Ètvrtek 11. bøezna 1926

2. Øeè posl. Tichiho (viz str. 603 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Bedeutung des Hausierhandels ist mit der wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte - und auch schon vor dem Weltkrieg - eine wesentlich andere geworden als zur Zeit der Schaffung des sogenannten Hausierpatentes im Jahre 1852 bestand. Die Gesetzgebung des alten Österreich hat wiederholt Anstalten getroffen, ein neues Hausiergesetz zu schaffen, mehrere Gesetzent würfe wurden beraten, doch keiner wurde Gesetz. Es waren politische Erhebungen, besonders die Rücksichtenahme auf die ungarische Reichshälfte, die die Gesetzwerdung nicht ermöglichten. Es hat auch in diesem Staate mehrere Jahre gebracht, bis sich die Regierung entschlossen hat, mit dem vorliegenden Gesetz vor das Haus zu treten. Wir sind nicht dafür, daß man so tief in unser Wirtschaftsleben einschneide, Gesetze, wie es dieses Gesetz ist, die vor allem unseren Stand den Gewerbeund Handelsstand, berühren für ihn eine Existenzfrage bilden, lediglich durch einen Kuhhandel im Schoße der Mehrheitsparteien erledigt, Kompromißwerke schafft, die weder den einen noch den anderen Teil befriedigen können.

Wir hätten gewünscht, daß man auch unseren gewerblichen Organisationen, ihren Verbänden, Genossenschaften und Gremien Gelegenheit geboten hätte, zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, sie hätten aus der reichen Erfahrung gewiß Anregungen und Anträge gebracht, die den geistigen Schöpfern des Entwurfes wertvoll gewesen wären. Mit dem bloßen politischen Schacher der Mehrheitsparteien untereinander läßt sich eine so ungemein schwierige Frage nicht bereinigen.

Andererseits muß ich offen gestehen, daß dieses Gesetz nicht das schlechteste ist, welches die frühere "Gewerbepìtka" vorbereitet und die nunmehrige "Gewerbešestka" geboren hat. Daß es ein Bastard ist, neben guten Bestimmungen auch unhaltbare Zustände einführt, kommt davon, daß die èechischen Sozialdemokraten und Sozialisten bei der Geburt als Paten standen. Wir sind grundsätzliche Gegner des Hausierwesens und hätten gewünscht, daß man die Regelung desselben der geplanten Änderung der Gewerbeordnung überlassen hätte. Unsere grundsätzliche Gegnerschaft liegt in erster Linie darin, daß die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre es mit sich gebracht hat, daß fast in jedem Dorfe der konsumierenden Bevölkerung Gelegenheit geboten ist, alle Bedarfsartikel zu kaufen, die sie benötigt. Wir sind auch deshalb prinzipielle Gegner des Hausierwesens, weil sich insbesondere nach dem Weltkriege Hunderte von zweifelhaften Existenzen des Hausierhandels bemächtigt haben, die für die Bevölkerung zur Landplage wurden. Ramsch- und Powelware wurde durch diese Elemente der Bevölkerung angehängt, wofür das bitter verdiente Geld hergegeben wurde. Sicherlich sind wir dafür, daß man der Bevölkerung in den böhmischen, nordmährischen, schlesischen und slovakischen Armengebieten die sogenannte Möglichkeit beläßt auch weiterhin ihr sauer verdientes Brot im Wandergewerbe und Hausieren zu erwerben, wie es seit undenklichen Zeiten geschieht; wir sind lediglich Gegner des unsoliden Hausierungswesens. Der Gesetzgeber schafft auch für diese Gebiete besondere Bestimmungen, unter die auch unsere Kriegsverletzten, die Invaliden eingereiht werden. Daß die Kriegsverletzten begünstigt werden dagegen kann kein sozial fühlender Mensch etwas einwenden, es ist nur traurig genug für diese armen Opfer des Krieges, daß sie auf diese Art ihr ohnehin nicht beneidenswertes Leben erhalten müssen. Für sie sollte der Staat besser sorgen als mit einer Hausierlicenz.

Wenn ich mich mit dem Gesetze selbst befassen soll, so wiederhole ich, daß ich mit der Tendenz desselben, das Hausierwesen einzuschränken, prinzipiell einverstanden bin, wenn unsere Forderungen auch nur teilweise erfüllt werden.

