Pátek 2. øíjna 1925

Gesetze, die unter normalen Verhältnissen und bei objektiver Auslegung derselben ein Segen wären, werden durch Sie ins Gegenteil verkehrt und zu einem Politikum gestempelt, und wir befürchten dies nicht mit Unrecht auch vom neuen Kommassationsgesetzentwurf. Wie jetzt die diesbezüglichen Verhältnisse liegen, ist der Karren verfahren. Man hat das Pferd verkehrt aufgezäumt, anstatt zuerst zu kommassieren und dann zu Bodenreformen, um ein neues Beiwort zu prägen, hat man den Boden zuerst in viele Kleinparzellen zerlegt, und nun soll wieder mühsam kommassiert, zusammen gelegt werden. Unser Grundkataster, es ist ja der alte österreichische Kataster, ist in guter Verfassung und in manchen Belangen selbst dem reichsdeutschen Kataster überlegen. Ein Fehler, den er jedoch besitzt, liegt darin, daß in vielen Gegenden namentlich in Westböhmen die Fixpunkte fehlen und hier neue Arbeiten äußerst erschwert und unsicher sind, so daß viele Fachleute heute schon der Anschauung sind, daß eine vollständige Neukatastrierung wird einsetzen müssen, wenn es sich um Kommassationen handelt. Ihre fortgesetzten Drangsalierungen unseres Volkes in der Bodenreform lassen uns überdies Ihren neuen Entwurf eines Kommassationsgesetzes mit vorsichtigen Augen ansehen. Überdies wäre der schon im alten Österreich gehegte Plan, einer gerechten Revision der Katastralreinerträge, der durch den Krieg vereitelt wurde, endlich durchzuführen. Hier wäre einmal sehr viel Unrecht zu beseitigen. Aber Sie haben wichtigere Dinge zu tun, Sie schwelgen in der Politik und vergessen die wahren Interessen der arbeitenden Stände.

Große Beschwerden haben wir wegen der Nichterrichtung landwirtschaftlicher Krankenkassen. Alljährlich müssen wir auf dieser Tribüne zu diesem Gegenstande uns äußern. Was diesbezüglich aufgeführt wird, ist die größte Rücksichtslosigkeit. Die Errichtung landwirtschaftlicher Krankenkassen ist uns im Gesetze unter gewissen Bedingungen ausdrücklich gewährleistet. Das Gesetz wäre klar und lauter, aber die Ränke, die Sie anwenden, um uns um die garantierten Vorteile des Gesetzes zu bringen, grenzen ans Unglaubliche. Die eingebrachten Gesuche schlummern den andauernden Schlaf in den Schreibpulten der Kanzleien. Der Verwaltungsgerichtshof, auf den sich zuerst ein Rest unseres Vertrauens aufbaute, schweigt dazu und läßt alle anhängigen Rekurse liegen. Solche Zustände sind auf die Dauer nicht zu ertragen, sie verletzen tief das Rechtsbewußtsein des Volkes.

Eben solche Beschwerden führen wir wegen der Nichtausschreibung der Krankenkassenwahlen. Viele Vorstands- und viele Aufsichtsratmitglieder der Krankenkassen sind bereits vor einer langen Reihe von Jahren gewählt worden. Wir befinden uns nach dieser Richtung in einem Ex-lex-Zustand. Unsere Krankenkassenverwaltung ist erstarrt in ehrwürdigem Alter. Ihr fehlt der frische Zustrom junger Kräfte, die mit Eifer an die Lösung ihrer Aufgaben gehen. Ein ebenso schweres Unrecht an einem Großteil der Bauernschaft wird dadurch nicht beseitigt, daß ein gerechtes Gesetz über das Gemeindegut der Alteingesessenen, die man so schwer traf, noch nicht zur Verhandlung kam. Vor Torschluß, ehe sich dieses Haus auflöst, wäre hier gerechter Wandel zu schaffen. Unter Wehen und Schmerzen wurden auch zwei Sozialversicherungsgesetze uns geboren und ein drittes bildet gegenwärtig noch einen Streitfall innerhalb der Koalition. Die Einführung der Sozialversicherung der Arbeiterschaht bietet Ihnen die wunschgemäße Handhabe, um die weitere Errichtung landwirtschaftlicher Krankenkassen zu verhindern und uns auf jenen Zeitpunkt zu vertrösten, wo das Arbeitersozialversicherunggesetz in Kraft tritt. Beide Sozialversicherungsgesetze bedeuten für weite Kreise eine tiefe Enttäuschung. Beide spielen der Regierung eine vielfache Macht und große Geldmittel in die Hände und sind nicht aufgebaut auf dem demokratischen Grundsatz der Selbstverwaltung.

