Pátek 19. února 1926

Alle Wünsche Beneš' eine Garantierung der Grenzen zu erreichen, wurden bekanntlich abgelehnt. Und wenn sich Beneš trotzdem darauf beruft, daß im Artikel 21 des Schiedsvertrages der Artikel 10 des Völkerbundpaktes, der die Grenzsicherung beinhaltet, einbezogen wird, so ist dies nur teilweise richtig, denn durch die Bezugnahme auf die Bestimmungen des Völkerbundpaktes ist gleicherweise auch der Artikel 19 des Völkerbundpaktes einbezogen, welcher vorsieht, daß eine Nachprüfung veralteter und den Weltfrieden gefährdender Verträge und Verhältnisse jederzeit möglich ist. Auf diese bedeutungsvolle Kleinigkeit scheint Dr. Beneš, ob bewußt oder unbewußt, weiß ich nicht, vergessen zu haben, hinzuweisen. Bezüglich der Behauptung Beneš', daß Deutschland seinen èechisch-französischen Sonderpakt zur Kenntnis genommen hat, will ich nur darauf hinweisen, daß der deutsche Reichsaußenminister Herr Dr. Stresemann im Reichstage laut stenographischen Protokolles erklärt hat: "Die Vertreter der Verbündeten haben den größten Wert darauf gelegt, daß die Verträge zwischen Frankreich, Warschau und Prag eingefügt würden in das gesamte Werk von Locarno. Wir haben das abgelehnt mit der Begründung, daß es uns, nachdem der Westpakt abgeschlossen sei, gar nicht interessiere, was Polen und die Èechoslovakei mit Frankreich abzumachen hätten. Man hätte es, glaube ich, auf der Gegenseite sehr begrüßt, wenn wir die Verträge zur Kenntnis genommen hätten. Das war ein Versuch, auch diese Verträge als einen Teil des Werkes von Locarno hinzustellen. Wir haben erklärt: "Wir haben den einfachen Schiedsvertrag mit Polen, was Frankreich sonst noch mit Polen zu tun hat, geht uns nichts an. Entscheidend ist die Frage, wer als Angreifer bezeichnet wird. Diese Frage untersteht der Prozedur des Völkerbundes und ferner der englischen Garantie. Was die Staaten darüber hinaus unter sich vereinbaren, steht außerhalb des Einspruchsrechtes irgendeiner anderen Macht."

Diese Widersprüche bedürfen der Klärung und ich hoffe, daß der abwesende Außenminister Herr Dr. Beneš Gelegenheit nehmen wird, sich nunmehr das Protokoll vorlegen zu lassen, um auf diese Widersprüche in seinem Schlußworte zurückzukommen. Ich bedauere es außerordentlich, daß über das angezogene Exposé des Herrn Außenministers im Ständigen Ausschusse im Oktober vorigen Jahres ein stenographisches Protokoll hier nicht zugänglich gemacht wurde. Ich habe mich deshalb auch veranlaßt gefühlt, eine Entscheidung des Hauspräsidiums darüber herbeizuführen, ob über Verlangen die Vorlage eines solchen stenographischen Protokolles an die Mitglieder des Hauses nicht Verpflichtung ist.

