Meine Damen und Herren! Seit den Tagen, wo
hier in diesem Hause der Kampf um die Agrarzölle begonnen
hat, finden wir, daß fast in allen beruflichen Organisationen
der Landwirtschaft, der Arbeiterschaft und der Industrie leidenschaftlich
diskutiert und agitiert wird. Ganz sonderbarer Weise ist aber
in den gewerblichen Organisationen und Gewerbegenossenschaften
eine eisige Ruhe. Es ist dies vielleicht nicht die Ruhe einer
besonderen Zufriedenheit, sondern die Ruhe des Zuwartens seitens
der zwangsmäßig organisierten Gewerbler und Handwerker,
die Augen der Gewerbetreibenden sehen heute, was hier in diesem
Hause vorgeht. Während sonst bei allen möglichen Fragen
in den deutschen gewerblichen Organisationen ganz lebhaft diskutiert
und politisiert wird, wenn es sich um die Lehrlingsurlaube, um
die Sozialversicherung, um die Abschaffung der Sonntagsruhe und
ähnliche Dinge mehr handelt, so ist es heute geradezu
sonderbar, daß sich die gewerblichen Führer zu dem
wichtigen Problem der Agrarzölle völlig ausschweigen.
Wir wissen, daß der deutsche, der èechische, der
ungarische und der slovakische Gewerbestand bekanntlich in den
gewerblichen Genossenschaften zwangsmäßig
organisiert ist und diese Zwangsorganisation zieht sich durch
die ganze Èechoslovakei. Auf deutscher Seite gibt es nur
im Kammersprengel Reichenberg nicht weniger als 317 Fachgenossenschaften
und 271 gemischte Gewerbegenossenschaften.
Wir finden da gewerbliche Organisationen der Baumeister, Buch-,
Kunst- und Musikalienhändler, Drogisten, Gärtner, Holzhändler,
Photographen, Rauchfangkehrer, Sodawassererzeuger, Likör-
und Spirituosenerzeuger, Maler, Anstreicher und Lackierer, Vergolder,
Schriftenmaler, Huf- und Wagenschmiede und hunderter anderer gewerblichen
Berufe. Aus den verschiedensten Organisationen des deutschen Gewerbestandes
wurde bisher immer laute Beschwerde geführt, daß gegenwärtig
dem Gewerbestand die Bürde aufgeladen wurde, die indirekten
und direkten Steuern in der Richtung der Produktion mit zu verrechnen
und so einzukassieren. Der Gewerbestand lehnt es in allen seinen
beruflichen Organisationen ab, den Steuerbüttel für
die Behörde abzugeben. Heute sehen wir nun, daß in
diesem Hause ein Gesetz vorbereitet wird, welches dem Staate an
finanziellem Effekt wiederum 550 Millionen Kronen einbringen soll.
Bisher war schon so wie so der gesamte Handwerker- und Gewerbestand
damit belastet, eine Umsatzsteuer mit einzukassieren, den größten
Teil dazu beizutragen, daß diese Umsatzsteuer im Betrage
von 1590 Millionen Kronen hereinkomme. Dann sehen wir, daß
gerade der Zucker um weit über 170 Millionen verteuert wurde,
die Mineralöle wurden um 13 Millionen, die Zündwaren
um den ungeheuren Betrag von 14.6 Millionen, die Kohlensteuer,
die für den kleinsten Haushalt und für den gewerblichen
Betrieb eine gewaltige Last bedeutet, erfordert die Summe von
300 Millionen, die Gastwirte und Kaufleute sind verpflichtet,
für die Getränke, welche am flachen Lande und in geschlossenen
Städten verabreicht werden, den Betrag von 257.5 Millionen
Kronen abzuführen. Bei der schon bisherigen Verteuerung des
Fleisches sehen wir, daß rund 113 Millionen förmlich
aus den Taschen der Konsumenten herausgestohlen werden.
Und so geht es fort. Alle Realsteuern bringen
dem Staate nur 232.5 Millionen ein, die Personalsteuern erfordern
den Betrag von 1642 Millionen Kronen, und dieses direkte und indirekte
Steuersystem hat den Gewerbestand durch das larinenartige Anwachsen
aller indirekten Steuern, gerade weil er als kleiner Schaffender
die Rohprodukte nach der Urquelle erst durch viele Hände
kaufen muß, in seiner Existenz bedroht.
