Der Herr Ministerpräsident hat auch ein Pressegesetz angekündigt, wonach Delikte durch die Presse den Geschworenen entzogen werden. Wir können darüber einer Meinung sein; es ist gewiß, daß die Geschworenen in solchen Prozessen häufig versagt haben, aber das weiß man doch schon viel länger und nicht erst, seitdem das "Rudé Právo" fortwährend Spiritus- und Benzinsachen aufdeckt. Warum auf einmal dieser Eifer? Ich habe mich gewundert über den Mut des Präsidenten der Regierung, auch dieses schwere Ding auf seine Schultern zu nehmen. Es ist dies übrigens eine Sache, die nur den Zweck hat, die Kommunisten mundtot zu machen. Darum werden wir mit allen Mitteln gegen ein solches Gesetz auftreten.
Der Herr Ministerpräsident hat als rühmenden Erfolg die Tätigkeit des Bodenamtes geschildert. Wenn er davon lieber nichts gesagt hätte, insbesondere als Häuptling der Agrarier, der èechischen Agrarier natürlich. Diese Bodenreform ist eine Erf ndung des èechischen Nationalgeistes, um die Deutschen zu enteignen. Wir sagen enteignen, es ist bei uns so etwas wie wegnehmen. Ich weiß nicht, wie es im Èechischen heißt, vielleicht klingt es dort angenehmer. Für uns ist damit immer der Gedanke verbunden, etwas nehmen, wofür man nicht eine geeignete Entschädigung bietet. Im Senat hat der christlich-soziale Senator Ledebur einmal gesagt, in dem Staate scheine die Betonung des Wortes Demokratie auf dem Wort "krad" zu liegen. Er wurde zur Ordnung gerufen und er hat den Ausdruck zurückgenommen. Sie hören das nicht gern. Ich will mich damit nicht identifizieren. Aber weiß man auch, was einem solch bittere Worte in den Mund bringt? Weiß man, daß hochgestellte politische Persönlichkeiten zu deutschen Grosgrundbesitzern kommen und erklären: Sie können sich vor den Beamten des Bodenamtes Ruhe verschaffen, wenn... (øeèník naznaèuje posuòkem placení). Weiß man nicht, daß wenn nicht das Betreffende (øeèník posuòkem naznaèuje placení) gegeben wird, nach kurzer Zeit Beamte des Bodenamtes erscheinen und auf Autos in den Großgrundbesitzen herumfahren? Muß da nicht einem endlich das Wort auf die Zunge treten? Was sagt ein aufrichtiger Èeche dazu, wenn so etwas vorkommt? Und es ko mmt vor! Wir verlangen endlich einmal die Öffentlichkeit der Tätigkeit des Bodenamtes, sogar nationale Èechen verlangen das, weil das ein Schlupfwinkel der Korruption ist. Heraus, an die Öffentlichkeit mit ihm! Wenn wir schon enteignet werden sollen, wollen wir in aller Öffentlichkeit enteignet werden, wir wollen dann wenigstens wissen, wer der Dieb ist, wer das Diebsgut bekommt, aber nicht hintennach erfahren, daß dieser oder jener das Gut erworben hat und dabei zwanzig oder dreißig Millionen verdient hat. Schämen würde ich mich, wenn ich ein Èeche wäre, daß solches hier gesagt werden darf.
Ja, man enteignet, weil wir schon bei den Bodengesetzen sind, aber nicht bloß den Boden. Das Organ desselben Herrn Ministerpräsidenten, der hier gesprochen hat, verlangt schon die Enteignung der Industrie. Auch die Industrie wollen Sie auf genau dem gleichen Wege in Ihre Hand bekommen, indem sie veraktioniert wird; es müssen èechische Aktionäre drinnen sein und die èechischen Aktionäre, obgleich in der Minderheit, müssen die Mehrheit bilden. Mit solchen Lügen erhält man den Staat aufrecht. Den Mittelstand hat man schon enteignet, was man noch nicht enteignet hat, ist man auf dem besten Wege zu tun. Von der Kriegsanleihe wissen wir, daß dabei 8 Milliarden deutschen Volksvermögens vernichtet wurden, wir wissen, daß durch die Steuergesetzgebung der deutsche Mittelstand systematisch ruiniert und umgebracht wird. Es geht nicht um das Interesse eines einzelnen Standes, nicht nur um das Interesse des Großgrundbesitzes, der Industrie oder des Gewerbes, es geht auch um das Interesse des Arbeiters. Denn wenn der deutsche Besitzstand in èechische Hände übergegangen ist, dann werden auch die deutschen Arbeiter den Fußtritt beko mmen, wie es überall geschehen ist, wo eine Bahn oder sonst ein Unternehmen in Staatsbesitz übergegangen ist, wo die deutschen Bediensteten nach und nach in kurzer Zeit hinausgeflogen sind, pensioniert oder sonstwie entfernt wurden.
