Pátek 7. kvìtna 1926

Die Vorredner, wenigstens einige, haben sich mit aller Verve gegen die Agrarzölle ausgesprochen. Die Kol. Zeminová konnte selbstverständlich ihr bekanntes Temperament nicht zügeln und obwohl sie eine streitbare Dame ist, so will ich doch von meinem alten Standpunkt nicht abgehen, daß man Damen gegenüber mit Höflichkeit vorgehen muß, und ich glaube, die größte Höflichkeit ist es, wenn ich darüber schweigen werde, weil sie doch bestimmt das Schweigen nicht kann. Einer muß nachgeben. Aber Kol. Schweichhart hat gestern von seinem Standpunkt aus gewiß in großartiger Weise neuerdings den Beweis erbringen wollen, daß er als Leiter der agrarischen Filiale der sozialldemokratischen Partei auf seinem richtigen Platze stehe. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Aber er hat gestern vergessen, daß diese Filiale nur im Hinterhaus untergebracht ist. Er hat gestern die Sache etwas übertrieben und gemeint, daß er zu der vorderen Facade gehört. Ich bin der Meinung, daß diese Rekrutenwerbekanzlei - um mehr kann es sich ja nicht handeln - in Wirklichkeit für die Landwirtschaft sachlich nichts leisten kann und auch) nichts leisten wird und nichts geleistet hat. Er hat nur den Beweis erbracht, daß Sozialdemokratie und ländliche Interessen sich nicht über ein und denselben Leisten schlagen lassen. (Odpor na levici.) Er hat gestern den Beweis erbracht, daß ihm das sozialdemokratische Hemd näher ist, als die Wünsche und Interessen der ländlichen Bevölkerung. (Výkøiky.) Denn was nützen uns die Versprechungen von einer Kreditpolitik, von niedrigem Zinsfuß, Bekämpfung des Zwischenhandels, das sind lauter Phrasen, die man uns bringt, wenn man uns abspeisen will. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Warum haben Sie von all dem noch nichts durchgeführt? Wo sind die realen Nützlichkeiten, die Sie uns gebracht haben, wo ist etwas, was wir greifen können? Wir sehen es nirgends, nur Versprechungen, sowie Ihr Programm: Das Paradies am Horizont, gehe ich aber auf den nächsten Berg hinauf, so sehe ich, der Horizont ist wieder ein Stück weiter gewandert, das ist Ihr Programm. (Hluk.) Und außerdem - und das ist das Betrüblichste an dem Ganzen, Kollege Schweichhart - daß Sie auch auf diesen Gebiete scheinbar die Kampfmethoden oberflächlichster Art übertragen haben, die Sie sonst gewöhnt sind.