Wie wir in der letzten Zeit gesehen haben, begnügt sich Beneš nicht mit dem großen. Geiste von Locarno, sondern wie er aus mangelndem Vertrauen zur großen Entente sich die Kleine Entente schuf, ging er auch in Temesburg ans Werk, einen kleinen Locarnogeist heraufzubeschwören. Seine ganze vorvorgestrige Rede, die sich unter weiter Ausholung mit den Verhältnissen bei der ungarischen Frankfälschung beschäftigte, die dem Berichte eines Untersuchungsrichters alle Ehre gemacht hätte, sollte nach meinem Ermessen nur den Hintergrund dafür abgeben, das bisher immer noch widerstrebende Ungarn durch versteckte Drohungen mürbe und dem kleinen Locarnogeist gefügig zu machen. Es ist bezeichnend, daß bei den letzten Temesburger Verhandlungen der Kleinen Entente nicht mehr so scharf gegen die Wiederaufrichtung des Königtums in Ungarn zu Felde gezogen wurde, sondern, daß man diese Frage als eine mehr oder weniger interne Angelegenheit Ungarns anerkannte und daß nunmehr von dem unbedingten Verbote der Thronbesteigung durch einen Habsburger geredet wurde., Die èechische Öffentlichkeit war außerordentlich peinlich berührt, als bei dieser Gelegenheit in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen wurde, daß man in Prag sogar bereit sei, die Eingliederung Ungarns in die Kleine Entente mit der Abtretung des magyarischen Gebietes der Südslovakei er kaufen zu wollen. Schon vor Jahren wurden Äußerungen einer führenden Persönlichkeit dieses Staates in dieser Richtung ausgelegt und trotz aller Dementis der Regierung glauben eingeweihte Kreise mit Recht annehmen zu sollen, daß sich in dieser Richtung interessante Dinge vorbereiten. Freilich darf man dabei nie das Janusgericht Dr. Beneš vergessen, der die Außenpolitik in den Dienst der Innenpolitik und die Innenpolitik in den Dienst der Außenpolitik stellt. Irregeführt waren bisher immer jene Gläubigen, die das eine Gesicht für das wahre gehalten haben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß man den slovakischen Machtkitzel, bzw. die sich vorbereitende Einschwenkung der Slovaken dadurch fördern will, daß man andererseits die Möglichkeit der Regelung des Verhältnisses zu einem, befriedigten Ungarn in Aussicht stellt. Außenpolitisch soll dieser Köder vielleicht wieder in einer anderen Richtung Dienste tun, u. zw. mithelfen, die Legitimisten in Ungarn brachzulegen, um einmal das Schreckgespenst wiederkehrender Habsburger auf den Thron Ungarns für alle Zeiten zu bannen.

All diese Fragen, die ich heute nur kurz einer Erörterung unterzogen habe, gäben gewiß ein außerordentlich interessantes Material für ein Exposée des èechischen Außenministers. Doch wählt bekanntlich Dr. Beneš für die Mittelung in Fluß befindlicher politischer Aktionen einen außerhalb der èechischen Republik gelegenen Ort. Das Parlament wird dazu degradiert, immer erst nach Abschluß der politischen Aktionen einen trockenen Bericht über das Ergebnis entgegenzunehmen. Wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben, daß Dr. Beneš durch die Weiterentwicklung Mitteleuropas bald gezwungen sein wird, vor dem Forum des Parlamentes und nicht nur hinter den verschlossenen Türen des Außenausschusses zu all diesen schwebenden Fragen Stellung zu nehmen und hoffen wir, daß diese Entwicklung dadurch beschleunigt wird, daß eine Reihe dieser Fragen in nicht allzu ferner Zeit vor dem Völkerbunde zur Sprache kommen wird. Wohl erwarten wir bei der derzeit herrschenden Einstellung der Völkerbundmächte keine augenblicklichen Erfolge, wir glauben aber annehmen zu dürfen, daß bei fortschreitender Entwicklung und der immer mehr und mehr, reifenden Erkenntnis der Unhaltbarkeit der Pariser Schandfriedensverträge doch der Zeitpunkt kommen wird, wo auch uns Sudetendeutschen trotz aller Not und Pein, trotz aller Drangsalierungen, trotz der von Regierungswegen geförderten Untergrabung unserer Existenzbedingungen, aber auch trotz dieses kleinen Locarnogeistes, der ja doch nur in erster Linie der außenpolitischen Beruhigung und Sicherung der Staatsgrenzen dienen soll - um im Innern des Staates ohne Beunruhigung von außen das Werk der Entnationalisierung mit allen Machtmitteln ungestört vollenden zu können - es gelingen wird, das Weltgewissen wachzurufen. Schon ist die erste Bresche in das große Lügenpropagandagebäude der Verfälschung der öffentlichen Meinung über die sogenannte Ordnungszelle in Mitteleuropa geschlagen. Mussolinis Ausspruch über die Vergewaltigung der Sudetendeutschen darf nicht der Vergessenheit anheimfallen. Lauter denn je müssen wir unsere Stimme erheben und an die Gerechtigkeit der Welt appellieren, die es nicht dulden kann, daß 31/2 Millionen Sudetendeutsche hart vor den Toren ihres Mutterlandes in Schmach und Schande dem Volkstode entgegengehen sollen. Ihrer Èechisierungspolitik, meine Herren, ist es gelungen, den friedliebenden deutschen: Bürger dieses Staates mit einem Geist zu erfüllen, vor dem Ihnen im tiefsten Innern zu bangen beginnt. Denn alle diese brutalen Vergewaltigungsmaßnahmen der letzten Zeit beweisen, daß in Ihren Kreisen die innere Erkenntnis wächst, daß bei dem langsam, aber doch immer mehr wachsenden Einfluß Deutschlands auf internationalem Gebiet der Tag kommen wird und kommen muß, an welchem sich Ihre bisherige Politik schwer rächen wird, wenn es Ihnen nicht bis dahin gelungen ist, die sudetendeutschen Gebiete und ihre Bevölkerung èechoslovakisiert zu haben. Ich bin nicht so kleinmütig zu glauben, daß Ihnen dies je gelingen wird, aber Sie werden dereinst Rechenschaft ablegen müssen für diese ungeheuerliche Behandlung unseres armen friedliebenden und gepeinigten Volksstammes. Ihrem Nationalstaatsgeiste wird ein Rächer entstehen, für dessen Wirken nur Sie allein die Verantwortung werden zu tragen haben. Die maßlose Ausrottungspolitik Mussolinis gegenüber den 250.000 Deutschen Südtirols hat zum erstenmal ein Echo, und zwar nicht nur in der deutschen Kulturwelt erweckt. Wir halten uns an die Worte, die namens der deutschen Reichsregierung Herr Außenminister Dr. Stresemann gesprochen hat: "Rechtlich hat Deutschland keine Möglichkeit, unmittelbar in die Verhältnisse Südtirols einzugreifen. Italien hat auch eine besondere Verpflichtung zu einem besonderen Schutz der Minderheiten, wie sie von den Nachfolgestaaten übernommen ist, nicht auf sich genommen. Das ändert aber nichts an der Gemeinschaftlichkeit deutschen kulturellen Empfindens für die Staaten deutscher Kultur und für ein Volk, das seit Jahrhunderten deutsch gewesen ist und bis zur Stunde zur deutschen Kulturgemeinschaft gehört."