Der Herr Ministerpräsident sagt, die Koalition und die Regierung seien stark, sie sitzen fest, denn sie haben die Majorität. Warum schreibt man aber keine Neuwahlen aus? Das wäre das Allervernünftigste. "Heraus mit den Neuwahlen", hat heute der Kommunistensprecher gerufen, als das Parlament eröffnet wurde. Sie wollen keine Neuwahlen, weil Sie sie fürchten, auch im eigenen Volk.
Im übrigen erhoffen wir nichts von diesem Staat, wir betrachten ihn als eine Episode. Gott hat in jeden Einzelnen, den er schuf, und auch in jedes Volk, das er erschaffen hat, den Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung gelegt. Es ist der Ausdruck höchster sittlicher Pflicht, diesem von Gott eingepflanzten Trieb zu folgen. Diesem Triebe folgend, werden wir ohne Rücksicht auf die jeweils bestehenden Umstände, mag es Ihnen passen oder nicht, stets und immer an den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechtes unseres Volkes festhalten. Wenn einer oder der andere zum Verräter wird an dem, wofür am 4. März 1919 deutches Blut geflossen ist, so soll ihn der Fluch der ganzen Nation treffen. Wir Deutschnationalen nehmen diesen Fluch nicht auf uns, wir werden ohne Wankendas Ziel im Auge behalten, das lautet: Ein Volk, ein Vaterland! (Potlesk na levici.)
3. Øeè posl. dr. Spiny (viz str. 51 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Wenn man den Gedankenaufbau der Rede des Herrn Ministerpräsidenten, die wir leider nur sehr unvollständig zu hören in der Lage waren, verfolgt und wenn man sich besonders die emphatischen Stellen darin, die den Beifall der Koalitionsparteien auslösten, vorhält, so kann man nicht anders, als das Wort aus dem Faust zu zitieren: "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Denn es war zu schön, was der Herr Ministerpräsident uns da an Leitsätzen einer höheren Moral, einer höheren Staatsmoral vorgeführt hat, die die ungesunden sittlichen Zustände, die sich unleugbar hier eingenistet haben, kurieren sollen. Wir alle, die wir die letzten Wochen, wo kein Morgen verging, ohne uns eine neue Affäre zu bringen, schaudernd miterlebt haben, die wir sehen, wie die Parteien, die hier in der Koalition und in der Macht beieinander sitzen, sich gegenseitig der Bestechlichkeit bezichtigen, wie maßgebende Faktoren des politischen Lebensder schwersten Beschuldigungen in den èechischen Blättern bezichtigt wurden, wie hohe Beamte und Offiziere durch Vorgänge bloßgestellt erscheinen, die einen Tiefstand des sittlichen Lebens bezeichnen, wie er selten irgendwo erreicht werden kann - und da gilt nicht der Hinweis des Herrn Ministerpräsidenten, daß es jetzt in der ganzen Welt nicht anders sei - wir dummen Deutschen, für die die Worte Diebstahl und Ehrlichkeit immer noch das bedeuten, was sie in Wirklichkeit sind, (So ist es!) wir staunen bei der Rede des Herrn Ministerpräsidenten über den Aufwand von sittlichen Mitteln, der uns da entgegentritt. Wir staunen deswegen, weil wir in dem Ministerpräsidenten, der ja unstreitig ein Mann von hohen politischen und taktischen Kapazitäten ist, einen Mann sehen, der in seiner ganzen Artung doch mehr nach der realistischen Seite liegt, nach der materiellen Auffasung der Dinge, eine Seite, die uns seine wirklich tiefgründige Bestimmung des Agrarismus, des Gesetzes des Bodens gebracht hat. Wir staunen, wie dieser reale und materielle Politiker Švehla, der sonst gewohnt ist, den Tatsachen wieder mit Tatsachen zu begegnen und nicht mit Ideen und sentimentalen Erwägungen, wie dieser kühle Tatsachenmensch in seiner heutigen Rede schließlich nicht anders kann, als seine Zuflucht eben zu den Abstrakten der Sit tlichkeit, der unbedingten Erhaltung der Moral und so weiter zu nehmen, Dinge, die insbesondere in der Presse einer gewissen Partei so gerne dem bittersten Spott ausgesetzt werden, wenn sie aus gewissen Munde ertönen. Ich muß gestehen, für uns war heute Švehla nicht Švehla. Švehla bewegte sich heute in seiner Rede auf einem Parkett, auf dem wir ihn nicht gewohnt sind zu sehen. Es war ihm zu glatt und ich weiß nicht - ich will mir kein Urteil anmaßen - aber ich glaube, daß er der Hauptaufgabe, die er heute zu erfüllen hatte, durch seine Rede nicht den Dienst geleistet hat, den alle Menschen guten Willens in diesem Staate, also alle Antikorruptionisten, und ich meine damit in erster Linie selbstverständlich auch das Oberhaupt dieses Staates, gewünscht hätten: zur Beseitigung der Korruption, zur Aufklärung der gesamten Öffentlichkeit, zur Verfolgung der einzelnen Schuldigen und zur Beseitigung dieses ganzen - man muß leider schon sagen - Systems wirklich vollen Ernst und volle Strenge erkennen zu lassen.