Das große Werk der Sozialversicherung ist dem Willen und Mißwillen der jeweilig am Ruder sitzenden Regierungsparteien ausgeliefert und bringt uns auch schwere nationale Einbußen. Beide Gesetze in ihrer jetzigen Form bedeuten die Einführung des Staatssozialismus und schwere finanzielle Schäden; letztere werden sich dauernd in allen Budgets der Zukunft erst ernst auswirken, ohne daß jene, für welche diese Gesetze geschaffen wurden einen wesentlichen Vorteil daraus haben werden. Die Lage der Landwirtschaft ist heute eine derartige, daß sie, bedrückt durch die großen Hypothekarschulden, durch die ungeheure Steuerlast, durch das schwere Unrecht der - Nichteinlösung der Kriegsanleihen, durch die ungenügende Novellierung der Vermögensabgabe und durch ungenügende Förderung der landwirtschaftlichen Produktion nicht in der Lage ist, neue Belastungen in diesem großen Ausmaß zu ertragen, ohne darunter zus ammenzubrechen. In den letzten Jahren ist die Verschuldung des ländlichen Besitzes um 3758 Millionen Kè, das heißt um 80% gegenüber dem Stande von 1920, gestiegen. Dies hat man nicht in Anschlag genommen und unserer Forderung nach einem neuen diesbezüglichen Gesetzentwurf der Sozialversicherung, der Rücksicht auf unsere Zahlungsfähtigkeit nimmt, wurde nicht willfahrt.

Es wäre des weiteren die Aufgabe der Regierung gewesen, ehe sie die Landwirtschaft und das Staatsbudget mit solchen neuen hohen Dauerbelastungen bedenkt, die Landwirtschaft erst für diese Zwecke zahrungsfähig zu machen und eine gerechte Steuerreform mit entsprechenden Steuernachlässen einzuführen, die Kriegsanleiheeinlösung zu beschließen und andere notwendige wirtschaftliche Maßnahmen zu treffen. Doch soweit geht die Sorge der Koalition nicht. Das Verantwortlichkeitsgefühl für die Zukunft fehlt ihr. "Nach mir die Sintflut", scheint ihr Losungswort zu sein. Dieser starre und gewalttätige Zentralismus von unverfälschter Prager Marke, der sich in allen diesen gegen uns gerichteten Gesetzen auslebt, bringt schweres Unheil über unsere Bevölkerung und löst berechtigte Unzufriedenheit und Erbitterung aus. Dieser Zentralismus hat es auch u. a. zu Wege gebracht, daß man den Gemeinden kurzerhand das Recht entwand, ihre Umlagen selbst einzuheben. Für die Gemeinden ergeben sich hieraus Unzukömmlichkeiten und auch größere Geldverluste. Im Gemeindesäckel herrscht ständig Ebbe, nie sind die Gelder rechtzeitig für die dringenden Notwendigkeiten zur Verfügung, die Gemeinden müssen Darlehen bei ihren heimischen Geldinstituten, wenn nicht in der noch teuereren Ferne aufnehmen und hoch verzinsen, so daß das Gemeindebudget in Unordnung kommt und die Ausgaben unnützerweise anschwellen. Überdies ist die Bewilligung der Einhebung von Gemeindeumlagen durch die Landesausschüsse ungemein schleppend, so daß sich auch in dieser Beziehung große Zinsenverluste ergeben. Die Staatsregierung täte besser, in ihrem Budget selbst klare Ordnung zu machen und klar zu budgetieren und nicht durch ihre unverantwortlichen Experimente noch die geregelten Budgets vieler Gemeinden und Bezirke zu zerstören. Wie wird es dann erst in Ihren Gauen aussehen, die ein äußerst komplizierter Verwaltungsapparat sein werden?