Heute haben wir die Agrarzölle zu beschließen.
Wie schon der Name Agrarzölle selbst besagt, handelt es sich
lediglich um die Angelegenheit einer weiteren Zollmaßnahme
bei der Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten. Es besteht
wohl kein Zweifel, daß diese von der Regierung geplanten
Agrarzölle, wenn sie zur Durchführung gelangen, eine
Erhöhung der Preise aller wichtigen Lebensmittel mit sich
bringen werden. Zweifellos müssen wir die Frage aufwerfen:
Wer hat denn einen effektiven Gewinn von diesen Agrarzöllen,
wer wird auf der anderen Seite die Lasten dieser Agrarzölle
in der Höhe von 550 Millionen Kronen tragen? Und wie steht
denn eigentlich dieses Verhältnis? Die Antwort ist nicht
schwer. Aus der amtlichen Statistik entnehmen wir, daß der
Berufszugehörigkeit nach sich ernähren: durch die Forst-
und Landwirtschaft 39.56% der Bevölkerung, durch Industrie
und Gewerbe 33.8%, durch Handel, Geldgeschäfte und Verkehr
10.66%, durch Staats- und öffentliche Dienste und freie Berufe
4.34% der Bevölkerung, beim Militär sind 1.18%, durch
sonstige Lohnarbeit und häusliche Dienste 10.46% der Bevölkerung.
Wir sehen also, daß relativ der größte
Teil der Bevölkerung der Èechoslovakei die Konsumenten
sind, die als Zollträger in Frage kommen.
Zu den eigentlichen Konsumenten gehört
zweifellos auch der Gewerbe- und Handelsstand. Wenn ich die Gruppe
"Handels- und Gewerbestand" hier nenne, so verstehe
ich darunter nicht nur den Selbständigen, der vielleicht
heute schon in besseren Verhältnissen ist, sondern ich denke
da an all die kleinen Gewerbler, die so schwer ringen, weniger
gut situiert sind und keinen Grundbesitz haben. Ich meine hier
den Schuhmacher gegenüber dem Schuhindustriellen, den kleinen
Schneidermeister gegenüber dem großen Konfektionär,
den kleinen Metallgewerbler gegenüber dem kartellierten Metallindustriellen,
den Bäckermeister gegenüber der sogenannten Arbeiterbäckerei
und der raffiniert arbeitenden Brotfabrik, jener Arbeiterbäckerei,
die darauf sieht, daß das Gewerbe verschwinde, den kleinen
Landfleischer gegenüber dem städtischen Großfleischer
und der Wurstfabrik, den Zuckerbäcker gegenüber der
Zuckerwarenindustrie, ich erinnere an die kleinen Gewerbler in
Haida, im Glasgebiet, an die kleinen Gewerbler, die rund um Gablonz
wohnen, wo die Bijouterieindustrie zuhause ist. Jede Krone Mehrausgabe
bedeutet für diese kleinen ringenden Existenzen eine weitere
Verschuldung. Wer kennt nicht die Wohnungen und Werkstätten
dieser Kleingewerbler in den Städten und auf dem flachen
Lande? Feuchte, finstere kleine Löcher, da hausen sie, die
armen Teufel. In diesen Werkstattlöchern und auch aus elenden
Wohnungen erklingt das grausame Lied des gewerblichen Elends.
Wer die Verhältnisse der kleinen schaffenden Menschen in
dieser Hinsicht kennt, weiß, was es bedeutet, wenn in dieser
Hinsicht eine Belastung eintritt.
Wie immer man die Gesetzesvorlage über
die Zölle betrachten mag, darüber muß man sich
im Klaren sein, daß es eines der tief einschneidendsten
Wirtschaftsgesetze ist, das jemals in diesem Hause vorgelegt wurde.
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die
allerwichtigsten Lebensmittel und Bedarfsgüter durch diese
Schutzzölle stark verteuert werden und daß diese neue
Verteuerung allen erwerbenden Ständen große Lasten
aufbürden wird.
