Ètvrtek 11. bøezna 1926

10. Øeè posl. dr Czecha (viz str. 673 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die ganze politische Öffentlichkeit dieses Landes hat dem heutigen Tage mit großer Spannung entgegengesehen. Der Justizminister Herr Dr Viškovský hat in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses namens der Regierung die Erklärung abgegeben, daß sie einer Debatte über die letzten Ereignisse nicht nur nicht ausweiche, sondern sie sogar wünsche, um der ganz en Welt die Nacktheit dieses Querulantentums aufzeigen zu können, das zu den Demonstrationen in Karlsbad und anderwärts geführt hat. Nun, die heutige Sitzung hat tatsächlich die erhoffte Sensation gebracht. Sie sollte nach den Wünschen der Koalitionskreise eine Tragödie des deutschen Volkes werden, sie ist aber eine Schmierenkomödie der Koalition geworden. (Sehr richtig!) Es ist dies, hohes Haus, nicht unsere Schuld, sondern ist einzig und allein auf das Konto der Regierung zu setzen, deren Erklärungen sich auf einem Niveau bewegten, das die heutigen Parlamentsverhandlungen zu einem der traurigsten Kapitel des èechoslovakischen Parlamentarismus gemacht hat. Es fehlt mir, hohes Haus, naturgemäß die Möglichkeit, zu den Einzelheiten der Darlegungen des Herrn Ministers Stellung zu nehmen, da sie zum allergrößten Teil im Lärm der beiderseitigen Auseinandersetzungen verloren gegangen sind. Doch man braucht dies nicht zu beklagen, da sie wenigstens in ihrem ersten Teile eine ernste Beachtung nicht verdienen. Nur so viel möchte ich zu den Erklärungen des Herrn Innenministers sagen: es ist betrüblich genug, daß die gesamte deutsche Bevölkerung, die von der letzten Regierungsmaßnahme auf das Härteste betroffen wurde, von so wichtiger Stelle nicht etwa für die wirklichen Enunziationen deutscher Politiker, sondern für die diversen Polizei- und Spitzelberichte verantwortlich gemacht wird. Nun, überlassen wir diese Berichte getrost den diversen èechoslovakischen Auslandsund Propagandastellen zur entsprechenden Verwertung und erweisen wir ihnen die ihnen gebührende Achtung, indem wir an ihnen einfach achtlos vorübergehen.

Und nun zum juristischen Teil der Darlegungen des Herrn Innenministers. Der juristische Teil der Darlegungen des Herrn Innenministers geht an den grundlegenden Fragen einfach vorbei. Er übersieht geflissentlich die formale Seite der Frage, die unserer Auffassung nach auch die entscheidende moralische Seite des Problems ist und setzt sich unter dem Vorwand, als würde von deutscher Seite bis zum heutigen Tage auch nicht der leiseste Versuch einer seriösen und sachlichen Nachprüfung und Stellungnahme unternommen worden sein, mit den entscheidenden Einwendungen der deutschen Parteien überhaupt nicht auseinander. Im übrigen wird auf die Einzelheiten der Darlegungen des Herrn Innenministers gelegentlich in der Erörterung noch eingegangen werden. Vorher soll mit aller Entschiedenheit gegen die Behandlung Einspruch erhoben werden, die einzelne Minister, soweit sie in dieser Debatte hier und im Senat zum Worte gekommen sind, der Opposition zuteil werden ließen. Schon Herrn Dr Viškovský hat es beliebt, unseren Kampf als Querulantentum zu bezeichnen. In Österreich, das müssen mir die Kollegen bestätigen, die sich im österreichischen Parlament betätigt