Wir bekennen uns stolz und frei als einen untrennbaren Teil dieser deutschen Kultur-, Not- und Schicksalsgemeinschaft und wir werden nie erlahmen, diesem Treuebekenntnis gemäß zu leben und zu streben. Mögen Sie auch heute noch auf der rechten Seite dieses Hauses triumphieren, auf Grund der Gewaltmittel, die es Ihnen erlauben, aller von Ihren geistigen Führern verkündeten Moral zum Hohn und unter Vorenthaltung unseres heiligsten Naturrechtes auf Ausübung der Selbstbestimmung unsere sudetendeutsche Heimat mit Krieg zu überziehen, während Dr. Beneš draußen den Locarnogeist predigt. Wir wollen und werden nicht verzagen. Auf unserer Seite steht das Recht, auf Ihrer Seite heute noch die brutale Gewalt. Die Demokratie wird in diesem Staate mit Füßen getreten - wir wollen der wahren Demokratie, die nur fußen kann auf der freien Ausübung der Selbstbestimmung, den Weg ebnen. Daran werden uns weder politische Fälscherkunststücke, noch ihre faszistischen Gewaltmethoden auf die Dauer zu verhindern vermögen, dieses unser Ziel zu erreichen. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Kreibicha (viz str. 431 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Nach dem Exposé des Herrn Ministers Beneš und den Abstimmungen der Koalitionsparteien scheint es heute für die Regierung und die Koalition keine wichtigere inner- und außenpolitische Frage zu geben als die ungarische Geldfälscheraffäre. Solange die Horthybanditen bloß mordeten, gerieten die kapitalistischen Regierungen nicht in Aufregung; aber Geld ist mehr als Blut und Menschenleben. Es wäre naiv, sich über diesen Grundsatz der kapitalistischen Welt zu wundern. Ebenso naiv wäre es, die moralische Entrüstung dieser durch und durch korrupten Regierungsparteien ernst zu nehmen. Herr Beneš hätte als Exponent dieses Regierungssystems und als Mitglied der von Korruptionsaffären am meisten heimgesuchten Regierungspartei bei sich zu Hause genug Gelegenheit, sein Reinigungsbedürfnis zu befriedigen. (Potlesk komunistických poslancù.) Wenn er zu diesem Zweck ins Ausland geht, so zeigt das nur, daß die Entrüstung über die ungarischen Geldfälscher nichts als ein Vorwand für einen Schachzug in der Politik des Herrn Beneš gegenüber Horthyungarn ist. Wir hätten gegen einen solchen Schachzug nichts, einzuwenden, wenn hinter ihm das wirkliche und ernste Bestreben stände, den arbeitenden Klassen Ungarns im Kampfe gegen ihre Peiniger zu Hilfe zu kommen. Aber Herr Beneš hegt ganz andere Absichten. Er gehört nicht zu den Feinden, sondern zu den Mitverantwortlichen diesen Systems. (Souhlas komunistických poslancù.) Daß die sozialdemokratisch-kommunistische Räteregierung in Ungarn mit Hilfe des Herrn Beneš durch die militärische Intervention Rumäniens und der Èechoslovakei gestürzt und dadurch die Aufrichtung der Horthy-Regierung ermöglicht wurde, ist zur Genüge bekannt. Herr Beneš gehört zu den Hauptarrangeuren des Genfer Sanierungswerkes, durch welches das Horthy-System finanziell gestützt und gestärkt wurde. Und das Ziel seiner Politik ist auch jetzt nicht der Sturz Horthys, sondern der Ausgleich mit ihm. Er hat ja auch schon eine wohlklingende Parole für diesen Ausgleich mit Horthy geprägt: Die Parole vom "mitteleuropäischen Locarno".