Sie haben uns gestern eine Vorlesung aus dem Buche des Oberlandesrates Meissner von der deutschen Sektion des Landeskulturrates über agrarische Zollpolitik gehalten. (Posl. Schweichhart: Aber unangenehme Wahrheiten für Euch!) Verzeihen Sie, unangenenm sind diese Wahrheiten nicht gewesen, mir sind sie sehr angenehm gewesen, denn sie haben den Beweis erbracht, mit welcher Oberflächlichkeit und mit welcher demagogischen Art Sie da gewisse Sachen herausgezupft haben. Erlauben Sie, Herr Kollege Schweichhart, daß ich die Vorlesung fortsetze. (Výkøiky.) Erlauben Sie die Fortsetzung der Vorlesung. Sie haben gestern Ihre Vorlesung unterbrochen im Kapitel XXII, "Gegenseitiges Verhältnis der Großgrundbesitzer, Bauern und Kleinhäusler in Bezug auf die Agrarzölle." (Výkøiky posl. Schweichharta.) Sie haben, Herr Koll. Schweichhart, geschlossen: "Wiewohl die geschilderte wirtschaftliche Lage der Kleinhäusler unbestreitbar richtig ist, ist der darauf aufgebaute Schluß trotzdem nur ein Trugschluß." (Výkøiky.) Damit haben Sie geschlossen. Erlauben Sie jetzt die Fortsetzung: "Es werden nämlich die auch für den Kleinhäusler sehr schwerwiegenden Rückwirkungen übersehen, welche im Falle eines allgemeinen Rückganges der heimischen Produktion an Vieh und Getreide notwendigerweise auch für die Kleinhäusler eintreten müßten." (Výkøiky posl. Schweichharta.) Pardon, Herr Kollege, das ist gleich anschließend daran! Sehen Sie, das haben Sie natürlich vergessen weiter zu lesen. (Posl. Schweichhart: Ich kann doch nicht alles verlesen!) Ach, so! Schauen Sie, die Tendenz eines Buches darf man nicht verfälschen, Dr. Meissner ist nicht unser Parteigenosse, ich weiß nicht, welcher Partei er angehört, aber Sie dürfen Dr. Meissner nicht mißbrauchen. (Výkøiky. Hluk.) Meissner sagt in voller Offenheit: "Die Agrarzölle dienen nicht einer bestimmten Klasse der landwirtschaftlichen Bevölkerung, sondern der Landwirtschaft als solcher. Aber die notorische Tatsache, daß jene Landwirte, welche das mit dem Agrarzoll belegte Erzeugnis nur in einer für den eigenen Bedarf in Haus und Wirtschaft nicht ausreichende Menge produzieren, doch auch von der durch den Zoll hervorgerufenen Preissteigerung getroffen werden, führt auch vom Standpunkt der Grundbesitzverteilung zu der bereits wiederholt betonten Notwendigkeit, daß bei der Festsetzung von Agrarzöllen auf die Verschiedenartigkeit ihrer unmittelbaren Wirkung einerseits für die verkaufenden und andererseits für die kaufenden Landwirte gebührende Rücksicht genommen wird." Und er sagt auch hier klar und deutlich: "Großbauern, Kleinbauern, Häusler..." (Posl. Schweichhart: Er wider spricht sich!) Nun, Herr Koll. Schweichhart, wenn er sich so sehr widerspricht, kann er kein Kronzeuge für Sie sein, dann ist er ein unfähiger Mensch, aber kein Kronzeuge für Sie. (Posl. Schweichhart: Aber an den von uns verlesenen Stellen hat er Recht!) Also ein lichter Moment war das!

Dann möchte ich den Koll. Schweichhart noch fragen, wo dieser sagenhafte Häusler wohnt, der ausgerechnet gar nichts zu verkaufen hat. Dieser sagenhafte Häusler lebt tatsächlich nicht. Es gibt solche nur in Ihren Artikeln. Ein Häusler hat immer etwas zu verkaufen, entweder hat er Milch zu verkaufen oder Getreide, oder Butter, oder Eier, oder sonst etwas. Dieser sagenhafte Häusler existiert nur in der Theorie des Kollegen Schweichhart.

