Hohes Haus! Schon seit Wochen tobt der Kampf
über die Zollfrage, die besten Köpfe von hüben
und drüben haben verschiedenes statistisches Material zusammengetragen
und Vergleiche angestellt, wie die Zölle der einen Klasse
schaden und der anderen nützen werden. Nun, diese Angelegenheit
kann ich als Vertreter der deutschen Landwirtschaft in der Ostslovakei
kurz beantworten, daß ich und wir Agrarier keine Zölle
benötigen, wenn Sie die Industriezölle aufgeben, wenn
Sie uns die vernichtete Industrie zurückgeben, wenn Sie uns
den Fremdenverkehr wieder herstellen, wie er war, wenn Sie die
Frachttarife mäßigen und mildern und die große
Steuerlast, die uns drückt, beheben. (Posl. de Witte:
Was sollen die Arbeiter tun?) Fürchten Sie sich nicht,
ich werde darauf zurückkommen. In der Ostslovakei bei uns
gilt nicht der Wahlspruch: Das Brot wird um 5 Heller teurer, dort
drückt uns die Frage: Gebt uns Brot. (Výkøiky
komunistických poslancù: Bekommt jemand Brot von
Ihnen gratis?) Auch. Wie steht es in der
Ostslovakei? Wir hatten dort einen Lokalkonsum. Eine blühende
Industrie nahm unserer Landwirtschaft ab, was sie produzierte.
Heute ist die Industrie nicht mehr dort, daher fehlt uns die Verwertungsmöglichkeit.
Meine Herren, wenn Sie auf der Eisenbahn von Prag nach Kaschau
fahren, werden Sie ein trauriges Beispiel unserer Wirtschaftspolitik
sehen, ein großes Industrieunternehmen in Trümmern,
das einst blühend war und diese Trümmer... (Hluk
komunistických poslancù. -
Výkøiky posl. Kreibicha).
Místopøedseda inž. Dostálek
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. Nitsch (pokraèuje):
Das waren die Konsumenten der landwirtschaftlichen
Produktion, die armen slovakischen Gemeinden, die Bauern aus der
Umgebung, aus den Bergen, die versorgten das große Industrieunternehmen
mit Butter, Milch und Eiern, heute aber haben alle diese Leute
für ihre Produkte keine Abnehmer mehr. (Výkøiky:
Und die Zölle sollen helfen?) Ich
komme dazu, Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Krompach
wurde vernichtet, das Eisenwerk abgetragen, daß es nie mehr
in Betrieb gesetzt werden kann. Durch die Abtragung dieses Werkes
ging eine ganze Gegend zugrunde, das Tal, welches sich dort anschließt.
Die ganze kleine Eisenindustrie im Göllnitz-Tale, welche
von Krompach ihre Rohmaterialien beschaffte, wurde konkurrenzunfähig,
da sie die hohen Frachtsätze aus Witkowitz nicht ertragen
kann. Tausende und Tausende Arbeiter lebten von der Industrie,
die Lebensmittel für diese Arbeiter wurden von den slovakischen
Landwirten geliefert. Ich werde Ihnen ein Beispiel vorführen,
das traurigste aus der Ostslovakei. Krompach erzeugte im Jahre
1913 12.000 Waggons Eisen und benötigte dazu 26.400 Waggons
Erz, 14.000 Waggons Koks, 35.000 Waggons Kohle, 10.000 Waggons
Kalk. Es arbeiteten dort 3000 Arbeiter und 105 Beamte, insgesamt
lebten von diesem Werke 20.000 Leute. Die Konsumenten der Landwirte
und damit die Landwirte selbst sind zugrunde gegangen. (Hluk
komunistických poslancù.) Gerade
so erging es auch den anderen Unternehmungen. Eine große
Bauschlosserei, welche im Jahre 1922 401.846 kg Material erzeugte,
erzeugte im Jahre 1925 nurmehr 182.271 kg, also ein Drittel. Eine
Schienennägelfabrik in Wagendrüssel erzeugte im Jahre
1913 mit 57 Arbeitern 41 Waggons Ware, im Jahre 1925 mit 36 Arbeitern
22 Waggons. Es ist die einzige Schienennägelfabrik der Slovakei,
sie kann trotzdem keine einzige Lieferung von den Staatsbahnen
erhalten und arbeitet infolgedessen nur 3 Tage.(Rùzné
výkøiky posl. Kreibicha.) Das
kümmert Sie nichts, lassen Sie mich ausreden. (Výkøiky
posl. Kreibicha.)
