Ètvrtek 29. listopadu 1923

Nun einiges zu unserem Postscheckverkehr. Vor allem muß verlangt werden, daß das Prager Postscheckamt, das sich heute an der Peripherie der Stadt befindet, in die Stadtmitte, an eine zentralere Stelle verlegt werde, weil ein für das Geschäftsleben so wichtiges Institut in Zukunft für jederman leichter erreichbar sein soll. Ferner soll dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, auch in unserem Staate eine Postsparkassa zu errichten. Der Geldverkehr des Postscheckamtes ist ein sehr großer und der Einlagestand betrug im Jahre 1922 2.343,499.830 Kè. Der einprozentige Überschuß beträgt rund 76 Milionen Kronen und der derzeitige fünfprozentige Reservefond beträgt 117,874.000 Kè. Wir müssen in Anbetracht der ganz gewaltigen Summe, die in Frage kommt, erklären, daß dieser Reservefond uns viel zu niedrig erscheint, und daß zu wünschen wäre, daß das Postscheckamt in dieser Richtung so ausgebaut werde, daß es allen eventuell zu erwartenden Anforderungen vollständig gewachsen ist. Von den Erträgnissen im vorigen Jahre wurden an die Postverwaltung rund 59 Millionen Kè abgeführt, während man im Voranschlage 84,150.00 Kè präliminiert hatte. Es ergibt sich also ein Abgang von rund 25 Millionen Kè. Trotz dieser Erfahrung hat man heuer, bzw. für 1924 eine Summe von 109 Millionen Kè an Erträgnissen vorgesehen, und es wäre interessant zu erfahren, wie das Postministerium zu derart veranschlagten Ergebnissen kommt. Des weiteren ist die Frage aufzuwerfen, zu welchem Zeitpunkte man endlich daran denkt, die beim Wiener Postscheckamte noch gebuchten Beträge den Einlegern zurückzuerstatten. Durch den im Vorjahre in Rom abgeschlossenen Vertrag ist die Frage spruchreif geworden und harrt ihrer dringlichen Lösung. Ebenso steht die Sache mit den Einlagen bei der Postsparkassa in Wien. Es sind das die Spargroschen der allerärmsten Leute, die dort festgehalten werden und die jetzt in der Zeit der schlimmsten wirtschaftlichen Notlage mehr als dringend des ersparten Geldes bedürfen. Alle diese Gelder sind im Lande eingezahlt worden und blieben auch im Lande. Wie der Herr Finanzminister erklärt hat, endlich daran zu denken, die Frage der Kriegsanleihe zu lösen, so müßte sich auch der Postminister zur Pflicht machen, dafür zu sorgen, daß die armen Sparer ihre Spargroschen bekommen und daß den Scheckkontoinhabern ihr Betrag endlich zur Auszahlung angewiesen werde.

Daß sich auch im Postbetriebe der Chauvinismus sehr kräftig auslebt, soll nur an einem Umstande bewiesen werden, der darin besteht, daß insbesondere in Prag Postsendungen mit deutscher Adressebezeichnung als unbestellbar retourniert, wenn sie nicht sogar weggeworfen werden. Im allerbesten Falle wird den Adressaten mitgeteilt, daß man künftig mit deutschen Postadressen versehene Sendungen nicht mehr zustellen wird. Da wir aber aus Deutschland und auch aus Österreich einen sehr großen Posteinlauf haben, müßte man eigentlich auch in diesen Staaten unsere Staatssprache lernen, um den Ansprüchen unserer Postchauvinisten zu genügen. Derartige Erscheinungen machen unser Postwesen im Auslande lächerlich und versetzen die deutsche Bevölkerung des Staates in eine berechtigte Aufregung, die nicht sein müßte.

Schließlich und endlich sei noch bei diesem Kapitel auf das Verhalten gegen die deutschen Beamten und Bediensteten neuerlich hingewiesen. Erprobte, außerordentlich tüchtige Menschen werden von ihrem Dienstposten ohne jeden Grund entfernt und durch dienstlich wenigger tüchtige, aber dafür national erprobte Nachfolger ersetzt, oft genug an solchen Stellen, wo die Kenntnis oder die Nichtkenntnis der Staatssprache gar keine Rolle spielt. Die Prüfungskommissionen versuchen schon vorweg, die deutschen Postler von Prüfungen abzuhalten, und wer dem Schicksal doch zu trotzen wagt, wird bei der Prüfung kurzerhand als nichtentsprechend abgewiesen, und die Fälle sind nicht sehr selten, daß der Prüfungsanwärter noch mit Grobheiten und noch schlimmer behandelt wird. Eine solche Behandlungsweise hätte man sich im alten Österreich nicht erlaubt und es blieb der demokratischen Republik vorbehalten, diesen nationalen Chauvinismus auf diesem Gebiete zu pflegen. Gegen diese maßlose Bedrückung der deutschen Postbeamten und Bediensteten sei an dieser Stelle schärfster Protest erhoben.

Wir sind aus den angeführten Gründen nicht in der Lage, für das erörterte Kapitel zu stimmen, wie wir auch nicht in der Lage sind, der Regierung das Budget zu votieren. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Pittingera (viz str. 961 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Durch die Friedensverträge wurde das einheitliche Wirtschaftsgebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie, von dem die Republik einen kleinen Teil, ungefähr ein Fünftel der Größe und Bevölkerung nach bildet, zerrissen. Diese Sudetenlande nennen eine hochstehende, produktionskräftige Landwirtschaft aller Zweige und eine weltbekannte Industrie aller Richtungen (Glas-, Textil-, Eisen-, Maschinenindustrie, Bierbrauerei etc.), reiche Naturschätze, Kohle, Holz u. s. w. ihr Eigen, sowie ein Gewerbe, das weltbekannt ist und von dem der größte Teil sich in deutschen Händen befindet. Eine äußerst umsichtige Wirtschaftspolitik in dem verkleinerten Wirtschaftsgebiet, das einem von dem großen ausgleichenden Wirtschaftsorganismus abgetrennten Organe gleicht, wäre notwendig, um selbst unter normalen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Mitteleuropa eine so plötzliche Umstellung und Anpassung der heimischen Volkswirtschaft an die neuen Verhätnisse zu ermöglichen.

Die Volkstribunen aber, denen ein Zufall, eine Laune der Geschichte, diesen reichsten kulturell- und wirtschaftlich stärksten Bestandteil des alten Österreich in die Hände gespielt hat, haben sich gar nicht bemüht, diesen vorhandenen wirtschaftlichen Grundlagen und Tatsachen Rechnung zu tragen. Sie sperrten die Grenzen gegen die natürlichen nachbarlichen Hauptabnehmer Deutschösterreich und Deutschland ab und glaubten in ihrem politischen Chauvinismus goldene Brücken in die weite Ferne, zu den Freunden und Protektoren in jenen Ländern schlagen zu können, die nie größere Abnehmer ihrer Produkte waren, noch jemals sein werden, und wendeten sogar für die Gewinnung dieser Länder als Absatzgebiete eine sehr große und kostspielige Regierungspropaganda an.

Zu dieser Grenzsperre kam noch die bekannte Valutapolitik und trotz alledem der Erfolg: Im Oktober dieses Jahres trat trotz der niedrigen deutsch-östereichischen Krone das kleine Österreich an die Spitze der Abnehmer der Èechoslovakischen Republik. Das kleine Land hat trotz der hohen Valuta der Kè das Eineinhalbfache dessen abgenommen, was das riesige, aber sehr verarmte Deutschland übernehmen konnte, und das Vierfache dessen, was das britische Weltreich bezogen hat, für dessen Gewinnung ganz besondere Propagandamittel ausgegeben wurden. Die anderen Staaten rangieren weit hinter Österreich, der große politische Freund der Èechoslovakei, Frankreich, ka ufte nur ein Neuntel des österreichischen Quantums. Trotz dieses deutlich genug sprechenden Hinweises ist die Handels- und Wirtschaftspolitik dieses Staates unter dem bekannten nationalen Chauvinismus nach innen und dem fast sklavischen Abhängigkeitsverhältnisse von Frankreich nach außen auch heute noch weit davon entfernt zu erkennen, wo das natürliche Absatzgebiet liegt, und zu erkennen, daß vom Standpunkte der Volkswirschaft ein natürliches Absatzgebiet einem teuer erkauften und künstlich geschaffenen unbedingt vorzuziehen ist. Daß durch einen derartigen Kardinalfehler der Handelspolitik die Volkswirtschaft des Staates schwer leiden muß, ist natürlich.

