Ètvrtek 6. bøezna 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 247. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 6. bøezna 1923.

1. Øeè posl. Patzela (viz str. 38 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Was sich da vor unseren Augen ankündigt, ersch eint uns als ein weiteres Herabgleiten auf der schiefen Ebene des Polizeistaates, auf der sich die Verwaltung dieses Staates seit langem befindet, wobei Sie die ersten scheinbar demokratischen Anfänge der Maienblüte dieser Republik längst vergessen und hinter sich gelassen haben. Der Staat und seine Verwaltung machen nicht einmal mehr vor den Toten und vor den Toten-Gedenkfeiern Halt. Hat man doch die traurige Courage gehabt, die Gedenkfeiern für unsere Märzgefallenen zu verbieten und einzuschränken. Man hat zwar die ursprüngliche Absicht, dieses Haus für den 4. März zusammenzuberufen, fallen gelassen und geändert, offenbar in der Meinung, dabei um etwas Unbequemes herumzukommen. Wir benützen aber den Anlaß, daß wir von der Tribüne dieses Hauses reden, um zu erklären, daß die Sudetendeutschen immer in den Märztagen ihrer Märzgefallenen gedenken werden; wenn von Menschen gesprochen werden wird, die sich um das Selbstbestimmungsrecht Verdienste erworben haben, dann wird man stets unsere Märzgefallenen nennen, die an das Selbstbestimmungsrecht glaubten, das zur größten Lüge des zwanzigsten Jahrhunderts geworden ist. Wir erklären, daß wir das Andenken unserer Märzgefallenen immer hochhalten wollen und daß wir das, wofür sie fielen, den sittlichen Kampf um das Recht auf unsere Heimat, immer als heiligste Pflicht erhalten werden, heute und alle Tage.

Und nun ein paar Worte zur Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten. Wenn die Nationalversammlung nach mehrwöchentlicher Unterbrechung, die ja eigentlich herbeigeführt worden ist, um über unangenehme Erscheinungen hinwegzukommen, zusammentritt, so hätten wir erwartet, daß der erste Punkt des Arbeitsprogramms die Vorlage des èechoslovakisch-französischen Bündnisses sein wird, um dessenwillen wir doch die ungeheueren Militärlasten in diesem Staate tragen müssen. Wir hätten erwartet, die Regierung werde der Bevölkerung reinen Wein einschenken über die von den sogenannten befreundeten Mächten diesem Staate zugedachten Reparationsleistungen, weil wir davon überzeugt sind, daß wenn diese Zahlungen in Wirksamkeit treten, die ganze Nationalwirtschaft in diesem Staate einfach erschlagen würde, weil der Volkswirtschaft Lasten auferlegt würden, die die arbeitenden Menschen einfach nicht aufbringen können. Wir haben drittens erwartet, die Regierung werde nicht mit ein paar allgemeinen Phrasen sittlicher Entrüstung, die nicht angebracht sind, antworten, sondern ernst Rede und Antwort stehen über die Anklagen, die in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit erhoben worden sind.

Der Herr Ministerpräsident hat Recht: Wir wollen nicht pauschalieren und wir wollen die Korruption gewiß nicht als eine gewissermaßen èechoslovakische Staatseinrichtung bezeichnen. Wir möchten aber nur, daß man das Beispiel sogar Frankreichs - und das ist der Urvater der parlamentarischen Kor ruption, die sich an den Namen Panama so glänzend knüpft - daß man das Beispiel Frankreichs nachahme und wenn eine Schweinerei auftritt, den Schweinestall ausmiste, Ordnung mache und das politische Leben wirklich reinige. Wir haben gemeint, es werde Rede und Antwort gestanden werden über die ungeheueren Korruptionsgeschichten, deren sich die einzelnen èechischen Parteien, die die Regierung bilden, wechselseitig beschuldigen. Denn es handelt sich nicht bloß um die aus parteimäßigem Haß erhobenen Anklagen einer oppositionellen Partei, sondern es handelt sich darum, daß sich die Regierungsparteien wechselseitig beschuldigen, unsaubere Geschäfte mit dem Staat auf Kosten des Staates und der Bevölkerung zu machen. Sie haben einander beschuldigt, daß sie ihre politische Ehre und ihre politische Entschlußkraft um schnödes Geld an den Meistbietenden, an Spiritusfabrikanten usw. verkauft und die gesamte Wirtschaft des Staates und die gesamte steuerzahlende Bevölkerung schwer geschädigt haben. Darüber sollte Rede und Antwort gestanden werden auch von dieser Tribüne, wenn die Herren wirklich das Licht des Tages nicht zu scheuen haben. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

In den letzten Tagen ist ein neuer Skandal aufgedeckt worden und es ist rasch zugegriffen worden. Das uittieren wir und stellen fest, daß es uns wie jeden sauberen Menschen freut, daß man rücksichtslos zugreift, wenn irgendwo ein Amt eine Schweinerei aufdeckt. Wir stellen dies auch in diesem Falle fest, nur darf es nicht geschehen, daß vielleicht der Benzingestank den Spiritusgestank überdecken soll, daß wegen des raschen Zugreifens in dieser Sache die Spiritussache am Ende sang- und klanglos aus der Welt geschafft werden soll. Es darf nicht geschehen, daß wegen des raschen Zugreifens in der Benzinaffäre, bei der ein paar korrupte Offiziere und korrupte Beamte gepackt wurden, die politische Korruption in den Hintergrund gedrängt wird und daß über die politische Korruption der Mantel der christlichen Nächstenliebe gedeckt wird.

Wir haben uns bis jetzt Zurückhaltung auferlegt und nicht über diese Dinge gesprochen, weil wir geglaubt haben, unsererseits nicht in einen Reinigungsprozeß eingreifen zu sollen, weil wir glaubten, daß sich im èechischen Volk und unter den èechischen Parteien ein Reinigungsprozeß vollziehe und daß es gut sei, den sauberen Menschen im èechischen Leben nicht in den Arm zu fallen und ihre Arbeit nicht zu hemmen. Was wir aber heute gehört haben, von dieser Tribüne aus und aus dem Munde des ersten Beamten des Staates, zeigt uns, daß man offenbar bem\uht ist, den Gesundungsprozeß des èechischen politischen Lebens um gewisser Parteivorteile willen mit allen Mitteln hintanzuhalten. Statt daß da Rede und Antwort gestellt würde, kommt die Koalition und die Regierung mit einem Anschlag gegen die Preßfreiheit, kommt die Regierung und will angesichts der Presseerörterungen über diese Angelegenheiten die Gerichtsbarkeit in Pressesachen den Geschworenen entziehen und den anderen Gerichten übertragen.

Der kaiserliche Polizeistaat Österreich hat dem Verlangen nach Teilnahme des Volkes an der Rechtssprechung in schwierigen Dingen vor zwei Menschenaltern nachgegeben. Der kaiserliche Polizeistaat Österreich hat es nicht gewagt, trotz verschiedenen Andrängens an der Einrichtung der Schwurgerichte ohne weiters zu rütteln. Die demokratische Republik, in deren Verfassung es steht, daß alle Gewalt vom Volke kommt und im Namen des Volkes ausgeübt wird, ist der erste Staat, der an das Volksgericht greift.

Meine Herren, es ist wahr, was Herr Kollege Stivín gesagt hat, der, wie ich selbst, Journalist ist und die Dinge kennt: Man hat sich schon oft in allen eingeweihten Kreisen mit der Frage der Reform der Rechtspflege in Ehrenbeleidigungssachen durch die Presse befaßt und die Journalisten selbst haben sich gegen das Verlangen nach Ausscheidung der Ehrenbeleidigungsprozesse gegen die Presse aus der Schwurgerichtsbarkeit unter der Voraussetzung nicht ablehnend verhalten, daß man journalistische Beisitzer bei den Schöffengerichten bestellt. Wenn heute der Vorschlagg erörtert wurde, so handelt es sich um einen alten Wunsch der Journalisten. Aber, meine Herren, wir wissen ja nicht, worüber wir eigentlich debattieren. Uns wurde etwas zur Erörterung gestellt und angekündigt, wovon nur ein Krätzel von Menschen, von politischen Nutznießern des beabsichtigten Gesetzes, einen Vorteil hat, während wir nicht wissen, was man uns bietet. Und dann, meine Herren, es soll wieder ein Zweckgesetz geschaffen werden. Man spricht davon, daß die politische Atmosphäre gereinigt werden soll. Wir haben aber das Gefühl, daß wenn man in einer Zeit politischer Verärgerung Zweckgesetze schafft, das Gegenteil erreicht wird. Wir haben das Gefühl, daß hier noch viel mehr vertuscht werden soll, daß hier noch viel mehr herauszukommen droht und daß man im letzten Augenblick zugreifen will, um statt das eigene politische Leben von Schädlingen und Miasmen zu reinigen, das Gegenteil zu machen. Ich kann mir nicht denken, daß das èechische Volk wirklich so denkt, daß es diese Dinge erhalten und decken will. Wir haben kein Verständnis dafür, daß nicht die sauberen Menschen im èechischen Leben sich sagen: Lieber ein paar Dutzend Strolche und Gauner hinausgefegt, als dieses System dauernd zu erhalten!

Wir müssen aber darüber reden, denn unsere arbeitenden Menschen müssen die Lasten dieses Korruptionssystems durch ihre Arbeit aufbringen und mit tragen. Wogegen wir unsere Stimme erheben müssen, ist, daß man in einem solchen Augenblicke die schwere Frage einer Änderung der Gerichtszuständigkeit aufwirft, in einem Augenblicke der parteipolitischen gegenseitigen Verärgerung, weil man fürchten muß, daß es dann zur Einrichtung einer èechoslovakischen politischen Kabinettsjustiz kommt. Wir sehen bei Betrachtung unserer heutigen Preßverhältnisse und bei Betrachtung des Richterstandes - es fällt mir nicht leicht, am Richterstand Kritik zu üben, mit welcher Leichtfertigkeit heute oft Pressebeschlagnahmen von den Senaten bestätigt werden. Wenn wir wissen, daß der Staat die Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit der Richter suspendiert hat, wenn man weiß, wie man heute mit unabhängigen Menschen aller Nationen umspringt, die nicht in die Karbe der augenblicklich herrschenden Klique der "Pìtka" der Koalitionsparteien hauen, dann muß man die ärgsten Befürchtungen hegen, daß eine Kabinettsjustiz eingeleitet wird. Wer Wind säet, muß Sturm ernten. Und wer ein Zweckgesetz schafft, darf nicht vergessen, daß er sich dadurch selbst die Stufen zum eigenen Galgen baut. Das muß man den Herren vorhalten, wenn sie in dieser Stunde daran gehen, einen schweren Eingriff in die gesetzliche Entwicklung zu machen.

Der Herr Ministerpräsident hat darauf hingewiesen, daß überall Korruption vorkommt und er hat auf die Korruption in Sachsen hingewiesen, wo Minister sich der Korruption schuldig gemacht haben. Jawohl. Aber das deutsche politische Leben aller Parteien reinigt sich von solchen Dingen und es gibt dort keine politische Partei, die so etwas auch nur einen Augenblick deckt. Keine Partei hat es gern, wenn aufgedeckt wird, daß es in ihren Reihen unsaubere Menschen gibt, aber das Kriterium muß sein, daß sich die Partei davon reinigt und die ungesunden Säfte, die ungesunden Elemente ausscheidet. Das macht man in Deutschland, das hat sogar das zaristische Rußland gemacht. In der Èechoslovakischen Republik aber schafft man ein neues Ausnahmsgesetz, um die Diskussion über die unangenehmen Vorgänge hintanzuhalten und zu beschneiden. Es ist eine Kabinettsjustiz, die Sie da einrichten wollen. Ich gebrauche dieses Wort - denn ich kenne auch ein bischen die politische Geschichte des alten Österreich - mit Bewußtsein und wir werden die Herren einmal daran erinnern, daß wir rechtzeitig unsere warnende Stimme vor dem weiteren Herabgleiten auf der schiefen Ebene erhoben haben. Mit einer Kabinettsjustiz werden Sie die Korruption aus dem èechischen politischen Leben nicht beseitigen. Sicher gibt es unter Ihnen viele, ich zweifle nicht daran, die diese Korruption lebhaft beklagen. Aber diejenigen, den denen man glaubt und glauben darf, daß sie persönlich nicht schuldig sind, werden durch ein solches Vorgehen, durch solche Zwangs- und Ausnahmsmaßnahmen, nur mitschuldig an der Erhaltung solcher Zustände.