Místopøedseda inž. Dostálek
(zvoní): Prosím pana posl. Kreibicha,
aby zachoval klid.
Posl. Nitsch (pokraèuje):
Noch schlechter stehen die Verhältnisse
in der Textilindustrie. Eine Textilfabrik in Kesmark beschäftigte
1913 650 Arbeiter und 500 Heimarbeiter, heute beschäftigt
dieselbe 180 Arbeiter. Die Spinnerei mit 150 Arbeitern wurde aufgelassen.
Die Bergwerke, welche im Jahre 1913 6,248.803 q Erz mit 3862 Arbeitern
förderten, fördern heute gerade ein Drittel. Und so
geht es weiter. Obwohl das Zipser Eisenerz das beste ist, das
38% Ferrum enthält und das vor dem Kriege 70% des Inlandbedarfes
deckte, deckt es heute nur 35% desselben. Suchen wir die Ursachen
des großen Rückganges dieser Industrie, so finden wir,
daß sie vor allem von dem natürlichen Absatzgebiet
abgeschnitten wurde und daß sie heute den Markt, das Absatzgebiet
nicht mehr hat, infolge der hohen Steuern, der sozialen Lasten,
und vor allem, weil die Slovakei von den 1300 Mill. Auslagen,
die im Budget für Investitionsanschaffungen für das
Jahr 1924 vorgesehen sind, nur 49,649.000, also 4% erhielt. Im
Jahre 1925 erhielt sie von 953 Mill. nur 51 Mill, also 5.5%. Ich
habe diese Sachen nur deswegen angeführt, um Ihnen den Beweis
zu erbringen, (Výkøiky komunistických
poslancù.) - Sie brauchen sich nicht
aufzuregen - daß durch diesen Rückgang der Industrie
auch der Landwirtschaft jedwede Absatzmöglichkeit fehlt.
(Posl. dr Gáti: Das stimmt, aber werden die Zölle
helfen? - Posl. Kreibich: Wird sich der Absatz heben?)
Wenn das Gebiet in diesen Zustand gekommen ist, dann müssen
wir eben dafür sorgen, daß die Landwirtschaft andere
Absatzgebiete findet, daß sie nicht zugrunde geht. Vor dem
Kriege war das Absatzgebiet der Ost-Slovakei für Gerste,
Fleisch und Kartoffeln das mährisch-schlesische Kohlenbecken.
Die Zipser Gerste nur die kommt für den Export in Frage wurde
größtenteils in die Hannaer Mälzereien nach Prerau
und Olmütz verkauft. Durch die hohen Frachtsätze aber
wurde es uns unmöglich, die Konkurrenz mit der polnischen
Gerste aufzunehmen und wir sind heute so weit, daß unsere
Gerste zu Hause liegt und nicht verkauft werden kann, während
die Gerste aus Polen hereinkommt, und das berühmte Hannaer
Malz, welches der Stolz der Hanna war, wird heute aus minderwertiger
polnischer Ware verfertigt. (Hluk. Výkøiky.)
Dasselbe gilt von der Viehzucht. Unser Vieh,
sowohl Mastvieh als auch die Jungkühe wurden in den historischen
Ländern verwertet. Dank der hohen Frachttarife ist dies heute
nicht mehr möglich, denn das Ausland überschwemmt uns
ganz. Im Jahre 1920 war die Einfuhr 24.550 Stück, im Jahre
1922 betrug sie 33.660 und im Jahre 1925 wurden 597.252 Stück
eingeführt. (Hluk komunistických poslancù.)