Im § 2, Abs. 2, Lit. f) wird die Verläßlichkeit des Paßwerbers verlangt. Das Wort verläßlich ist sehr dehnbar und könnte den Behörden zu Schikanen Anlaß geben. Es könnte vorkommen, daß einem ehrlichen strebsamen Menschen die Bewilligung versagt wird, wenn er von einem Feind bei der politischen Bezirksverwaltung denunziert wird. Der Absatz sollte demnach entfallen.

In § 3, Abs. 2 müßten jene kleinen Gewerbeinhaber der nach § 17 begünstigten Erzgebirgsgegenden berücksichtigt werden, deren Gewerbe zur Ernährung ihrer Familie nicht ausreicht. So befindet sich beispielsweise im Preßnitzer politischen Bezirk eine große Zahl Gewerbeinhaber, Flickschuster, kleine Schneider, Gastwirte, Krämer und so weiter, deren Erwerbsertrag kaum ein Drittel des nötigen Lebensbedarfes darstellt. Die Frauen derselben und die in gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder müssen durch Hausieren den nötigen Zuschuß zum Verdienste ihrer Männer verdienen, um die Familie überhaupt ernähren zu können. Würde nun, durch Gesetzwerdung des obigen Paragraphen diesen Familienangehörigen das Hausierbuch entzogen, so wären viele dieser Männer gezwungen, das zu wenig tragende Gewerbe niederzulegen und sich selbst dem Hausierhandel zuzuwenden. Dadurch würden nicht nur viele bescheidene Ansätze seßhafter Häuslichkeit zerstött, sondern gerade das Gegenteil dessen erreicht, was das Gesetz anstrebt. Daher muß § 3, Abs. 2 eine diesen Verhältnissen entsprechende Abänderung erfahren.

Wir verlangen, daß der Hausierhandel mit fertigen Schuhen und Kleidern nicht gestattet sei. Und zw. deshalb, weil unser heimisches Schuhmachergewerbe und unser Schneidergewerbe durch die industrielle Erzeugung von Schuhwaren und durch die Konfektionsindustrie vollständig ruiniert erscheint. Wenn schon der Hausierhandel bestehen bleiben soll, so geht es nicht an, diesem Gewerben durch die neuen Bestimmungen keinen Schutz zu gewähren.

Zu § 15, Abs. 2: Die Aufrechterhaltung dieser Bestimmung wäre gleichbedeutend mit dem völligen Vernichtung der Lebensmöglichkeit der Erzgebirger Spitzenhändler. Da dieselben der èechischen Sprache nicht mächtig sind, müssen sie sich ihren Erwerb in den deutschen Randgebieten suchen, wovon ein sehr großer Teil in den Grenzgebieten liegt. (Místopøedseda Slavíèek pøevzal pøedsednictví.) Würde dieses durch seine dichte Industrie betreibende Bevölkerung warenaufnahmsfähige Gebiet für die Erzgebirger verboten, so wäre deren weitere Lebensfähigkeit untergraben, weil hiedurch das in Betracht kommende Absatzgebiet, das schon durch den Verlust der österreichischen Länder und Ungarns, sowie durch die Unkenntnis der Staatssprache auf einen viel zu kleinen Kreis beschränkt würde.

Die Aufrechterhaltung dieses Paragraphen in der jetzigen Form würde von nicht wieder gut zumachenden Folgen nicht nur für die Erzgebirger Hausierer, sondern für tausende Heimarbeiter und die betreffenden Industrien und deren zahlreiche Arbeiter, überhaupt für das ganze Wirtschaftsleben des Erzgebirges sein.

Der aus dem Motivenberich hervorgehende Grund zu dieser Maßnahme, ist auf die Spitzenhändler des Erzgebirges in keinem Falle anzuwenden. Kein Stand, wie dieser ist so von der Wohlmeinung der Bevölkerung und der Gunst der Behörden abhängig, keiner steht so unter fortwährender Kontrolle. Dabei steht bei der kleinsten Übertretung der Gesetze kein Gewerbe und damit die Existenz seiner Familie auf dem Spiele. Durch die fortwährenden Geschäftssorgen und das mühselige Schleppen des schweren Kastens, in welchem er oft seinen ganzen Besitz mitsich trägt, hat der Erzgebirgler andere Sorgen, als sich um Politik oder gar staatsfeindliche Handlungen zu kümmern. Mancher reiste Jahrzehnte in den Grenzgebieten des alten Österreich und Ungarn oder Deutschlands und überall waren und sind die Erzgebirgler bei Behörden und Bevölkerung viele Generationen hindurch bekannt durch ihre bewährte Rechtschaffenheit und sie sind Versuchungen zu ungesetzlichen Handlungen schon deshalb unzugänglich, weil auf diese bewährte Rechtschaffenheit das ganze Wesen des Erzgebirger Spitzenhändler aufgebaut ist und mit dieser Eigenschaft lebt und stirbt.