haben, wäre ein Minister, der es gewagt hätte, die Opposition in solcher Weise zu apostrophieren, schon im nächsten Augenblicke durch einen Sturm der Entrüstung des ganzen Hauses von der politischen und parlamentarischen Bildfläche weggefegt worden. Das weiß Herr Justizminister Dr Viškovský sehr wohl, der selbst dem österreichischen Parlamente angehörte und der an der èechischen Politik recht aktiven Anteil genommen hat. In diesem Hause konnte er in einer Angelegenheit, die gar nicht in seinen Wirkungskreis ressortiert, unter dem stürmischen Beifall der èechischen Mehrheit die ganze deutsche parlamentarische Delegation von der Parlamentstribüne herab des Querulantentums, der sog. klagesüchtigen Rechthaberei bezichtigen u d die ganze deutsche parlamentarische Delegation in schnodderiger Weise von oben herab behandeln, wie dies selbst der feudalste unter den seinerzeitigen österreichischen Ministern sich nicht gestattet hätte. Hohes Haus! Daß sich nicht sofort die ganze Opposition gegen ihn erhoben hat, um sich mit ihm an Ort und Stelle auseinanderzusetzen, ist vor allem dem Umstand zu danken, daß seine Worte im Disput einfach untergegangen sind und erst nachträglich an die Oberfläche kamen. Wie rasch und wie gründlich hat man auf èechischer Seite umgelernt! Lassen Sie mich an eine Episode aus den èechischen Kämpfen im österreichischen Staat erinnern. Am 21. Jänner 1909 hatte der damalige Leiter des Handelsministeriums Mataja einen Posterlaß herausgegeben, den Herr Kollege Dr Kramáø zum Gegenstand einer Interpellation machte. Der Erlaß hat damals angeordnet, daß für den Bereich der Prager Postdirektion in der Korrespondenz mit jenen Bediensteten, die sich der Fachprüfung nicht in deutscher Sprache unterzogen hatten, ausnahmsweise auch der Gebrauch der èechischen Sprache zuläßig ist. Ich stelle fest: für zuläßig und nicht für verboten wurde das Èechische erklärt. Dieses eine, dieses kleine, dieses einzige Wort "zulässig" sollte dann dem österreichischen Parlament zum Verhängnis werden. Die èechischen Abgeordneten erblickten in diesem einen kleinen Wörtchen eine schwere Beleidigung und forderten von der Regierung sofortigen Widerruf. Vergebens versuchte Dr Mataja, es war in der Sitzung vom 4. Feber 1909, d e èechischen Abgeordneten zu beschwichtigen, indem er den gerügten Ausdruck als nicht beleidigend erklärte. Er wurde mit Beschimpfungen wie: "Wissentlicher Betrug, Gaunerei! belegt. Die èechischen Abgeordneten gingen gegen die Ministerbank los und begannen auf sie zuzudrängen. In der nächsten Sitzung am 5. Feber 1909 setzte man dann auf èechischer Seite mit der technischen Obstruktion ein. Die Abgeordneten Lisý, Kalina und Fresl erschionen mit Pfeifen, Trommeln, Tschinellen, Blechtassen und Brettern, schlugen damit auf ihre Sitzbänke und machten einen derart ohrenbetäubenden Krawall, daß nichts anderes übrig blieb, als die Session des Parlamentes für geschlossen zu erklären und das Abgeordnetenhaus heimzuschicken. Das kleine Wörtschen "zuläßig", um dessen Willen sogar der Minister Mataja sich entschuldigte, genügte den èechischen Abgeordneten - sagen wir es uns in aller Gemütlichkeit -, um das Parlament zu sprengen, es für Monate lahmzulegen, jede produktive, jede wirtschaftliche und soziale Arbeit im Parlament unmöglich zu machen.