Die Herren brauchen sich nicht lustig zu
machen. Das sind sehr traurige und interessante Daten. Man wird
annehmen, daß das fremde Vieh ohneweiters hereingelassen
wird. Die Hauptsache aber ist nicht, was auf legalem Wege hereinkommt,
sondern das, was auf illegalem Wege, auf dem Wege des Schmuggels,
hereingebracht wird, denn es bereitet große Schwierigkeiten,
eine so lange Grenze zu bewachen. (Posl. Kreibich: Durch die
Zölle wird noch mehr geschmuggelt werden!) Die Grenze
muß eben besser bewacht werden und man darf die Grenzwache
nicht restringieren. Größer als die Vieheinfuhr war
die Fleischeinfuhr. Die Herren aus der Ruska-Krajina werden sich
erinnern, daß an der Grenze ungeheuere Schlachthäuser
aufgebaut wurden, wo das rumänische Vieh geschlachtet und
das Fleisch hier verkauft wurde. (Výkøiky
posl. dr Gátiho.) Die Kosten für einen Ochsen
- Lebendgewicht der über die Grenze gebracht wurde, betragen
1500 Kè. Wenn man aber denselben drüben schlachtet
und das Fleisch herüberliefert, kostet das ganze nur 700
Kè. Die geschickten Händler haben das ausgenützt,
und nicht mehr Vieh, sondern das Fleisch herübergebracht,
ja wie schon gesagt, an der Grenze Schlachthäuser errichtet.
Nun, Herr Doktor, glauben Sie aber, daß
Sie trotzdem das Fleisch in Užhorod billiger gegessen haben?
Wir glauben nicht, denn das rumänische Fleisch kostete an
der Grenze 7 1/2 bis 8 1/2 Kronen ab beliebiger Station,
und Sie haben es mit 14 bis 15 Kè bezahlt. Ist also die
Landwirtschaft schuld daran, daß das
Fleisch teuer ist? Wir haben den Ochsen nicht teurer verkauft
als das Ausland, und das hat uns eben gänzlich zugrunde gerichtet,
daß uns das Vieh trotz gleicher Preise auf dem Hals bleibt.
Es ist leicht, über eine Sache zu lachen
und zu spötteln, aber man muß sich an Ort und Stelle
überzeugen, wie die Verhältnisse eben sind. Man muß
bedenken, daß die Landwirtschaft in der Ost-Slovakei durch
die riesige Einfuhr und durch die hohen Frachttarife vollkommen
gedrosselt ist. Die Fracht von 100 kg Getreide kostet von
Triest nach Prag 15.71 Kronen und die gleiche Fracht von 100 kg
von Kaschau nach Prag beträgt 29.10 Kè, bei Rindern
beträgt die Fracht per Waggon, wenn er 8 Stück enthält,
524.71 Kè, für jedes weitere Stück 18 Kè,
für den Transport von Kaschau nach
Prag beträgt die Fracht pro 100 kg 51.60 Kè, das macht
pro Stück 258 Kè aus. Wir sehen also, daß unsere
Zollpolitik so eingestellt war, daß man die ausländische
Ware verwenden sollte, unsere Bauern konnten eben mit samt ihrem
Vieh verhungern. Wir haben vorhin, als Dr.