Wenn ich heute als Vertreter des deutschen
Gewerbes, dem ich entstamme und der vor allem anderen die engste
Fühlung mit den führenden gewerblichen Genossenschaftsorganisationen
hat, hier das Wort ergreife, dann ist die erste Frage: Wie wird
sich das Zollgesetz auf die Tausenden von Handwerker- und Gewerbeexistenzen
auswirken? Welche Veränderungen in der Wirtschaft des Handels-
und des Gewerbetreibenden werden die Zollsätze hervorrufen?
Es wird seitens der Bauernschaft die Meinung vertreten, es sei
für einen Gewerbetreibenden doch ganz leicht, diese neuen
Lasten, die die Zölle mit sich bringen, auf die Produktionskosten
zu verrechnen. Dabei vergißt man aber, daß für
den Schuhmacher als Konkurrenz die Schuhindustrie, bei dem Schneider
die Großkonfektionäre, bei dem Kaufmann die Warenhäuser
als scharfe Konkurrenten in Frage kommen. Wenn wir dann weiter
bedenken, daß in ganz kurzer Zeit der Gewerbestand den gewaltigen
Posten der kommenden Sozialversicherungserfordernisse verbuchen
und miteinkalkulieren muß, so ist natürlich die Ansicht
der Bauernschaft, den Posten der Regie zu erhöhen, undurchführbar.
Durch das direkte und indirekte Steuersystem ist ja so wie so
das gewerbliche Leben nach jeder Richtung der gewerblichen und
handwerklichen Betätigung lahmgelegt.
Bereits mein Klubkollege Krebs hat in
seinen Ausführungen nachgewiesen, wie die Agrarzölle
die Erwerbsverhältnisse der Arbeiter und Angestellten schwer
belasten. Mit der gegenwärtigen agrarischen Zollpolitik vernichten
wir zum großen Teile die eigentlichen Brotgeber und Verdienstgeber
des Handwerker- und Gewerbstandes.
Das kommende Zollgesetz wird weiters neue schwere
Lohnkämpfe in der gesamten Wirtschaft bringen, auch der Gewerbestand
wird von dieser Erscheinung schwer erschüttert werden. Durch
das Zollgesetz wird, wie ich schon betonte, die Kaufkraft der
Arbeiter und Beamten sinken und der Absatz in Gewerbe und Handel
noch elender werden, als es bisher der Fall war. Wenn wir Einblick
nehmen in die Berichte der gewerblichen Organisationen, so finden
wir, daß die Kurve der Ausgleiche und Konkurse eine steigende
ist. Fragen Sie draußen am flachen Lande oder in der Stadt
den Schuhmacher, Schneider, Fleischer, Bäcker oder Kaufmann,
alle werden Ihnen erklären, wie schwierig heute das Geschäftsleben
ist. Die Lebenshaltung der Arbeiter und Angestellten ist gegenwärtig
ohnehin keine rosige und wenn nun auch diese neue Last der Agrarzölle
hinzutritt, so wird sie sich noch weiter verschlechtern. Wer kauft
heute beim Kleingewerbetreibenden, wer ist die Hauptkundschaft?
Es gibt keinen Zweifel, daß das Gewerbe im hohen Maße
von der Kaufkraft der Arbeiter, Angestellten und Beamten abhängt.
Ein alter Spruch sagt: "Hat der Arbeiter Geld, lebt die ganze
Welt!" Hat der Arbeitnehmer kein Einkommen, wie in den Zeiten
der Arbeitslosigkeit, oder sinkt es unter das normale Niveau,
dann fühlt es in allererster Linie der kleine Geschäftsmann,
dessen Warenabsatz zu stocken beginnt. Die Miete, die Regie, Löhne,
Steuern, Beheizung, Licht, all diese Auslagen laufen für
den Geschäftsmann weiter und sind prompt zu bezahlen. Daß
die Bedeutung der Agrarzölle eine gewaltige ist, geht schon
daraus hervor, daß die Reichsvereinigung der Kaufleute in
jüngster Zeit gegen das verderbliche Hochschutzzollsystem
und gegen die hohen Agrarzölle auf dem Kaufmannstag in Gablonz
Stellung genommen hat. Ich könnte leicht in den Ruf einer
einseitigen Auffassung der Agrarzölle kommen. Dem ist jedoch
nicht so. Ich lasse deshalb als Beweis eine Entschließung
des Reichsverbandes der Kaufmannschaft sprechen. Darin heißt
es: "Die Kaufmannschaft wendet sich auf das schärfste
gegen jedes weitere Vordringen eines sich immer verderblicher
auswirkenden Hochschutzzollsystem, insbesondere, wenn dieses wie
im gegenwärtigen Augenblicke wegen der Verfolgung einseitiger
Standesinteressen die Nahrungsmittel und sonstigen lebenswichtigen
Gegenstände betrifft. Wenn hier nicht Zollfreiheit zugestanden
werden kann, so darf der Zollschutz keinesfalls über die
notwendigen Grenzen hinausgehen. Als solche erachten wir im Höchstfalle
bei den Landwirtschaftszöllen die alten Vertragssätze
mit dem Koeffizienten 3. Darüber hinaus ist die Kaufmannschaft
der Ansicht, daß mit der Einführung der festen Zölle
bis zum Bekanntwerden der Ergebnisse unserer nächsten Ernte
gewartet werden müßte, da nur die Kenntnis dieser Ergebnisse
für die Art und Höhe der Zölle entscheidend sein
kann".