Vor unseren Augen, verehrte Anwesende, haben die èechischen Regierungspa rteien enthüllt - und das müssen wir feststellen - daß sie die Staatsverwaltung nicht bloß als eine Futterkrippe zur Unterbringung ihrer Parteigenossen, sondern als den Weideplatz ansehen, auf dem die Koalitionsparteien - Sie gestatten den trivialen Ausdruck die Staatswirtschaft kahl fressen. (Souhlas na leviei.) Minister sind der Korruption beschuldigt worden in öffentlichen Erörterungen, Ministern ist vorgehalten worden, daß sie um Geld - nicht für ihre Person, aber für ihre Partei - ihr Gewissen verkauft und ihre Entschlußkraft in einer bestimmten Richtung in die Wagschale geworfen haben. Und darüber ist nicht Klarheit geschaffen worden. Diesen Dingen wird man doch durch eine Änderung in der Zuständigkeit der Gerichte nicht auf einmal ein Ende machen! Da wird man doch nur Klarheit schaffen, wenn man den Mut hat, die Sachen aufzudecken und das Schlechte, Faule und Üble auszumerzen.

Und noch einen Satz will ich zu dieser Sache sprechen: Nicht das ist der springende Punkt, daß einzelne Personen der Bestechung oder der Bestechlichkeit geziehen und überwiesen sind, obwohl gewiß solche Vorkommnisse im politischen Leben tief traurig sind. Für uns, die wir uns in die inneren Angelegenheiten der èechischen Parteien nichteinmengen wollen, ist die Tatsache der springende Punkt, daß die Koalitionsparteien offenbar schon zu einer solchen Höhe der politischen Moral gekommen sind, daß sie es für sittlich berechtigt ansehen, auf Kosten des Staates ihre Parteien und ihre Einrichtungen zu bereichern und sich ausleben zu lassen. Das ist für uns der springende Punkt in dieser Affäre, wofür die Herren offenbar heute noch kein Verständnis haben. Sie leben in einer Luft des Größenwahns, die geschwängert ist - nicht von Spiritus und Benzin - sondern von einem Hochgefühl: Wir leben in der "naše republika"! Dies ist es, was ihr freies, gesundes Denkvermögen umnebelt, stört und hemmt, so daß sie nicht fühlen, daß in der ganzen Welt das als politisch unmoralisch anggesehen wird, was Sie offenbar als sittlich berechtigt und erlaubt ansehen. Unsere deutsche Öffentlichkeit sagt darauf: Nun wissen wir, warum man in den Zentralstellen unsere deutschen Beamten nicht haben will, nun wissen wir, warum man der deutschen Minderheit die tätige Mitkontrolle in der Staatsverwaltung verweigert, weil man diese Kontrolle auf Jahre hinaus nicht brauchen kann und will.

Meine Herren! Es wird gesagt, daß auf der Ministerbank und unter den führenden Männern der Koalition doch sicherlich viele sitzen, die reine Hände haben. Meine Herren! Daran will ich nicht zweifeln; aber wir glauben, diese müßten doch ein Gefühl dafür haben, daß ein System auf die Dauer nicht bestehen kann, dessen Tragkraft eigentlich doch nur die Solidarität der Unmoral ist. Die Koalitionsparteien scheinen diese Dinge als eine interne Angelegenheit ansehen zu wollen. Wir haben nicht die Neigung, uns in èechische Angelegenheiten einzumischen, uns mit den Koalitionsparteien über die Auffassung von Staatsmoral auseinanderzusetzen. Wir wollen aber über diese Dinge nicht schweigen, wir wollen unsere Meinung nicht vorenthalten, weil hier ungeheuere Mengen von Volksgut verschleudert werden, wahrend unsere arbeitenden Menschen von unerträglichen Lasten bedrückt werden, die der Staat ihnen auferlegt, und weil sie die Kosten der Ausplünderung des Staates durch ihre Arbeit und Steuerleistung tragen müssen.