Das himmelschreiende Unrecht, daß Sie in der Kriegsanleihefrage an unserem Volke begangen haben, wird von uns nie und nimmer vergessen werden und wir werden nicht nachlassen, werden Ihnen den Schuldwechsel stets beharrlich von neuem präsentieren. Wir werden die Lösung, die Sie als endgültig bezeichnen, niemals akzeptieren, auf eine gerechte gesetzliche Regelung dieser Sache rastlos und andauernd drängen, denn auch dem unvoreingenommenen Ausländer ist dieses schwere Unrecht, das man an uns verübte, bereits klar verständlich. Es war ein gegen das deutsche Kapital gerichteter schwerer Anschlag, es war Freibeuterpolitik größten Stils. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Die Fürsorge für die Kriegsbeschädigten nimmt rund 504 Millionen Kè in Anspruch. An der gerechten Verwendung dieser Post sind neben den Invaliden, ihren Witwen und Waisen auch die Gemeinden interessiert, denn durch die nicht rechtzeitige Auszahlung der Renten kommen viele Gemeinden infolge der notwendigen Armenunterstützung schwer ins Gedränge. Wir müssen fordern, daß unsere deutschen Invaliden bei der Vergebung staatlicher Posten und bei der Bodenreform berücksichtigt werden. Dies geschieht nicht. Unsere Invaliden sind die Stiefkinder des Glückes. Wünscht man die Berücksichtigung derselben bei der Ämterbesetzung, dann bekommt man regelmäßig die Antwort: "Der Mann beherrscht die Staatssprache nicht." Staaatssprache heißt der unduldsame Grundsatz, ist das für Sie allein Seligmachende. Ein bitteres Unrecht ist die Festsetzung der Einkomm nsgrenze von 5000 Kè, sodaß kein bäuerlicher Invalide und kein mittlerer Gewerbsmann seine ihm zustehende Invalidenrente bekommt. Kein europäischer Staat hat so ungerecht gehandelt, weder Österreich, noch die Entente oder Deutschland, welch letzteres zwar eine solche Einkommensgrenze kennt, aber wenigstens ein anderen Entschädigungsweg für diese schwerleidenden Kreise gefunden hat.

Heute ist die Frage der Entschädigung für die Einlagen in die Postsparkassa noch immer nicht geregelt, man scheint die Sache wohl ganz vergessen zu haben. Bezüglich der Auszahlung der fälligen Versicherungsbeiträge der österreichischen Versicherungsanstalten im gerechten Schüssel, eine alte Krone = eine Kè, sind die Verhandlungen mit Österreich lange beendet, aber noch immer zögert die Regierung dem Hause einen Gesetzentwurf einzubringen, damit die Sache in Fluß gerate und auch im österreichischen Parlament endlich bereinigt werden könnte. Das lange Hinausschieben dieser Sache empfinden die weitesten und oft bedürftigsten Kreise schwer.

Die Regelung der W-Konti ist nach Jahren noch immer nicht erfolgt. Es gibt kleine ländliche Raiffeisenkassen und andere Institute, von denen oft ein einzelnes Institut über eine halbe Million solcher alter Kronen besitzt, woraus ihnen ein großer Zinsenverlust erwächst. Es ist unentschuldbar, daß hier nicht schon lange ein befriedigender Wandel geschaffen wurde und diese Institute wie auch andere Institute von dieser sie hemmenden Last befreit wurden.

Das Elend der Schluckenauer Sparkasse scheint die Regierung nicht zu kennen, Äußerungen von dort gegenüber scheint sie taube Ohre zu besitzen. Jede Verzögerung in der Sanierung derselben ist eine namenlose Rücksichtslosigkeit, ein Attentat auf die armen Sparer. Auch viele andere Geldinstitute werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen und geraten in eine schwierige Situation. Weite Gebiete des Staates werden hievon betroffen, rasche und energische Hilfe hat hier einzusetzen. Aber man sieht dem Unglück mit verschränkten Armen zu, andererseits jedoch hebt man große Sanierungsgelder von den verschiedenen Gedinstituten regelmäßig ein. Zum Zahlen sind wir gut, nicht aber dort, wo wir das Recht auf Hilfe haben. Das alles sind Benachteiligungen und Schädigungen weiter Bevölkerungskreise. insbesondere jener des Mittelstandes, der Landbevölkerung. Den schwerstwiegenden und tiefstgehenden Vorwurf, der gegen Sie von unseren schlichten Landbewohnern, die Recht und Unrecht gut unterscheiden, erheben wird, ist der, daß das Eigentum an Grund und Boden in der Èechoslovakischen Republik aufgehört hat, ein Rechtsbegriff zu sein. Im deutschen Rechtsbewußtsein ist die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Eigentums tief verankert. Sie schwelgen jedoch in Besitzkonfiskationen aller Art: Grund und Boden, Wohnungen, Schulhäuser, Waisenhäuser, Blindenheime, Theater, alles, was nur greifbar ist, wird dem nationalen Kataster einverleibt. Nach diesem und anderen greift, um mit Peter Chelèický zu sprechen, der unersättliche Walfisch Staat.