Weiter heißt es in diesem Buche: "Was sind unsere Forderungen auf dem Gebiete des Zollschutzes? Wir müssen unter allen Umständen erklären, daß wir einen Zoll brauchen, aber keinen Papierzoll. Die Zölle müssen entsprechend hoch sein, und es muß vor allem darauf Bedacht genommen werden, daß sie nicht unter eine bestimmte untere Grenze gehen dürfen." Meine Herren Kollegen von der agrarischen Seite da drüben, ich möchte auf eines aufmerksam machen. Ich bin mir ja vollständig bewußt, daß Euch ein Koefizient 3 oder 4 - mit Euerem lieben Freunde Srba zusammen - Zucker ist und ein Zoll mit dem Koefizienten 6, mit den deutschen Agrariern, ist Euch natürlich Galle. Darüber sind wir uns einig. Wenn Ihr aber glaubt, daß Ihr dauernd Euere landwirtschaftliche Bevölkerung zufriedenstellen könnt, wenn Ihr neuerdings die Agrarzölle als ein Schacherobjekt behandeln wolltet, wenn Ihr die Interessen der Landwirtschaft neuerdings verraten solltet, dann werdet Ihr arg enttäuscht werden. Es wird Euch dauernd nicht gelingen. Es ist die Frage nicht die, ob man die landwirtschaftliche Bevölkerung besser stellen soll, sondern ob man Gerechtigkeit einführen und der landw irtschaftlichen Bevölkerung die Eistenzmöglichkeit sichern kann. (Souhlas.) Wir verlangen die vollständige Parität mit der Industrie, nicht nur einen landwirtschaftlichen Zoll, sondern auch eine Herabsetzung der Industriezölle. Wir sind nicht dazu da, um den Balkanesen Märkte bei uns zu eröffnen für ihre Waren und daß wir Ihnen dadurch, daß wir z. B. Industrieprodukte hier von unseren Industriellen teuerer kaufen, im Wege der Ausfuhr die Waren billiger liefern. Fragen Sie die Textilindustriellen, wieso sie nach Jugoslavien usw. exportieren können. Weil sie bei jedem Ballen, den sie bei uns verkaufen, so und so viel dazu verdienen, um dann draußen unter den Erzeugungskosten verkaufen können. (Výkøiky.) Dazu sind wir nicht da. Entweder sind wir eine gemeinsame wirtschaftliche Genossenschaft aller Schichten des Staates, dann müssen wir uns ausgleichen, müssen einer dem anderen geben, was ihm gebührt. Wenn Ihr bloß glaubt, weil die Industrie heute die sogenannte Henne ist, die die goldenen Eier legt, daß Ihr den besseren Posten habt, Ihr seid die ersten und wir sind die Bummerln im Staate, dann werden sich die Herren gründlich täuschen. Wir verlangen die Gesundung der gesamten Volkswirtschaft. Ein altes Sprichwort wird immer wieder wahr: Ein gesunder Bauernstand ist die Grundlage jeden Volkes, und hat der Bauer Geld, lebt die ganze Welt. Das weiß der deutsche Handwerker draußen, der weiß, da dann das Gewerbe blüht, die Arbeitslosigkeit gebannt wird. Er weiß, daß es dann möglich ist zu leben. (Posl. Schweichhart: Sie mein en den Großbauern!) Ich verstehe Sie schon, Herr Kollege Schweichhart. Wir werden Ihnen persönlich das ganze Geld geben, dann werden Sie zufrieden sein, wir selbst aber weiter hungerleiden. (Hluk na levici.)

Wir werden noch heute eine Ministererklärung zu hören bekommen. Sie wird die Einleitung dazu sein, daß die getrennt und feindlich schreitenden Brüder sich demnächst wieder in den Armen liegen werden. "In den Armen liegen sich beide und weinen vor Schmerzen und Freude!" Meine sehr verehrten Herren, wir schaffen keine Voraussetzungen. Ich habe vorhin mit aller Deutlichkeit erklärt, daß es unser Antrag ist für den wir kämpfen, der Antrag meines Kollegen Meyer, für den wir uns einsetzen. (Posl. Schweichhart: Der Segen von Rom!) Ich werde Ihnen etwas sagen, den Segen von Marx brauchen wir auch nicht!

Nur möchte ich auf Eines verweisen. Diese zufällige Gemeinsamkeit der Interessen ist von uns begrüßt worden. Wir waren ehrlich bestrebt, für die Landbevölkerung all das zu leisten, was sie braucht, obwohl wir uns dessen bewußt waren, daß infolge dieses Zufalles besagter Gemeinsamkeit mit den èechischen Agrariern Angriffe gegen uns nicht ausbleiben können und nicht ausbleiben werden. Aber eines möchte ich hier erklären: Es ist selbstverständlich, daß wir auf unsere Forderungen nationalpolitischer Natur nicht vergessen können und daß wir dieselben nie zurücksetzen werden. In der Bodenreform hat unsere deutsche Landbevölkerung nicht einmal ein paar magere Brocken erhalten, die ärmsten Häusler sind von den Pachtgründen verjagt worden zugunsten von Günstlingen, Gaunern, Raubrittern, die Sie hingesetzt haben. (Hluk. Výkøiky.) Ein Skandal sondergleichen, unvernarbt ist, was Ihr uns angetan habt. Unsere landwirtschaftlichen Körperschaften, die Landeskulturräte usw. sind in ihrer Existenz nicht gesichert, von Euch geht die Gefahr noch immer aus, unsere Sprache, unsere Kulturgüter sind schwer bedroht. Und wir werden selbstverständlich unsere eigenen Wege gehen zum Schutze unseres deutschen Landvolkes und zum Schutze des sudetendeutschen Gesamtvolkes. (Potlesk.)