Das ist die Schwäche der heutigen Deduktionen des Tatsachenmenschen Švehla, daß er zwar als Haupt der Koalition und als Träger der Machtmittel der Koalition diese in Schutz nahm, daß er dabei abervergaß, oder nicht berücksichtigte - denn er weiß es ja sehr gut, daß in diesem unglückselig zusammengesetzten Staate außerhalb des regierenden Koalitionssystems Millionen von der Bevölkerung da sind, die ebenfalls Staatsbürger sind, und daß ein Ministerpräsident in diesem Staate, wenn er die Idee dieses Staates durchführen will, wie sie in der Verfassungsurkunde des Staates niedergelegt ist und insbesondere in dem Vorwort zur Verfassungsurkunde dieses Staates, sich nicht nur als Ministerpräsident dieser einen, wenn auch noch so mächtigen Gruppe von Parteien fühlen muß, sondern als Ministerpräsident des Ganzen, als Ministerpräsident des Staates und daß er bei der Bereinigung dieser Skandalaffären vor allem ein Wort hätte finden müssen zugunsten des Staatsinteresses und nicht nur des Koalitionsinteresses. Dieses höchste Staatsinteresse ist nichts anderes als die endliche Schaffung nationaler Ruhe im Innern, weil wir alle schon der Ruhe bedürfen, weil wir sonst alle zugrunde gehen.
Dieses höchste Staatsinteresse ist in der Rede des Ministerpräsidenten ganz entschieden zu kurz gekommen. Der ganze Tenor der Rede gipfelt in der Behauptung, daß die Opposition hierzulande aus den Skandalgeschichten ein Geschäft macht. Dadurch wird natürlich der Opposition der Vorwurf imputiert, als ob sie gegen gewisse Kompensationen sich dazu bereit fände, die Korruption unaufgedeckt zu lassen. Ich gestehe, wie ich diese Worte, zu denen ich zufällig in den Saal kam, hörte, dachte ich mir: Damit hat der Ministerpräsident eine äußerst geschickte Volte geschlagen. Aber bei ruhiger Erwägung zeigt sich doch diese Meinung als nichts anderes sozusagen, als der Ruf jenes Übeltäters, der da läuft und schreit: "Haltet den Dieb". Was die Opposition bisher gewollt, was sie bisher in den Korruptionsaffären verlangt hat, das war nichts anderes als eben, daß sich das herrschende System endlich einmal aufraffen und diesen Riesenaugiasstall an Korruption und Fäulnis aufräumen möge. Ich frage: Wo ist in dies em Verlangen ein Terror? Mit welchem Rechte durfte von einem Terror der Kritik der Oppositi on gesprochen werden? Begeht derjenige einen Terror im Skandalisieren, der öffentlich aufdeckt, daß einem Skandal Einhalt geboten werden soll, oder nicht vielmehr derjenige, der solche Forderungen, so wie sie der öffentlichen Diskussion vorgesetzt werden, durch seinen Zensor, durch den Staatsanwalt sechsmal in der Woche konfiszieren läßt? Ja, ich meine, daß der Herr Ministerpräsident, der heute doch tatsächlich mit körperlicher Selbstüberwindung hier das Wort geführt hat, doch vielleicht gut täte, sich einmal das Amtsblatt anzusehen, wie es sich in der letzten Zeit entwickelt hat. Da würde er fests tellen, daß die Beschlagnahmeerkenntnisse dort sich schon zu Spalten und Seiten ausgewachsen haben und daß es notwendig sein wird, ein eigenes Beschlagnahmeamtsblatt herauszugeben, während doch der größte Teil der beschlagnahmten Artikel sich schließlich nur um das dreht, was der Herr Ministerpräsident durch seine Rede heute hier bereinigen wollte. Allerdings, wenn die Regierung dieses neue Beschlagnahmeamts blatt systemisiert, dann dürfte an der Spitze dieses neuen Amtsblattes nicht mehr jener Herr stehen, der seit drei Jahren so gewissermaßen der "maitre de plaisir" der èechischen Korruption ist und der, wie sich gezeigt hat, diese seine Rolle auch zu seinem eigenen Plaisier aber ganz ausgezeichnet zu spielen verstanden hat.