Vom deutschen Volke verlangen Sie Loyalität. Sie, die dies von unserem Volke verlangen, stiften dasselbe von Grund und Boden ab und handeln daher in höchstem Maße selbst illoyal und wundern sich, wenn dann berechtigte ernste Notwehr einsetzt. Neuestens setzt auch die Bilderstürmerei wieder aufs neue ein, besonders in West-Böhmen und sind es schlichte Gedenktafeln - eine solche wurde auch am Rathause in meinem Heimatsorte Bischofteinitz beanständet - an denen man seinen Groll ausläßt, in dem man ihre Entfernung fordert.

Unsere Beschwerdereihe ließe sich noch ansehnlich erweitern. Nach welchem Budgetkapitel wir auch greifen, immer stoßen wir auf offenen oder verhüllten Widerstand, auf offene oder verhüllte Gegnerschaft. Deshalb ist es nicht nur unser Recht, um den Staatspräsidenten zu zitieren, uns zu wehren, nein es ist unserer Auffassung nach mehr, es ist auch unsere Pflicht dies zu tun.

Wir haben in den vergangenen 6 Jahren viel über uns ergehen lassen müssen, viel herbe Enttäuschungen, viel Druck und Drangsalierung erduldet, so daß wir zur Regierung nicht das geringste Vertrrauen aufbringen; und daher wird meine Partei, wie in den vergangenen Jahren, gegen das Budget stimmen. (Souhlas a potlesk na levici.)

8. Øeè posl. Kirpalové (viz str. 1062 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Herr Abgeordnete Hnídek hat seine Ausführungen mit folgenden Worten geschlossen: "Das Budget ist unser Stolz, aber auch der Stolz vor der ganzen Welt." Ich glaube, der Herr Abgeordnete Hnídek glaubt selbst nicht an diese Worte. Er weiß, daß diese Konsolidierung, von der er und die anderen Redner der Koaliitionsparteien soviel gesprochen haben, nur eine Scheinkonsolidierung ist, er weiß genau, daß dieses Budget kein aktives ist, sondern daß die Aktivität nur künstlich herbeigeführt wurde. Wie haben Sie diese Aktivität herbeigeführt? Sie haben voraussichtliche Ausgaben nicht eingestellt, z. B. Abfertigungen für abgebaute Beamte, Mehrkosten durch die Regelung der Bezüge, Zinsen für neue Anleihen, hingegen haben Sie Posten hereingebracht die nicht auf Grund von Berechnungen, sondern auf Grund von Schätzungen aufgestellt wurden. Sie wollen in diesem Jahr Mehreinnahmen erzielen, u. zw. Mehreinnahmen, die insbesondere die arbeitende Bevölkerung belasten. Ein paar Ziffern sollen dies beweisen. Sie wollen mehr einnehmen: bei der Erwerbsteuer um 3 Millionen, d. s. 1.2%, bei der Erwerbsteuer von Unternehmungen 32 Millionen, das sind 11%, bei der Rentensteuer 13 Millionen, das sind 15%, bei der Einkommensteuer 195 Millionen, oder 15%, bei der Fahrkartensteuer 20 Millionen oder 15%, bei der Frachtabgabe 81 Millionen oder 24% und bei den Stempeln um 63 Millionen. Das bedeutet eine unerträgliche Belastung der Bevölkerung. Bei der Besprechung dieser Frage hat der von mir bereits genannte Abgeordnete Hnídek darauf hingewiesen, daß sich ein unhaltbarer Zustand in diesem Staate eingebürgert habe. Die Steuern sind so groß u. unerträglich, daß sie nicht mehr einzutreiben sind und daß Tag für Tag unzählige Rekurse gegen die Vorschreibungen einlaufen, täglich müssen tausende von Exekutionen durchgeführt werden. Er führte einige Beispiele an u. zeigte gleichzeitig, wie alles schablonisiert wird. So z. Beispiel führt man eine Exekution wegen 2·50 K durch, oder führt Exekutionen durch just in dem Moment und in denjenigen Orten, die von Elementarkatastrophen heimgesucht wurden. Diese Betrachtung, schließt er mit folgenden Worten: Diese unhaltbare Praxis gleicht einer Maschine ohne Geist. Wenn der Herr Abgeordnete Hnídek das sagt, hat er sicherlich diese Frage ganz genau überlegt, er hat Ihnen zu bedenken gegeben, daß mit diesen Zuständen aufgeräumt werden müsse.