Es ist dann leicht zu erklären, daß ein Ausgleich im Staatsvoranschlag selbst den größten Künstlern nur schwer gelingen wird und es der geriebesten und raffiniertesten Verschleierung bedarf, um dies dem Schein nach zu bewerkstelligen. Daß man dann dem Parlament auch nicht lange Zeit lassen darf, diese geheimen Gespinste zu entwirren und die Wahrheit an das Tageslicht zu fördern, ist ebenso begreiflich. Sind und bleiben doch alle Reden, die hier, ganz besonders von den Rednern der Oppositionsparteien, gehalten werden und die trotz der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit doch so manche Unklarheit aufdecken, Reden ohne Antwort, vor leeren Bän ken gehalten, geschweige denn, daß irgendein Ressortminister sich zu einer Antwort herbeiließe, wie es seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit in seiner Verantwortung dem Parlament gegenüber - vor allem in einer demokratischen Republik - wäre. Daß die èechischen Regierungsparteien ihren eigenen Parlamentarismus, den sie vielfach als Mittel zum Zweck oder, besser gesagt, als Zweck, der alle Mittel heiligt, als Sprungbrett benützen, um sich Pfründen und Milli nengeschäfte parteimäßig oder privat zu sichern, auf diese Art und Weise seiner demokratischen Sendung und Würde entkleiden und zu einer skandalösen Weltkomödie machen, ist vielfach nicht zu wundern, daß aber die Minister der einzelnen Ressorts, die diesem Parlament verfassungsmäßig verantwortlich sind, dasselbe während der wichtigsten Debatte, die in einem Parlament abgeführt werden kann, fast ausnahmslos gleich sam sabotieren, ist ein offener Hohn auf die Demokratie, eine unverantwortliche Pflichtvergessenheit Es muß einen anwidern, in diesem Hause, in dem seit seinem Bestande kaum ein einzigesmal und kaum eine einzige Frage wirklich ruhig und sachlich und objektiv aufbauend beraten wurde, noch dazu unter den genannten Verhätnissen das Wort zu ergreifen. Wenn die Redner der in diesem Hause in keiner Weise anerkannten Minderheiten dies trotzdem tun, so wollen sie damit der ganzen durch Ihre ausgebreitete Regierungspropaganda irregeleiteten Welt das hinter eitel Lug und Trug versteckte wahre Gesicht dieses Staates zeigen, dann wollen sie besonders bei dem Kapitel "Volkswirtschaft" der Welt die Augen darüber öffnen, nach welchen Gesichtspunkten und mit welchen Zielen hier Volkswirtschaft betrieben wird.

Eigentlich ist seit Bestand dieses Staates Volkswirtschaftspolitik überhaupt nicht betrieben worden, weil für alle diesbezüglichen Maßnahmen stets nur nationalchauvinistische Ziele maßgebend waren, niemals rein wirtschaftliche Grundlagen und Erwägungen. Ihre sogenannte Volkswirtschaftspolitik kennt nur den nationalen Fiskus, nimmt aber auf die natürlichen volkswirtschaftlichen Grundlagen und Faktoren des Staatsgebietes keine Rücksicht. Scheinbar gewinnt Ihre nationale Wirtschaft, aber ebenso bestimmt leidet die Volkswirtschaft des Gesamtstaates ungeheure Schäden; vor allem schädigen Sie hiedurch die deutsche Volkswirtschaft, die Sie, gemäß Ihrer Tendenz, diesen Staat zum Nationalstaat zu stempeln, zuerst abwürgen müssen, um auf den Boden des wirtschaftlich entwurzelten und von seinem Boden verdrängten deutschen Sudetenvolkes nachrücken zu können. Dann erst wären Sie die Herren dieses Staates. Ein schöner Wunsch, bei Ihnen der Vater des Regierungsgedankens.

Ich will mich wegen der gebundenen Redezeit hauptsächlich mit der Lage der deutschen Landwirtschaft in diesem Staate befassen und dieselbe skizzieren. Tatsache ist, daß die deutsche Landwirtschaft in diesem Staat im Vergleich zur èechischen, die in den fruchtbaren Ebenen siedelt, was die natürlichen wirtschaftlichen Faktoren betrifft, in starkem Nachteil sich befindet. Sie siedelt in den Randgebirgen, in schlechter klimatischer Lage und Bodenbeschaffenheit oder in schmalem Randgebiet, fern von den Verkehrs- und Konsumzentren des Staates, durch die nahe Grenze vom stammverwandten Ausland und früheren Hauptabsatzgebiet fast hermetisch abgeschlossen. Ich kann hier wieder des näheren nur auf einen Teil des Siedlungsgebietes der deutschen Landwirtschaft eingehen, auf den schmalen Grenzstreifen in Südmähren. Trotzdem gilt vieles in gewissem Grade auch für die übrigen Siedlungsgebiete der deutschen Landwirtschaft. In Südmähren siedelt eine deutsche Landwirtschaft, die intensiv alle Zweige der Landwirtschaft betreibt, Feld-, Wein-, Obst-, Gemüse- und Rüben au, und die natürlich auch eine intensive Viehzucht ihr Eigen nennt, besonders in jenem Teil, der reinen Feldbau betreibt. Der größte Teil der dortigen landwirtschaftlichen Produktion (Frucht, Obst, Gemüse, Znaimer Gurken, Fleisch, Wein etc.) fand in dem benachbarten Wien und seinen Vororten reißenden Absatz, ebenso die Erzeugnisse der dortigen bodenständigen Industrie und des Gewerbes. Durch die Staatsgrenze wurde dieses Gebiet von seinem natürlichen Absatz abgeschnitten und droht besonders in seiner landwirtschaftlichen Produktion zu ersticken; es krankt auch die Industrie und das Gewerbe aus denselben Gründen. Der bodenständige Bedarf ist zu gering, die Konsumzentren dieses neuen Staates sind zu weit entfernt, die Bahntarife riesig hoch, daher Druck auf die Preise unserer Produkte, die fast durchwegs die bloßen Gestehungskosten nicht erreichen, bei gleicher oder noch höherer Steuerleistung im Vergleich zu gleichartigen landwirtschaftlichen Gebieten, besonders dem èechischen Gebiet in der Nähe der Konsumzentren.

Mit einigen Beispielen will ich Ihnen diese wirtschaftliche Benachteilung Südmährens aus seiner Lage erläutern: Im heurigen Sommer kostete 1 Liter Milch ab Stall 80 Heller, zu gleicher Zeit in der Umgebung von Brünn 1·10 bis 1·20, in Znaim 1·50 bis 1·70, in Brünn 1·80 bis 2·-, in Nordmähren 1·80, in der Umgebung von Prag 1·60 bis 1·80 bis 2·-, in Prag 2·40 bis 2·60 Kè. Seit Oktober dieses Jahres kostet 1 Liter Milch bei uns 1·10 Kè, in der Umgebung von Brünn 1·40 bis 1·60, in Brünn selbst bis Kè 2·-, in Prag Kè 2·40. Bedenkt man, daß durch das amtliche Anforderungsrecht diese billige südmährische Milch bis nach Prag geschickt werden mußte und hier - man vergleiche mit den Einkaufspreisen von 80 Hellern - Kè 2·40 kostete, so müssen Sie zugeben, daß diese Preissteigerung, diese Spannung nur auf Kosten der heimischen Produktion erfolgt ist, daß die Gewinne einzig und allein der Zwischenhandel, bezw. der Staat, der als Verteuerer durch seine Tarife auftritt, einsteckt. Wir fordern in der Frage der Milchwirtschaft unbedingt sofortige Aufhebung des behördlichen Anforderungsrechtes, das wir als schädliches Überbleibsel der Zwangswirtschaft bezeichnen müssen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Das zweite Produkt ist der Wein. Ein Liter Wein kostete 1922 in Südmähren Kè 3·- bis Kè 5·-, inbegriffen Kè 1·45 Weinsteuer, im Jahre 1923, also heuer pro Liter Kè 4·- bis Kè 6·-, die Steuer ebenso inbegriffen. Im vorigen Jahre kostete 1/4 l dieses Weines hier in Prag Kè 4·- und heuer Kè 5·- bis Kè 6·-, also ein Viertel ebensoviel, als in Südmähren 1 Liter. Also eine Preissteigerung von 300 und mehr Prozent. Ähnlich ist es auf dem Gurkenmarkt. Während die Znaimer einheimische Gurkenausfuhr im Vorjahre verboten war, wurden die dortigen Gurken von den Všetater Händlern gekauft und durch diese erst mit hohem Gewinn ausgeführt. Daraus erkennen Sie wieder, wie unsere heimische deutsche Landwirtschaft und Gewerbe direkt mit Absicht geknebelt wird.