Dörer von diesem Platze aus gesprochen hat, gehört,
daß es viel wichtiger ist, eine richtige Tarifpolitik zu
treiben, als die Zölle zu betreiben. Nun frage ich Dr. Dörer
- er war ja Minister für die Slovakei im Jahre 1920 - ob
er diese Zustände damals kannte und warum Dr. Dörer
nicht schon damals Anstalten getroffen hat und warum seine Leute,
die doch stets bei der Regierung und in der Regierung waren, in
dieser kritischen Frage nicht einmal geholfen haben? Wir haben
gesehen, daß 7 Jahre vergangen sind und auf diesem Gebiete
wurde nichts getan. (Hluk.) Die wichtigsten, die Slovakei
berührenden Fragen wurden vernachlässigt und die Vernachlässigung
dieser wichtigen volkswirtschaftlichen Fragen hat es verursacht,
daß heute in der Slovakei eine allgemeine volkswirtschaftliche
Krise herrscht. Während am 1. März 1925 in den Kronländern
auf 10 km Staatsbahnen 3.94 km Privatbahnen entfielen, kamen in
der Slovakei auf 10 km Staatsbahnen 8.94 km Privatbahnen, die
60.07% des Verkehrs mit ihren hohen Frachtsätzen abwickeln.
Warum wurde in dieser Angelegenheit noch nichts getan? Ich weiß
ganz genau, daß ein guter Volkswirtschaftspolitiker, Stodola,
schon oft Enqu*ten in Preßburg einberufen hat, an denen
sicher Dr. Dörer teilnahm, und wo Stodola verwirklichen
wollte, daß die Slovakei dank ihrem ausgedehnten Gebiete
auch den Industrie- und Konsumzentren näher gebracht werde.
Wir sehen eben, daß gar nichts getan wurde und daß
wir, die wir im fernen Osten der Republik wohnen, diese großen
Lasten tragen müssen, die uns die Privatbahnen mit ihren
hohen Frachtsätzen auferlegen. Der Ausbau der Transversalbahn
Marquanz-Rothenstein ist noch im Projektstadium. Die Frage der
Elektrifizierung der Slovakei ist gleichfalls eine der wichtigsten
Fragen. Wenn wir annehmen, wieviel Geld für Kohle und für
Fracht dafür ausgegeben wird, so sehen wir, daß diese
horrenden Summen viel besser zur Ausnützung, zum Ausbau der
gewaltigen Wasserkräfte der Slovakei, die auf 350.000 Kilowattstunden
geschätzt sind, verwendet werden könnten. Sieben Jahre
sind vergangen und nichts ist auf diesem Gebiete getan worden.
Das sind die eigentlichen Ursachen dieser Wirtschaftskrise, daß
wir eben durch die vorerwähnten hohen Frachtsätze unsere
altgewohnten Märkte nicht aufsuchen können und mit unseren
Produkten zuhause bleiben müssen. Wir sind in die Dreiländerecke
hineingezwängt, wo wir auf legalem und illegalem Wege von
reichen Agrarstaaten, die viele Produkte haben, mit Waren überschwemmt
werden. In der Ostslovakei steht die Sache heute so, daß
wir unsere Ware nicht an den Mann bringen können und daß
der Bauer, wenn er mit seinen Ochsen auf den Markt geht, denselben
auch wieder nachhause führt. Dort ist eben der große
circulus vitiosus des Lebens: wenn es dem Landwirt schlecht geht,
geht es allen schlecht und ich habe selbst gesehen, wie die Krämer
und die Handwerker die Hände in den Schoß legen, wenn
der Bauer nicht seinen Ochsen verkaufen und sich dafür seine
Bedarfsartikel kaufen kann. (Potlesk.)
Wenn ich hier diese schwere Frage aufgeworfen
habe, wie eine gesunde Volkswirtschaftspolitik geführt werden
könnte, so möchte ich einmal von diesem Platze aus an
Sie die ernste Mahnung richten: Schieben Sie sämtliche Eventualitäten
bei Seite und probieren wir es alle, Vertreter der Slovakei, die
wir hier sitzen, uns an den grünen Tisch zu setzen und dort
zu beraten, wie man diese Fragen lösen und zu einem Resultat
kommen könnte. (Výkøiky.) Treten
wir gemeinsam und energisch für diese Sache ein. Wenn das
die Herren Minister nicht tun können, so werden wir es allein
tun können und werden fordern, daß diese wirtschaftlichen
Fragen endlich einmal gründlich aufs Tapet gebracht und erledigt
werden, damit die Volkswirtschaft der Slovakei nicht verelendet
wird, denn wenn Amerika seine Grenzen öffnen würde,
hätten wir bald sehr wenig Leute zuhause. (Posl. dr Gáti:
Und die karpathorussische Frage?) Das überlasse ich Ihnen,
Sie sind der Vertreter dafür.