2. Øeè posl. de Witte (viz str. 1192 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Regierung hat sich auch heute wieder als "Vollstrecker des Programmes des Herrn Švehla" bezeichnet, sie hat als ihre erste Aufgabe die Regelung der Staatsbeamtenbezüge versprochen und erklärt, daß sie den Wechsel einlösen will, den Herr Švehla seinerzeit so deutlich unterschrieben hat. Statt dessen sehen wir, daß die Regierung einen schändlichen Kuhhandel treibt. Bereits im Jahre 1922 hat man den Staatsangestellten erklärt, daß anläßlich der Restriktionen eine Aufbesserung der Staatsangestelltenbezüge sofort eintreten werde, wenn nicht die damals vorausgesagte Verbilligung der Lebenshaltung einträte. Nun kann man wirklich von einer Verbilligung nicht reden. Im Gegenteil: In den vier seither verflossenen Jahren ist eine Verteuerung der Lebenshaltung eingetreten und das Ergebnis aalles dessen, was wir heute als das Fazit des Kuhhandels sehen, ist, daß eine unbrauchbare Vorlage gekommen ist, eine Vorlage, nach der wohl die Bezüge der hohen Beamten erhöht werden sollen, daß aber die Vorlage für die mittlere und kleine Angestelltenschaft ganz wertlos ist. Die Regierung treibt hier ein gefährliches Spiel. Die Beanrtenschaft sollte doch von ihr eigentlich als das Fundament des Staatsgebäudes angesehen werden. Aber die Art und Weise, wie die Staatsangestellten behandelt werden, läßt nur darauf schließen, daß die Regierung darnach Verlangen trägt, ihr eigenes Fundament zu erschüttern.

Die Regierung hat, wie bereits erwähnt, erklärt, sie werde der "Vollstrecker des Programmes Švehlas" sein, welches Programm jedoch ohne Zuzug von nichtèechischer Seite nicht erledigt werden konnte, denn der Geldsack ist in der allnationalen Koalition immer noch nicht stark genug, um ganz durchzudringen. Die Regierung muß sich nach anderer Hilfe umsehen. Sie erklärt, daß sie für die Agrarzölle ist, und meint, "die Zölle müßten nicht verteuern." Sie hält uns also für so außerordentlich naive Leute, die nicht fragen: Ja, warum, wenn die landwirtschaftlichen Zölle keine Verteuerung herbeiführen, wollen denn die Agrarier diese Zölle? Die Regierung erklärt, sie sei für eine öffentliche Diskussion dieser Frage. Zur Zeit der allnationalen Koalition war sie einer öffentlichen Diskussion sehr abhold. Die öffentliche Diskussion ist heute notwendig, aber ihr Zweck ist nur, festzustellen, wie die Mehrheit zusammenzutreiben und der Widerstand der Opposition am besten zu beseitigen wäre. Es wird uns erklärt, es werden Kommissionen kommen, die gegen den Wucher auftreten werden, die Lebensmittelfälschungen würden strenge bewacht werden. Wir kennen diese Melodie seit langem. Es ist doch immer wieder dasselbe. Das ganze läuft auf ein großes grobes Täuschungsmanöver hinaus und auf weiter gar nichts.

Herr Koll. Ing. Dvoøáèek hat heute gesagt, er sei für mäßige Zölle, und hat das einigermaßen damit begründet, daß z. B. die Umsatzsteuer die Lebensmittel viel mehr verteuere als die Zölle. Aber er selber war ja seinerzeit für die Umsatzsteuer gewesen. Und übrigens, wenn wir darauf eingehen wollen, was er gesagt hat, bitte, wir schlagen vor, daß Sie, die Sie die Mehrheit haben, erst die Umsatzsteuer abschaffen, und dann wollen wir über die Zollfrage debattieren!