Trotzdem aber lastet auf uns derselbe Steuerdruck, obwohl wir für unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse viel niedrigere Preise erzielen, als z. B. die èechischen Betriebe in der Nähe der Konsumenzentren. Darauf müßte denn doch bei der Steuerbemessung gerechterweise Rücksicht genommen werden, zumal wir andererseits ebenso teuer oder noch viel teuerer produzieren, als diese. Die Steuern als solche stehen heute in keinem Verhältnisse mehr zu den Einnahmen. Eine alsbaldige Verschuldung muß eintreten. Besonders ungerecht und ungerechtfertigt sind die hohen Steuerzuschläge, die Kriegszuschläge, die Landeszuschläge von 200 bis 400%, die Gemeindeumlagen, die durch die bekannte Gemeindewirtschaft in vielen Gemeinden bis zu und über 1000% gestiegen sind, die Bezirkszuschläge u. dgl. Alles zusammengenommen verzehnfacht den Steuersatz. Diese Zuschläge, deren ursprüngliche Bestimmung ar, die Kriegsgewinne möglichst rasch zu erfassen und sie dem Staate zuzuführen, sind heute absolut nicht mehr gerechtfertigt. Die Gewinne, die aus der Kriegskonjunktur geschaffen wurden, sind längst aufgebracht bzw. vom Staate längst erfaßt und die Steuern sind den heutigen Einnahmsquellen und dem Kronenwerte absolut nicht mehr angepaßt. Ist es nicht absurd, daß für die Jahre 1919, 1920 und 1921, in den Jahren der tatsächlichen Hochkonjunktur für landwirtschaftliche Produkte die Steuern in demselben Ausmaß bei einer dreifach billigeren Krone vorgeschrieben wurden, wie heute, wo die Preise der landwirtschaftlichen Artikel durchschnittlich bis gegen 50% gesunken sind und die èechische Krone dreimal so teuer geworen ist? Ein Beispiel beim Wein: Im Jahre 1920 kostete Wein pro Liter 12 Kronen ab Keller und da wurde eine Steuer von 1·60 Kronen vorgeschrieben. Heute, wo der Wein ab Keller 3 bis 5 Kronen kostet, beträgt die Steuer immer noch 1·40 Kronen. Dasselbe gilt wohl auch von der Umsatzsteuer, die bisher mit einem Prozent auf den landwirtschaftlichen Produkten lastete, heute aber, wo die Preise der landwirtschaftlichen Produkte tief gesunken sind, verdoppelt werden soll, eine Maßnahme, die jedenfalls keine Verbilligung der Lebensführung, wie sie durch die Regierung geplant wird, herbeiführen kann, so ndern eine neuerliche Verteuerung zur Folge haben muß.

Wir verlangen daher die Abschaffung der Zuschläge, bzw. eine umfassende Steuerreform, angepaßt den seit dem Umsturz zu ungunsten der Steuerzahler geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen, bzw. den Einnahmsmöglichkeiten der Volkswirtschaft. Wir fordern ein Steuersystem, das die heimische Volkswirtschaft nicht auf Befehl Frankreichs abtötet, sondern das auf den bestehenden volkswirtschaftlichen Grundlagen und Voraussetzungen dieses Staates aufgebaut ist und denselben weitestgehende Rechnung trägt. Wir verlangen die unbedingte Abschaffung der nur fiskalischen Zwecken dienenden Umsatzsteuer und verwahren uns entschieden gegen eine eventuelle Erhöhung derselben.

Was besonders in den breiten Massen der Bevölkerung immer mehr und mehr zu Klagen Anlaß gibt, das ist das Chaos, das in der Steuerpraxis überhaupt und in den Steuerämtern herrscht, die Willkür der Steuerbehörden bei Bemessung und Veranlagungg der Steuern und bei der Steuereintreibung, die Nichthörung der Parteien, die Nichtdurchführung des Vorhaltverfahrens, die Nichterledigung der Gesuche aller Art, das verschiedenartige Vorgehen bei Beurteilung der gesetzlichen Erleichterungsgründe etc. Nicht zuletzt sei hingewi sen auf die totale Unfähigkeit eines hohen Prozentsatzes der Beamtenschaft der Steuerämter, besonders der jüngeren Generation, worüber von den Vorständen der Steuerämter selbst Klage geführt wird. Die Steuerämter erscheinen den Steuerträgern gegenüber heute gewissermaßen als Sphinx, die Steuerträger selbst stehen diesen Ämtern mit Mißtrauen und Furcht gegenüber und sind ihnen beinahe rat- und hilflos ausgeliefert. Betrachtet man außerdem noch die unverantwortliche Bankenwirtschaft, die teilweise noch durch den Staat gefördert wird, durch deren Ausgleiche gerade die kleinen Sparer schwer geschädigt werden, und vergißt man die Rücksichtslosigkeit der Steuerbehörden in solchen Fällen nicht, wo die Steuerträger ihr Geld infolge von Moratorien, die vom Staate bewilligt wurden, verlieren, ohne daß der Staat etwas tut, um diese Institute zu sanieren, dann muß man dem Staate unbedingt die böse Absicht in die Schuhe schieben, die Volkswirtschaft bewußt niederzudrücken. Ein solches Vorgehen der Regierung zeigt sich besonders deutlich dort, wo es sich um die Sanierung deutscher Geldinstitute handelt. Dazu kommt die Nichteinlösung der Kriegsanleihe, die der Wirtschaftstätigkeit einen großen Teil des Wirtschaftskapitals entzogen hat, dazu kommt die Vermögensabgabe und die vollkommen ungerechtfertigte Vermögenszuwachsabgabe, die auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Jahre 1919 berechnet wurde und heute bei ganz geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen mit derselben Summe rücksichtslos eingetrieben werden soll. Dazu kommt die Zurücksetzung der deutschen Landwirtschaft bei der Bodenreform, die Verstaatlichung des deutschen Grenzwaldes, die ungleiche Behandlung der deutschen Landwirtschaft in puncto Rekultivierungen, wie überhaupt in allen Kapiteln des Voranschlages, ferner die Nichtberücksichtigung der deutschen Gebiete beim Bau von Straßen, Bahnen u. s. w., die gewaltsame Majorisierung von Bezirks- und Gemeindevertretungen, sowie die Trennung und Zusammenlegung von Gemeinden rein vom Èechisierungsstandpunkte aus, ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des deutschen Teiles. Ich verweise da auf die gewaltsame Vereinigung der Gemeinde Holzmühl mit Iglau, der Gemeinde Mannsberg mit Znaim, auf die Schaffung der selbständigen èechischen Gemeinde Schönwald auf Kosten der zwei deutschen Gemeinden Schiltern und Edenthurn, ferner auf die Schädigung deutscher Gemeinden und Privaten durch die Beschlagnahme deutscher Gebäude und Gründe, so in letzter Zeit die ungerechtfertigte Beschlagnahme der Turnhalle in Mies, angeblich für ein Militärkino u. dgl. Hiezu kommt noch die beabsichtigte Erniedrigung des Zinses, dann die Schuldrosselungen, die zur teilweisen Hebung der Schäden wieder Geld aus dem Volksvermögen erfordern, und vieles mehr.

Neben dem moralischen und politischen Kampf, den die herrschende Nation durchficht, sind wir Deutschen aber vielfach blind gegen den gewaltigen wirtschaftlichen Enteignungsprozeß, der neben dem politischen einherläuft. Kunst und Kultur sind für ein Volk gewiß Gipfelpunkte. Trotzdem ist aber nicht einzusehen, warum das deutsche Volk in der Èechoslovakei über den Raub des deutschen Landestheaters in Prag erregter war und noch erregter ist, als z. B. über die Überführung des Ostrau-Karwiner Industriereviers aus deutschem Besitz in den Machtbereich der Živnostenská banka. Das deutsche Volk ist in Wahrheit ein Arbeitsvolk, aber es läßt sich die Arbeitsplätze nehmen und schreit nur, wenn ein Theater genommen wird.

Es ist notwendig, daß man hier auch ein Wort über die gewaltigste aller Zuckervertrustungen spricht, deren Zeugen wir eben sind, eine Vertrustung, die ausschließlich auf Kosten der Deutschen durchgeführt wird. Die èechische Industrialbank, bis zum Umsturz ein äußerst bescheidenes Bänklein, hat kurz nach dem Kriege die mit inneren Reserven reich gespickte deutsche landwirtschaftliche Kreditbank in sich aufgenommen, eine Tat, für die sich die letzten Machthaber der Landwirtschaftsbank noch heute die Haare aus dem Kopfe reißen möchten, denn die Fusion war eine übereilte Sache. Durch diese Fusion kam die Industrialbank überhaupt erst in die Zuckerindustrie, sie erwarb mit der Landwirtschaftsbank auch die Aussiger Zuckerraffinerie. Diese Raffinerie besitzt heute 2 Raffinadefabriken und 7 Rohzuckerfabriken, erzeugt 370.000 q eigenen Rohzuckers und gehört damit in die Reihe der ersten Zuckerkonzerne. Zur Erfassung dieser Tatsache muß beigefügt werden, daß die Aussiger Raffinerie zur Zeit des Umsturzes nicht eine einzige Rohz uckerfabrik besessen hat. Zuletzt hat die Aussiger Zuckerraffinerie die Schwarzenbergsche Zuckerfabrik in Postelberg erworben und dazu 38 Meierhöfe in der Umgebung. Die Entwicklung der Aussiger Aktiengesellschaft ist aber noch lange nicht an ihrem Ende angelangt. Sie ist eben im Begriffe, 16 weitere Rohzuckerfabriken durch Raffinadeverträge ihrem Konzern anz gliedern. Die diesbezüglichen Verträge sollen in einigen Tagen unterschrieben werden. Dadurch wird die Aussiger Raffinerie nahezu ein Fünftel der gesamten Zuckerproduktion der Republik in sich vereinigen. Dieses Tempo, das da eingeschlagen wird, ist ein geradezu rasendes und der Erfolg der Industrialbank, die dadurch in die erste Reihe der Zuckerbanken aufrückt, ist Gegenstand allgemeiner Diskussion. Allein das Geheimnis des Erfolges ist nicht schwer zu erraten. Man braucht sich nur die Namen der früheren Besitzer jener Zuckerfabriken anzusehen, die im Rachen der emporgeschossenen èechischen Bank verschwinden, und jedermann wird den Vorgang selbst erkennen. Die Zuckerfabriken gehörten früher den Familien Lobkowitz, Schwarzenberg, Thurn-Taxis, Aehrenthal u. s. w. Es sind die ehemals adeligen Zuckerfabriken, die mit Hilfe der Bodenreform nunmehr nationalisiert werden. Das Bodenamt steht zwar heute nicht mehr auf dem Standpunkt, daß auch die auf dem Großgrundbesitz befindlichen Zuckerfabriken zu beschlagnahmen sind, aber was macht ein Schwarzenberg mit seiner Zuckerfabrik in Postelberg, wenn ihm die dazugehörigen 38 Meierhöfe beschlagnahmt werden? Deshalb knüpfte Schwarzenberg an den Verkauf der Fabrik auch den Abverkauf der 38 Meierhöfe, wozu das Bodenamt seine Zustimmung geben muß. Tatsächlich bewarb sich die Böhmische Eskomptekreditanstalt, welche jahrelange Beziehungen zum Hause Schwarzenberg unterhält, um die erstklassige Zuckerfabrik in Postelberg, aber sie konnte, da sie ja im Geruche des Deutschtums steht, beim Bodenamt kein Arrangement bezüglich der Meierhöfe durchsetzen. Der èechischen Industrialbank dagegen ist es gelungen, sie konnte durchsetzen, daß Schwarzenberg sein Besitztum nicht konfisziert werde, und schloß den Vertrag. Und so wie es im Falle Postelb erg war, so war es bei ungezählten anderen Rohzuckerfabriken. Ein Teil dieser adeligen Zuckerfabriken wanderte zur Partei der èechischen Agrarier, wurde rustifiziert, ein Teil ging zur Živnostenská banka, zur Pragobanka, zur Prùmyslová banka. Und die letztere, die Industrialbank, ist im Begriffe, all das zu erwerben, was die èechische agrarische Partei rustifiziert hat. Auf diese Weise entsteht ein Zuckerkonzern, wie er noch nie da war. Die èechische Bodenreform zog aus, eine Demokratisierung des Besitzes herbeizuführen, allein sie mündet in einem großkapitalistischen, der Tiefe nach gegliederten Trust. Das Ziel der Bodenreform ist nicht erreicht, die Massenansammlung der Güter hat nur eine andere Form angenommen. Allerdings hat die Nationalität der Besitzer gewechselt, und das war scheinbar der Hauptzweck der Übung. Ungezählte Fabriken, welche bisher deutsche Beamte und deutsche Meister angestellt haben, sind in èechischnationale Besitzungen umgewandelt worden, wertvolle Posten, die heute noch mit Deutschen besetzt sind, werden in Hinkunft, in der nächsten Generation èechischen Kindern zufallen. Dieser Enteignungsprozeß geht ungeschwächt auf der ganzen Linie weiter. Die Deutschen in der Republik haben keine Ber akademie, keine Handelshochschule, keine tierärztliche Hochschule, nicht einmal deutsche Hebammen können herangebildet werden. Es ist alles darauf angelegt, die nächste Generation des deutschen Volkes zu proletarisieren.

Vergißt man außer all diesen Bedrückungen und Schädigungen der deutschen Volkswirtschaft in diesem Staate, besonders der Landwirtschaft, die nach dem Umsturze noch jahrelang auf der Landwirtschaft einseitig lastende Zwangswirtschaft mit ihren bösen volkswirtschaftlichen Wirkungen nicht, so muß jeder unparteiische Volkswirtschaftler zugestehen, daß die wirtschaftliche Lage der deutschen Landwirtschaft eine sehr mißliche ist, nicht mehr weit entfernt von totaler Verschuldung, wo diese nicht bereits eingetreten ist.

Daß die Landwirtschaft in diesem Staate überhaupt als Stiefkind behandelt wird, zeigen deutlich die Zahlen des Budgets, die im Kapitel "Landwirtschaft" für 1924 und 1923 bedeutend verringert sind. 700 Millionen gegen 3 Milliarden für Nationalverteidigung. Anderseits wird aber die Landwirtschaft als Melkkuh betrachtet, als Hauptzahler mit unerschwinglichen Lasten belegt, von denen ich gesprochen habe.

Die Disparität der Agrar- und Industriezölle wird trotz der Forderung der Landwirtschaft nicht beseitigt, die Novellierung der Vermögensabgabe und Vermögenszuwachsabgabe, die in dem vorliegenden Entwurfe ganz unzureichend ist, wird immer wieder hinausgeschoben, die Landwirtschaft steht hingegen vor einer neuen dauernden Belastung durch die Zwangselementarversicherung und die Sozialversicherung.

Wir stehen auf dem Standpunkte, daß eine neue Belastung der Landwirtschaft unmöglich ist, bevor nicht das Steuersystem in dem Sinne reformiert wird, wie ich es eingangs verlangt habe, bevor nicht eine entsprechende Novellierung der Vermögensabgabe und der Vermögenszuwachsabgabe durchgeführt, die Kriegsanleihefrage in befriedigender Weise gelöst ist und die Landwirtschaft eine ihrer Bedeutung in der Volkswirtschaft und der staatlichen Gesellschaft entsprechende Förderung durch die Regierung erfährt. Besonders für die nach den früheren Ausführungen in diesem Staate arg im Nachteil befindliche deutsche Landwirtschaft ist es eine Lebesfrage, daß obige berechtigte Forderungen der Landwirtschaft ehebaldigst durchgeführt werden.

Bis dahin ist es wohl noch weit und hat die Landwirtschaft auf eine wirksame staatliche Förderung oder auf eine Unterstützung ihres Kampfes durch die èechischen Agrarier kaum zu rechnen. Sie ist also auf sich selbst gestellt, auf die reine Selbsthilfe angewiesen, wie das sudetendeutsche Volk in seinem Existenzkampf überhaupt. Das Ziel dieser Selbsthilfe muß sein, jeden einzelnen deutschen Ackersmann, Wirtschaftsmann und Arbeiter, ob groß, ob klein, ob im Gebirge oder in dem Flachlande siedelnd, in den Stand zu setzen, trotz Tod und Teufel, trotz der schwersten wirtschaftlichen, kulturellen, völkischen und politischen Bedrückung, der er in diesem Staate im weitestgehenden Maße ausgesetzt ist, auf der von den Vätern ererbten deutschen Scholle und auf dem Arbeitsplatze sich zu behaupten, das letzte Sandkorn deutscher Heimaterde ungeschmälert in seiner Hand zu behalten und weiter zu vererben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist neben der körperlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit, die besonders in der Landwirtschaft Voraussetzung ist, auch das geistige Rüstzeug nötig, das den Erfolg des Existenzkampfes im hohen Maße verbürgen kann.


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