Sie rechnen gerade in diesem Jahr auf Mehreinnahmen und vergessen, daß Sie Tausende und Abertausende von Arbeitern und Angestellten brotlos gemacht haben. Wenn wir die beste Hochkonjuktur hätten, wären Sie nicht in der Lage, diese Mehreinnahmen durch Steuern herauszuwirtschaften. Ihr Prinzip ist: Nehmen, aber niemals geben! Dieses Prinzip werde ich Ihnen an enigen Beispielen nachweisen. Wir haben einen Staat mit einer Regierung vor uns, die wir ohne zu übertreiben mit den reaktionärsten, engherzigsten und rückständigsten Unternehmern vergleichen können, die Regierung ist doch die Schrittmacherin für den Lohnund Gehaltsabbau gewesen. Sie sind es, die mit Entlassungen voranschreiten, Sie sind es, die die Frauen auf das Pflaster werfen, Sie sind es, die mit der Reaktion an der Spitze marschieren. Ein Beispiel: Kurze Zeit, nachdem das Abbaugesetz ratifiziert wurde, erklärte der damalige Finanzminister Novák zu einem Berichterstatter der "Neuen Wiener Presse" in einem Interview: Die Regierung müsse mit dem Lohn- u. Gehaltsabbau voranschreiten, damit die Privatunternehmungen dasselbe tun und 10 bis 15% an den Gehältern u. Löhnen ihrer Angestellten u. Arbeiter abbauen können. Er sagte dies im vollen Bewußtsein, daß diese Äußerung durch die Zeitungen gehe und bei den Privatunternehmern Anklang finden werde. Und was er prophezeiht hat, ist auch tatsächlich eingetreten. Wenn wir die Löhne von heute mit jenen vor dem sogenannten Dezembergesetz vergleichen, sehen wir, daß nicht nur ein Gehaltsabbau von 10 bis 15% eingetreten ist, sondern von 30, 40, 50 bis 60%. Und wie machen Sie es mit den Entlassungen? Sind Sie nicht wieder die Schrittmacher für die Privatunternehmungen? Sie entlassen Tausende und Abertausende von Arbeitern und Angestellten, Sie werfen die Frauen auf das Pflaster, ohne sich zu kümmern, ohne zu fragen, ob diese Frauen auch wirtschaftlich sichergestellt sind, obwohl Sie uns versicherten, daß die Entlassung der Frauen erst dann erfolge, wenn ihre wirtschaftliche Sicherstellung gegeben ist. Sie erfüllen nie und nimmer Ihre Pflicht, wie ich noch nachweisen werde.

Sie haben wohl Gesetze über Gesetze geschaffen, die Staatsmaschinerie ar beitet ausgezeichnet, Papier häuft sich über Papier, aber die Durchführung läßt zu wünschen übrig. Nur ein Beispiel: Sie haben wohl die Gleichstellung der Altpensionisten mit den Neupensionisten versprochen, Sie haben versucht, mit dem Gesetze die Härten, der früheren Gesetze auszugleichen, aber wir wissen, daß diese Härten bis zum heutigen Tage nicht ausgeglichen sind. Insbesondere sind es die Altpensionisten, die noch viel zu leiden haben. Leute, die 10 bis 15 Jahre provisorisch gedient haben, bekommen diese Jahre bei der Durchrechnung nicht eingerechnet, Leute, die vor dem ersten September angestellt waren, beziehen noch die niedrigen Pensionen. Das Gesetz v. 18. Dezember 1924, die Gleichstellung der Pensionisten, hat trotz Versprechen die finanzielle Wirksamkeit nicht erlangt. Es steht wohl auf dem Papier, aber die Pensionisten leiden weiter Hunger. Die Abgeordneten und Politiker der Koalitionsparteien sind wohl vor der Gesetzwerdung von einer Versammlung in die andere gegangen, haben auf dieses Gesetz mitgroßer Aufmachung aufmerksam gemacht und gesagt, wenn die Durchrechnung auch nicht so rasch geschehen kann, würden sie schon dafür Sorge tragen, daß man entweder Anzahlungen gebe oder ehestens die Durchrechnung vollführe. Wo sind die Versprechu gen? Nichts ist in die Tat umgesetzt worden, Worte, nichts als leere Worte, Worte! Die Regierung stützt sich darauf, daß die Durchrechnungen nicht gemacht werden können, weil sie bei einem Pensionisten einer Vorrückung gleichkämen, was bei einem nichtaktiven Diener nicht möglich sei. Lieber lassen Sie tausende und abertausende Pensionisten Hungers sterben, eher lassen Sie sie in Not und Elend schmachten! Ein ganz kleines Beispiel ein Einzelfall, welches so kraß das Elend dieser Leute charakterisiert. Vor einer ganz kurzen Zeit erschien in Preßburg beim Steueramt in der Slovakei ein 72jähriger Pensionist aus Slazov und behob seine monatliche Pension von sage und schreibe 182 Kronen und stellte gleichzeitig die Frage, ob diese Pension auch nach seinem Tode an seine Verwandten weiter ausbezahlt werde, und als er die bejahende Antwort erhielt, ging er nachhause und erhängte sich am Fensterkreuz. Ein Beispiel für tausend andere; ein Pensionist erhängt sich, weil der Staat ihm nur 182 Kronen monatlich, nicht nur für sich, sondern für seine ganze Familie bezahlt.