Die Regierung hat sich heute sehr dunkel ausgesprochen. Wir würden wirklich Wert darauf legen, daß etwas größere Deutlichkeit an den Tag gelegt würde. Was stellen Sie sich, Herr Ministerpräsident, darunter vor, als Sie erklärten, noch im Laufe der Debatte eine konnkrete Erklärung über die Zölle abzugeben? Die Debatte, bei der die Redezeit rationiert wird - was auch bezeichnend ist bei einer so unerhört wichtigen, so tief in das Leben der ganzen Bevölkerung einschneidenden Frage, - daß den einzelnen Rednern nur 30 Minuten Redezeit zugemessen wird - die Debatte ist, ja nahezu abgeschlossen und es ist der Regierung nicht möglich zu sagen, sie wisse nicht, worum es sich eigentlich handelt. Der Antrag ist von einer interessierten Seite eingebracht, - von einer Seite, die die Verteuerung herbeiführen will. Das weiß die Regierung sehr wohl rund sie würde besser getan haben, sich um diese Sache nicht erst herumzudrücken.

Ein einziges Argument ist für die Zölle in die Wagschale geworfen worden: Immer wieder hat man betont, daß sie zum Schutze der wirtschaftlich bedrängten Landwirtschaft notwendig seien. Dabei ist soviel aus der Debatte herausgekommen - was eine alte Wahrheit ist und immer wieder bestätigt wird - daß der Zollschutz nur ein Schutz für die Großproduzenten, aber ein schwerer Schaden für die Kleinbauern ist. Ich möchte zu dem, was mein Kollege Schweichhart bereits diesbezüglich vorgebracht hat, ergänzend nur die eine Tatsache hinzufügen, daß wir einen großen Prozentsatz von Kleinbauern haben, die ihre Söhne an die Industrie abgeben müssen, deren Söhne als Bauarbeiter, als Fabriksarbeiter, als kleingewerbliche Arbeiter sich ihren Unterhalt verdienen müssen, deren Söhne in die große Armee des industriellen Proletariats hineingestoßen werden, und daß diese ihre Söhne durch die Einführung der Zölle, durch die Verteuerung der Lebensmittel dem Hunger überliefert werden. Die Kleinbauern, die sich für die Zölle einfangen lassen, die eine Partei unterstützen, die die Zölle fordert, jagen blind ihre eigenen Leute, ihre eigenen Kinder ins Elend hinein,, in Jammer und Not!