Und nun sei mir eine Frage gestattet: Was bedeutet "zuläßig", gemessen an dem Pendrekargument des Herrn Ministers Støíbrný, gemessen an dem Vorwurf des Querulantentums seitens des Herrn Dr Viškovský? Ich frage, würden uns diese Ausführungen nicht berechtigen, aus ihnen die schärfsten Konsequenzen der Mehrheit gegenüber zu ziehen, wie es damals im österreichischen Parlament oder bei vertauschten Rollen hier die Èechen an unserer Stelle gemacht haben? Und nun fragen wir uns, was Herrn Viškovský zu seinen Anklagen berechtigte. Der neue Finanzplan der Regierung, der eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung der Bevölkerung im Gefolge hatte, hat in den Kreisen der arbeitenden Bevölkerung eine heftige Erregung hervorgerufen. Die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz hat bei der nichtèechischen Bevölkerung des Landes, auch bei einem großen Teile der Arbeiterschaft einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen und mächtige Protestbewegungen ausgelöst und nun kommt der Herr Justizminister her und möchte diese Protestbewegung mit der schnodderigen Bemerkung des Querulantentums abtun. Welch ein kurzes Gedächtnis für die Geschichte des èechischen Volkes, für seine jahrzehntelangen Kämpfe, für die ganze èechische Politik verrät diese Äußerung des Herrn Justizministers! In seinem Buche "Aus bewegten Zeiten" sagt Josef Penížek wörtlich: "Die innere Amtssprache ist und bleibt die erste, die aktuellste und die dringendste Aufgabe jeder aktiven böhmischen Politik. Sie ist ein point d'honneur, in Bezug auf welchen es keinen Unterschied beim böhmischen Volke überhaupt gibt".

Hohes Haus! Der ganze Kampf des èechischen Volkes in den letzten Jahrzehnten war nahezu ausschließlich von Kämpfen um die. Amtssprache und um die Schule ausgefüllt. Er galt fast ausschließlich den Sprachenverordnungen, mit denen die diversen österreichischen Regierungen die Forderungen der einzelnen Nationalitäten, die sie immer und immer wieder gegeneinander ausspielten, befriedigen zu können glaubten. Dieser Kampf drehte sich im Wesen genau um dieselben Fragen, die auch heute noch die Gemüter bewegen und jetzt wieder die Leidenschaften so heftig aufgepeitscht haben. Und nun kommt der Herr Justizminister Viškovský daher und schleudert diesem Kampfe seinen Bannfluch zu und stigmatisiert ihn als Querulantentum. Man braucht nur die Reden des Herrn Justizministers aus früherer Zeit zur Hand zu nehmen. Sie sind durchwegs jenen Fragen gewidmet, die der Herr Minister Dr Viškovský heute wegwerfend als Querulantentum bezeichnet. In seinen Reden setzt er sich mit der sprachlichen Wirtschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien auseinander, er spricht von der Anarchie in diesen Verhältnissen und beklagt sich, daß die Minoritäten verfolgt werden; er beschwert sich über die wirtschaftliche und politische Zurücksetzung der Èechen, über die Ungerechtigkeit bei den Richterernennungen, er redet von der nationalen deutschen Hydra, die durch nichts zu sättigen ist; er erzählt, daß man jeden Augenblick besorgt sein müsse, ob nicht morgen schon ein neuer Verfassungsbruch oder ein Angriff auf die sprachlichen und verfassungsmäßigen Rechte des èechischen Volkes kommen wird. Er schließt, nachdem er festgestellt hatte, daß es sich für die Èechen im österreichischen Staate nicht ausgezahlt hat und nicht auszahle loyal zu sein, mit den Worten: "Österreich kann und wird nur auf der Gleichberechtigung aller Völker basieren oder Österreich existiert nicht mehr. Tertium non datur".