Meine Herren! Die Regierung, die von den Koalitionsparteien gebildet wird und die solche Dinge bekämpfen will nicht mit Klarheit und Wahrheit, sondern mit Ausnahmsgesetzen, diese Regierung hat die eiserne Stirn, uns unsere Trauerfeietn für unsere Märzgefallenen zu verbieten. Diese Regierung geht schon jetzt daran, ein neues soziales Werk, die Sozialversicherung, zu Korruptionszwecken zu benützen, indem jetzt schon Stellen vorbehalten und reserviert werden für jene èechischen Politiker, von denen man glaubt, daß sie sogar das èechische öffentli che Leben ausscheiden und über sie zur Tagesordnung übergehen wird. Diese will man konservieren, ihnen Stellen vorbehalten. Diese Regierung will daran gehen, eine Kolonisierung vorzunehmen, um uns unsere deutsche Heimat auf diese Weise zu durchsetzen und uns die Freude an unserer Heimat zu verekeln. Diese Regierung fälscht in der Slovakei die Wahlen und bereitet in Karpathorußland Schnapswahlen vor. Ein alter èechischer Politiker, Ich glaube, es war Skrejšovský, hat einmal das Wort gesprochen: "Eine eiserne Stirn ist mehr Wert als ein Meierhof." Aber da gehören schon mehr als zwei eiserne Stirnen dazu, wenn man sich da heraufgetraut und von politischer Moral und von der sittlichen Kraft einer solchen Koalition spricht sowie davon, daß diese Koalition die Herrschaft über die Völker dieses Staates weiterführen soll. Diese Koalition hat nur noch eine einzige sittliche Pflicht, nämlich zu verschwinden und der Bevölkerung, die Möglichkeit zu geben, durch Neuwahlen ihr Urteil über die heutigen Verhältnisse im Staate abzugeben. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Lehnerta (viz str. 45 tìsnopisecké zprávy):

Liebe Freunde und sehr geehrte Kollegen von der deutschen Seite! Der Aus druck "Hohes Haus" will mir nicht über die Lippen kommen, weil ich es nach Vorkommnissen der letzten Zeit wirklich nicht für eine besondere Auszeichnung halte, hier... (Posl. dr. Schollich: ... in diesem Narrenhaus!)

Místopøedseda dr. inž. Botto (zvoní): Volám pána posl. dr. Schollicha k poriadku. (Výkøiky na levici. Místopøedseda dr. inž. Botto zvoní.)

Posl. dr. Lehnert (pokraèuje): ... Mitgiied zu sein. Man kann über diesen Staat verschiedener Meinung sein, man kann ihn verneinen oder bejahen, man kann mit beiden Füßen auf dem Boden dieses Staates stehen, man kann sich eine freie Kritik darüber vorbehalten oder alles unbesehen hinnehmen, was hier geschieht, aber wie man es auch nehmen will - unsere Meinung kennen Sie ja - wie er jetzt aussieht, momentan kann er niemandem zur Freude gereichen. Höchstens Schadenfreude könnte man darüber empfinden, wenn man sich die Zustände in diesem Staate besieht. "Es riecht nach Spiritus und Benzin", geht ein Witzwort hier im Hause. Kollege Stivín hat gesagt, es sei ein feiner Unterschied zu machen zwis chen der Korruptionsaffäre des Spiritus und der Korruptionsaffäre des Benzin. Es ist ja richtig, beim Spiritus, da handelt es sich um Schiebereien zu Gunsten der Parteien, beim Benzin sind die Nutznießer der Korruption nur kleine kapitáni und einzelne Leutchen, die mit den Parteien wahrscheinlich eigentlich keine engere Fühlung haben, denn erstens hätten sie dann die Sache großzügiger betrieben und zweitens würde man sich nicht so auf sie stürzen als auf die Alleinschuldigen, um die Aufmerksamkeit des èechischen Volkes - denn wir wissen schon, woran wird sind - von der Spirituskorruption abzulenken. Es ist ja für die Fünferlausschüsse, für die Pìtkas, sehr bedauerlich, daß sie nicht irgend eine Korruption auf deutscher Seite gefunden haben, auf die man sich hätte losstürzen können. (Posl. dr. Kafka: Gibt es auch eine Korruptionspìtka?) Es soll eine geben.