Meine Herren! Der Herr Ministerpräsident ist ein ernster Politiker und gerade eines ernsten Politikers ist es nicht würdig, wenn er jetzt versucht, den Tatbestand umzudrehen und die Kritik der Opposition für die Sünden der Koalition verantwortlich zu machen. Wenn ich das sehe, so fügt sich dem Bilde Švehlas ein neuer Zug ein, der mir nicht homogen erscheint mit den Zügen, die ich bisher zu beobachten Gelegenheit hatte. Es ist ein Jonglieren mit Tatsachen und dieses Jonglieren wird dadurch nicht besser, wenn man von der Tribüne zum Fenster hinausruft: " Was uns verbindet, das ist die gemeinsame Liebe zur Republik."
Ja, meine Herren, das ist dasselbe, was ich mich in einem alten Feuilleton von Hermann Bahr gelesen zu haben erinnere: "Eine sozialdemokratische Versammlung. Ein junger Redner tritt auf. Immer mächtiger steigt seine Rede. Er kann schließlich nicht weiter. Da zieht er die rote Fahne heraus und beginnt zu winken. Beifallssturm erdröhnt. Das Symbol wirkt!"
Meine Herren, mit dem Symbol ist es eine eigene Sache. Es wäre, wenn die Zeit nicht so bemessen sein würde, wie sie einem hier gestellt ist, vielleicht gut, auch davon zu sprechen, wie im frommen Kinderglauben der Völker Dinge zu Symbolen werden, um dann einer Verunreinigung, einer Besudelung anheimzufallen, für die tatsächlich Beispiele zu finden doch sehr schwer fallen würde. Wenn dies wirklich so wäre, so säßen heute nicht vor uns (Posl. inž. Kallina: Leere Sessel!) nein, nicht eine Koalition der Korruptionsaffären, sondern eine Koalition, die, wenn es sich um das Wohl des Staates, um das Wohl der Republik handelt, die Kraft aufbringt, nicht nur gegen die Schädlinge in ihren eigenen Reihen bedingungslos vorzugehen, sondern die es auch aufbringen muß, die warnende Stimme, wenn sie aus dem Lager der Opposition kommt, zu beherzigen und als das anzuerkennen, was sie ist, nämlich als den Ruf nach einer Reinigung der innerpolitischen Atmosphäre. (Výkøiky na levici.) Wer seine Ohren verstopft, der kann nur behaupten, daß ihn eine gemeinsame Liebe zu den in Benzin und Spiritus eingetränkten Koalitionsgenossen verbindet, aber keineswegs die Liebe zum Staate, aus dem leider diese Koalition eine große Pfründe zur Versorgung ihrer Angehörigen gemacht hat. (Posl. Jos. Mayer: Mandatsversicherungsgesellschaft!)