Der Herr Koll. Hanreich hat heute, ich möchte sagen mit einem Unterton des Spottes, zur sozialdemokratischen Seite gesagt: "Sie haben ja bei der kleinen Landwirtschaft wenig oder nichts zu suchen". Ich möchte doch die Frage stellen, warum denn, wenn der Herr Hanreich so sicher ist, daß ihm der Boden unter den kleinen Landwirten nicht zu schwanken beginnt, und daß die Sozialdemokratie da gar nichts gegen den Bund der Landwirte ausrichten könnte, warum denn dieser wütende Kampf, der vom Bund der Landwirte gegen meine, die sozialdemokratische Partei geführt wird, warum denn dieser Schrei, daß die Bauern, wenn wir zur Wahlzeit hinaus aufs Land kommen, uns mit Wolfsgruben, mit Fangeisen empfangen sollen? Es ist halt doch so, daß die kleinbäuerische Bevölkerung, wenn wir sie über die tatsächlichen Verhältnisse aufklären, merkt, woran sie ist, so daß bald der Bund der Landwirte bei diesen kleinen Landwirten nichts mehr zu suchen haben wird. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Es ist gestern viel über den Profit des Zwischenhandels gesprochen worden, und zwar sowohl vom Koll. Patzel, als auch von einigen Herren Landbündlern. Aber es genügt nicht, daß man sich herstellt und über den Zwischenhandel schimpft, man muß auch praktisch etwas tun, um den Zwischenhandel auszuschalten, und die Landbündler, die gegen die Konsumgenossenschaften wettern, die sich im Schimpfen auf die Verbrauchergenossenschaften nicht genug tun können, zeigen den Weg dazu wahrlich nicht. Ich glaube, wenn man daran gehen würde, einmal die Frage zu studieren, ob es nicht möglich wäre, die Produzenten- und Konsumgenossenschaften zusammenzubringen, ob man da nichts Werktätiges für die Landwirtschaft schaffen könnte, ohne die Masse der Bevölkerung zu belasten. Es steht aber vor allen Dingen eine Frage nicht nur für uns, sondern ich glaube für die Gesamtheit im Vordergrund, die Frage nämlich: Vertragen denn die Arbeiter, die Angestellten, die Gewerbetreibenden die Lebensmittelteuerung, die notwendig mit der Einführung der Zölle eintreten müßte? Heute schon ist die Situation so, daß die Arbeiter dort, wo sie vollständig beschäftigt sind, höchstens drei Viertel der Friedenslöhne verdienen. Dazu kommen die Kurzarbeiter in weiten Gebieten. Ich komme aus Westböhmen. Dort gibt es tausende und abertausende Bergarbeiter, die seit Jahren arbeitslos sind, die von keinem Menschen, von keiner Regierung gefragt werden, wovon sie eigentlich mit Weib und Kind leben. Wir haben hundertmale Notschreie aus Westböhmen nach Prag gerichtet, haben verlangt, daß man unseren Revieren entgegenkommt, daß man durch Änderung der Frachttarife und durch die Erlassung der Kohlensteuer es doch möglich mache, daß dieses Revier wieder in Arbeit kommt. Wir haben darauf keine Antwort bekommen. Die Familien können zugrunde gehen, man schert sich nicht darum, wenn tausende von Familien dem Verhungern preisgegeben werden. Wir haben einen Notschrei vor kurzem aus dem Ober-Erzgebirge gehört. Im Bezirke Platten und im oberen Teile des Bezirkes Neudek ist die Not derart, daß die Arbeitslosen dieses Gebietes sich an die Regierung wenden wollten, sie möge im Wege des Auswärtigen Amtes eine Bewilligung für die Leute erwirken, daß sie in Sachsen drüben betteln gehen können, weil unser eigenes westböhmisches Gebiet kein Gebiet mehr ist, bei dem man durch Betteln etwas verdienen kann, da es schon von Bettlern überschwemmt ist. Die dortigen Sachsengänger sind infolge der Wirtschaftskrise in Sachsen in furchtbare Not gekommen. Die Leute sind buchstäblich vor dem Verhungern. Hier ist das Wort keine Übertreibung, hier ist das Wort "Hunger" schreckliche Wirklichkeit. Die Menschen gehen am Hunger zugrunde. Ein Notschrei nach dem anderen verhallt ungehört. Ich habe vor kurzem die Lage dieser Leute geschildert und habe dabei den Hilferuf unterstützen wollen, den die Bergstadt Platten erhoben hat. Doch im Sozialministerium, wo ich vorgesprochen habe, hat man einfach mit den Achseln gezuckt, man habe "keine Kredite", um diesen Leuten zu helfen, sie mögen also ruhig zugrunde gehen, das spielt gar keine Rolle.

Wir haben vor kurzem die Berichte aus dem Böhmerwald gehört, wo die Wochenverdienste 40 Kè betragen, dabei sind die Leute ein halbes Jahr lang überhaupt arbeitslos. Ich richte die Frage an Sie, meine Herren: Sollen denn unsere Arbeiter widerspruchslos Hungers sterben? Glauben Sie mir, daß wir uns zur Wehre setzen werden, mit allen parlamentarischen und außerparlamentarischen Mitteln, falls man versuchen sollte, tatsächlich unsere Bevölkerung in den Hungertod zu treiben!