Dann wäre es am allereinfachsten gewesen: man hätte die èechische Korruption mit der deutschen Korruption einfach zugedeckt. So mußte man aber die Spirituskorruption schnell mit Benzin bedecken. Vielleicht verwischt sich der Eindruck. Wie ich die Èechen kenne, glaube ich, daß sie darauf hineinfallen werden. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Es war heute wohl das erstemal, daß ich den geehrten Ministerpräsidenten Švehla bewundert habe. Ich habe ihn schon früher geachtet als einen klugen, gewandten, routinierten, nach allen Seiten hin geschickt jonglierenden Politiker. Aber was er heute geleistet hat, war unbedingt der Clou, der Höhepunkt. Sich hieher zu stellen nach allem, was vorgekommen ist, und hier den Verteidiger zu machen für alle diese fünf Jahre Wirtschaft, die wir miterlebt haben und die wir alle kennen, dazu gehört mehr als gewöhnlicher Mut. Daß es ihm an einem so un-tauglichen Objekt nicht gelingen wird, die Staatswäsche so wieder rein zu bringen, daß sie nach außen hin im Ausland wieder schneeweiß im Blütenkleid erscheint, das ist natürlich nicht seine Schuld. Wenn wir überlegen, mit welch großen Versprechungen vor fünf Jahren, zur Zeit des Umsturzes, dieser Staat sich gebildet hat, da müssen wir uns sagen, daß das Wort "Republik" und für die Èechen ist doch die "naše republika" alles, einfach alles, wenn das nicht wäre, wäre überhaupt nichts mehr - daß diese Worte "Republik" und das andere, das Sie stets im Munde führen - auch der geehrte Herr Vorredner hat davon gesprochen - nämlich "Demokratie", durch die Auswirkung im Leben und in der Wirklichkeit einen so unangenehmen Wandlu ngsprozeß in pejus durchgemacht haben, daß die begeistertsten Anhänger derselben an ihrer Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit zu zweifeln beginnen. Man versteht das "Simplizissimuswort", wo ein alter Agrarier im Deutschen Reiche über die Republik spricht und sagt: "Her mit der Monarchie! Eine fette Sau füttert sich leichter, als hundert magere." Ja, als wir den èechischen Kollegen vor drei Jahren, besonders anläßlich des Kriegsanleihegesetzes, den Spiegel vor Augen gehalten haben, wie ihr Staat nach unserer Meinung ausschaut, da haben sie es uns nicht geglaubt. Wir haben ihnen gesagt, daß er aufgebaut ist auf Unterdrückung, Größenwahn, auf Lüge und Korruption. Das haben sie uns alles damals nicht geglaubt. Heute wird mancher von ihnen daran zurückdenken und wird sich sagen: "So ganz aus der Luft gegriffen waren die Behauptungen der Deutschen damals denn doch nicht." Auf Lügen, haben wir damals gesagt, ist dieser Staat aufgebaut, und nur durch Lügen kann er sich weiter erhalten, denn wodurch ein Staat entsteht, nur dadurch kann er sich weiter erhalten. Wenn er auf Macht begründet ist, setzt er sich durch Macht fort. Österreich war auf anderen geschichtlichen Grundlagen aufgebaut, es hat sich infolgedessen durch diese gehalten. Dieser Staat aber ist auf Lügen gegründet und kann nur durch Lügen aufrecht erhalten werden. Die erste Lüge war der Friedensvertrag, dem er seine Entstehung verdankt. Darüber spreche ich nicht. Die zweite Lüge ist die Verfassungsurkunde, die der Ministerpräsident heute auch angezogen hat, daß sich nämlich die Völker freiwillig zusammengeschlossen haben, um diesen Staat zu bilden. Er weiß, so gut wie wir, daß der Staat sich nicht freiwillig aufgebaut hat. Auf welche Weise er gegründet wurde, haben wir vor zwei Tagen, am 4. März in Erinnerung gebracht. Er wurde gegrü ndet mit dem Blut friedlicher Bürger, das auf den Straßen deutscher Städte geflossen ist. (Posl. inž. Kallina: Sie wurden durch èechische Mörderkugeln getroffen.)

Pøedseda (zvoní): Volám pana posl. inž. Kallinu k poøádku. (Posl. inž Kallina: Jawohl, hingemordet sind sie worden, wehrlose Männer, auch Frauen! - Pøedseda zvoní.)

Volám pana posl. inž. Kallinu znovu k poøádku. (Výkøiky posl. dr. Brunara. - Pøedseda zvoní.)

Žádám pana posl. dr. Brunara, aby zachoval klid.

Posl. dr. Lehnert (pokraèuje): Es ist Tatsache, es ist festgestellt worden, auch durch die Behörden, daß damals die Deutschen ohne Waffen auf die Straße gegangen sind und für das Selbstbestimmungsrecht für alle Völker, selbstverständlich auch für ihr eigenes Volk, demonstriert haben und daß entweder infolge eines Mißverständnisses oder in Verkennung der von oben gegebenen Befehle die Militärpersonen in die waffenlose Menge hineingeschossen und hineingehauen haben. Das ist geschichtlich festgestellt, daran läßt sich nichts mehr ändern. Wenn man uns auch verbieten will, davon zu sprechen, so bleibt die Wahrheit doch! Man will uns verbieten, davon zu sprechen. Hier ist doch der einzige Ort, von dem aus wir sprechen dürfen - wie lange, wissen wir nicht, denn die Zensur haben Sie schon einmal eingesetzt. Aber unser Volk weiß, was es von hier zu erwarten hat. Es hat dies am 4. März vor 5 Jahren zum erstenmal gesehen, und sieht es die ganzen fünf Jahre lang. Man will uns zwingen, nicht zu trauern, oder wenn wir trauern, die Trauer nicht äußerlich zu bekunden. So hat man die Trauerfeier in Kaaden verboten, man hat in Komotau die Trauerfeier verboten, man hat dasselbe in Mhr. Neustadt gemacht. In Reichenberg wurde uns nicht gestattet, einen Trauerchoral vom Turm der Kirche blasen zu lassen, weil die Polizeidirektion, die jetzt staatlich ist - wir sind jetzt viel besser bewa cht, als früher - befürchtet hat, daß dies eine Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung hervorrufen wird. Der Polizeidirektor selbst hat mir versichert, daß, wenn geblasen wird, es zu Ruhestörungen kommen wird. (Posl. dr. Brunar: Woher hat er das gewußt?) Das weiß ich nicht! Darüber wird vielleicht der Herr inister des Inneren uns Auskunft geben können, ob die Polizeidirektion von Reichenberg eine so enge Fühlung mit dem Národní výbor unterhält, daß die genau weiß, wann der Národní výbor seine Lausejungen schickt, um den Trauerchoral stören zu lassen. (Posl. Myslivec: Pane pøedsedo, on nazval èleny Národního výboru všiváky! To je èlovìk, který se jmenoval Václav, ale øíká si Wolfram! Sám se za své jméno stydí!) Mit Militär und Polizei hat man alles gemacht. Wenn sich der Herr dort ereifert, so geniert mich das wenig. Heute gibt es einen einzigen unter den Èechen, den ich am höchsten achte, der bei dieser Sache schweigend zuhört, und das ist Herr Dr. Kramáø. Ich glaube, ihn schmerzen die Zustände am meisten, und er weiß wenigstens, was diese Verhältnisse für das èechische Volk bedeuten.

Der Ministerpräsident sagte, daß die Koalition auf ihre Arbeit stolz sei. Man kann aber ruhig sagen, daß Sie vieles schlechter gemacht haben, als das alte Österreich. Aber in der Anwendung des Prügelpatentes hat unbedingt diese "naše republika", die nicht unsere "naše republika" ist... (Výkøiky posl. Špaèka a posl. Myslivce.)

Pøedseda (zvoní): Žádám o klid.

Posl. dr. Lehnert (pokraèuje) ... einen Rekord geleistet, der das alte Österreich mit Neid erfüllen könnte. Und weil wir schon beim Polizeiregime sind, will ich eine Angelegenheit erörtern, die uns alle als Kollegen und Abgeordnete angeht.