Es ist das Wort von der gegenseitigen Versorgungsgesellschaft gefallen. Ja, meine He ren, vor dem Weltkriege als diese schwüle Atmosphäre herrschte, wo wir jeden Moment auf das Losbrechen des Gewitters warteten, hat einmal im Ausland jemand ausgerechnet, daß die ganze Welt eigentlich von ca. 30 Menschen regiert wird. Von wieviel Menschen wird denn unser Mikrokosmus hier regiert? Wenn wir schon von den Minoritäten absehen, wieviel Dutzend, wieviel wenig Dutzend èechische Menschen sind es denn, die hier eigentlich die Macht in der Hand haben und die dafür verantwortlich sind, daß die Quellen der Korruption nicht verstopft werden? Mögen es 50, mögen es 100 Leute oder wieviel Auguren immer sein, die sich gegenseitig anlächeln - außer ihnen gibt es aber doch noch die Millionen anderer Èechen, die zuschauen müssen, die mit anderen Dingen gefüttert werden müssen. Während die Auguren den "panis" haben, werden die anderen Millionen mit den "circenses" gefüttert. Das heißt: wenn alles nichts hilft, dann muß eben auf die Deutschen losgeschlagen werden. Ich kann es mir nicht versagen, hier festzunageln, daß auch die Presse von Parteien, die ihren Beruf sonst nicht notwendigerweise in der Pflege des wütendsten nationalen Chauvinismus erblicken sollten, sich in der Konkurrenz mit einer "Národní Demokracie" nicht genug tun kann und unbedenklich ihre Massen in den wütendsten Chauvinismus hineinhetzt, ohne Rücksicht auf die Interessen des Staates, wenn es gilt, die Aufmerksamkeit von den Dingen im eigenen Lager abzuwenden und wie die Tintenfische Dunkel um sich zu verbreiten, um die Verfolgung zu verhindern. (Výkøiky na levici.)
Der Herr Ministerpräsident hat mit der Fanfare geschlossen: Die Koalition wird immer stehen. (Posl. dr. Hanreich: Wer lacht da nicht! "Österreich wird immer stehen!") Es ist ein böses Handwerk zu prophezeien. Auch Österreich wird ewig stehen, hieß es einmal. Ich werde nicht den Mut aufbringen zu prophezeien und ich muß gestehen, daß gerade diese Wendung aus dem Munde des kühlen Tatsachen- und Realpolitikers Švehla mich sehr überrascht hat.
Es sollen nun die Preßdelikte von den Geschworenen an die Gerichte kommen. Das ist ein Ausweg, der für die Erledigung des Pressegesetzes gefunden wurde. Wir werden jetzt noch lange warten können, bis das neue Preßgesetz kommt, denn durch die heutigen Verhandlungen ist es ja natürlich in weite Ferne gerückt. Aber, es ist doch ein Zeichen von großer Schwäche, von einem unendlichen Unsicherheitsgefühl, wenn man zu einer solchen ultima ratio greift, wenn man mit dieser Hand voll Werg das große Leck, das entstanden ist, zustopfen will. Auf diesem Wege wird es nicht gehen.
Der Herr Ministerpräsident hat in Abrede gestellt - wenigstens habe ich diesen Tenor aus seiner Rede herauszuhören geglaubt, - daß Korruption und staatliche Verwaltung miteinander vereinbare Begriffe sind. Gestatten Sie nur, daß ich einige wenige Beispiele anführe, die ja natürlich hinter den großen Korruptionen einherhinken.
Was lesen wir in einem Koalitionsblatte, wie es z. B. das "Role" ist? Wir lesen da, daß in Karpathorußland seitens der èechischen Agrarpartei die größte Korruption getrieben vird, daß dort angeblich mit Geld und Schnaps die Wählerschaft beeinflußt wird. Wenn wir hören, daß im Bodenamte ein deutscher Besitzer, der etwas bekommen soll, sofort von èechischen Parteienvertretern in die Enge getrieben und daß ihm gesagt wird, die Genehmigung des Kau vertrages könne nur erfolgen, wenn er ihnen diesen oder jenenn Teil des ihm zukommenden Bodens hergibt, was soll man dazu sagen? (Výkøiky na levici.) Wünschen die Herren vielleicht Namen zu hören? Stellen Sie sich vor, wie es aussehen wird, wenn diese Eiterbeule der Bodenreform einmal platzen wird, für die die politischen Mehrheitsparteien im Bodenausschuß verantwortlich sind. Stellen Sie sich vor, in welch schamloser Weise mit dem, was auf Jahrhunderte hinaus das Schicksal von Volksschichten begründen soll, mit dem Grund und Boden hier Schacher getrieben wird. Dann wundern Sie sich nicht, wenn die Hydra der Korruption mit jedem Tage sich größer und dreister erhebt und wenn in verschwiegenen Kanzleien dieses oder jenes Amtes einfach nur noch mit solchen Mitteln gearbeitet wird. Gehen Sie doch einmal hinaus und fragen Sie unsere deutschen Minderheiten, was da in Bodensachen vorgeht. (Posl. Myslivec: Proè jste nejmenoval, pane profesore, osoby? Když chcete korupci potírat, musíte otevøenì dokazovat! - Posl. dr. Hanreich: Ich werde Ihnen die Namen nennen!) Das lassen wir uns schon noch Herr Kollege. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Meine Herren, eines der Hauptmittel, mit denen jetzt unser Sprachgebiet behandelt wird, ist die Frage der Gemeindetrennungen und Zusammenlegungen, Dinge über die wir schon zweimal in diesem Hause verhandelt haben, die zum Teile notwendig sind, die aber doch wieder eingestellt wurden in den Dienst des gegen uns herrschenden Systems. Was sagen Sie dazu, meine Herren, wenn seitens jener angeblich nicht mehr bestehenden Elemente draußen, seitens jener Výbore - man begegnet immer wieder, wenn man das Wort "výbor" nennt, an amtlicher Stelle einem verneinenden Kopfschütteln: "Was ist das, ein Leutnant?" sagt die Tochter zur Mutter - wenn seitens dieser Výbore den Gemeinden die Daumschrauben auferlegt werden: Ihr bekommt die Gemeindezuteilung oder Trennung, wenn ihr der èechischen Minderheitsschule keine Hindernisse bereitet. Ich will nicht sagen, das sei Korruption, aber es ist Gewaltanwendung, Erpressung und der Weg zur Korruption ist hier schon nicht mehr weit. Oder denken wir an das Bewilligungsverfahren. Die Sache ist hier im Hause ritterlich ausgetragen worden, (Veselost na levici.) aber Sie gestatten mir schon die Bemerkung, dieses Verfahren gibt vielfach Anlaß zu Korruptionen. Es gibt zweifellos viele Fälle, aber natürlich sie sind nicht so feststellbar, daß man den Wunsch des Herren Kollegen Myslivec erfüllen und einfach mit Namen aufwarten könnte. (Posl. Myslivec: Vy sám jste, pane profesore, øekl: Chcete slyšeti jména? A pak jste je neuvedl! Vždy jste je sám nabízel.) Es ist nachweisbar, meine Herren, daß Sekretäre politischer Parteien große Beträge im Bewilligungsverfahren bekommmmen haben, um Einzelnen Bewilligungen zu erteilen. Jawohl, das ist wahr! Es ist auch wahr, daß Zusammenhänge verwandtschaftlicher Natur eine starke Rolle spiele. (Posl. Myslivec: To je, jako "stará Blažková povídala". Ve snìmovnì se tak nemluví, tam se podávají dùkazy!) Leugnen Sie vielleicht auch, daß den èechischen Eisenbahnenbeamten, damit sie ins deutsche Sprachgebiet gehen, 18.000 Kronen jährlich Zulagen gegeben werden? Fragen Sie einmal nach, wie es bei einzelnen größeren Stationen im deutschen Sprachgebiet ausschaut. Gehen Sie nach Saaz, Franzensbad, die Leute dort werden es Ihnen schon sagen. (Posl. Myslivec: Dìláte si blázny ze snìmovny!) Es fällt mir gar nicht ein, mir einen Narren aus dem Abgeordnetenhaus zu machen. Ich glaube, daß jedes Wort, das ich hier noch gesprochen habe, beweist, daß ich der letzte bin, der sich aus dieser Institution einen Narren macht, aber etwas ärgeres als einen Narren machen andere Herren aus diesem Hause.
Meine Herren! Es ist von dem Herrn Ministerpräsidenten der sächsische Ministerpräsident Zeigner angezogen worden. Ich fühle selbstverständlich nicht im geringsten den Beruf in mir, etwa den Anwalt der Kommunisten zu spielen, aber Kollege Patzel hat es vorhin schon angedeutet; die kommunistische Partei in Sachsen hat den Mut aufgebracht, diesen Zeigner mit Spott und Schande davon zu jagen, weil er gestohlen hat. Wie ich das damals gelesen habe, dachte ich mir: Diese Wilden sind doch bessere Leute! Wo wurde bei uns ein Mann mit Spott und Schande davon gejagt, der so etwas gemacht hat wie Zeigner. Aber Sachsen hat außerdem noch zu einem radikaleren Mittel gegriffen, und die Probe auf das Volk gemacht, man hat Neuwahlen ausgeschrieben. Meine Herren! Wenn der Herr Ministerpräsident gesagt hat: Wir haben drei Wahlen überstanden, er meinte die Koalition habe sie überstanden, so glaube ich doch, daß bei den letzten Wahlen die Geschichte ein bißchen sauer war. Ich meine, man kann doch nicht sagen, die Koalition habe die Wahl überstanden. Ich sehe nicht ein, warum sollte nicht das Parlament eines natürlichen Todes i. J. 1926 sterben. Aber das herrschende Regime einerseits, die Korruption anderseits treiben es soweit, daß die Sehnsucht nach Reinigung, durch den Appell an das Volk, durch Neuwahlen mer stärker wird. Vor Schillers "Räubern" steht das Motto: "Was Arzneien nich bessern können, muß das Eisen bessern, was das Eisen nicht bessert, bessere das Feuer." Die Neuwahlen sind ein Läuterungsgang durch das Feuer, der so manche Schlacke abtropfen läßt von dem, was ungesund an dem System ist. Und wenn die Koalitionsparteien sich dem widersetzen, dann können wir nur den Schluß ziehen, sie haben Ursache dazu.
Nun, meine Herren der Gegenseite, es wäre über diese Sache noch sehr viel zu reden. Ich will zum Schlusse zwei Zitate anführen. Das eine aus Kolár, der Ihnen zuruft: "Sám svobody kdo hoden, svobodu zná vážiti každou." (Posl. Myslivec: Vy jste se smáli Schillerovi a Goetheovi 50 let!) Aber es nützt nichts. Ihnen kann man zitieren, was man will, sie schütteln sich ab und lachen dazu. Und so will ich mit einem Zitat endigen, auf das ich vorhin angespielt habe, mit den Worten, mit welchen die Verfassungsurkunde der Republik eingeleitet ist. Diese Worte möchte ich so als Spiegel hinhalten, damit Sie sehen, wie Sie und die Gegenwart darinnen erscheinen. Es ist nämlich heute schon ein Hohlspiegel daraus geworden, der uns die menschlichen Gestalten in kolossaler Verzerrung spiegelt und auch einige zeigt, die schon sehr große Bäuche und tiefe Taschen bekommen haben. Diese Worte, denen wir tatsächlich ein völkisches und staatliches Ethos nicht absprechen können, lauten: "Wir, das èechoslovakische Volk haben in der Absicht, eine gerechte Ordnung in der Republik einzuführen, die ruhige Entwicklung der èechoslovakischen Heimat zu sichern, das allgemeine Wohl aller Bürger dieses Staates zu fördern und die Segnungen der Freiheit den künftigen Geschlechtern sicher zu stellen in unserer národní shromáždìní am 29. Feber 1920 die Verfassung für die Èechoslovakische Republik angenommen, deren Wortlaut folgt. Hiebei erklären wir, wir, das èechoslovakische Volk, bemüht sein zu wollen, daß diese Verfassung und alle Gesetze im Geiste unserer Geschichte wie im Geiste der im Prinzip der Selbstbestimmung enthaltenen modernen Grundlagen durchgeführt werden, denn wird wollen uns der Gesellschaft der Völker als gebildetes, friedliebendes, demokratisches und fortschrittliches Mitglied anschließen."
Ich habe diesen Worten nichts hinzuzufügen. (Souhlas a potlesk na levici.)
4. Øeè posl. dr. Czecha (viz str. 58 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Die heutige Debatte ist ein Ausfluß der katastrophalen Lage, in welche die Koalition geraten ist. Gegenüber dem sich zu ganzen Bergen auftürmenden Korruptionsschlamm gab es für die Koalition keinen anderen Weg, als endlich die Parlamentsschleusen zu öffnen und einer Aussprache freie Bahn zu schaffen. Wir begrüßen dies als ein Zeichen aufdämmernder Erkenntnis, als ein Zeichen sichtlicher Besserung. Dieser Erkenntnis verdanken wir auch die heutige Aussprache über die das ganze politische und wirtschaftliche Leben aufwühlende Korruption. Dabei habe ich absolut nicht die Absicht, auf alle Einzelheiten einzugehen, nicht die Absicht, Korruptionsaffaire auf Korruptionsaffaire in allen Einzelheiten vorzunehmen, nicht die Absicht, in dem Schlamme zu wühlen und in dem Morast herumzustochern, sondern über die ganze Angelegenheit und Situation im allgemeinen zu sprechen. Den Finger wollen wir an die offene Wunde legen und sie der ganzen Bevölkerung aufzeigen und die Austilgung des am Volkskörper zehrenden Geschwürs herbeiführen.
Vor allem eine Bemerkung. Es sei mir gestattet, von dieser Stelle aus gegen den schon zur Schablone gewordenen Versuch der Koalitionsparteien Stellung zu nehmen, jedes gegen die Koalition, jedes gegen die Korruption gesprochene Wort als einen Angriff auf den Staat und seine Lebensinteressen und, wie es heute auch von dieser Stelle gesagt wurde, als einen Angriff auf die Èechokrone hinzustellen. Mit einer solchen Argumentation, wie sie einem der Vorredner beliebt hat, lehnen wir jede Auseinandersetzung ab.
Und nun noch eine Bemerkung: Das Wort von der Korruption, die zum Himmel stinkt, das Wort von den sogenannten schmmutzigen Fingernägeln stammt nicht aus deutschem Mund oder aus der deutschen Presse, sondern von der Koalition. Es war das klerikale Blatt "Èech", das schon am 24. Jänner d. J. wörtlich geschrieben hat: "Wenn alle Korruptionsaffairen zusammengestellt würden, wäre dies ein Dokument, dem gegenüber die ganze Welt ein Empfinden hätte, das des Ekels. Das Dokument würde unseren Staat in ein solches Licht stellen, daß die Abbruzzen mit ihren Räubern uns gegenüber noch ein Dorado der Ehrlichkeit wären." Man mag das Tagblatt "Èech" einschätzen, wie man will, aber daß es im Verdacht der Staatsfeindlichkeit steht, wird wahrlich niemand behaupten wollen.
Der Herr Ministerpräsident hat von dieser Stelle aus mit der Miene eines Unschuldswurmes gefragt, wo denn die Unterlagen für alle diese Korruptionsbehauptungen seien, und sich bereit erklärt, alles ihm zur Verfügung gestellte Material zu untersuchen. Er hat gemeint, man möge ihm das Material in die Hand geben und man werde in ihm einen schonungslosen Richter finden. Und nun fragen wir: Hat es bisher an den nötigen Informationen gefehlt? Hat es bisher an dem nötigen Anklagematerial gemangelt?
Ich nehme gleich die nächste, weil letzte Affäre vor die Benzingeschichte, die so ungeheueren Staub in der sogenannten besseren Gesellschaft aufgewirbelt hat, da von ihr auch der bekannte Ministerialrat Dr. Svátek mitbetroffen wurde. Alles hat jetzt die Hände zusammengeschlagen. Als aber im Senat am 12. Dezember 1923 - ich lege das Protokoll des Senates auf den Tisch - das deutschsozialdemokratische Mitglied des Senates Link wörtlich gesagt hatte: "Selbstverständlich braucht die Militärverwaltung für Flugzeuge Benzin. Sie hat nun bei der Gesellschaft "Naphta" 150 Zisternen Benzin gekauft, das Kilogramm per 8 Kè. In anderen Fabriken hätte man das Kilogramm Benzin um 6 Kè erhalten. Es wäre interessant, eine Aufklärung darüber zu erhalten, warum man gerade bei der "Naphta" Benzin gekauft hat, wo das Material am teuersten ist" - da ist man in Koalitions- und Regierungskreisen über diese Spur, die schon früher zur Entdeckung der Benzinaffäre geführt hätte, einfach hinweggegangen und hat von diesen tatsächlichen Angaben eines Mitgliedes der Oppositionsparteien, eben weil es eine Oppositionsmitglied war, nicht weiter Notiz genommen.
Und nun lassen Sie mich einige Tatsachen kurz registrieren, denn der Herr Ministerpräsident meinte, man möge ihm Material an die Hand geben. Ich nenne vorerst die Angelegenheit Katolický, die bis zum heutigen Tage noch immer nicht liquidiert ist. Man sprach damals im Budgetausschuß über die Defraudationen und Fälschungen im Bankamt. Es wurde der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zwecks Vornahme einer formellen Revision gestellt. Bis zum heutigen Tage ist nichts geschehen, bis zum heutigen Tage ist der Budgetausschuß über den Stand der Untersuchung dieser Angelegenheit nicht unterrichtet worden.