Und nun, hohes Haus, müssen wir uns von Dr Viškovský, wo wir nichts als die Gleichberechtigung für alle Völker dieses Staates in Anspruch nehmen, den Vorwurf des Querulantentums gefallen lassen. (Posl. dr Kramáø: A co nemluvíte o brnìnské radnici?) Ich werde auch auf die radnice zu sprechen kommen. Ich möchte aber Herrn Dr Kramáø sofort mitteilen, daß die deutsche sozialdemokratische Partei in der radnice immer nur in der Opposition gewesen ist, daß die deutsche sozialdemokratische Partei in der Brünner radnice niemals für ein Budget gestimmt hat, daß sie sich dort gefallen lassen mußte, daß wegen dieser Haltung eines schönen Tages der deutsche Sozialdemokrat Dr Czech aus dem Stadtrat hinausgeworfen wurde, so wie er von den Èechen auf dem èechischen Boden aus den Vizepräsidium hinausgeworfen worden ist. Und ich möchte dem Herrn Dr Kramáø bei dieser Gelegenheit - er ist ja darüber sehr gut unterrichtet - sagen, daß dieselben Èechen, die sich in der Brünner radnice so sehr bedrückt gefühlt haben, im Jahre 1906 einen Ausgleich mit der deutschen Bourgeoisie abgeschlossen haben, mit dem sie sich das Wahlrecht gegen die Arbeiterschaft gesichert haben. Herr Dr Kramáø, der ein ausgezeichneter Kenner der nationalen Verhältnisse ist, muß das wissen. (Posl. dr Kramáø: Kdy?) Das war im Jahre 1906, bei dem berühmten mährischen Pakt, bei welchem der Arbeiterschaft, der deutschen und der èechischen, das Wahlrecht genommen wurde, indem sie auf eine badenische Kurie gesetzt worden ist, die zu neun Zehnteln in Anspruch genommen wurde vom Bürgertum. Das mit der radnice ist also nicht so, wie sich Dr Kramáø das ausgedacht hat. (Posl. Buøíval: Pokud se pamatuji, dìlali jste nìmeckonacionální politiku na nìmecké radnici!) Ich kann auf nichts anderes verweisen, als auf diese Tatsache: Hohes Haus! Deutsche Sozialdemokraten hat es in der nìmecká radnice von 53 eine zeitlang 5, dann 4 gegeben. Diese sind in der Opposition gestanden und wir laden Sie ein, sich die Protokolle der nìmecká radnice kommen zu lassen, um nachzusehen, in welchen Bahnen sich die Politik der deutschen sozialdemokratischen Partei dort bewegt hat.

Und nun zurück zu unserem Gegenstande. In seiner Rede vom 4. März dieses Jahres rief uns der Herr Justizminister zu: Wenn Sie die Sprachenverordnungen durch Demonstrationen auf der Gasse austragen, anstatt den Weg der Diskussion zu wählen, dann müssen Sie damit rechnen, daß gegen ein solches Vorgehen sich wieder die Macht und die Waffe der Polizei stellt. Also der Herr Minister meint, wir hätten nicht demonstrieren, sondern diskutieren sollen. Ich aber frage: Warum hat die Regierung, da sie sich kunstgerecht verpflichtet hatte, mit uns vorher den Entwurf der Sprachenverordnungen im Verfassungsausschusse zu diskutieren, diese Diskussion verhindert, indem sie die Sprachenverordnung erlassen hat und das Wort, das sie gegeben hatte - ich werde darauf noch zu sprechen kommen - gebrochen hat? Das ist es ja, was wir der Regierung zum Vorwurf machen. Das ist es ja, was unseren tiefen Groll, unseren tiefen Zorn entfesselt und was uns auf die Straße getrieben hat. Die Feststellung möchte ich den Èechen nicht ersparen. Das was sich die Èechen im alten Österreich erobert hatten und was nachgerade das wichtigste Requisit der èechischen Politik geworden ist, das hat der Herr Justizminister Dr. Viškovský nun naserümpfend als Querulantentum abgetan. Der Herr Justizminister meint, wir hätten statt zu demonstrieren diskutieren sollen. Ich frage, wo und mit wem? Als wir seinerzeit die Einberufung des Parlamentes verlangten, um zu diskutieren, wurde uns dies von èechischer Seite verweigert. Als wir im Interpellationswege die dringliche Erörterung der Sprachenverordnung verlangten, um sie zu diskutieren, ist uns dies von der Mehrheit des Hauses, von der Partei des Herrn Justizministers Viškovský, ja vom Herrn Minister selbst in seiner Funktion als Abgeordneten dieses Hauses abgelehnt worden. Als wir, um über die Karlsbader Vorfälle zu diskutieren, die Einladung an den Herrn Innenminister ergehen ließen, er möge sofort dem Hause Bericht erstatten, wurde dieser Antrag von der Koalition, obwohl der Herr Innenminister bei der Abstimmung im Saale anwesend war, schroff zurückgewiesen. Nun aber, hohes Haus, rät uns der Herr Minister, daß wir trotzdem nicht demonstrieren, sondern diskutieren sollen. Nun, wir können in diesem Hause, in dem uns durch eine drakonische Geschäftsordnung die Kehle zugeschnürt ist, nicht frei atmen, wir müssen uns bei jeder Gelegenheit entweder überhaupt das Wort verbinden lassen oder aber uns die Worte nach der Goldwage zuzählen und uns unser Diskussionsquantum rationieren lassen. Wir müssen ruhig zusehen, wie beispielsweise hier in diesem Hause Monate lang, Wochen lang die Zeit vergeudet wird und wenn es wirklich einmal eine Debatte gibt und unsere 30 oder 60 Minuten erschöpft sind, müssen wir es uns gefallen lassen, daß man uns einfach auf 5 Minuten-Bemerkungen verweist. Nun sollen wir uns, wie der Herr Justizminister es versucht hat, durch Einladungen zu sogearteten Diskussionen auch noch verhöhnen lassen. Ein èechischer Abgeordneter hat einmal im alten Österreich, es war am 17. Jänner 1914 über die österreichische Geschäftsordnung gesprochen und hat gemeint: "Wir haben eine gedruckte, beschlossene Geschäftsordnung und neben dieser Geschäftsordnung besteht noch eine zweite, das ist die, welche gegen die Parteien angewendet wird, die der Majorität, namentlich der momentanen Majorität nicht angenehm sind. Das ist die Geschäftsordnung der Willkür, das ist die Geschäftsordnung, die auf dem sogenannten Majoritätsprinzip basiert. Man könnte mir" - meinte der betreffende Abgeordnete - "sagen, die Majorität des Hauses solle immer, auch in der Geschäftsordnung zum Ausdruck kommen. Das ist aber ein großer, das ist ein fataler Irrtum. Denn wenn nur nach dem Majoritätsprinzip regiert würde, wenn immer nur der Wille und Beschluß der Majorität gehandhabt werden sollte, dann brauchen wir überhaupt keine Geschäftsordnung mehr, dann sind wir den verschiedenen Ansprüchen der momentanen Majorität ausgeliefert." Und zum Schluß macht der betreffende Abgeordnete einen Seufzer und sagt: "Ja, wenn es noch eine anständige, eine gerechte Majorität gäbe!" Hohes Haus! Der Abgeordnete, der diese Rede gehalten hat, war der Herr Justizminister Dr. Viškovský, dessen Auffassungen über das Majoritätsprinzip sich nach den Proben, die er uns in seiner Wirksamkeit als Funktionär dieses Staates gegeben hat, inzwischen eine tief durchgreifende Wandlung erfahren haben.

Nun gestatten Sie mir, daß ich mich auch dem eigentlichen Beratungsgegenstand zuwende. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.) Unsere Partei ist dem zur Verhandlung stehenden Mißtrauensantrag beigetreten, weil sich die Regierung durch Erlassung der Sprachenverordnung nicht nur in verfassungsrechtlicher, nicht nur in materieller Richtung, sondern auch in moralischer Richtung mit einer schweren Schuld beladen hat. Die Verpflichtung der Regierung zur Vorlage des Entwurfes der Sprachenverordnung an den Ausschuß und zwar ehe diese Verordnung in Rechtswirksamkeit tritt, war eine derart klare und eindeutige, daß die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung als ein Wortbruch bezeichnet werden muß, als ein Wortbruch, der in der Geschichte des Parlamentarismus wohl einzig dastehen würde, und nur noch von einem Fall, über den auch Herr Dr. Kramáø sehr gut unterrichtet sein dürfte, überboten wurde, das ist von dem Wortbruch Badenis i. J. 1897 aus dem gleichen Anlaß, aus dem Anlaß der Erlassung der seinerzeitigen Sprachenverordnungen. (Posl. dr Kramáø: To se náramnì mýlíte, tak to nebylo!) Ich bin bereit, wenn der Herr Dr. Kramáø es wünscht, ihm diese Stelle a tempo zu verlesen, und möchte ihm sagen, die Dinge haben sich damals so zugetragen: um die durch sein Vorgehen mißtrauisch gewordenen Deutschen zu gewinnen versicherte Ministerpräsident Badeni am 31. Oktober 1896, er werde allen sachlich begründeten Anforderungen in der Sprachenfrage im Bereich der Justiz und Verwaltung Rechnung tragen und er werde deshalb - jetzt zitiere ich wörtlich - mit beiden Parteien in Böhmen Fühlung nehmen. Das war eine ganz klare Verpflichtung. Nun geschah etwas. Nachdem das neue Parlament zusammengetreten war, ging Badeni an die zweite große Aufgabe, das ist die Erneuerung des Ausgleichs mit Ungarn und um diesen für die Völker Österreichs mit großen Opfern verbundenen Vertrag durchzuführen, erkaufte sich Badeni die èechische Zustimmung für seine Sprachenverordnungen vom 6. Jänner 1897 und dann heißt es wörtlich: Badeni hatte dadurch sein vor einigen Monaten den Deutschen gegebenes Versprechen gebrochen. (Posl. dr Kramáø: O tom, zdali je to pravda, èi není, jest veliký spor!) Es ist auch um den jetzigen Wortbruch ein "spor", aber ich meine, er ist in dem einen wie in dem anderen Falle, auch wenn es betritten ist, ein Wortbruch. Die èechoslovakische Regierung sucht sich nun der peinlichen Situation, in die sie durch die Sprachenverordnung geraten ist, durch ein Kommuniqué, das kürzlich ausgegeben wurde, dadurch zu entwinden, daß sie behauptet, an Erklärungen der Regierung Tusar nicht gebunden zu sein, da inzwischen bereits zwei Regierungen, Èerný und Beneš, im Amte gewesen sind und - wie es wörtlich im amtlichen Kommuniqué heißt - Erklärungen früherer Regierungen für spätere absolut nicht verbindlich sind. Dieser Standpunkt ist aber für uns durchaus unhaltbar. Es würde die èechoslovakische Regierung, wenn sie ihn für alle Fälle gelten lassen wollte, einfach vertragsunfähig machen. Wer würde, wer könnte sich noch mit der èechoslovakischen Regierung in Verhandlungen einlassen, wenn er damit rechnen müßte, daß ein etwaiger System- oder Personenwechsel alle getroffenen Abmachungen einfach über den Haufen werfen würde. Doch in diesem Falle, und da bitte ich den Herrn Innenminister und die Vertreter der Regierung um seine Stellungnahme, liegen die Dinge noch weit schlimmer. Die Vereinbarungen damals - ich habe an ihnen selbst teilgenommen - wurden nicht etwa bloß zwischen der èechoslovakischen Regierung und den deutschen Parteien getroffen, sondern beruhen auf einem Beschluß der Obmännerkonferenz und auf einer Abmachung der Obmännerkonferenz mit der Regierung. Ich zitiere wörtlich das amtliche Protokoll der Parlamentssitzung vom 10. Juli 1920. Es läßt den Herrn Präsidenten sprechen: "Es ist hier ferner die dringliche Interpellation der Abg. Dr. Kafka, Kostka und Genossen an die Regierung der èechoslovakischen Republik (Druck 24), deren Dringlichkeit widerrufen wurde, aber" - sagt der Präsident des Hauses - "es wird im Sinne einer Vereinbarung der Klubobmänner der Herr Minister des Innern in dieser Sache eine Erklärung abgeben". Der Wortlaut dieser Ansprache des Präsidenten des Hauses, der Wortlaut der darauf folgenden Rede des Herrn Ministers Švehla wurde zwischen den Klubobmännern des Parlaments und der Regierung vereinbart. Es liegt also nach dem amtlichen Protokoll, auf das ich mich berufe, nicht etwa bloß eine Gebundenheit der Regierung gegenüber den deutschen Parteien vor, sondern eine Gebundenheit gegenüber dem ganzen Hause und vor allem auch gegenüber den Koalitionsparteien, welche ebenso wie die Regierung für die Einhaltung der von der Regierung übernommenen Verpflichtung auf vorherige Vorlage der Verordnung an dem Verfassungsausschuß einzustehen haben. Sie begreifen, daß wir darauf bestehen, daß sich zu diesen Feststellungen sowohl die Regierung als auch die Koalitionsparteien äußern und zu den Anklagen Stellung nehmen. (Posl. dr Kramáø: Tihle [ukazuje na lavice lidových poslancù] a my jsme v tom nebyli, to byla pøece rudozelená koalice!) Ich habe leider nicht verstanden.

In diesem Zusammenhange haben wir auch eine zweite Anklage zu erheben. Ich weiß nicht, ob es den Herren bekannt ist, aber es ist Tatsache: Am 21. März 1920 ließ das Justizministerium an die Unterstellen folgenden Erlaß ergehen, der lautet: "Die Gerichte mögen sich genau an die imperativen Bestimmungen des Sprachengesetzes halten, besonders im § 1, 2 und 4. Soweit es sich um Ausnahmen und Erleichterungen handelt, welche in den §§ 2 und 8 vorgesehen sind, ist die Durchführungsverordnung abzuwarten, die in allernächster Zeit erscheinen wird." Hohes Haus! Sechs Jahre sind seit dem verstrichen, die imperativen Bestimmungen des Gesetzes wurden tatsächlich mit aller Strenge gehandhabt, die angekündigten Ausnahmen und Erleichterungen sind niemals dekretiert und das Sprachengesetz in diesem Punkte, der § 8, welcher Milderungen vorsieht, niemals bis heute durchgeführt worden. Ich frage: wie vermag die Regierung, wie vermag das Justizministerium dieses Vorgehen zu rechtfertigen?

Aber, hohes Haus, wir machen auch der Sprachenverordnung zum Vorwurfe, daß sie im Wege eines Diktates erlassen und daß nicht, wie es in der seinerzeitigen Vereinbarung zwischen dem Parlamente und der Regierung vor gesehen war, und wie es auch der jahrzehntelangen grundsätzlichen Einstellung der èechischen Politik entsprochen hätte, der Weg der Verständigung mit den Minoritäten gesucht wurde. Immer und immer wieder haben die èechischen Staatsmänner großen Stils, die èechischen Politiker von Klasse für die Regelung der Sprachenfrage diesen Weg als den einzig möglichen, als den einzig gangbaren bezeichnet. In einer großen Rede hat Rieger am 15. Jänner 1884 gesagt: "Ich habe es öffentlich in unserem Landtage und unter Zustimmung aller meiner Parteigenossen ausgesprochen, daß ich auf dem Standpunkte stehe, daß die Nationalitätenfragen in unserem Lande nicht durch Majorisierung gelöst werden können, durch keinerlei Majorisierung, sei es von deutscher, sei es von böhmischer Seite, sondern daß dies nur durch freien Vertrag der beiden Nationalitäten des Landes geschehen könne. "Dies" - sagt Rieger - "ist mein ehrlicher, aufrichtiger Wunsch, ich werde mich dafür zu jeder Zeit mit aller Kraft einsetzen und dafür eintreten, daß die Lösung auf diesem Wege geschehe", und Rieger schließt seine Ausführungen mit den Worten: "Wir sind beide viel zu stark, als daß wir uns durch den anderen Gesetze vorschreiben lassen würden" (Hört! Hört!)

Den gleichen Standpunkt haben auch später Führer des èechischen Volkes eingenommen. Man braucht nur im Buche Pacáks "Skizzen zur Regelung der sprachlichen Verhältnisse" nachzulesen, vor allem aber Präsident Masaryk, der in einer Parlamentsrede am 4. Feber 1909 ausführte: "Die böhmische Frage, der Kampf zwischen Deutschen und Èechen kann nur gelöst, bezw. beendet werden, wenn die parlamentarische Freiheit - ich betone, ich unterstreiche fünfmal, zehnmal, so viel Sie wollen - wenn die Freiheit der administrativen Gewalt gewahrt und jedem von uns ermöglicht wird, sich um seine Sache zu kümmern." Und Präsident Masaryk schließt die Rede aus dem Jahre 1909 mit dem Appell an Deutsche und Èechen: "Meine Herren, die Sie hüben und drüben auf ein Oktroi hoffen, geben Sie den Gedanken auf und arbeiten Sie dahin, daß wir uns von Mann zu Mann verständigen."

Hohes Haus! Denselben Standpunkt haben auch mehrfach Koalitionsparteien und vor allem sozialistische Parteien eingenommen. Das "Právo Lidu" hat am 10. Feber 1925 über die Sprachenverordnung, also unmittelbar über diesen Gegenstand, geschrieben: "Die österreichisch-ungarische Monarchie hat es sich zur Gewohnheit gemacht, Sprachenverordnungen durch Diktat einer absolutistischen Gewalt durchzuführen. Aber das Ergebnis dieser Verordnungen war immer kläglich. Dem èechischen Volke, gegen das sie zielten, wurde dadurch nicht nahegetreten. Ebenso wäre es im Falle von Sprachenverordnungen, die nach dem Wunsch der Nationaldemokraten stilisiert werden. Die Minderheiten" - schreibt "Právo Lidu" - "würden durch sie nur noch stärker aufgeregt und ihren Rednern würde angenehme Gelegenheit zu Angriffen auf die Republik gegeben werden. Das Sprachengesetz kann nicht auf die Dauer" - schreibt das "Právo Lidu" "ohne Durchführungsverordnung gelassen werden, weil zu viele Verordnungen zirkulieren, die nach einer Unifizierung rufen." Aber es sagt: "Zweckmäßig und verläßlich kann diese Materie nur auf Grund einer vorangegangenen dohoda, einer Vereinbarung, geregelt werden. Ob die heutigen Verhältnisse der Minderheiten reif zur Erzielung einer Vereinbarung sind, darauf möge uns der Landesausschuß der nationaldemokratischen Partei" - heißt es dort - "antworten."

Insoweit daher die Sprachenverordnungen mit Verletzung dieses Grundsatzes zustande gekommen sind, wenden wir uns naturgemäß mit größter Entschiedenheit gegen sie. Dies ist umso berechtigter, als die erlassenen Sprachenverordnungen fast in jedem Buchstaben die Verleugnung jener Grundsätze sind, die die èechische Politik im Kampfe gegen die österreichischen Verordnungen verfochten hat. Die èechischen Staatsmänner des alten Österreichs haben sich immer gegen die Dekretierung einer Staatssprache gewendet und jedes nationale Vorrecht mit Entschiedenheit abgelehnt. Alle Ihre großen Politiker haben immer den Grundsatz der Gleichberechtigung der Völker und Sprachen hochgehalten und dies im jahrzehntelangen Kampfe des èechischen Volkes nicht etwa bloß gelegentlich einmal, sondern immer und immer wieder und mit größter Leidenschaftlichkeit verfochten. Mit Leidenschaft und mit Emphase rief Grégr seinerzeit den Deutschen zu: "Meine Herren, die Emporhebung der deutschen Sprache über alle anderen des Reiches bezweckt bloß die Herabdrückung der nichtdeutschen Völker Österreichs. Man soll", sagt Grégr, "das Kind nicht beim richtigen Namen nenn en können, deshalb hat man es in den undefinierbaren Begriff "Staatssprache" gekleidet. Aber" - ruft er zum Schlusse aus - "Staatssprache heißt es, und Germanisierung bedeutet es. Der Wurmbrandsche Antrag ist" - sagt er köstlich - "die Germanisierung als Embrio, eingehüllt in die Windel der Staatssprache."


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