Im übrigen hat sich der Herr Ministerpräsident
die Sache sehr einfach gemacht. Er ist darüber, wie über
eine nebensächliche Angelegenheit hinweggeglitten. Der Vertreter
eines "Kulturstaates", der darauf vergißt, daß
alle Kultur mit dem Obdach beginnt! Und wie sieht es mit dieser
"Kultur" in der Èechoslovakischen Republik aus?
Ich will ein einziges Beispiel sagen, aber es spricht Bände.
Die Bezirksverwaltung Eger hat eine Fürsorgeschwester
angestellt. Sie hat die Wohnungsverhältnisse im Egerer Gebiet
sich ordentlich angesehen und ist mit einem Bericht nach Hause
gekommen, daß es einem die Haare zu Berge treibt. "Ratten
fressen Kinder an", so schauen die Wohnungsverhältnisse
im Egerland aus. (Rùzné
výkøiky.) Der Amtsarzt des
Bezirkes Eger hat erklärt: "Es wächst eine neues
Geschlecht von Menschen heran, ein blutleeres, schwaches, unterernährtes,
verkümmertes Geschlecht von Menschen, und das infolge der
entsetzlichen Wohnungsverhältnisse, die wir hier haben".
Das ist ein Bild des "Kulturstaates" und ich möchte
wünschen, daß der Herr Außenminister nicht darauf
vergißt, wenn er seine Federn draußen im Auslande
schreiben läßt, auch mit solchen Bildern aufzuwarten,
damit das Ausland die "Insel der Glückseligen"
auch von dieser Seite kennen lernt!
Aber wenn der Herr Ministerpräsident so
schnell über die Sache hinweggeglitten ist, das kann er nicht
aus der Welt schaffen, was der Herr Minister Engliš
vor wenigen Wochen - am 25. Feber - in der Sitzung des sozialpolitischen
Ausschusses gesagt hat, wo er erklärt hat: "Wir haben
eine Teuerung nicht nur in Ziffern, sondern auch im Wohlleben.
Wir sind ärmer, wir leben schlechter und bedrückter
als im Frieden, wir verdienen weniger und der Druck der öffentlichen
Lasten ist größer". Trotzdem aber bestrebt sich
derselbe Minister Dr Engliš, dem schlechterlebenden
Volke neue indirekte Lasten aufzubürden und überdies
erklärt er in derselben Sitzung noch, daß "der
gesamte wirtschaftliche Komplex des Wohnungswesens wieder dem
freien Wettbewerb zugeführt werden müsse". Angesichts
dieser Wohnungsnot, angesichts des Mangels einer entsprechenden
Unterstützung von Wohnungsbauten, des Fehlens jeder Bauförderung
- freier Wettbewerb am Wohnungsmarkt! Wir sollen noch ärmer,
noch bedrückter werden. (Výkøiky.)
Denn freier Wettbewerb heißt ja doch
nichts anderes als Freigabe des Wuchers in Bezug auf die Wohnungen.
Wenn die "Prager Presse", das Regierungsblatt,
richtig wiedergegeben hat, was im Ministerium für soziale
Fürsorge bezüglich des neuen Bauförderungsgesetzes
herausgekommen ist, so müssen wir sagen: Wir haben mit einem
Bauförderungsgesetz zu rechnen, das nicht halbwegs dem entspricht,
was wir billigerweise fordern können. Da wird gesagt: Enteignungsfrist
für den Erwerb von Bauplätzen bis 31. Dezember 1926.
100 Millionen Kronen aus der Losanleihe für Bauten von Häusern
für Staatsangestellte - nennen wir das Kind beim rechten
Namen - für eine ausgesprochene Èechisierungsaktion,
staatliche Unterstützung für kleine
Wohnungsbauten in dieser oder in jener Form usw.
Wie sah die bisherige Bauförderung aus?