Ein Wort zur Freizügigkeit in diesem Staate, die jedem Staatsbürger durch die Verfassung gewährlichleistet wird. Wenn Pensionisten ins Ausland reisen, wird ihnen die Teuerungszulage nicht gewährt, ja der Staat geht sogar soweit, daß er Pensionisten oder deren Witwen die Renten nicht bezahlt, wenn sie sich über 3 Monate im Auslande aufhalten. Dazu wird der Erlaß des Finanzministeriums vom 25. Juni 1924 von den Beamten der einzelnen Ministerien nicht gleich ausgelegt und es entstehen Widersprüche. Das ist auch sehr bezeichnend! Gesetze und Verfassung werden mißachtet.

Und nun, meine verehrten Damen und Herren, zu einer anderen Gruppe von bedauernswerten Menschen, den Kriegsverletzten. Es ist nicht das erstemal, daß ich von dieser Stelle zu dieser Frage Stellung nehme. Erst jetzt haben wir eine klare Statistik erhalten, die aufzeigt, daß die Zahl der Kriegsinvaliden noch nicht zurückgegangen ist. Wir haben in diesem Staate 450.000 Versorgungsbedürftige, ich lege Nachdruck auf das Wort "Versorgungsbedürftige", und nur 296.627 Kriegsinvaliden wurden die Renten zuerkannt, während 152.000 abgewiesen wurden. Die Ursachen der Abweisungen liegen darin, daß viele nicht als rentenbezugsberechtigt anerkannt werden, weil ihre Invalidität nicht 20% erreicht hat - die Èechoslovakei ist diesbezüglich ein rückschrittlicher Staat, denn in Frankreich und in Polen erhält der Invalide schon bei 15% Invalidität die Rente zuerkannt. Andere haben aus Unkenntnis der Gesetze die Anmeldefrist versäumt, viele haben sich nicht gemeldet, weil sie noch in der Lage waren, einem Verdienste nachzugehen. Alle die Massen von Gesuchen, die nach dem 31. Dezember 1923 im Ministerium oder im Landesamt für Invalidenfürsorge zwecks Zuerkennung der Rente einlangen, werden ganz einfach ohne daß man sie prüft - das wurde uns gegenüber behauptet und bestätigt - ad acta gelegt. Man fragt nicht, wie diese Leute leben, was mit ihnen geschieht u. s. w., man amtiert nach dem starren Gesetzesparagraphen. Im vorigen Jahre versuchte man eine Attacke auf die ohnedies kleinen Renten der Kriegsbeschädigten zu machen, indem man die Teuerungszulage abbauen wollte. Auf der einen Seite eine sich immer nach aufwärts bewegende Teuerungswelle, auf der anderen Seite die Bemühung des Staates, die kleinen Renten durch Abbau der Teuerungszulagen abzubauen. Diese Attacke wurde vereitelt. Im heurigen Jahre wurde ein anderer Plan des Finanzministeriums in Aussicht genommen. Man versuchte, die Höhe der Erwerbsfähigkeit der Invaliden auf 40% herunterzudrücken. Das würde bedeuten, daß erst derjenige Invalide eine Rente zuerkannt bekommt, dessen Arbeitsfähigkeit auf 40% gesunken ist. Nach diesem Plane würden 65% aller Invaliden aus der Versorgung ausschalten - in Zahlen umgesetzt: 120.000 Menschen hätten überhaupt keinen Anspruch auf die Versorgung durch den Staat. Auch hier haben wir mit den Opfern des Krieges rechtzeitig eingegriffen und den Plan zunichte gemacht. Und was versprach man Kriegsinvaliden bei den vielen Vorsprachen im Ministerium? Nur ein klein wenig Geduld! Bis sich der Staat konsolidiert haben wird, dann dann werde man in ersten Reihe daran denken, den Kriegsinvaliden ihre Renten zu erhöhen. Nun sagen Sie, daß wir einen konsolidierten Staat und ein aktives Budget haben: Wo bleibt die Erfüllung dieses Versprechens? Das Gegenteil tritt ein, trotz Konsolidierung will man den Invaliden noch die Versorgung kürzen.