Aus diesen Gründen müssen die Spitzenhändler des Erzgebirges von der Bestimmung des § 15 ausgenommen werden, will man nicht den Brotbringern für dieses arme Gebiet eine Jahrhunderte gewährleistete und niemals mißbrauchte Begünstigung nehmen und dadurch sie um Tausende Heim- und Fabriksarbeiter der bittersten Not aussetzen. Die Aufrechterhaltung dieses Paragraphen würde auch die übrigen im Gesetze für diese arme Gegend gewährten Begünstigungen wertlos machen, was doch gewiß nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen sein kann. Es wären also die diesbezüglichen Bestimmungen des § 15, Abs. 2, sowie die betreffenden Ausführungen im § 5, Abs. 2 und im § 17 zu entfernen.

Zum § 17 möchte ich bemerken, daß es gewiß vorteilhaft gewesen wäre, daß schon im Gesetze jene Gegenden genannt werden, für die diese Begünstigungen zutreffen und ich werde die hierauf Bezug habenden Abänderungsanträge unterstützen. Zusammenfassend erkläre ich, daß ich von dem neuen Hausiergesetze eine wesentliche Besserung der jetzigen unhaltbaren Zustände auf diesem Gebiete erwarte und erkläre, daß wir für dieses Gesetz stimmen werden bei Aufrechterhaltung der von uns gestellten Abänderungsanträge. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Roschera (viz str. 607 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet keinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt. Der ganze Inhalt dieses Gesetzentwurfes ist eigentlich durchsetzt mit reaktionärem, bornierten Zünftlergeist. Der Entwurf bedeutet, wenn er Gesetz wird, die Abmurksung all dieser kleinen Leute, die heute mühselig ihren Erwerb gefunden haben, ja er ist der Strick für den Hausierhandel, der nach und nach die Hausierer vollständig erwürgen soll. Er zeigt uns aber auch den Geist auf, der gegenwärtig bei einem Teile der Regierungsmehrheit vorherrschend ist, er zeigt uns, daß sich die Koalition nach den Neuwahlen nicht zu ihren Gunsten, sondern zu ihren Ungunsten verändert hat. In einer Zeit, wo die Industrialisierung soweit fortgeschritten ist, versucht man mit solchen kleinlichen Mitteln Gewerberetterei zu betreiben. Der Gesetzentwurf bedeutet das Zurückwerfen der Entwicklung um mehr als 60 Jahre. Der Hausierhandel fußte bis heute auf dem kaiserlichen Patent vom Jahre 1852 und als dieses Patent Gesetzeskraft erlangte, konnte man vom alten Österreich wirklich nicht sagen, daß es ein freiheitlicher, ein fortschrittlicher Staat ist. Im alten Österreich hätte sich keine Regierung getraut, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, wie es dieser Gesetzentwurf ist. Wird dieser Gesetzentwurf Gesetz, so spreche ich hier offen aus, daß es eine Schande für einen modernen Staat ist, solche Gesetze in einer solchen Zeit zu schaffen. Die Herren Gewerberetter glauben, wenn sie diesen armen Hausierern den Lebensfaden abschneiden, daß es ihnen dadurch wesentlich besser gehen wird. Sie sehen in ihrer Blindheit und Kurzsichtigkeit nicht, daß nicht der Hausierer ihr Feind ist, sondern, daß der Großkapitalismus der Feind des Gewerbes ist und daß es der Großkapitalismus ist, der das Gewerbe zugrunderichtet. Wenn Sie die technische Entwicklung des Industriekapitalismus der letzten 60 und 70 Jahre verfolgt hätten, müßten sie wissen, daß es die kapitalistische Entwicklung, und der Kapitalismus ist, die den Untergang des Gewerbestandes herbeiführen, die ihn zermalmen, ihn proletarisieren tausende, und abertausende von gewerblichen Existenzen vernichten und aufsaugen. Der industrielle Betrieb kennt keinen Befähigungsnachweis. Im industriellen Betrieb ist der Kapitalist berechtigt, auch ohne Befähigungsnachweis all das herzustellen, was ihm beliebt. Die Herren Gewerberetter sehen nicht, daß die Schuhfabriken durch ihre maschinelle Erzeugung den Handwerker, den Schuhmachermeister zum Flickschuster machen, sie sehen nicht, wie der Sattler durch die Fabriken, wo Sattlererzeugnisse hergestellt werden, zum Hilfsarbeiter gemacht wird und Sie sehen nicht, wie der Schneidermeister durch die Konfektionsfabriken aus seinem Berufe gedrängt wird, wie die Schlosser und Klempnermeister zu Hilfsarbeitern des industriellen Betriebs werden, wie der Uhrmacher durch die Uhrenfabriken zum Reparaturarbeiter wird, wie sie alle den Boden der alten Selbständigkeit verlieren. Gegen all das scheinen die Herren blind zu sein und gegen all das richtet sich nicht ihr Kampf, sondern gegen den kleinen Hausierer, der soll es sein, der das Gewerbe zugrunde richtet und der bekämpft werden muß. Die Herren scheinen nicht zu wissen, daß es einmal vor 50 und mehr Jahren im Reichenberger Gebiet mehr als 2000 kleinere Tuchmachermeister gab, die durch den Kapitalismus aufgesaugt worden sind, wo heute kein Einziger anzutreffen ist. Sie scheinen nicht zu wissen, daß einmal in Böhmen viele Hunderte selbständige Nagelschmiede gab, daß es viele selbständige Büchsenmacher gab, die verschwunden sind. die durch den großkapitalistischen Betrieb aufgesaugt worden sind. Viele Meister suchen sich heute noch dadurch zu retten, daß sie nur Lehrlinge beschäftigen, um billige Arbeitskräfte zu haben, die aber keinen Gehilfen einstellen. Es ist so, daß viele bei kleinen Meistern auslernen und nachträglich als Gehilfe bei denselben Meistern keinen Posten finden, nicht eingestellt werden und Fabriksarbeiter werden oder versuchen, eventuell sich durch den Hausierhandel einen Erwerb zu schaffen. Mit solchen kleinlichen Mitteln werden Sie den Ruin des Gewerbes nicht verhindern. Auf der anderen Seite sehen wir sehr oft, daß die Herren Gewerbetreibenden jenen Leuten gegenüber, wo sie den Mut haben sollten, offen zu sagen, wer ihr Feind ist, sehr häufig katzbuckeln und Kratzfüße machen, um etwas Hilfsarbeit von den Kapitalisten zu bekommen. Da haben sie nicht den Mut, offen ihre Meinung zu sagen, aber sie haben den Mut, um gegen die armen Hausierer, gegen diese armen Teufeln vorzugehen. Sie dürften auch wissen, daß mancher von diesen kleinen Handwerksmeistern, die aus der Bahn herausgeworfen wurden, nachträglich versucht haben, um nicht in die Fabrik gehen zu müssen, den Hausierhandel anzufangen. Wir verstehen einfach nicht, daß man glaubt, mit so kleinlichen Mitteln das Gewerbe zu retten, wenn man einige tausende Menschen, die in der Republik kümmerlich und ärmlich ihr Leben fristen, um ihre Existenz bringt. Der Abgeordnete Tichi hat gesagt, es sei deshalb notwendig, den Hausierhandel einzuschränken, weil sich nach dem Kriege viele zweifelhafte Existenzen in den Hausierhandel eingeschlichen haben. Diese zweifelhaften Existenzen sind im Haus i er handel aber weniger vertreten, als im Kaufmannstand und im Gewerbestand. (Souhlas na levici.) Jeder Stand hat zweifelhafte Existenzen, um aber davon abzuleiten, dem Hausierhandel das Lebensrecht zu nehmen, das werden wir jederzeit bekämpfen.

Und nun einige Worte zum Entwurf des Gesetzes selbst. Im Gesetze steht, daß nur der berechtigt ist, ein Hausierbuch zu erhalten, der 35 Jahre alt ist. Im alten Österreich hat man im Patent vom Jahre 1852 ein Alter von 30 Jahren festgesetzt. Wir sehen nicht ein, warum jemand erst mit 35 Jahren berechtigt sein soll, den Hausierhandel auszuüben, wenn er schon mit 21 Jahren den Schießprügel tragen kann. Wir sehen nicht ein, wenn jemand mit 21 Jahren eigenberechtigt ist, daß er nicht das Recht habe, auch den Hausierhandel auszuüben, wo ihm doch auch das Recht zusteht, ein Gewerbe zu betreiben. Es heißt dann weiter, daß diejenigen, die den Hausierhandel anstreben, verläßlich sein müssen. Das ist ein so dehnbarer Begriff, welcher der Willkür der Behörden Tür und Tor öffnet. Wie muß er verläßlich sein, nationalverläßlich, parteipolitischverläßlich, für die Regierung verläßlich? Das alles wird verlangt von einem Menschen, damit er das Hausierbuch erlangen könne. In der Vorlage ist ein Rattenschwanz von Strafen, Verbrechen, Vergehen. Übertretungen angeführt, welche die Erlangung eines Hausierscheines unmöglich machen. Wenn solche Bestimmungen auf alle Berufe im Staate angewendet würden, müßte so mancher seinen Gewerbeschein niederlegen. Die Behörde kann die Vidierung verweigern, sie kann die Zeit bestimmen, an wieviel Tagen in der Woche der Mann hausieren darf, wann er wieder kommen darf, sie kann ihn quälen und schikanieren, wann immer sie will. Im Gesetzentwurf ist wiederholt der Hinweis anzutreffen, wo es heißt, bestehen begründete Zweifel inbezug auf die Person. Das bedeutet doch, daß man mit dieser Bestimmung, die so oft wiederkehrt, sich gegen den armen Hausierer alles erlauben darf, was immer die Behörden wollen. Jeder Polizist, jeder Gendarm kann ihn anhalten. Der politischen Behörde, der Gemeinde, der Polizei, der Gendarmerie muß er das Hausierbuch und die Waren vorzeigen. Der Hausierer, der ehrlich versucht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird wie ein Verbrecher, wie ein Landstreicher behandelt. Schauen Sie sich die Bestimmungen des Entwurfes an!

Bei Einbruch der Dämmerung soll er kein Haus mehr betreten, dann soll er mit dem Hausieren aufhören, ohne Bewilligung des Haushaltungsvorstandes oder eines eigenberechtigten Familienmitgliedes darf er keine fremde Wohnung betreten, wenn die Geschäfte im Orte geschlossen sind, darf er nicht hausieren gehen. Wann soll aber der Hausierer etwas verdienen, wenn man ihm solche Erschwernisse macht und seine mühselige Arbeit behindert? Wissen Sie, wem der Hausierer seine Waren verkauft? Es sind dies zum Teile Fabriksarbeiter, Kleinhäusler, KIeinlandwirte, Dienstboten. Die kann er nur aufsuchen, wenn sie Zeit haben, nicht aber während der Arbeit. Wir lehnen alle diese Beschränkungen ab. Statt daß der Ausschuß Verbesserungen am Gesetze vorgenommen hätte, hat er es noch verschlechtert. Dort, wo Städte mit 15.000 Einwohnern vorgesehen waren, hat man die Ziffer 10.000 angesetzt. Im Entwurf wird es als unzulässig erklärt, daß sich der Hausierer durch einen Gehilfen seine Hocke oder seinen Ranzen tragen lasse. Er darf keinen Handwagen benützen, und nur in Ausnahmsfällen sind Erleichterungen gestattet. Nur bei Kriegsverletzten macht man eine Ausnahme, wo man etwas mehr Entgegenkommen zeigt.

Im Gesetz ist nicht ausgesprochen, welches die Notstandsgebiete sind. Im alten Österreich waren sie aufgezählt. Die Notstandsgebiete waren namentlich angeführt, neue Notstandsgebiete konnten eingereiht werden, für die dann ebenfalls die Begünstigungen für den Hausierhandel galten. Wir haben das ganze große Erzgebirge mit seinen vielen hunderten Hausierern. Die ganze Industrie müßte dort zugrunde gehen, wenn es nicht möglich wäre, daß die Menschen hinausgehen, um die Ware zu verkaufen, viele hunderte von Heimarbeitern könnten nicht mehr leben; denn sie sind darauf angewiesen, daß ihre Waren durch Hausierer verkauft werden.

Und dann sehen Sie sich das Strafregister an! Massenhafte Bestrafung wegen Übertretung bei den geringfügigsten Anlässen, Entzug des Hausierbuches, nebst Haftung mit der Ware für die auferlegte Strafe. Die größte Niederträchtigkeit in diesem Gesetzentwurf ist aber im § 24 enthalten. Die Behörden werden verpflichtet, wenn sich ein Hausierer einmal etwas zuschulden kommen läßt, die Strafe in. das Buch einzuschreiben. Der Hausierer soll mit diesem Steckbrief von Ort zu Ort wandern müssen, wo er ohnehin sehr häufig von der Polizei, der Gendarmerie und den Gemeindeorganen als lästiger Eindringling betrachtet wird. Ich finde, daß gegen diese Bestimmung kein Ausdruck scharf genug ist. Diese Bestimmung ist eine ausgesprochene Niederträchtigkeit gegen eine Klasse von Menschen, die mühselig ihr Brot verdient.

Weiters ist bestimmt - Herr Tichi hat es schon erwähnt - daß Kleider, Anzüge und Bestandteile, Wäsche, Schmuck und so weiter vom Hausierhandel ausgeschlossen sind. Heute kommt es oft vor, daß so ein Hausierer manchmal ein paar Strümpfe oder eine Bluse u. s. w. verkaufen kann, weil die Leute in den Dörfern nicht stundenlang laufen wollen und nicht Zeit verlieren wollen. Die kleinen Hausierer nehmen nur geringen Nutzen und sind nicht teurer als die offenen Geschäfte. Auch das muß festgestellt werden. Wir protestieren mit aller Entschiedenheit und legen Verwahrung gegen diese Fassung des Gesetzentwurfes ein, weil dieser Entwurf das Grab für Tausende und Tausende kleiner mühseliger Existenzen werden wird, weil dieser Entwurf die Entwicklung um 60 Jahre zurückwirft, weil dieser Entwurf eine Verbeugung und ein Geschenk an das bornierte Zünftlertum ist. Nach unseren Begriffen ist es unmöglich, daß eine solche Vorlage in einem modernen Staatswesen Gesetz werden kann. Alle, die den armen Hausierer beobachtet haben, wie er stundenlang unter seiner Last auf elenden Straßen und Wegen daherkeucht, alle, die wissen, daß er bei Regen und Sturm, bei Eis und Schnee seine Arbeit verrichten muß, alle, die wissen, daß er auf schlechten Schlafgelegenheiten einen müden Körper ausruht, und alle jene Menschen, die menschliches Empfinden haben, müssen den Gesetzentwurf in dieser Fassung ablehnen. Der Entwurf muß abgeändert werden, damit er ein brauchbares Gesetz wird für die armen Menschen, die tagtäglich, Woche für Woche und Monat für Monat bemüht sind, ihren Lebensunterhalt in ehrlicher Weise zu bestreiten. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Kunze (viz str. 609 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Zum erstenmal, seit diese Nationalitätenversammlung besteht, ist eine Gesetzesvorlage zur Verhandlung gelangt, welche einen Stand interessiert, auf den man bis jetzt in diesem Staate vergessen zu haben scheint, nämlich den Gewerbestand. Wenn auch dieses Gesetz eine juristische Arbeit nicht darstellt, wenn in diesem Gesetz auch Mängel bestehen, welche den Gewerbetreibenden nicht befriedigen, so müssen wir doch im allgemeinen feststellen, daß sich einige Verbesserungen in diesem Hausiergesetz zugunsten des bodenständigen Gewerbes vorfinden. Im Jahre 1919, unmittelbar nach dem Entstehen der Republik, erweckte es den Eindruck, als wenn auch dieser Staat sich des Gewerbestandes erinnern wollte. Früher hieß es, der Gewerbestand, bezw. der Mittelstand ist das Fundament des Staates. Heute sagen wir, daß er das Fundament der wirtschaftlichen Ordnung überhaupt ist.