Ich will nicht nur von den Lohnarbeitern reden, sondern möchte auch ein Wort über die Gewerbetreibenden verlieren. Ich habe gehört, daß die Gewerbepartei im Senat bereits für die Zölle votiert hat. Die Gewerbeparteiler sind also bereit, für einige Mandate, die sie bekommen haben, die gewerbetreibende Bevölkerung einfach dem Zollwucher auszuliefern. Dabei muß die Lebensmittelteuerung doch die Kleingewerbetreibenden sicher zugrunde richten. Die Arbeiter, Lehrer, Angestellten sind längst nicht mehr in der Lage, sich entsprechend zu kleiden. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich eine neue Hose zu kaufen. Eine ganze Reihe von Gewerben, wie z. B. das Lackierer- und das Tapezierergewerbe usw. werden zu Luxusgewerben gestempelt. Sie sind durchaus nicht imstande, das zu tun, was man ihnen so oft empfiehlt, nämlich die höheren Lohn-, Material- und Lebenshaltungskosten auf die Kundschaft abzuwälzen, weil diese Kundschaft dann einfach ausbleiben würde.

Wir sehen, daß es die breitesten Schichten der Bevölkerung einfach nicht aushalten, daß sich alle die Pläne verwirklichen, welche heute die Regierung und die agrarischen Parteien in ihren Köpfen herumwälzen. Was wir vorerst von der Regierung verlangen müssen, ist, daß dieses "Studium", von dem sie gesprochen hat, sich vor aller Öffentlichkeit, vor der öffentlichen Kontrolle, abspielt. Wir müssen verlangen, daß über die landwirtschaftliche Produktion, nach dem Besitzverhältnisse gesondert, ein ordentliches statistisches Material beigeschafft werde, wir müssen verlangen, daß der Arbeitsverdienst in allen Berufen und Bezirken des Staates festgestellt wird. Wir müssen verlangen, daß man über den Beschäftigungsgrad der Arbeiter in allen Bezirken genaue Daten beibringe, daß Enqueten in allen Bezirken einberufen werden, daß alle Berufsschichten einberufen werden und ärztlich - Gutachten - sagen wir nur der Amts- und Distriktsärzte - über den Ernährungszustand der Bevölkerung und vor allem der Kinder eingeholt werden. Wenn Sie das alles haben, dann wollen wir weiterreden. So stellen wir uns das Studium vor, von dem hier gesprochen wird. Der Staat hat nicht bloß das Interesse einer kleinen Schichte zu vertreten, auch wenn diese kleine Schichte noch so sehr Kravall zu machen versteht und im Augenblick noch so einflußreich erscheint. Er hat das Interesse der Volksgesamtheit zu wahren. Aber die Regierung, die wir heute haben - das hat sich auch heute wieder in der Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten gezeigt - steht teilnahmslos, verständnislos und direkt feindselig allen Lebensfragen der Arbeiter gegenüber. Was ist - so erheben wir in diesem Augenblick die Frage - mit der Versorgung der 60 Jahre alten Personen, was ist mit der Arbeitslosenfürsorge? Das Beispiel, das ich von Platten gegeben habe, ist dafür sprechend. Was ist mit der Arbeitsvermittlung, mit der Frage der gesetzlichen Festlegung der Kollektivverträge? Nichts! Die Regierung drückt sich um die Frage der Anerkennung Sowjetrußlands, die Regierung will nicht dazu übergehen, ihre Vertragspolitik so zu gestalten, daß wir Handelsverträge bekommen, die der Bevölkerung Beschäftigung geben könnten. Mit einem Worte: Die großen Massen des Volkes, das ganze arbeitende Volk, haben von dieser Regierung keine Teilnahme zu erhoffen. Angesichts der entsetzlichen Lage, in der sich das arbeitende Volk befindet, ihm mit dieser Provokation der Lebensmittelzölle zu kommen, das heißt allerdings, die Geduld dieses Volkes auf eine schwere und harte Probe zu stellen.