Bis jetzt, bis Juli 1925, sind mit staatlicher Unterstützung
54.404 Wohnungen geschaffen worden. Angesichts der Tatsache, daß
wir in einem Jahre 100.000 Eheschließungen haben, also einen
Zuwachs von 100.000 neuen Haushalten jährlich, in fünf
Jahren 50.000 Wohnungen, da werden Sie wohl zugeben, daß
das nicht viel mehr als gar nichts ist. Der Gesamtaufwand hiefür
wird mit 4029 Millionen Kronen, davon 3.3 Milliarden staatlich
garantierte Darlehen und 700 Millionen Kronen aus eigenen Mitteln
der Bauwerber angegeben. Die wirklichen Ausgaben für die
Bauförderung bis Ende Juli 1925 betrugen zusammen 467,378.622
Kè 84 h. Also noch nicht einmal eine halbe Milliarde. Dagegen
ist in derselben Zeit für den Militarismus ein Betrag von
annähernd 18 Milliarden ausgegeben worden. Für die Mordkultur
sechsunddreißigmal soviel als für die Wohnkultur! 54.000
Wohnungen, und diese sind noch nicht nach dem wirklichen Bedürfnis
verteilt! Sie brauchen nur in unser deutsches Gebiet -
pardon, verdeutschtes Gebiet - zu gehen, und es wird Ihnen dieser
Mangel an neuen Wohnungen gegenüber der Bauförderung
im èechischen Gebiet sofort auffallen. Also noch nichteinmal
nach den Bedarfsverhältnissen ordentlich
verteilt ist dieser Bettel! Wenn wir den erfahrungsmäßigen
Kostenpunkt berechnen und das feststellen, was uns der Militarismus
kostet, können wir sagen, daß der Moloch Militarismus
in sieben Jahren nicht weniger als annähernd zwei Millionen
Wohnungen aufgefressen hat!
Mit dem Wachsen des kapitalistischen Einflusses
in der Regierung ist alljährlich eine Verschlechterung des
Mieterschutzes eingetreten. Seit Jänner 1925 haben wir kein
Bauförderungsgesetz. Jetzt wird es wieder für spätere
Zeit versprochen. Zwei Bausaisonen sind verloren gegangen, und
dabei ist der Entwurf des neuen Bauförderungsgesetzes vom
Anfang bis Ende geradezu kulturwidrig. Denn er erklärt vor
allem als unterstützungsberechtigt die kleinen Wohnungen
von 20 bis 40 Quadratmeter. Eine solche Wohnung von 20 Quadratmetern
ist eine Wohnküche, 5 m lang und 4 m breit. Darin sollen
Menschen wohnen und schlafen, Frauen und Kinder, zusammen große
und kleine Kinder und Eltern. Das ist eine Gefahr nicht nur für
die Wohnkultur, sondern auch für die öffentliche Sittlichkeit.
Dabei sollen noch - das ist das Interessanteste an der ganzen
Sache - die Bauführer aus eigenem 30% aufbringen und auch
die Rückzahlung der Unterstützung garantieren, was sich
natürlich auch augenblicklich auf den Mietzins in diesen
allen Sitten und der primitivsten Wohnkultur hohnsprechenden Wohnlöchern
auswirken wird.
Alles in allem, so steht also die Situation:
Das Volk hungert. Das Volk trägt die furcht, bare Last der
schlechten Wirtschaftspolitik in diesem Staate. Die Massen des
Volkes sind arbeitslos und ohne Schutz. Die Massen des Volkes
sind ohne eigenes Obdach. Die Regierung bringt dem arbeitenden
und hungernden Volk nichs als Teuerung. Sie foppt die Arbeitslosen
mit dem Bettel des Genter Systems. Sie denkt dem Volke mit einem
vermehrfachten Mietzins zu kommen. Sie ist für keine großzügige
Bauförderung zu haben. Die Regierung ist die Regierung des
Geldsackes, sie ist eine Regierung gegen das Volk.
Darum muß unsere Parole sein, jetzt hier
im Parlamente und morgen, wenn es Not tut, auf der Straße:
Kampf gegen diese Regierung, Kampf gegen die allnationale Koalition,
Kampf gegen die heutige verschleierte Koalition, Kampf gegen alle
Parteien, die dieses System in irgendeiner Weise unterstützen.
(Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)