Es handelt sich um unseren Kollegen Dr. Alois Baeran. Er ist vor èechischen Geschworenen gestanden, und als ich ihn in der Haft besuchte, bevor er vor den Geschworenen stand, habe ich ihm bereits gesagt: "Du gehst Deiner sicheren Verurteilung entgegen." Bei der Zusammensetzung dieses Gerichtes ist ein anderes Urteil nicht zu erwarten gewesen. Nun hat Dr. Baeran aus dem Gefängnis heraus seinerzeit ein Wiederaufnahmeverfahren verlangt. Zur Entscheidung über dieses Ansuchen hat die Gerichtsbehörde sieben Monate gebraucht. Dr. Baeran behauptet, daß er unschuldig ist und daß er Beweise erbringen will, die seine Unschuld klarlegen. Man fand es aber nicht für wünschenswert, dieses Ansuchen in kurzer Zeit zu erledigen, damit die Qual des Gefangenen oder wenigstens die Qual über die Ungewißheit seines Ansuchens nicht abgekürzt werde. Ich bin der Meinung, daß wenn im alten Österreich ein derartiger Gegenstand zur Sprache gekommen wäre, wohl alle Parteien einer Meinung gewesen wären und daß man einen Mann, der wegen eines politischen Deliktes verurteilt wurde, nicht als gemeinen Verbrecher in Sträflingskutte gewissenlosen und rohen Gefängniswärtern überlassen hätte, um ihn zu quälen. Die Èechen, die im alten Österreich wegen politischer Vergehen in Haft saßen - das werden alle Herren bestätigen - haben eine ganz andere Behandlung erfahren. Aber auch das illustriert den Unterschied zwischen der verfluchten österreichischen Monarchie und der gepries enen demokratischen "naše republika".

Der Herr Ministerpräsident hat für alle Schlechtigkeiten, die jetzt vorkommen und die sich ja doch nicht vertuschen lassen, die zum Himmel schreien, den Kriegsgeist verantwortlich gemacht. Der Krieg habe eine Verwilderung der Sitten mit sich gebracht. Das ist ja richtig. Aber anderwärts schafft man sich diese Kriegs-Amoral vom Halse, hier aber wird sie gehegt und gepflegt. Die Hauptsache ist, daß der äußere Schein gewahrt wird, die Lüge, durch die der Staat erhalten werden muß. Das ist der Unterschied zwischen hier und anderen Staaten. Es ist aber auch noch etwas anderes, was hier mitspielt, außer dem Kriegsgeist und seiner Konservierung. Und das ist der èechische chauvinistische Vorkriegsgeist aus dem alten Österreich, der ganz eingestellt war auf nationalen Egoismus und der jedes Vorgehen mit dem Sprichwort deckte: Der Zweck heiligt die Mittel. Der Zweck war heilig, wenn es für die Nation ersprießlich schien, und entscheidend war nur, ob das Mittel dazu tauglich war, nicht ob es moralisch oder schlecht war. Wenn die Èechen in höhere Ämter kamen, so übten sie schon im alten Österreich Protektionswirtschaft für ihre Konnationalen. In den Mittelschulen gab es immer bei den Èechen eine Unzahl von Vorzugsschülern, ganz im Gegensatz zu den deutschen Mittelschulen, sodaß man meinen konnte, daß die deutschen Mittelschüler minder intelligent seien. Die Èechen wollten schon damals ohne Rücksicht auf die Leistungen ein Intelligenzproletariat züchten, damit der Beamtenkörper im alten Österreich möglichst bald und ausgiebig verèecht würde und ganz und gar in die Hände der èechischen Nation gerate. Ja, man kann noch weiter zurückgehen, um die Wurzeln der Korruption zu erkennen. Mit der Königinhofer Handschrift beginnt das Aufleben des èechischen Volkes, also schon der Anfang ist mit einer großen Lüge verknüpft, und es ist des jetzigen Präsidenten nicht geringstes Ehrenblatt, endlich mit dieser Legende aufgeräumt zu haben, allerdings sehr zum Schmerze jedes guten Èechen. Die ganze Geschichtsschreibung Palackys, auf die sich die Erziehung der èechischen Jugend gründet, ist eine Lüge neben der anderen, nach ihr sind die Èechen stets dagewesen, alle anderen Völker, die Markomannen und Quaden, die Silesinger in Schlesien, waren eine Oberschicht, sogar die Bojer waren danach keine Ureinwohner Böhmens. Die Deutschen kamen natürlich erst nachher. Immer wieder ist die erste Urschicht rein èechisch. Diese Darstellung wurde der Jugend systematisch eingepfropft. Die Lehre von der rein èechischen Beschaffenheit der Länder Böhmen, Mähren und Schlesien - war der Urgrund, der schließlich zu diesem Erfolge geführt hat, der aber einen Frieden in diesem Lande niemals zustande kommen läßt, mögen sich auf deutscher Seite welche Leute immer bemühen, einen Frieden herbeizuführen. Der èechische Geist wird es verhindern.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP