfere Scheidung
zwischen Bourgeoisie und Arbeiter, zwischen Bourgeoisie und dem
proletarisierten kleinen Mann herbeiführen. Wenn die Gegensätze
schärfer abgegrenzt sein werden, werden auch die Fronten
schärfer hervorgehoben, werden bedeutende Verschiebungen
in der Klassen- und Parteizugehörigkeit eintreten. Diese
Entwicklung ist für uns, sie führt zur proletarischen
Mehrheit auch in diesem Staate und auch in diesem Parlamente,
führt zur Herrschaft der arbeitenden Schichten. Diese Entwicklung
wird durch die andere Seite und wird durch solche Aktionen, wie
sie das Zollgesetz, die Aktion der Agrarier in Verbindung mit
anderen Zollfreunden bedeutet, nur gefördert. Das Profitinteresse
ist diesmal wie so oft stärker als die politische Klugheit.
Wir haben es in den letzten Tagen in diesem Hause erlebt, daß
politische Parteien entgegen einer 8jährigen Tradition, entgegen
100mal beschworenen Grundsätzen mit dem sogenannten Erbfeind
gegen die Massen der deutschen Volksgenossen im Arbeiterkittel
gestimmt haben. Wir haben diese Schwüre auf die Volksgemeinschaft
und auf die Volkstreue nie geglaubt. Sie haben, das ist festgestellt
und wird immer und immer wieder konstatiert, um einen kleinen
Vorteil ihr Volk verraten. Das Geschäft stand ihnen immer
näher als der Grundsatz. Das deutsche Haus und den deutschen
Hof haben sie den Èechen verkauft, wenn er gut bezahlte.
Sie täuschen jetzt im Interesse der Reichen
den ärmeren Teil ihrer Partei, die Arbeiter, sie täuschen
den kleinen Landwirt, sie täuschen die Öffentlichkeit.
Wenn die Arbeiter im allgemeinen durch die Zollvorlage und das
Zollgesetz mehr geschädigt werden, so werden es auch jene
Arbeiter, die heute den einzelnen bürgerlichen Parteien als
Gruppen angehören. Auch sie werden anfangen nachzudenken
und werden erkennen müssen, daß ihr Platz nicht dort
ist, wo sie heute stehen, wo sie nur Schützenhilfe leisten
sollen, wenn es gilt die politische Macht der Bourgeoisie zu vermehren
und zu festigen, von der sie aber ansonsten im Stiche gelassen
und abgeschüttelt werden, die sich nicht um sie kümmert,
wenn es gilt, ihre Interessen zu vertreten.
Wenn Sie glauben, daß es so bleiben wird,
wie es jetzt ist, wenn Sie glauben, daß der Zollschutz für
Sie Hilfe aus der von Ihnen dargestellten Not bringen wird, dann
irren Sie sich. Sie werden aus Ihrer Aktion keinen Erfolg erzielen
und wenn Sie sich auch gegen Ihre Volksgenossen mit den anderen
Klassenfreunden verbunden haben und auch da wieder die
deutschen Agrarier, die deutschen Christlich-Sozialen mit ihren
èechischen Konnationalen zusammengehen. Wenn Sie auch,
die eine Gruppe für die Zölle, die andere Gruppe für
die Kongrua Ihre wichtigsten Grundsätze verraten,
dann können wir wohl erklären, daß der Erfolg
ein anderer sein wird, wie Sie glauben und daß vielleicht
nur Tage vergehen werden, bis Sie für die Schützenhilfe
den entsprechenden Fußtritt bekommen werden. Das, was Sie
jetzt treiben, ist Schacher ärgster Art und Sie haben nicht
nur ihre Arbeiter, die Ihrer Partei angegliedert sind, getäuscht
und verraten, sondern Sie haben auch sonst in den letzten Tagen
wichtige Grundsätze preisgegeben. Meine Vorredner haben bereits
ebenfalls erwähnt, daß Sie, die Sie die Regierung noch
vor kurzem als Oppositionspartei auf das schärfste bekämpft
haben, gegen deren Gewaltmaßnahmen Sie den rücksichtslosesten
Kampf erklärten, dieser Regierung nicht nur das Vertrauen
ausgesprochen, sondern durch Ihre Zustimmung, die Sie dem Gesetze
geben, eine ganze Reihe von Ermächtigungen gegeben haben,
der Regierung von der Sie als Oppositionspartei erklärten,
daß sie bisher jede Ermächtigung mißbraucht hat.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
inž. Dostálek.)
Sie haben im Artikel IV der Vorlage der Regierung
die Ermächtigung gegeben, daß sie jederzeit unter Berufung
auf außerordentliche wirtschaftliche Verhältnisse die
Zölle erhöhen kann. Sie haben es vollständig der
Wilkür der Regierung überlassen, die Zölle zu erhöhen,
d. h. das Gesetz, das dieses Parlament beschlossen, zu einem Gesetz
von Minimalzöllen zu machen. Sie haben damit die Arbeit des
Parlaments diskreditiert, damit, das Parlament gewissermaßen
außer Kraft gesetzt. Im Artikel VI heißt es, daß
die Einfuhrscheine bei Getreide weiterverbleiben sollen. Sie haben
dadurch Ihre Zustimmung dazu gegeben, daß die Regierung
willkürlich den Zollschutz beeinflussen kann, daß sie
ihn unkontrollierbar verstärken kann, daß sie die Einfuhr
überhaupt unmöglich machen kann. Im Artikel VIII, der
eine Dumpingklausel beinhaltet, haben Sie ebenfalls die Entscheidung
der Willkür der Regierung überlassen. Es ist wohl ein
Beirat vorgesehen, der von der Regierung ernannt und aus Ministern
bestehen soll, aber nicht einmal mit Einbeziehung des Fürsorgeministers,
der ja eigentlich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse
beobachten und prüfen soll. Wir fordern einen Beirat, der
aus Arbeitern, Industriellen und Konsumentenvertretern zusammengesetzt
sein soll. Die Arbeiter- und Konsumentenvertreter vor allem sollen
kontrollieren können, wie die Regierung den Artikel VIII
auslegt und benützt.
Sie haben also der Regierung das Vertrauen
ausgesprochen, ihr weitgehende Ermächtigungen erteilt, Sie
haben die Unverantwortlichkeit der Minister damit bestätigt,
Sie haben durch Ihr Verhalten das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen
mit Füßen getreten. Sie, die deutschen Christlichsozialen
und Agrarier, haben - und das ist wichtig - einer kommenden Koalition
die Waffen gegen die Opposition, gegen Ihre deutschen Volksgenossen
geschmiedet. Denn bei jeder Regung, bei jeder Klage der Opposition,
bei jedem Aufschrei der Minderheit gegen die Vergewaltigung durch
die Regierung oder das Präsidium dieses Hauses, werden Sie
als Beispiel, als Zeugen für das Recht der Mehrheit auf diese
Vergewaltigung geführt werden. Damit haben Sie nicht nur
der gesamten Opposition, sondern auch den Deutschen den Mund gesperrt.
Das muß von dieser Stelle aus gesprochen
werden, das muß angenagelt werden. Möge der Kampf um
die Zölle enden wie immer. Eines mögen sich die Zollfreunde
gesagt sein lassen: daß ihnen, vor allem den Kollegen auf
den deutschen Bänken, der Verrat, den sie hier an der arbeitenden
deutschen Klasse verübt haben, nicht vergessen wird. Den
sozialistischen Parteien aber wollen wir zurufen, daß sie
die Erfahrungen dieses Zollkampfes nützen und nicht vergessen
mögen, daß sie vor allem anderen die neue Front, die
der Zollkampf aufgezeigt hat, nicht unbeachtet lassen. Halten
auch Sie an den Beobachtungen und Erfahrungen des Zollkampfes,
an der natürlich entstandenen Front fest, sorgen Sie dafür
mit uns, daß sie fester wird, die einheitliche proletarische
Front in diesem Hause, in diesem Staate. Wenn diese besteht, fürchten
wir den Kampf gegen alle Widersacher und alle Reaktion nicht.
Dann bleiben wir Sieger in diesem Kampfe, auch wenn wir bei der
heutigen Abstimmung unterliegen sollten. (Souhlas a
potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)
Wir haben unsere Stellungnahme zu dem Zollgesetzentwurfe
bereits bei der Generaldebatte klar gekennzeichnet. Wir sind für
jeden berechtigten Schutz der Landwirtschaft, jedoch werden wir
in zweiter Lesung aus politischen Gründen gegen den vorliegenden
Gesetzentwurf stimmen. Wir stellen fest, daß der Antrag
Mašata und Genossen nur dem Scheine nach ein
Initiativantrag ist, in Wirklichkeit aber von der in aller Stille
gebildeten neuartigen Regierungskoalition ausgeht, der die èechische
Beamtenregierung bereitwilligst Pate gestanden hat. Er ist also
politisch als ein Regierungsantrag zu werten. Trotzdem hat es
die Regierung geflissentlich unterlassen, zu ihm offiziell Stellung
zu nehmen und ist jeder Erörterung ihrer Stellung zum vorliegenden
Gesetzantrage sowohl in den Ausschüssen wie auch im Hause
mit Vorbedacht aus dem Wege gegangen, obgleich sie wiederholt
zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde.
Der in Verhandlung stehende umfangreiche und
tief in das Wirtschaftsleben einschneidende Gesetzantrag wurde
erst am 27. Mai 1926 im Drucke verteilt und soll noch in
der heutigen Nacht durchgepeitscht werden. Die vorgeschlagenen
Zollsätze sind vielfach willkürlich angesetzt und lassen
erkennen, daß die ganze Vorlage nur das Ergebnis eines politischen
Zusammenwirkens zwischen den Vertretern der èechischen
Agrarier und der èechischen Industrie ist.
Schon dieser Umstand, insbesondere aber die
ganz unzureichende Zeit, welche eine gründliche Beratung
vollkommen ausschließt, macht eine sachlich einwandfreie
Prüfung der Vorlage unmöglich, dies umso mehr, als der
Motivenbericht außerordentlich dürftig zu nennen ist
und die notwendigen statistischen Angaben fehlen.
Hiezu kommt, daß wir außerdem für
verschiedene von uns geplante Verbesserungsanträge bei den
anderen Parteien nicht die notwendige Anzahl Unterschriften erhalten
konnten, da es dem Deutschen Verbande wiederum beliebt hat, auch
diese formelle parlamentarische Unterstützung uns zu versagen.
Aus diesen Gründen lehnen wir es ab, uns
an der Abstimmung über die in den Artikeln I bis III enthaltenen
Bestimmungen zu beteiligen und werden nur an der Abstimmung über
die Artikel IV bis IX teilnehmen, um insbesonders die darin enthaltenen
Ermächtigungsbestimmungen für die Regierung zu bekämpfen.
In zweiter Lesung werden wir selbstverständlich gegen die
Vorlage stimmen. (Potlesk stoupencù.)