Wenn ich mich heute hier für die Agrarzölle
ausspreche und für sie im Namen meiner Partei einstehe und
dafür stimme, so tue ich es im Bewußtsein, damit nicht
nur der Verelendung des deutschen, sondern auch des slovakischen
Volkes abzuhelfen. Mit dieser Frage ist aber noch nicht alles
getan. Die Agrarzölle sind nur ein Tropfen ins Meer. Die
Agrarzölle allein machen uns nicht glücklich. (Hluk.
Výkøiky.) Fürchten Sie
sich nicht, wir werden nicht dicker, fetter und reicher werden,
selbst wenn der Landwirtschaft alles das gegeben wird, was eine
Mehrproduktion derselben fördert und was zur Intensivierung
der Landwirtschaft in der Slovakei führen wird. Dazu benötigt
die Landwirtschaft in erster Reihe - und das ist das wichtigste
Kapitel außer dem, was ich schon erwähnt habe - eine
Regelung der Kreditfrage. Schauen Sie sich heute die Grundbücher
an und Sie werden sehen, daß die Landwirte schon wieder
verschuldet sind. Sie sehen aber auch, daß die Sache nicht
so weiter gehen kann und daß der ungesunde Zustand aufhören
muß, daß der Landwirt, wenn er Geld auf seinen Besitz
braucht, Pfandbriefe kaufen und 14% für das geliehene
Geld bezahlen muß. Das hält der Landwirt in seinem
Betriebe nicht aus. Wenn man nicht der Landwirtschaft hilft, so
können wir nichts produzieren, und wir wollen produzieren,
damit uns nicht der Vorwurf von der gegnerischen Seite gemacht
wird, daß wir zu faul und zu dumm sind und uns nur auf die
Schutzzölle verlassen wollen. Wir wollen arbeiten, und der
Bauer hat noch stets gearbeitet, es muß ihm aber geholfen
werden. Es muß darüber ernstlich nachgedacht werden,
daß so wie in den westlichen Staaten dem Bauer Kredit auf
Mobilien, wie auf sein Getreide, auf seinen Ochsen, auf seine
Kuh gegeben wird, daß er solchen Kredit auch hier billig
erhält, denn der Kredit, den der Landwirt erhält, ist
das sicherste und best angelegte Kapital.
Ich bin am Ende meiner Rede angelangt und kann
von diesem Platze nur noch einmal aussprechen: Ich unterstütze
die Zölle und zwar deswegen, weil dem Volk in der Slovakei
ohne Unterschied der Nation dadurch aus seiner Verelendung herausgeholfen
wird. (Potlesk.)
Sehr geehrte Herren! Im Jahre 1921 wurde durch
eine Regierungsverordnung ein neuer allgemeiner Zolltarif
für das èechoslovakische Zollgebiet erlassen, durch
welchen die bestehenden Finanz- und Industriezölle um das
10 bis 44-fache erhöht wurden, während die landwirtschaftlichen
Zölle, welche bis zum Jahre 1914 in Geltung waren und während
des Krieges außer Kraft gesetzt wurden, außer Kraft
blieben, so daß bis zum Jahre 1925 Mehl und Getreide zollfrei
eingeführt werden konnte. Nur die Viehzölle wurden um
das 3-fache erhöht. Man hat ohne Inanspruchnahme des Parlamentes
und ohne daß man die landwirtschaftlichen Fachorganisationen
befragt hätte, in einer interministeriellen Sitzung einen
provisorischen Zolltarif festgesetzt und damit einen vernichtenden
Schlag gegen die Landwirtschaft geführt, ohne auf die Forderung
nach landwirtschaftlichen Zöllen Rücksicht zu nehmen.
Tieftraurig ist es, wenn in einem Staate, der sich noch dazu demokratisch
nennt, auf die so wichtige Landwirtschaft keine Rücksicht
genommen wird. Die damals maßgebenden Regierungskreise haben
diese Maßnahme angeblich aus Rücksicht auf die konsumierende
Bevölkerung getroffen. Man muß sich nur wundern, daß
auf der anderen Seite, wo es sich um Industriezölle gehandelt
hat, keine Rücksicht auf die konsumierende Bevölkerung
genommen wurde und die Industriezölle in einem übertriebenen
Maße erhöht wurden, anstatt daß man auch diese
Bedarfsartikel für die breiten Bevölkerungsschichten
in einem bescheidenen Maße gehalten hätte. Wenn bei
Festsetzung dieses Zolltarifes die Industrie- und Finanzzölle
um ein Drittel herabgemindert worden wären, so hätte
man der heimischen Landwirtschaft die verlangten Zölle, die
ja übrigens weit hinter den bewilligten Industriezöllen
zurückgeblieben sind, gewähren können, ohne daß
sich der Konsum verteuert hätte.
Die damals maßgebenden Kreise ließen
sich nur von dem Grundsatz leiten, die Landwirtschaft systematisch
zu ruinieren. Dem permanenten Ruf nach landwirtschaftlichen Schutzzöllen
glaubte die frühere Regierung dadurch Rechnung zu tragen,
daß sie am 4. Juni 1925 durch eine Regierungsverordnung
gleitende Zölle einführte. Seit einem Jahre sind die
Preise der meisten Getreidearten um 30 bis 80% gesunken. Es ist
zwar auf dem gesamten Weltgetreidemarkt eine Preissenkung zu verzeichnen,
aber in anderen Staaten mit niedrigeren Gestehungskosten macht
sich das bei weitem nicht so bemerkbar, wei bei uns infolge der
hohen Belastung durch Steuern, Abgaben und hohen Preise, welche
wir für die Instandhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe
ausgeben müssen, wodurch sich die Gestehungskosten bei uns
bedeutend höher stellen, als in jenen Staaten, welche zu
uns einliefern. Durch die Valutaverhältnisse ist z. B. Polen
in der Lage, Getreide infolge unseres hohen Valutastandes sogar
unter dem Weltmarktpreis anzubieten.
Die gleitenden Zölle haben sich als ganz
nutzlos und unpraktisch erwiesen. Der in Verhandlung stehende
Antrag fordert daher feste Zölle, die durch ihre Höhe
ein Unterbieten des heimischen Marktes unter den Gestehungskosten
der eigenen Produktion für die Zukunft unmöglich machen
sollen. Unsere Viehproduktion ist durch den bisher mangelhaften
Schutzzoll und durch die übermäßige Einfuhr aus
dem Auslande ebenfalls schwer geschädigt worden. Aus Polen,
Rumänien, Jugoslavien und Ungarn werden große Mengen
von Rindvieh, Schweinen, Fett und Fleisch eingeführt und
diese Produkte können infolge der Valutaverhältnisse
von draußen viel billiger geliefert werden, als dies unser
Landwirt tun kann. Geradezu katastrophal wirkt sich die Schutzlosigkeit
der heimischen Produktion in den sogenannten gemischtbäuerlichen
Wirtschaften aus, bei denen eine entsprechende Viehverwertung
für die Rentabilität mit ausschlaggebend ist. Hier ist
selbst die Verfütterung des gegenwärtig im Verhältnis
zu den übrigen Futtermitteln billigeren Getreides nutzlos,
da das heimische Vieh infolge des übertriebenen Anbotes
aus dem Ausland überhaupt nicht anzubringen ist, trotzdem
nur ein Durchschnitpreis von 5 Kè per kg Schlachtvieh gefordert
wird, während der Fleischpreis kaum merklich herabgegangen
ist.
Die Forderung nach einem entsprechenden Zollschutz
wird von gewisser Seite mit der Motivierung bekämpft, daß
dadurch die Lebenshaltung verteuert und damit eine allgemeine
Teuerung herbeigeführt werden könnte. Diese Begründung
ist aber nicht stichhältig, wenn man bedenkt, daß trotz
der enormen Verbilligung des Getreides seit der letzten Ernte
und trotzt Rückgang des Viehpreises keine fühlbare Erleichterung
in den Preisen der Konsumartikel eingetreten ist. Wenn behauptet
wird, daß der Schutzzoll durch die Preissteigerung voll
zur Geltung kommt, trifft das durchaus nicht zu. Die Wirkung des
Schutzzolles hängt von verschiedenen Verhältnissen ab.
Wenn der Konsum die großen Getreidevorräte nicht aufzunehmen
vermag, dann wird das Angebot ein derart großes sein, daß
der Lieferant sogar den ganzen Zoll selbst tragen wird und das
Getreide zum Weltmarktpreis, ja sogar unter dem Weltmarktpreis
dem heimischen Konsum anbieten wird, nur um es loszubringen. Wenn
die Behörden ihre Pflicht erfüllen und die Preisgestaltung
entsprechend überwachen, indem sie geeignete Maßnahmen
gegen den unreellen Teil im Zwischenhandel und das Spekulantentum
treffen und auf normale Händlergewinne hinarbeiten, dann
braucht sich die Lebenshaltung des Konsumenten trotz des Zolles
nicht zu verteuern. Eine vierköpfige Arbeiterfamilie braucht
wöchentlich ca 8 kg Mehl, wovon 2 kg auf bessere Mehlspeisen
und Feingebäck 6 kg auf Brot und Küchenbedarf kommen.
Durch die Einführung des in Verhandlung stehenden Schutzzolles
auf Getreide und Mehl würde das Kilogramm Mehl höchstens
um 20 Heller verteuert. Beim Brotmehl würde die Preissteigerung
keinesfalls soviel betragen, nachdem der Bedarf an Brotmehl durch
die eigene Produktion zum großen Teile gedeckt wird. Es
ist eine Tatsache, daß bei uns das wahrhafte, gute Brotmehl
verschmäht wird und zum großen Teil die Konsumenten
sich den inhaltsschwachen Feinmehlen zuwenden. Während man
in anderen Staaten die Feinsorten exportiert und vorwiegend das
nahrhaftere Brotmehl konsumiert, wird bei uns verhältnismäßig
viel mehr Luxusmehl verbraucht. Wenn wir für die landwirtschaftlichen
Schutzzölle eintreten, so geschieht es durchaus nicht aus
politischen Gründen, wir folgen nur dem Selbsterhaltungstrieb,
um der Vernichtung entgegenzuwirken, welche der Landwirtschaft
unter den jetzigen Verhältnissen droht. Wir brauchen keine
andere Rechtfertigung für unser Verhalten. Unsere Stellungsnahme
wird aber durch die ehrliche Überzeugung gestärkt, daß
die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der heimischen landwirtschaftlichen
Produktion keineswegs in einseitigem Interesse der landwirtschaftlichen
Bevölkerung allein gelegen sei, sondern auch im Interesse
der Gesamtheit, auch im Interesse jener, die offene oder versteckte
Gegner der Agrarzölle sind. Wenn der Zustand, wie wir ihn
jetzt haben, weiter beibehalten wurde, so hätte das zur natürlichen
Folge, daß durch die Verarmung der Landwirtschaft ein bedeutender
Rückgang in der heimischen Produktion eintritt. Infolge des
starken Rückganges der heimischen Produktion müßte
ein großer Teil dessen, was jetzt zur Versorgung von Volk
und Wirtschaft im Inlande erzeugt wird, aus dem Auslande eingeführt
werden, was eine bedeutende Verschlechterung unserer Handelsbilanz
mit sich brächte. Die landwirtschaftlichen Arbeiter, welche
am Lande keine Beschäftigung finden, würden den Städten
und Industriegebieten zuströmen und dort den Industriearbeitern
Konkurrenz machen. Die Industrie, Handwerker und Gewerbetreibende
würden durch die Verarmung der landwirtschaftlichen Bevölkerung
ihre besten und sichersten Abnehmer verlieren. Aus diesem Grunde
müßte unsere Industrie sogar Agrarzölle fordern.
Wir müssen endlich den Mut haben, zur Festsetzung eines autonomen
Zolltarifs zu kommen, was nicht nur im Interesse der Landwirtschaft,
sondern auch in dem der Exportindustrie gelegen ist.
Beim Abschluß von Handelsverträgen
mit den Agrarstaaten, die für unsere Industrie Absatzgebiete
sind, werden diese für Erleichterungen bezüglich der
Einfuhr von èechoslovakischen Industrieerzeugnissen nur
dann zu haben sein, wenn man entsprechende Gegenkonzessionen hinsichtlich
des Exports ihrer landwirtschaftlichen
Erzeugnisse machen kann. Welche Gegenkonzessionen würde nun
die Èechoslovakei diesen Agrarstaaten im Interesse unserer
Industrie machen können, wenn in unserem autonomen Zolltarif
bisher entweder überhaupt keine oder nur ganz minimale
Agrarzölle vorgesehen sind? Gegen die Einführung von
Schutzzöllen wird von gewissen Seiten sehr viel Stimmung
gemacht mit der Motivierung, daß bei Unterlassung der Einführung
von Schutzzöllen die Lebenshaltung verbilligt wird. Daß
das aber nur ein Augenblickserfolg ist und daß vielmehr
die schlechteste Konsumentenpolitik jene ist, welche zur Vernichtung
der heimischen Produktion und somit zur Abhängigmachung der
Volksversorgung vom Auslande führt, wird von diesen Volksfreunden
den Konsumenten wohlweißlich nicht gesagt.
Wir verlangen nicht nur die Einführung
von festen Agrarzöllen, sondern auch die Herabsetzung von
manchen übertrieben hohen Industriezöllen, damit der
Konsum trotz der Wiederherstellung angemessener Agrarzölle
nicht mehr belastet wird, als es heute der Fall ist. Sollte den
Forderungen der Landwirtschaft nicht Rechnung getragen werden,
sollte der Staat, Industrie und Konsum nicht zur Einsicht kommen,
daß in ihrem eigenen Interesse auch der heimischen Landwirtschaft
ein angemessener Zollschutz zugebilligt werden muß, so könnte
man es der Landwirtschaft auch nicht verargen, wenn sie für
den vollkommenen Freihandel, also auch für die Beseitigung
aller Industriezölle einträte. Es wäre das gewiß
nicht eine Forderung, welche im Interesse der gesamten Volkswirtschaft
gelegen ist, sondern es wäre ein Mittel der Verzweiflung,
um die Landwirtschaft vor dem gänzlichen Ruin zu retten.
Wenn sich bei Lösung der Zollfrage Bundesgenossen
finden, die sonst politisch nichts gemeins am haben, so leiten
uns nur jene Motive, die von unseren Vätern ererbte
Scholle als freie Heimat auch unseren Kindern zu erhalten. Sollte
dieser gemeinsame Weg, den Deutsche und Èechen in wirtschaftlicher
Beziehung jetzt miteinander gehen, die Bahn zur politischen und
nationalen Verständigung freimachen,
so könnte das nur im Interesse beider Nationen gelegen sein.
Waren es doch die Èechen selbst, die bei Abschluß
der Friedensverträge darauf hinweisen, daß dieser Staat
ohne die Deutschen nicht bestehen kann. Die Herren von der èechischen
Seite sollten doch endlich einmal zur Vernunft kommen,
daß sich dieser Staat durch eine chauvinistische èechisch-nationale
Politik auf die Dauer nicht regieren läßt. (Potlesk
poslancù nìm. køest.-sociální
strany lidové.)