Der Herr Ministerpräsident, der Herr Platzhalter der allnationalen Koalition, pocht auf die heutigen Machtverhältnisse, er pocht darauf, daß er wohl die Mehrheit für diese Zölle schon ziemlich sicher beisammen hat und wir haben heute vormittags eine Rede gehört, die des Kollegen Dr Hanreich, die einigermaßen schon darauf abgestimmt war, die Frage zu beantworten: "Wie sage ich es meinem Kinde draußen, daß ich hier mit der Regierung Èerný gehe?" Mit Vorwürfen gegen die èechischen Agrarier hat der Herr begonnen, das Werk des deutschen Landbundes, das er da im Schilde hat, einzubegleiten, zu maskieren. Er hat heute zu bemänteln versucht, was der Landbund in der allernächsten Zeit tun will. Wir wollen es offen aussprechen: Die Herren sollen draußen in der Bevölkerung ordentlich Rede stehen! Die Situation ist heute so, daß deutsche Parteien bereit sind, heute für eine Regierung zu stimmen, die jetzt daran ist, die letzten deutschen Angestellten aufs Pflaster zu werfen. Die Situation ist heute so, daß die deutschen Landbündler bereit sind, für eine Regierung zu stimmen, die als Fortsetzung der Regierung der "Bodenreform" das deutsche Land èechisiert und deutsche Landarbeiter in Massen ums Brot bringt. Die deutschen Christlichsozialen sind daran, dasselbe zu tun, diese Christlichsozialen, die vergessen, daß sie bis jetzt immer so ein tönendes Bekenntnis zum "deutschen Volkstum" abgegeben haben, die auch auf das Vaterunser vergessen: "Unser tägliches Brot gib uns heute". Da haben wir die deutsche Einheitsfront, wie sie im Oktober vorigen Jahres der Schlager gerade unserer Landbündler gewesen ist. Jetzt feiern sie ihre Triumphe. Selbstbestimmungsrecht, Autonomie. "christlicher Volksgedanke", alles und alles wird bedenkenlos dem Geldsackinteresse geopfert. Der Weg zum nationalen Ausgleich, der hätte beschritten werden müssen, wenn die Christlichsozialen und die Landbündler nicht auf Švehlas Pläne eingegang en wären, wird abgegraben. Das Stimmen für die Zölle bedeutet, daß Èerný imstande sein soll, Švehlas Wagen über den Berg hinwegzubringen, daß eine gerechte Lösung der nationalen Frage auf lange Zeit hinaus wieder verhindert wird, daß der deutsche Arbeitsplatz weiter schutzlos bleiben wird, daß Not und Elend des Volkes noch mehr und bis ins Unerträgliche gesteigert werden soll. Aber diese Stimmen für die Zölle wird auch bedeuten, daß ein Sturm der Empörung durch das ganze Volk gehen wird und es wird dazu beitragen, daß von neuen Hunderttausenden aus dem Volke die Macht des Geldsacks als unerträglich empfunden werden wird. Dann vergessen Sie eines nicht: Mit jeder Steigerung der Not des Volkes revolutionieren Sie dieses Volk! Heute kann der Èerný gegen das Volk siegen, morgen kann Herr Švehla den Sieg seines Systems buchen, das Übermorgen, das aus diesem Sieg hervorgehen wird, das kann danach aussehen, daß ein für allemal mit allen Èernýs und Švehlas tabula rasa gemacht wird!

Der Herr Ministerpräsident hat auch etwas über die Bauförderung angedeutet. Ich habe eine Frage an den Herrn Ministerpräsidenten und ich möchte nicht wünschen, daß dieser Frage ausgewichen werde. Ist es wahr, was wir in der letzten Zeit hören, daß sich die Regierung mit der Absicht trägt, zugleich eine Mietzinserhöhung und eine Bauabgabe einzuführen? Wenn ja, dann möchte ich dem Herrn Ministerpräsidenten gleich sagen, daß er sich darauf gefaßt machen kann, daß das ganze Land aufschreien wird. Wenn man die kleinen Mieter, die Arbeiter und Angestellten, die heute ohnedies in der entsetzlichen Situation sind, noch in der Weise dem Hauskapital ausliefern will, wenn man Ihnen auch noch das Obdach unerschwinglich machen will, so kann das nicht mit ein paar Redensarten abgehen. Der Kampf gegen die Mietzinserhöhung ist durch die heutige Lebenslage der Bevölkerung ganz von allein bedingt, und Sie werden einen Sturm erfahren, den Sie sich vielleicht bis heute nicht träumen ließen, wenn Sie mit diesen Ideen kommen!

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