Das gleiche Ziel verfolgt die Kleine Entente. Rumänien verhandelt bereits eifrig mit der ungarischen Regierung und wenn diese Verhandlungen auch wegen der ungarischen Grenzforderungen zum Stillstand gekommen sind, so ist doch über die nationale Minderheit bereits ein Einvernehmen erzielt worden. Die Verhandlungen Jugoslaviens mit Ungarn sind sogar schon bis zu einer Aussprache über die Frage der Zollunion gediehen. Und daß Herr Beneš bereit ist, den Ausgleich mit Ungarn eventuell durch kleine Grenzberichtigungen zu erkaufen, ist ebenfalls ein öffentliches Geheimnis. Herr Beneš wollte durch eine scharfe Kampagne in der Geldfälscheraffäre die ungarische Regierung gefügiger machen. Aber Paris und London sind ihm dazwischen gefahren und er mußte seine Pressemeute um ein gutes Stück zurückpfeifen. England und Frankreich stellen sich eben jedesmal schützend vor Horthy, wenn ihm Gefahr droht. Die Ursache dieses Verhaltens ist eine ganz einfache Prozentrechnung. Die ungarische Wirtschaft ist heute mit ausländischem Kapital vollständig überfremdet und die Ziffern sprechen eine allzudeutliche Sprache: 40% des Kapitals sind englischen, 15% italienisch-englischen und 30% französischen Ursprunges. Daher die Angst Englands und Frankreichs vor einem Umsturz in Ungarn und wenn dort eine wirkliche Revolution gegen Horthy ausbräche, so wäre die Entente und in ihrem Dienste Herr Beneš sofort auf dem Sprunge, Horthy zu retten. (Souhlas a potlesk komunistických poslancù.)

Wo liegt aber die Wurzel dieses ganzen Geldfälscherskandales? Sie liegt in dem allgemeinen Verfall, in der allgemeinen Fäulnis der herrschenden Klassen nicht nur in Ungarn, sondern in der ganzen kapitalistischen Welt. Die herrschenden Klassen der besiegten und unterdrückten Nation sind längst nicht mehr imstande, den Kampf für die Befreiung der Nation zu führen. Dieser Kampf müßte die höchste moralische Kraftentfaltung bringen, aber nur dann, wenn die Massen des Volkes zum Kampfe aufgerufen werden. Das aber können die herrschenden Klassen in der heutigen Verfallsepoche der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr wagen. Denn, wenn die Massen einmal in Bewegung geraten und in den Kampf kommen, dann werden sie sich mit der Niederwerfung der fremden Unterdrücker nicht begnügen, sondern auch den herrschenden Klassen der eigenen Nation den Garaus machen. Das wissen die herrschenden Klassen der im Weltkrieg besiegten Nationen sehr gut und daraus erklärt sich die moralische Versumpfung, die erbärmliche Halbheit ihres Kampfes - wenn dieses gute Wort hier überhaupt verwendet werden darf gegen das Versailler Friedensdiktat. Und daraus ist auch zu erklären, daß diese herrschenden Klassen zu solchen Mitteln greifen, wie in dem aktuellen Fall das verlotterte Betyarengesindel. Daraus ist aber auch die Sympathie der Deutschnationalen, der deutschen Christlichsozialen und Hakenkreuzler für die Budapester Mörderund Verbrecherbande zu erklären. Die deutsche Bourgeoisie befindet sich eben in ähnlicher Lage wie die herrschenden Klassen Ungarns. Damit ist aber auch unsere Stellung zu der ganzen Affäre gegeben. Der todesmutige Kampf unserer ungarischen Genossen, die mit Rakossi an der Spitze den Folterkammern und Galgen Horthys Trotz bieten, enthebt uns der Pflicht, den schuftigen Verleumdungen der käuflichen Pressestrolche der Regierung, als ob unsere Kundgebung gegen das Exposé des Herrn Beneš eine Kundgebung für Horthy wäre, irgendwie entgegenzutreten. Wenn wir die verfaulte Moral der herrschenden Klassen der besiegten Nationen brandmarken, so wollen wir damit durchaus nicht sagen, daß die Moral der herrschenden Klassen der Siegernationen auch nur im geringsten besser wäre. Der Unterschied ist nur der, daß sie reichlichere Hilfsmittel haben und nicht zu den Mitteln der Verzweifelung zu greifen brauchen. Sie haben noch genug echtes Geld, um zu korrumpieren, und brauchen daher noch keines zu fälschen. (Veselost a potlesk komunistických poslancù.)

Die èechische Bourgeoisie, unterstützt von den Regierungssozialisten, ist noch stark genug, mit wenigstens äußerlich legalen Mitteln ihre Herrschaft über die nationalen Minderheiten aufrecht zu erhalten. Ein neuer Beweis dafür sind die Sprachenverordnungen, durch welche das Werk der durch einseitiges Diktat aufgezwungenen Verfassung und der Staatssprache gekrönt wurde. Herr Beneš hat durch seine Unterschrift unter diese Verordnung seine eigenen Redensarten über den "Geist von Locarno" selbst ad absurdum geführt. (Sehr richtig!) Diese Sprachenverordnung ist ein Beweis, daß der Ausgleich der èechischen und der deutschen Bourgeoisie auf dem breiten Rücken der Massen des arbeitenden Volkes und der Mittelschichten der deutschen Minderheit abgeschlossen werden soll. Denn diese Massen und nicht die deutschen Kapitalisten werden die Kosten der Sprachenverordnungen zu tragen haben. Die Zustimmung der slovakischen Volksparteiler zu den Sprachenverordnungen, welche die gesetzliche Festlegung des Diktates der Einheitsnation und der èechoslovakischen Einheitssprache endgültig bestätigen, beweist nur, wie weit der Kuhhandel der Hlinkaleute mit der Regierung schon gediehen ist, und daß dieser Kuhhandel den Verrat am Selbstbestimmungsrecht des slovakischen Volkes, an seinem Recht auf nationale Eigenart bedeutet. Diese Sprachenverordnungen zeigen aber auch, was man von dem gegebenen Wort dieser Regierung und dieser Minister zu halten hat. Herr Švehla findet nur ein zynisches Lächeln, wenn er an sein Wort vom Jahre 1920 erinnert wird, was die deutschen Agrarier nicht hindert, hinter den Kulissen fleißig mit ihm zu verhandeln. Und Herr Beneš geht mit einer diplomatischen Geste über die klaren Bestimmungen des Friedensvertrages von Saint Germain und der Verfassung über die Autonomie Karpathorußlands hinweg, indem er diesem Lande an Stelle der feierlich zugesicherten Autonomie die èechische Staatssprache oktroyiert, die dort überhaupt von niemandem gesprochen wird. Wir reklamieren das Selbstbestimmungsrecht nicht auf Grund der kapitalistischen Friedensverträge, aber wir brandmarken die Tatsache, daß die Unterzeichner dieser Friedensverträge dieselben mit Füßen treten, wenn sie ihnen nicht in den Kram passen. Und wir stellen fest, daß man auf das gegebene Wort und die Unterschriften dieser Herrschaften nichts geben darf.