Aber nicht nur die organisierte Kaufmannschaft
spricht sich gegen die Agrarzölle aus. Wir hören die
gleiche Abneigung gegen die Agrarzölle auch aus den Sitzungen
der Gemeinde- und Stadtvertretungen. So schickt uns unter vielen
anderen das Gemeindeamt in Niederleutensdorf-Lindau im politischen
Bezirke Brüx eine Resolution, die sich grundsätzlich
gegen die Getreidezölle ausspricht. Diese Resolution lautet:
"Die am 29. Mai 1926 tagende Gemeindevertretung in Niederleutensdorf
protestiert mit aller Entschiedenheit gegen den Antrag des Senators
Donát, an Stelle der gleitenden Zölle stabile
Zölle einzuführen. Die Annahme dieses Antrages hätte
zur Folge, daß alle Mahlprodukte, Fleisch, Fett und Kolonialwaren
verteuert werden. Durch den erhöhten Zoll würde 1 kg
Mehl um 60-70 Heller verteuert werden. Die Einführung des
6fachen Getreidezolles der Vorkriegszeit, die Erhöhung der
übrigen Zölle nach dem Antrage Donát würde
eine 5 köpfige Familie mit einer Mehrausgabe von 800 bis
900 Kronen für Lebensmittel belasten. Dies wird zu einer
Zeit geplant, da die Steuerverwaltung Spiritus, Rauchwaren aufs
neue belastet und die Fahrpreise auf der Eisenbahn um 22% erhöht
werden sollen. Gerade in der jetzigen Zeit, da Kurzarbeit und
Arbeitslosigkeit das Einkommen der Arbeiter schmälert, müßte
die durch die Zölle und die neuen Steuern herbeigeführte
neue Teuerungswelle eine ungeheure Mehrheit der Bevölkerung
mit doppelter Schwere treffen und der höchsten Verzweiflung
in die Arme treiben. Im Namen der Bevölkerung von Niederleutensdorf
und Lindau fordert die Gemeindevertretung stimmeneinhellig alle
Abgeordneten unseres Wahlkreises ohne Unterschied der Partei auf,
sich gegen das geplante Attentat auf die Lebenshaltung unserer
Bevölkerung zur Wehr zu setzen und den Antrag Donát
zu Fall zu bringen". Um der geehrten Nationalversammlung
bekanntzugeben, aus welchen politischen Parteien die dortige Gemeindevertretung
zusammengesetzt ist, führe ich an, daß außer
den sozialistischen Parteien auch die deutsche Hausbesitzer- und
Gewerbepartei, die deutsche christlich-soziale Volkspartei und
auch die Partei des Bundes der Landwirte dafür gestimmt haben.
Eine ähnliche Resolution gegen die Getreidezölle
wurde in Teplitz-Schönau, ebenfalls von der deutschen christlich-sozialen
Volkspartei mitbeschlossen. Als Vizebürgermeister meiner
Heimatstadt Bodenbach habe ich mitzuteilen, daß die letzthin
stattgefundene Stadtvertretersitzung in Bodenbach sich ebenfalls
gegen die Agrarzölle ausgesprochen hat. Wir Nationalsozialisten
behaupten, daß die gegenwärtige Stimmung für die
Agrarzölle nichts anderes bringen wird, als daß Bankenschieber
und Börsenjobber sich den Geldbeutel spicken werden. Die
kapitalistisch eingestellte Presse bringt bereits in den letzten
Tagen die besten Beweise dafür. So heißt es in einem
Bericht über die Prager Produktenbörse vom 8. Juni d.
J.: "Die Unsicherheit in der Frage der festen Zölle
stellt das Hauptmotiv dar, das seinen Einfluß auf die Börse
ausübte und eine feste Stimmung namentlich auf dem Getreidemarkte
zur Folge hatte. Der Konsum sucht noch vor Einführung der
Getreidezölle seinen Bedarf rasch zu decken und vergrössert
dadurch die Nachfrage, wodurch die Basis zur festen Stimmung gegeben
ist. Am markantesten war heute die Befestigung von Mais, nach
welchem Artikel die größte Nachfrage herrscht, so daß
auch das bedeutendste Angebot als zu gering erschien, um das Interesse
vollauf zu befriedigen. Auch der Getreidemarkt war vorwiegend
fest. Nach Mais und Hafer wurde am meisten gefragt. Auch auf dem
Mehlmarkte herrschte teilweise gebesserte Stimmung. Von den Futtermitteln
setzten Heu und Stroh ihre Aufwärtsbewegung fort." So
sind die Berichte der Börsenschieber und Jobber. Das ist
ein kleiner Stimmungsbericht, ist die Etappe des Anfanges zur
allgemeinen Teuerung.
Einen besseren Beweis hiefür kann man
wohl kaum erbringen, daß die Agrarzölle eine Teuerungswelle
mit sich bringen. Untersuchen wir einmal die Wirkungen der Zollvorlage
auf die einzelnen Berufsstände in Handwerk und Gewerbe. Wie
wird z. B. die Wirkung der Verteuerung von Mehl, Butter
und Fettstoffen - und in wenigen Wochen auch des Zuckers - bei
dem Gewerbe der Zuckerbäcker und Konditoren sein? Das Mehl
erhält einen Zollaufschlag von 120 Kè für 1 q,
die Fettstoffe werden gar mit 360 Kè Zoll belegt, es findet
also eine wesentliche Verteuerung der Rohmaterialien
der Zuckerbäcker statt. Ihre Preise müssen daher steigen.
Gleichzeitig fällt aber das Einkommen ihrer hauptsächlichsten
Kunden, die es sich bisher noch leisten konnten, wenigstens einiges
Backwerk zu kaufen. Man darf nicht vergessen, daß die Waren
des Zuckerbäckers in sich zweifellos einen hohen Nährgehalt
bergen. Das Zuckerbäckergewerbe wird auf diese Art im Mutterlande,
wo der Zucker förmlich wächst, regelrecht schwer bedroht
und zum Abgrunde des Verfalles gedrängt.
Was aber werden die fleischverarbeitenden Gewerbe
erleben? Heute sieht man im großen und ganzen so wie so
schon in jedem einzelnen Fleischermeister einen Lebensmittelverteuerer,
trotzdem der Fleischer als solcher in der Lage war, seinen Bedarf
an Rindvieh nicht nur im Inlande, sondern auch im Auslande zu
decken. Durch die kommenden Agrarzölle ist es dem Fleischermeister
unmöglich gemacht, seinen Bedarf im Auslande in der bisherigen
Art einzukaufen. So wie der Kurs heute geht, werden die Konsumenten
und die Fleischermeister Wunder erleben. Eine sehr starke Belastung
der Viehpreise ist das sicher zu erwartende Ergebnis des Zolltarifes.
Hier muß ich die Dinge ein wenig deutlicher schildern. Zunächst
muß festgestellt werden, daß wir im Jahre 1925 nicht
weniger als 54.000 Rinder und 134.000 Schweine aus dem
Auslande eingeführt haben. Nach dem Zolltarife, den dieses
Haus annehmen soll, wird ein Rind mit 300 Kè und ein Schwein
mit 220 Kè Zoll belegt. Wir hätten im vergangenen
Jahre demnach mehr als 16 Millionen Kè Rinderzoll
und 29 Millionen Schweinezoll - also mehr als 45 Millionen.
Kè Einfuhrzölle auf unsere hauptsächlichsten
Fleischimporte zahlen müssen. Wer will uns da einreden, daß
dieser ungeheure Fleischbedarf von nun an im Auslande gedeckt
werden könnte und wer will weiterhin behaupten,
daß diese Zollaufschläge ohne Preissteigerung auf das
Lebendvieh sein werden? Was aber bedeutet das teuere Fleisch für
die fleischverarbeitenden Gewerbe? Was wird in Zukunft ein Gulasch
oder eine einfache Fleischspeise im Gasthaus oder im Hotelbetrieb
kosten? Man wird dann wieder gegen den Lebensmittel verarbeitenden
Gewerbestand Sturm laufen. Diese Gewerbegruppen werden dann wieder
für einzelne politische Hetzer den Prügeljungen abgeben
müssen. Was bringen uns diese Zustände? Sie bringen
uns den Rückgang des Konsums, die Verschlechterung und Erschütterung
des gewerblichen Geschäftsganges. Auf diese Art wird das
Fleischer-, Hotelier- und Gastgewerbe schwer betroffen werden.
Und endlich, was wird aus der langen Reihe von Schlossermeistern,
Schmieden, Tischlern, Schuhmachern, Schneidern und wie die einzelnen
Gewerbegruppen alle heißen? Was wird aus jenen Handwerkerfamilien,
die nach alter traditioneller Art am Mittagstisch mit 6 bis 8
Gesellen und Lehrlingen gemeinsam sitzen, förmlich aus einer
Schüssel essen, für alle Zukunft? Die Erscheinungen
für den Handwerker- und Gewerbestand werden dazu führen,
daß Gewerbe und Handel der weiteren Proletarisierung zugeführt
wird.
Und wenn die gesamten Waren des Kaufmannes
mit schweren Zöllen belastet werden, wenn Butter, Fett, Kunstbutter,
Margarine, Fischtran, Talg, Oliven, Mais und Sonnenblumenöl,
wenn Öle in Flaschen, Sago, Tapioka, Schwämme, Wachs,
Reis, alles durch Zollzuschläge verteuert werden soll, glauben
Sie, daß dies den ehrlichen Kaufmann, den anständigen
Gewerbetreibenden freut? Er weiß als Kaufmann viel zu genau,
daß trotzdem er für die Waren viel mehr verlangen muß,
der Ertrag seines Geschäftes nicht größer wird.
Er wird nur einen Fluch haben gegen die Erscheinung der Krise,
ja auch ein Absatzrückgang wird in Handel und Gewerbe eintreten.
Im Namen der von mir vertretenen deutschen
Gewerbetreibenden muß ich von dieser Stelle aus auf das
entschiedenste gegen diese Art der Zoll- und Wirtschaftspolitik
protestieren. Wir sehen in ihr nur eine schwere Schädigung
des Gewerbestandes und werden sie mit allen Mitteln bekämpfen.
Der deutsche Gewerbestand ist dem Bauernstand niemals feindlich
gesinnt gewesen. Auch wir wünschen und wollen, daß
der Landwirt einen anständigen Ertrag für seine schwere
und mühevolle Arbeit erhält. Wir sind aber der Ansicht,
daß der Weg, den die Zollmehrheit jetzt zu gehen sich anschickt,
zu den schwersten Störungen unserer Wirtschaft, unseres Erwerbslebens
führen muß. Es ist kein Zweifel, daß die gegenwärtige
Teuerungswelle insbesondere in den deutschen Randgebieten schwere
Krisen und wirtschaftliche Wirren mit sich bringen wird, den Nutzen
von der ganzen Sache werden nur die Großgrundbesitzer und
Börsenspekulanten haben. Schließen wir uns lieber zusammen
zum Kampfe aller ehrlich schaffenden Menschen gegen die unerhörte
Zinsknechtschaft, gegen den Steuerwucher, gegen die Umsatzsteuer
und für den Kampf um billige Lebensmittel und eine schönere
Zukunft. Wir werden gerade auch im Interesse der Gewerbetreibenden,
des Kleinlandwirtes, des Arbeiters und Beamten, kurz der schaffenden
Stände gegen diese Gesetzesvorlage, die dem Hause vorliegt,
stimmen. (Potlesk na levici.)