Ein Wort zu den Bezirksämtern. Wir haben in diesem Staate gleich nach dem Umsturz 38 Bezirksämter gehabt. Imm Jahre 1924 wurde diese Zahl auf 32 und im Jahre 1925 sogar auf 17 Bezirksämter reduziert. Das bedeutet, daß die Invaliden oft einen ganzen Tag Zeit brauchen, bevor sie an die kompetente Stelle kommen, daß sie aber oft, weil dort nur bestimmte Amtsstunden sind, ohne Erledigung ihrer Angelegenheit nachhause fahren müssen, um nächste Woche wieder vorzusprechen. Es ist weiters unmöglich, daß diese 17 Bezirksämter wirklich klaglos ihre Arbeit bewältigen können. Die Arbeit häuft sich und kann nicht erledigt werden, die Invaliden sind die Leidtragenden. Auch beim Landesinvalidevamt sind die Verhältnisse nicht besser! Von dieser Stelle aus und nicht nur von mir allein, auch von Koalitionsparteien wurde bei Besprechung der Invalidenfrage immer darauf hingewiesen, daß gerade dieses Amt seine Pflichten und Arbeiten nicht erledigen könne, weil zu wenig Beamte dort sind. Man hat also auf diese Mängel jederzeit hingewiesen und doch hat man bei der Restrinktion der Beamtenschaft darauf keine Rücksicht genommen. Von 396 Beamten wurden 82 abgebaut. Man versucht also, die Konsolidierung der Finanzen auf Kosten der Invaliden mit zu bestreiten.

Zu den Tabakarbeiterinnen! Auch hier - wie immer und überall wird mit doppeltem Maß gemessen. Die Tabakarbeiterinnen werden nicht im Sinne der einschlägigen Gesetze so wie die männlichen Bediensteten qualifiziert, ihnen werden die Zulagen für ihre Kinder nicht gewährt. Darüber ließe sich, wenn nur mehr Zeit zur Verfügung stünde lange reden. Die Abbauaktion verschonte auch nicht die Tabakarbeiter; nicht weniger als 5000 arbeitende Personen wurden aus den Tabakfabriken entlassen. Sie haben ganz vergessen, daß Sie damit das Heer der Arbeitslosen vermehren. Sie haben aber auch nicht gefragt, ob diese Personen anderweitig Beschäftigung bekommen, das scheinen für Sie überflüssige Fragen zu sein! Trotz Verminderung der Arbeitenden verlangen Sie Mehrleistung! Also mehr Profit auf Kosten der Arbeitskraft der dort Angestellten.

Und nun, meine Verehrten, ein Wort zu Ihrer "sogenannten" Demokratie. Ihr ganzes Streben ist nach Herrschsucht, daher überall Raubbau, nichts wie Raubbau. Obwohl ich in der ersten Abteilung meines Referates nur den Raubbau an der Lebenshaltung der Arbeiterschaft aufzeigen konnte, kann ich Ihnen bei der Behandlung der zweiten Abteilung nachweisen, daß Sie den Raubbau auch an der Selbstverwaltung und Autonomie der Selbstverwaltungskörper vollziehen wollen. Sie haben die Gemeinden schon durch die vom Staat eingesetzte Finanzhoheit gedrosselt. Sie sind nun bestrebt, ihnen noch die Selbstverwaltung zu rauben.

Die Gemeindenovelle und das Finanzgesetz bedeuten schon einen kolossalen Eingriff in die Selbstverwaltung. Nach der neuen Vorlage, die dem Hause überreicht werden soll, soll die Autonomie buchstäblich geraubt werden. Die Vorlage bestimmt z. B., daß die Gemeinden und Bezirke keine Umlagen über eine bestimmte Höhe einheben dürfen. Die Höhe ist mit 250% bemessen. Alles soll schablonisiert werden. Man nimmt gar keine Rücksicht auf die verschiedenen wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinden, auf ihre Bedürfnisse, man nimmt gar keine Rücksicht darauf, daß die Gemeinden auch Aufgaben haben, die sie erfüllen müssen, man nimmt gar keine Rücksicht auf die Nachkriegsverhältnisse, wo die Gemeinden gerade jene Arbeiten durchführen mußten, zu denen eigentlich der Staat verpflichtet gewesen ist, wie z. B. Straßenbauten, Notstandsarbeiten, Ausbau von Krankenhäusern, Armenhäusern, Säuglings- und Wöchnerinnenheim usw.

Dazu hat man Geld gebraucht! Wie ein Hohn klingt es, wenn man erfährt, daß - wenn die Gemeinden mit diesen Gebührenund Umlagegeldern nicht auskommen, sie noch eventuellen den Anspruch auf 20% von den in diesen Orten eingehobenen Luxus- und Umsatzsteuern haben. Also auf Gnadengelder sollen die Gemeinden angewiesen sein, und es hängt wieder von der Aufsichtsbehörde ab, ob sie diese Gnadengelder bewilligt. Der Staat ist nicht der berufene Faktor, der das Gleichgewicht in den Gemeinden herbeizuführen imstande ist. Im Gegenteil, man könnte ganz ruhig aussprechen, daß der Staat sich des öfteren ein Beispiel von der Verwaltung und Führung an der Gemeinde nehmen könnte.

Die Frage könnte auch anders gestellt werden! Wer belastet eigentlich am meisten die Kommunen? Es ist in erster Linie der Staat. Er ist es, der die Kommunalbetriebe mit ungeheueren Steuern belastet und ihnen so den letzten Rest ihrer Rentabilität raubt, die Steuern sind es, die der Staat selbst ihnen auferlegt. Von Gnadengeldern zu leben, bedeutet zugrunde gehen, bedeutet einen Rückschritt der Gemeinden auf humanitärem und wirtschaftlichem Gebiete.

Aber noch mehr! Sie wollen die Verwaltung in Ihre Macht bekommen. Aus Ihren Betrieben und ämtern sind Tausende und Abertausende Arbeiter und Angestellte hinausgeworfen und brotlos gemacht, und nun wollen Sie dies auch in den Gemeinden versuchen. Sie verlangen, daß alle jene Beamte und Bediensteten in den Gemeinden, die im Jahre 1919 ihr Definitivum erlangt haben, in ihrem Anstellungsverhältnis einer neuen Revision unterzogen werden, das Definitiv solle in ein Vertragsverhältnis umgewandelt werden. Verèechisierungstendenzen verleiten Sie zu dieser Maßnahme. Alle mißliebigen Beamten, die nicht gefügige Werkzeuge Ihres Staates und Ihrer Herrschsucht sind, sollen einfach auf das Pflaster geworfen werden. Daß wir uns gegen diese Maßnahme wenden, daß wir gegen dieselbe protestieren, daß wir den schärfsten Kampf um die Erhaltung der Autonomie in der Komm unalverwaltung führen werden, dessen versichere ich Sie. Auf der einen Seite haben Sie diese Vorlage ausgearbeitet, auf der anderen Seite geht der Vertreter des Ministeriums des Innern Minister Malypetr zu Konferenzen und zu Kongressen und gibt gegenteilige Erklärungen ab. Es liegt mir hier ein Kongreßrede im Auszug vor, die Innenminister Malypetr am 19. Juli 1925 im Kremsier beim Kongreße der mährischen Gemeinden gehalten hat. Er führte dort aus: "Den Bestrebungen nach Gemeindeautonomie können keine Hindernisse in der Weg gelegt werden, wenn sie gesund, das ist für die ganze Bürgerschaft van Nutzen sind. Es ist nicht zu befürchten, daß jemand unsere Selbstverwaltung im freien Staate antastet, wenn wir unsere Autonomie in schweren Zeiten nicht antasten ließen." Wer soll Ihnen Ihre Autonomie antasten, wenn Sie sie nicht selbst antasten? Herr Minister Malypetr spricht anders und denkt anders. Es ist kein Geheimnis, daß er der Urheber der von mir erwähnten Vorlage ist.


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