Es kam 1919 ein Gesetz, wonach den kriegsbeschädigten Kleingewerbetreibenden Kredite gewährt werden sollten, wobei der Staat 80% Garantie übernehmen wollte. Wie sah die Sache jedoch aus? Wenn ich heute zu einer Kasse gehe, ein Darlehen verlange und einen zahlungsfähigen Bürgen bringe, bekomme ich ohneweiters das angeforderte Geld. Hier hatte der Staat für den Kleingewerbetreibenden mit 80% die Haftung für Verzinsung und Amortisation übernommen, es fand sich jedoch fast keine Kasse und keine Bank, welche aufgrund der Staatsgarantie den kriegsbeschädigten Kleingewerbetreibenden nur irgend einen Heller gewährte. Es kamen dann Verordnungen, durch die man es abermals versuchte, auf andere Weise den Kleingewerbetreibenden scheinbar unter die Arme zu greifen, indem man Begünstigungen bei der Vergebung von öffentlichen Lieferungen und bei Volksbekleidungsaktionen statuierte. Auch diese Begünstigungen stehen zum Teil nur auf dem Papier, weil man in Wirklichkeit derartige Anforderungen stellt, daß sie nur von der technischen Erzeugung hergestellt werden können, daß nur die Großindustrie die Lieferung ausführen kann. Und was die Bekleidungsaktionen anlangt, die dem Kleingewerbe zugute kommen sollten, so haben sich Fälle ereignet, daß entgegen den vom Arbeitsministerium erlassenen Bestimmungen, worin man eine Verzinsung der über 8 Monate schuldig gebliebenen Verdienstbeträge in Aussicht stellte, nach 11/2 Jahren noch den Kleingewerbetreibenden die Zinsen verweigerte, welche er auf Grund der säumigen Zahlung des Staates an die Kleingewerbetreibenden zu rechnen gehabt hätte. Die Kleingewerbetreibenden haben deshalb ein halbes Jahr umsonst für den Staat gearbeitet.

Einer der größten Übelstände, welcher das Kleingewerbe trifft, ist einerseits die Überproduktion, andererseits der außergewöhnlich hohe Steuerdruck. Die Überproduktion: Wir verlangen von diesem Staat, daß er in der Gewerbeordnung vorsieht, daß auch dieser Übelstand endlich einmal abgeschafft werde: Einerseits durch eine vernünftige Berufsberatung, welche nicht nur in die Jugendfürsorge gehört sondern in die Gewerbeordnung, andererseits dadurch, daß es unmöglich gemacht wird, daß die Industrie jeden Kleingewerbetreibenden zu Tode konkurrieren kann, damit nicht das, was bei dem einen der Verstand ist, bei dem andern das Geld ausgleicht.

Die Gewerbeordnung ist schon durch zwei Jahre in diesem Parlament in Arbeit und soll einer Verbesserung zugunsten des Gewerbestandes unterzogen werden. Diese Gewerbeordnung stammt aus dem Jahre 1859 und wurde 1907 verbessert, paßt also nicht mehr auf die heutigen Verhältnisse. Wir erwarten mit Sicherheit, daß wenigstens im Laufe dieses Jahres die Gewerbeordnung eine den Zeitverhältnissen entsprechende Modifizierung im Interesse des Kleingewerbes erfahre.

Heute liegt uns die Vorlage zum Hausierhandelsgesetz vor. Wenn die Überproduktion der Untergang des Kleingewerbes ist, so ist es auch zum Teil der Hausierhandel, welcher die Waren der Großindustrie verschleißt. Es wurde vorhin erwähnt, daß die Gewerbetreibenden zum Teil zweifelhafte Existenzen sind. Ich möchte dagegen entschieden Einspruch erheben. Denn der Gewerbetreibende, ganz besonders aber der Kleingewerbetreibende, ist ebenso gedrückt und vielleicht oft noch mehr als mancher, der sich im Hausierhandel betätigt. Von mancher Großindustrie werden zum größten Teil die Erzeugnisse durch den Hausierhandel vertrieben. Wenn wir die Schattenseiten dieses Gesetzes durch die Einschränkung des Hausierhandels betrachten, durch die die Landbevölkerung geschädigt werden soll, so müssen wir darauf hinweisen, daß selbst in den kleinsten Orten die Möglichkeit geboten ist, die Waren beim bodenständigen Gewerbetreibenden ebenso billig zu kaufen oder zumindest ebenso gut und besser als beim Hausierer, der seine Pofelware der Landbevölkerung zum Kauf anbietet.

In dem Gesetze selbst sind viele Mängel enthalten. Ganz besonders ist ein Mangel darin zu erblicken, daß es heißt, daß man nur jenen Leuten die Hausierbewilligung erteilen darf, welche vertrauenswürdig erscheinen. Es ist schon von den Herrn Vorrednern diese Vertrauenswürdigkeit in der entsprechenden Weise gewürdigt worden. Wir haben kein Vertrauen zu diesem Staate und kein Vertrauen zu den Behörden und zu den politischen Bezirksverwaltungen, daß wir annehmen könnten, daß diese Behörden die Vertrauenswürdigkeit der Bewerber nicht in einer nur ihnen passenden Weise ausschroten werden und daß wir über kurz oder lang dann in unseren deutschen Gebieten nur èechische Hausierer werden begrüßen können. Ganz besonders ist bei der Einschränkung des Hausierhandels darauf Rücksicht zu nehmen, daß die sogenannten Bosniaken, welche Ausländer sind, nicht unseren Markt von Tag zu Tag mehr mit ihrem Pofel, den man in jedem Krämerladen um billigeren Preis bekommen kann, überschwemmen. Der Gewerbestand ist doch auch existenzberechtigt. Durch die Einschränkung des Hausierhandels wird die Existenz des Gewerbestandes einigermaßen gefördert. Wir sind aber weit davon entfernt, dieser Vorlage im ihrer gegenwärtigen Fassung zuzustimmen. Denn in dieser Vorlage ist den Kleingewerbetreibenden keineswegs der Schutz geboten, den er daraus erwartet hat. Wir haben einen Abänderungsantrag gestellt, wonach Schuhe und Bekleidung vom Hausierhandel ausgeschlossen werden sollen. Wir begründen dies damit, daß in der Bekleidungsbranche heute im Kleingewerbe die größte Notlage herrscht. Wir haben nicht die Pflicht, vielleicht im Wege der Berufsberatung Lehrlinge zu vermitteln, damit sie ewig Lehrlinge bleiben, sondern es ist unsere Pflicht als ehrliche Meister, auch dafür zu sorgen, daß diese Lehrlinge einstmals selbst Meister werden. Durch die Überschwemmung mit Bekleidungsgegenständen in den Landgemeinden jedoch ist die Selbständigmachung der Kleingewerbetreibenden auf dem Lande unterbunden und gerade dadurch, daß man heute von Haus zu Haus die Artikel der Großindustrie in den Landgemeinden zum Kaufe anbietet, wobei sie nicht billiger sind als die vom bodenständigen Gewerbetreibenden, gerade dadurch wird die Existenz des bodenständigen Kleingewerbetreibenden unterbunden und es wird dem Lehrling und Gesellen dadurch, obwohl er 6, 8 oder 10 Jahre in seinem Beruf bleiben mußte, die Möglichkeit genommen, sich als Meister, als bodenständiger Gewerbetreibende zu etablieren.

Es liegt uns vollständig fern, durch Einschränkung des Hausierhandels vielleicht die Notstandsgebiete zu treffen. Das Gesetz sieht auch vor, daß für die Notstandsgebiete, für die Hausindustrien Begünstigungen geschaffen werden und wir müssen dem zustimmen.

Es liegt uns ferne, den Erzgebirglern ihre Hausindustrie zu erschweren. Es liegt uns ferne, die Leinenindustrie, die Hausweberei, zu schädigen. Es liegt uns vollständig fern, den Kriegsinvaliden ihre Existenzmöglichkeit zu nehmen. Diese Ausnahmen sollen bestehen bleiben. Aber, meine Verehrten, wir haben heute viele Hausierer, welche ganz gut und leicht eine andere Beschäftigung und Existenz finden könnten. Es ist jedoch sozusagen eine Familienvererbung, daß sie keinen gewerblichen Beruf wählen, sondern lieber das Hausiergewerbe pflegen, weil sie darin eine leichtere Existenz zu finden vermeinen als im bodenständigen Gewerbe. Wir deutsche Christlichsozialen stehen auf folgendem Standpunkt. Wir sind für jeden Schutz des bodenständigen Gewerbes. Wir sind jedoch dagegen, daß dieser Schutz vielleicht auf Kosten der anderen ehrlich arbeitenden Stände geschaffen wird. Die Vorlage hat viele Mängel. Wir werden so stimmen, wie es der Schutz des bodenständigen Gewerbes erfordert. (Souhlas a potlesk na levici.)


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