Warum hat Herr Beneš die Gelegenheit seines Exposés nicht benützt, um uns zu berichten, welche gewaltigen Fortschritte die Konsolidierung der internationalen Lage nach Locarno gemacht hat? Er hat uns ja noch nicht einmal über Locarno an dieser Stelle Bericht erstattet. Es wäre wahrscheinlich auch seinem Geschick, mit Worten zu jonglieren, nicht gelungen, die Beweise für das Vorhandensein des Geistes von Locarno auf den Tisch des Hauses zu legen. Hätte er vielleicht seinen Freund Mussolini zitieren sollen, der die Fahne des italienischen Imperialismus über den Brenner, über die Seealpen, über die Adria und wer weiß wohin noch tragen will? Die himmelschreiende Brutalität, mit der die Deutschen im italienischen Südtirol entnationalisiert werden, übertrifft alle Schandtaten des österreichischen Regimes im Trentino. Man hat sich auch in der èechischen Koalitionspresse über das Echo entrüstet, welches das Unterdrückungssystem Mussolinis erweckt hat. Aber weder die èechische Patriotenpresse noch Herr Beneš haben auch nur ein einziges Wort übrig für die Tatsache, daß die Schandtaten dieses Regimes der nationalen Unterdrückung nicht nur gegen die deutsche, sondern auch gegen die slavische Minderheit in Italien geübt werden. Wo ist das Mitgefühl für die slavischen Brüder geblieben? Das Schweigen der èechischen Patrioten zu den Leiden der slavischen Minderheit in Italien beweist, daß die internationale Solidarität der nationalen Unterdrücker wirksamer ist als die so oft gerühmte slavische Solidarität. Herr Mussolini steht ja jetzt unter dem Protektorat des englischen Kapitalismus, der ihm freie Hand auf dem Balkan und koloniale Eroberungen überläßt, um einen Verbündeten für seine verbrecherische Unterdrückungspolitik in Ägypten und Vorderasien zu gewinnen. Wo ist hier etwas von Konsolidierung, von Friedensgeist und Locarno zu spüren? Das Bündnis mit England macht den italienischen Imperialismus frecher, er legt schwerer als bisher seine bewaffnete Faust auf die Ostküste der Adria, seinen "mare clauso" und verschärft dadurch den Gegensatz zwischen Griechenland und Jugoslavien, das umsomehr nach Saloniki schielt, je mehr ihm der Ausgang aus der Adria versperrt wird. Und um die Komödie der Intriguen vollzumachen, wirft die englische Diplomatie die Frage eines "Locarno für den Balkan" auf, das ebenso wenig ernst gemeint ist, wie das mitteleuropäische Locarno des Herrn Beneš.

So treiben die diplomatischen Exponenten des europäischen Kapitalismus ihr Spiel, streuen mit Locarno-Schwindel den Völkern Sand in die Augen und bereiten, hinter Friedensphrasen versteckt, den nächsten Krieg vor. Und während sie ihre Intriguen spinnen, beschlagnahmt der amerikanische Kapitalsriese ein Stück nach dem andern von den "heiligen Gütern", um die es in dem ganzen Spiele geht. Denn diese heiligen Güter sind der Kapitalsbesitz der herrschenden Klassen. Und wenn die Völker Europas eines Tages werden in den Krieg ziehen sollen für ihre heiligen Güter, dann werden sie plötzlich gewahr werden, daß ihnen von all dem fast nichts mehr gehört, daß sie die Hörigen des amerikanischen Kapitals geworden sind. Und wissen wir denn von den Ministern und Staatsmännern, die uns hier Reden halten, wie weit sie schon die Hampelmänner des Dollarkapitals sind?


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP