Støeda 28. listopadu 1923

Der Vollständigkeit halber will ich noch feststellen, daß von dem im Investitionsbudget vorgesehenen Betrage von 95,050.000 Kè für Wasserbauten nur 8,000.000 Kè auf die deutschen Gebiete entfallen. Das sind also 8·67%. Wie man bei dieser Sachlage in diesem Staate von der Regierungsseite noch von Gerechtigkeit sprechen kann, ist mir unverständlich. Interessant ist es aber auch zu erfahren, daß für die Erhaltung der militärischen Gebäude unter Titel 14 im Voranschlage für das Arbeitsministerium der Betrag von 16,291.300 Kè vorgesehen ist.

Wir fordern daher von dieser Stelle die Regierung auf, eine gerechtere Verteilung der Riesensummen des Staatsvoranschlages vorzunehmen und dann auch eine Verwendung in diesem Sinne zu gewährleisten, weil die deutschen Bewohner dieses Staates, wenn sie der Pflicht des Steuerzahlens nachkommen, mit Recht beanspruchen dürfen, daß auch wieder entsprechende Summen dem deutschen Wirtschaftsleben zugeführt und nicht wie bisher zum größten Teile der èechischen Wirtschaft einverleibt werden.

Drangsalierung und Verdrängung der deutschen Beamtenschaft, Knebelung der deutschen Kultur und Entwicklung einerseits und Unterbindung der deutschen Wirtschaft andererseits führen zu solch unerträglichen Verhältnissen, daß es Sie, meine Herren von der èechischen Seite, nicht wundern darf, wenn dieser ungeheuerliche Druck einen Gegendruck auslöst, der sich selbstverständlich nicht in Loyalitätskundgebungen Luft machen wird.

Aber nicht nur bewußter Schädigung auf materiellen Gebiete sind wir Deutsche in diesem Staate ausgesetzt, sondern auch auf dem Boden der durch Gesetze erzwungenen gemeinsamen Berufsorganisationen treten uns die Angehörigen der Staatsnation mit einer geradezu verletzenden Überhebung und Brutalität gegenüber. Wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit will ich heute nur auf die unerhörten Vorgänge hinweisen, die sich seit der Gründung in der Ingenieurkammer abgespielt haben.

Erfolgte schon die Gründung der Kammer entgegen dem ausdrücklichen Wortlaute des Gesetzes ohne Befragen der damals noch bestehenden deutschen Sektion, so spottet das Vorgehen der èechischen Kammerm ehrheit gegenüber der deutschen Minderheit einfach jeder Beschreibung. Nicht nur daß die deutschen Mitglieder infolge der brutalen Auslegung des Sprachengesetzes durch das Kammerpräsidium von jeder Mitarbeit ausggeschlossen sind und ihre Beschwerden auch wiederholt von dem Vertreter des Arbeitenministeriums als gerechtfertigt anerkannt wurden, erklärte Präsident Kalbaè, trotz alledem sein Vorgehen beizubehalten und das Ministerium könne machen, was es wolle. In wiederholten Eingaben, Denkschriften, und vor mehr als einem halben Jahre auf dem Weg einer Interpellation wurde die Regierung von allen diesen Ungesetzlichkeiten in Kenntnis gesetzt. Aber alles blieb vergebens. Die deutschen Vorstandsmitglieder der Kammer haben sich nach jahrelangen fruchtlosen Bemühungen gezwungen gesehen, ihre Vorstandsstellen niederzulegen, um endlich ein Eingreifen der Regierung herbeizuführen. Aber die Regierung griff bis heute weder ein, noch sah sie sich bemüßigt, die eingebrachte Interpellation zu beantworten. Daraufhin begab sich vor Monatsfrist eine Vertretung der deutschen Ziviltechnikerschaft zu den maßgebenden Ministerien, um an der Hand einer umfassenden Denkschrift, in der all die Vergewaltigungen der vergangenen Jahre niedergelegt sind, sie zu einem endlichen Eingreifen zu veranlassen. Der Abordnung wurde die Zusage zuteilt, daß sich der Ministerrat noch im Laufe der Woche mit den Vorgängen in der Ingenieurkammer beschäftigen werde und gewillt sei, unter allen Umständen eine Regelung der unhaltbaren Verhältnisse herbeizuführen. Nichts von alledem ist bis zum heutigen Tage geschehen. Ich hoffe, daß die Regierung diesem öffentlichen Skandale nunmehr bald ein Ende bereiten wird.

Bei dieser Gelegenheit will ich aber auch noch auf die unerhörte Zurücksetzung der deutschen technischen Hochschulen im Staatsvoranschlage hinweisen. So ist es ein öffentliches Geheimnis, daß die Prager deutsche Technik in einem für Schulzwecke überhaupt ungeeigneten Gebäude untergebracht ist und mit solchen Raumschwierigkeiten zu kämpfen hat, daß der Lehrbetrieb überhaupt in Frage gestellt ist. Wohl wurde im heurigen Investitionsbudget ein Betrag von 2 Millionen Kronen für den Aufbau am Hoftrakte in der Konviktsgasse eingestellt, doch geschieht dies nur im Interesse des Schulbücherverlages, der in die Objekte, in welchen heute eine Reihe von technischen Lehrkanzeln untergebracht sind, einziehen will. Dem Raummangel der deutschen Technik wird also durch diesen Bau in keiner Weise abgeholfen. Ganz energisch muß aber auch die endliche Freigabe des chemischen Institutes der Hochschule in Slup gefordert werden. Bezeichnend für den im Schulministerium herrschenden Geist ist die Herabsetzung der Post für wissenschaftliche Einrichtungen, die im vorliegenden Budget von 849.000 Kè auf den Betrag von 200.000 Kè herabgesetzt wurde. Für die Ausgestaltung der Hochschule durch Vervollständigung der Montanabteilung, durch Schaffung einer Forst-, Tierarznei- und Handelsabteilung wurde überhaupt nicht vorgesorgt.

Ich komme zum Schlusse: Die hier angestellten Betrachtungen genügen vollkommen, um zu erkennen, daß wir Deutschen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zurückgesetzt werden. Der Staatsvoranschlag ist ja gewissermaßen der Rahmen, in welchem sich das Völkerleben im kommenden Jahre abspielen wird, Unsummen werden dem èechischen Militarismus und der èechischen Wirtschaft zugeführt; trotzdem ein großer Teil dieser Gelder von deutschen Steuerträgern entstammt.

Diese Drangsalierung und Zurücksetzung des deutschen Volkes in diesem Staate wird sich einmal bitter rächen. Wohl kann man ein Volk jahrelang knechten, seiner Kulturgüter berauben, seine Wirtschaft knebeln, aber die Folgewirkung ist die, daß ein solches Volk diesen Staat haßt und in ihm Kräfte lebendig werden, die, aus den Tiefen des Volkstums geschöpft, dieser Vergewaltigung ein Ende bereiten. Mögen Sie auch heute noch über uns triumphieren, weil unser Brudervolk im deutschen Vaterlande geknechtet darniederliegt, Not und Elend bei ihm eingekehrt ist, wir werden nimmer verzagen. Wir sind uns aber auch bewußt, daß es in solch schweren Zeiten unsere hehrste Aufgabe ist, Treue zu üben. Keine Regierung darf und wird uns daran hindern können, unseren Brüdern zu helfen, diese schwere Notzeit zu überdauern. Wenn auch unsere Lage selbst keine rosige ist, das eine kann ich den Brüdern jenseits der Grenze verkünden: Wir wollen zu ihnen stehen mit Herz und mit Hand; denn wir wissen, daß unser Schicksal auf ewig verbunden ist mit dem Schicksal des Gesamtdeutschtums in Mitteleuropa. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Hoffmanna (viz str. 812 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Vor Monatsfrist hat Präsident Masaryk gelegentlich der Fünfjahrfeier des Bestandes dieses Staates eine Botschaft erlassen, in welcher sich auch einige ganz ausgezeichnete Sätze befinden, die sich mit dem Erziehungsproblem befassen. Es heißt darin u. a.: "Die demokratische und republikanische Politik muß in allen Beziehungen kulturell sein im besten Sinne des Wortes. Demokratie ohne Bildung ist undenkbar. Wenn ich gelegentlich von Fachwissen und Bildung spreche, so meine ich nicht so sehr Gelehrsamkeit, die Hauptsache ist denken, beobachten, schaffen." Mit diesen Sätzen trifft Präsident Masaryk eigentlich auch das Wesen der Schulreform; er erkennt an, daß die Schule ein unbedingtes un dwertvolles Kulturmittel ist. Leider müssen wir feststellen: Diese Anschauung des Präsidenten ist nicht Allgemeingut, und dies kamauch besonders klar und schroff zum Ausdruck bei der Eröffnung der jetzigen Beratungen über den Staatsvoranschlag. Der Generalberichterstatter, Prof. Dr. Srdínko, hat allerdings - einschränkend bezieht sich das auf die Mittelschulen - erklärt, daß wir in Böhmen uns langsam korrekten Verhältnissen nähern, was das Verhältnis der deutschen und èechischen Schulen betrifft; in Mähren hätten die Deutschen noch 10·9% mehr Schulen als die Èechen, in Schlesien aber sei die Anbahnung gerechter Verhältnisse gegeben. Nun frage ich Sie: Wie ist eigentlich die Herbeiführung korrekter, gerechter Verhältnisse auf dem Gebiete des Schulwesens geschehen? Da möchte ich zwei Möglichkeiten erwähnen: Die erste und natürliche Möglichkeit bestand wohl darin, daß man sich bemüht hätte, das èechische Schulwesen zu heben und so den Ausgleich im Bestande des Schulwesens beider Nationen herbeizuführen. Es ist wahr, und wir geben ohne weiteres zu, daß die Deutschen im alten Österreich, die Vertreter der Bourgeoisie, alles getan haben, um die Erziehungs- und Bildungsmöglichkeit ihre Klasse sicherzustellen und daß besonders die Mittelschulen einen Ausbau zu Gunsten der Deutschen erfahren haben. Das deutsche Volksschulwesen ist aber im alten Österreich so vernachlässigt worden, wie je. Ich erinnere nur daran, daß das Reichsvolksschulgesetz verschlechtert wurde durch die Novelle, daß die Schülerzahl an Volksschulen immer noch für eine Klasse 80 betragen mußte, wenn eine zweite angegliedert werden sollte, ich erinnere an die fortschreitende Klerikalisierung des Schulwesens, und auf diese Weise haben eigentlich die Machtklassen der Deutschen den Machthabern dieses Staates die beste und vortrefflichste Waffe in ihrem Kampfe gegen das deutsche Schulwesen geliefert. Denn die zweite und natürliche Methode, diesen Ausgleich und die Angleichung herbeizuführen, ist einfacher, bequemer und vor allem billiger. Es ist dies die Drosselung des Schulwesens.

Ich kann mir in Anbetracht der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht gestatten, weit auszuholen. Ich will nur auf einige wenige Beispiele hinweisen. So weist der Voranschlag für 149 èechischen Mittelschulen 71·9 Millionen aus, für 79 deutsche werden nur 28·7 Millionen aufgewendet. Das ist also bei den Mittelschulen ein Verhältnis bei den Kosten von 60:40%. Bei den Lehrerbildungsanstalten ist der Aufwand ziemlich gleichmäßig verteilt, es muß hier aber ausdrücklich hervorgehoben werden, daß die große Gefahr besteht, daß deutsche Lehrerbildungsanstalten geschlossen, also dem Kulturleben des deutschen Volkes entzogen werden. Sehr kraß tritt das Mißverhältnis hervor, wenn man die Investitionen zum Vergleiche heranzieht. Für den Bau èechischer Fachschulen sind veranschlagt 6 1/4 Millionen, für den Bau deutscher Fachschulen nur 300.000 K. Das ist der 21. Teil jenes Betrages. Für den Bau èechischer Mittelschulen werden veranschlagt 26.5 Millionen, für den Bau deutscher Mittelschulen nur 200.000 K, d. i. der 132. Teil jenes Betrages. Man kann also hier unbedingt nicht von einem gerechten Ausgleiche nud von einem korrekten Verhältnisse sprechen. Wenn man das gesamte Bauprogramm zur Vergleichsgrundlage nimmt, weisen die Investitionen für das èechische Schulwesen eine Summe von 130·5 Millionen, für das deutsche eine solche von 5·2 Millionen auf, das sind knappe 4%. Über diese Tatsachen kann schließlich und endlich auch die beste Auslandspropaganda nicht hinwegtäuschen. Nun haben wir, um auch hier ein Wort des Präsidenten anzuführen, der Einzelne und die Gesamtheit eines Volkes, das Recht auf Bildung. Es ist das ein unbedingt natürliches Recht, wie das Recht auf Leben und das Recht auf Arbeit. An dieser schwälenden Flamme des nationalen Chauvinismus entzündet sich die nationalistische Leidenschaft der nderen. Ich muß es mir versagen, eingehend vom Hochschulwesen zu sprechen. Ich ve eise hier auf die ausgezeichneten, tiefgründigen Ausführungen, die mein Parteigenosse Dr. Holitscher im Vorjahre hier vorgebracht hat. Ich möchte hier nur von dem Antrage sprechen, den Professor Dr. Schollich gestern angekündigt hat, dem Antrag auf Einführung des numerus clausus. Wenn wir die politische Not des deutschen Volkes und die furchtbar schweren Krisen, denen besonders die breiten Massen des Volkes unterwor fen sind, uns vor Augen halten, dürfen und können wir einem derartigen Antrage unter keinen Umständen zustimmen. Wir müssen ihn mit aller Entschiedenheit zurückweisen, weil er eine Kulturschande darstellt, geradezu eine Art Atavismus bildet. Ich möchte hier ausdrücklich hervorheben, daß es einen nichtgeschriebenen numerus clausus für das bildungshungrige Volk gibt, für die Kinder der breiten Massen des Volkes. Für uns als Sozialdemokraten, als Vertreter der klassenbewußten Arbeiterschaft gilt die Forderung - und wir werden uns mit aller Kraft bemühen, sie durchzusetzen, - daß freie Bahn dem Tüchtigen geschaffen werde, ohne Unterschied des Glaubens und der Rasse, aber auch hne Rücksicht auf die materiellen Verhältnisse, in denen der Einzelne lebt.

Ich kann und muß es mir ersparen, das düstere Bild aufzurollen, das das Minoritätsschulwesen in diesem Staate immer dargestellt hat. Im Voranschlag sind vom Gesamtbetrag für das Volksschulwesen von 206 Millionen für das deutsche Volksschulwesen 81 Millionen ausgeworfen. Und dieser Betrag ist hauptsächlich der Zuschuß, den der Staat zwecks Besoldung an die Länder leistet, das heißt mit anderen Worten: Die Lasten für das niedere Schulwesen, für die Volks- und Bürgerschulen, werden den Gemeinden aufgebürdet, wie es im alten Österreich der Fall war. Wir haben uns durchaus nicht modernisiert und entösterreichert. Dazu kommt noch eine neue Last. Das Minoritätsschulwesen weist nach dem Voranschlag eine Steigerung des Personalaufwandes von etwa 9 Millionen auf, dem gegenüber aber einen Abgang von 9 Millionen für den Sachaufwand, d. h. der Sachaufwand wird den Gemeinden aufgebürdet, die Mieten für die Zwangspachten u. s. w. werden willkürlich herabgesetzt. Gegen diesen Vorgang müssen wir von dieser Stelle aus Verwahrung einlegen.

Ich will bei dieser Gelegenheit einige ganz wenige Fälle, hauptsächlich aus dem Gablonzer Schulbezirke anführen. In Seidenschwanz besteht eine zweiklassige Schule für 41 Kinder. Besonders scharf und schroff sind die Gegensätze in Brand bei Tannwald. Dort ist eine deutsche einklassige Schule von 41 oder 42 Kindern und die èe chische zweiklassige Schule hat ebensoviele oder um ein Kind weniger. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch bitten, daß der Schulbau für die èechische Schule in Tannwald endlich durchgef ührt werde. Im Vorjahre sollten für diesen Zweck zwei Millionen aufgewendet werden, im letzten Monate wurden sie gestrichen. In unserer Schule herrschen schreckliche Verhältnisse. Alle Räume sind besetzt. Es müssen die deutschen Klassen unter diesen Umständen zu dem alten, längst überwunden geglaubten Brauch der Wanderklassen greifen. Es gibt Schulräume, die vom frühen Morgen an bis abends um 6 Uhr in ständigem Gebrauch stehen. Das ist natürlich nicht die Entsprechung jener Forderungen, die Masaryk verlangt hat, als er sagte, daß demokratische und republikanische Politik kulturell sein müsse in des Wortes bester Bedeutung.

Der Gesamtvoranschlag weist für das Schulwesen einen Betrag von 845,921.810 Kronen auf. Das ist gegen das Vorjahr eine Verminderung von 21·9 Millionen. Im Motivenbericht wird diese Verminderung dadurch begründet, daß die "fortschreitende Ausgestaltung" des Schulwesens nahezu vollendet sei. Ich glaube angedeutet zu haben, daß diese Ausgestaltung des Schulwesens wohl zum größten Teile auf Kosten der Deutschen erfolgt ist, also durchaus kulturwidrig genannt werden muß. Auf eine furchtbar grausame Folge der Schuldrosselungen muß ich von dieser Stelle aus hinweisen. In Böhmen gab es am 1. September dieser Jahres, also zu Beginn des Schuljahres 1164 stellenlose Lehrer. Wenn man annimmt, daß der kleinere Teil mittlerweile eine Anstellung gefunden hat, kann man die Zahl der stellenlosen Lehrer immer noch auf 1000 veranschlagen. Die Zahl der Arbeitslosen Lehrer in Böhmen, Mähähren und Schlesien ist mit 1400 sicher nicht zu hoch gegriffen. (Min. Bechynì: 1200!) Nun kommt etwas anderes hinzu. Sie müssen sich vorstellen, daß nach einer Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichtshofes in Böhmen auch Zwangspensionierungen erfolgen können, das heißt, der Betreffende wird auf 50% seiner Bezüge gestellt.

Und da die meisten jüngere Lehrer sind, Leute mit 5, 10, 12 und 13 Dienstjahren, sind diese Menschen mit ihren Familien auf Bettelheller gesetzt. Wir haben jetzt Zustände, die wir niemals für möglich gehalten hätten; gerade hier in Böhmen, einem Land, das immer durch sein hoch entwickeltes Schulwesen an erster Stelle geglänzt hat, haben wir Schulverhältnisse, wie sie an die Zeiten der Klerikalen in Wien erinnern, als die Machthaber der Gewalt mit Lueger unbeschränkt auch über die Schule herrschten. Herr Minister Bechynì hat im Budgetausschuß ein sehr schönes Wort gesprochen, die Forderung der konfessionellen und der nationalen Toleranz. Allerdings ist vom Wort bis zur Tat immer noch ein weiter Schritt, und doch wäre es ein Leichtes, daß das Ministerium selbst mit gutem Beispiel vorangehe durch Anerkennung des letzten Restes der Selbstverwaltung. Wir beharren nach wie vor auf der Forderung der unbedingten kulturellen Selbstverwaltung, aber was jetzt geschieht, das ist das allmähliche Verschwinden auch des letzten Restes der nationalen Autonomie im Schulwesen. Besonders kraß und geradezu furchtbar sind die Verhältnisse im Landesschulrat in Brünn. Dort herrscht nicht Ordnung, dort herrscht das Chaos und die Anarchie. Da möge das Unterrichtsministerium einmal scharf und rücksichtslos Ordnung herbeizuführen sich bemühen.

Und nun hätten wir einige wichtige Forderungen dem Ministerium zur Kenntnis zu bringen. Wir ersuchen, daß ihnen Rechnung getragen werde. Wir verlangen erstens einmal die Beseitigung der Schäden des sogenannten Paritätsgesetzes vom 13. Juli 1922, d. h. die Wiedereinreihung der Fachlehrer an Bürgerschulen in die Gruppe B der Staatsbeamten, die Wiederherstellung der Artikel I bis III des Gesetzes vom 9. April 1920, Slg. d. G. u. Vdg. Nr. 306, wornach auch den Stellenlosen ohne Bestimmung eines Dienstpostens das Definitivum gesichert werden kann, wir verlangen die Regelung der Rechtsverhältnisse für die Handarbeitslehrerinnen, die durch das Reparationsgesetz ebenfalls schwer geschädigt worden sind, und endlich verlangen wir, daß der Antrag, den unsere Fraktion eingebracht hat, zur Verhandlung und Annahme komme, der die Regelung der Rechtsverhältnisse der Kindergärtnerinnen betrifft. Es ist des Staates geradezu unwürdig, wie diese Ärmsten der Armen behandelt werden, die nicht wissen, welchem Ministerium sie unterstehen. Vom Unterrichtsministerium schickt man sie in das Fürsorgeministerium und von dort wiederum zurück. Diese Regelung muß unbedingt, und zwar sobald als möglich, geschehen.

Und nun sei es gestattet, noch auf einen Lichtpunkt im Zifferwald des Budgets hinzuweisen. Die Ausgaben für Kultuszwecke betrugen im Jahre 1922 54·9 Millionen Kè. 1923 63 Millionen und 1924 71 Millionen. Wir könnten beinahe das abgeänderte Wort anwenden, das im alten Österreich ein geflügeltes Wort war: "Hört Ihr Herren, laßt Euch sagen, der Kultus wird noch die Kultur erschlagen." Ich zweifle sehr, ob man mit Maschinengewehren, Kanonen und Pendreks im Verein mit dem Kultus jenen Zustand herbeiführen wird, den man als kulturelle Demokratie bezeichnen könnte, ich zweifle, ob ein solcher Zustand den Forderungen gerecht wird, die dem Präsidentenwort zugrunde liegen. Und so verlangen wir den Ausbau auch der Schulreform. Es ist nicht das schlechteste Werk, das der "ehemalige Schlossergeselle und Journalist" Bechynì geliefert hat, als er den Entwurf zur Schulreform vorgelegt hat. Er soll und darf sich nicht behindern lassen durch den Hohn und Spott der Gegner der Schulreform, das Werk muß getan werden, aber wohl überlegt und reiflich erwogen. Ich möchte als Lehrer darauf hinweisen, daß z. B. die Einführung des bürgerkundlichen Unterrichtes und des erziehlichen Handarbeitsunterrichtes auf Schwierigkeiten gestoßen ist, weil es an vorgebildeten Lehrern für diesen Zweck fehlt. Es muß daher die Möglichkeit geschaffen werden, daß die Lehrer in diesen Gegenstä den nachträglich durch Kurse ausgebildet werden. Das kann auf mehrfache Weise geschehen.

Vor allem aber stehen wir fest und beharren auf der Forderung der Trennung der Schule von der Kirche und der Trennung der Kirche vom Staat. Der Mensch der Vorzeit fürchtete die Natur, der Mensch des Mittelalters und bis in die Gegenwart herein fühlt seine Abhängigkeit von der Last der ökonomischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Heute aber steht die sozialistische Partei da und der Sozialismus ist unser Glaube, unsere Zuversicht. Und wir brauchen, um den Sozialismus zu verwirklichen, den natürlichen, einfachen Menschen. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Vìcná poznámka dr. Petersilky (viz str. 820 tìsnopisecké zprávy):

Der Herr Kollege Simm hat in seiner gestrigen Rede folgendes über mich gesagt: "Herr Kollege Petersilka hat... in einem Atemzug einen èechischen Kollegen, der irgendwelchen Meinungen gegenüber seinen Standpunkt äußerte, einen Verleumder geheißen und in demselben Atemzug hat er selbst verleumdet, indem er die Lehrers haft hier pauschaliter als religionsfeindlich und Religionsstürmer bezeichnete."

Auf Grund des stenographischen Protokolles stelle ich Folgendes fest:

1. Es ist unwahr, daß ich einen èechischen Kollegen deswegen Verleumder geheißen habe, weil er irgend welche Meinungen gegenüber meinem Standpunkt äußerte. Wahr ist, daß ich den Vorwurf der Verleumdung gegen den èechischen Herrn Kollegen deswegen erhoben habe, weil er, ohne einen Beweis zu erbringen, pauschalmäßig die Priester der katholischen Kirche verdächtigte, daß sie das Beichtgeheimnis zu politischen Zwecken mißbrauchen.

2. Es ist unwahr, daß ich in einem Atemzuge selbst verleumdet habe, indem ich die Lehrerschaft pauschaliter als religionsfeindlich und Religionsstürmer bezeichnete. Wahr ist vielmehr, daß ich eine Gefahr für die religiöse Erziehung der Kinder nur in der Gesinnung jener Lehrer gesehen, welche Organisationen angehören, welche direkt ihren Statuten nach religionsfeindlic sind.

Es fällt hiemit der Vorwurf einer Verleumdung weg und ich erwarte vom Herrn Abg. Simm, daß er ihn von dieser Stelle aus zurücknehmen wird.

4. Øeè posl. Wenzela (viz str. 821 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wenn ich mich heute zur Besprechung des Budgets anschicke, so muß ich zu allererst die Art besprechen, wie die Behandlung des Voranschlages selbst geschieht.

Wie im vergangenen Jahre wurde auch heuer wieder das Budget viel zu spät der parlamentarischen Beratung vorgelegt. Die Beratung ist daher wieder nur im Eiltempo möglich.

Weder der Reichsgewerberat und der Landesgewerberat, noch die verschiedenen Reichsund Landesverbände der Gewerbegenossenschaften waren überhaupt in der Lage, zum Kapitel Gewerbe, Handwerk und Handel eingehende Berufsberatungen abzuhalten. Für die gewerbliche und kaufmä nische Beurteilung fehlt im Voranschlag jede Detaillierung. Aus diesem Grunde kann auch unmöglich eine gute sachliche Beurteilung nach gewerblichen Gesichtspunkten stattfinden. Wie ist es möglich, eine sachliche Erwägung des Voranschlages selbst durchzuführen, wenn selbst die Fachorganisationen des Gewerbes infolge der kurzen Spanne Zeit den Voranschlag nicht prüfen konnten?

Ich habe das ganz besondere Vertrauen, meine Wähler im Grenzbezirke des Wahlgaues Böhmisch Leipa zu vertreten. In diesen Bezirken wütet förmlich eine Teuerung. Die gesamte deutsche Arbeiterschaft, die Beamtenschaft verlangt, wie ja dem Hause bekannt sein dürfte, gegen diese enorme Teuerung Maßnahmen. Diese Teuerung ist vor allem das sichtbare Zeichen und der klare Ausdruck für das finanzielle und politische Elend. Diese Teuerung trifft jeden, der sein Brot schwer verdienen muß, mit einer furchtbaren Härte. Was nützen heute die schön hinaufgenullten Einkommenziffern, wenn die Preise der täglichen Bedarfsartikel den Lohn-, Gehalts- und sonstigen Einkommensteigerungen wie ein Blitzzug voraneilen? Wir wissen, daß in den nordböhmischen Randgebieten der Republik, ganz besonders in Reichenberg, Gablonz, Böhm. Leipa, Aussig, Bodenbach und Tetschen gegenüber Prag, Pilsen und Brünn eine ungeheuere Teuerung herrscht. Die èechische Seite dieses Hauses kann sich von diesen Tatsachen, von dieser furchtbaren Teuerung der Kleinhandelspreise der wichtigsten Bedarfsartikel fürs Leben, sehr gut über zeugen, wenn sie die zur Èechisierung ins deutsche Sprachgebiet entsandten Beamten befragt. Die deutsche wie die èechische Beamtenschaft verlangt mit aller Entschiedenheit für diese Gebiete Teuerungszulagen. Wir alle wissen, daß das Denken aller Volksschichten in den nordböhmischen Randgebieten sich durchwegs und restlos mit dem sich immer erneuernden Gespräch über die Teuerung befaßt. Die Teuerung der Preise in Nordböhmen ist für viele geradezu ein Rätsel geworden. Daher auch die fortwährenden Anklagen gegen den legitimen Händler, gegen den Kaufmann, gegen den Handweker. Dieses fortwährende Nachgrübeln über die Teuerung hat selbstverständlich auch einen höchst bedauerlichen Einfluß auf die gesamte Wirtschaftmoral, für den deutschen Handel und das Gewerbe. Denn, wenn die Köpfe fortwährend mit der nagenden Sorge angefüllt sind, wo das Geld herzunehmen ist, um Frau und Kinder zu ernähren, oder wenn gar die Kinder schon fragen, was denn das und jenes kostet, so kann weder der Konsument, noch der Produzent als Handwerker je einer Stunde froh werden.

Brotmehl, Kartoffeln, Rindfleisch, Knackwürste, Butter, Kleiderstoffe und welche Preise man immer zueinander in Nordböhmenmit den Preisen im Innern, in den Landeshauptstädten, vergleichen mag, zeigen ganz gewaltige Differenzen. Wir haben in Nordböhmen eine gewaltige dichte Organisation der Konsumvereine; selbst hie ist keine wesentliche Verbilligung der Lebensbedarfsartikel zu bemerken. Uns legt sich deshalb die Frage vor: Woher kommt denn diese Teuerung? Allerdings kann man heute eine ganze Anzahl von verschiedenen Begründungen hören. Bei der Teuerungserscheinung selbst fehlt es nie an Schlagworten. Selten jedoch geht man auf die wahre Ursache zurück. Am liebsten klagt man den Händler und den kleinen Produzenten an. Selten findet man einen Stand und einen Beruf im Gewerbe und Handel, der nicht von irgendeiner Seite als die Ursache der Teuerung allein bezeichnet wird. Wer kennt nicht die landläufigen Meinungen? Der Arbeiter sieht im Fabrikanten den Blutsauger, die eigentliche Ursache der Teuerung, der Städter schimpft auf den Bauern, der Bauer schimpft auf den Schmied und Wagner und schließlich auf den Händler, der mit andwirtschaftlichen Maschinen handelt. Der Arbeitgeber wieder schimpft auf die - wie er sich so oft auszudrücken pflegt - "unzufriedenen" Arbeiter und Angestellten.

Nicht nur im Deutschen Reiche, sondern auch hier in der Èechoslovakei leben wir im Zeichen der Entwertung der Arbeit. Aus allen Lohnherabsetzungen, die bisher vorgenommen wurden, ersehen wir die Folgen der staatlichen Steuerpolitik. Die Formen der Beraubung seiner Bürger durch diesen kapitalistisch geleiteten Staat sind, wie wir uns überzeugen können, die hohen Zinsen, die wir alle mit bezahlen müssen, die ungeheuer hohen Steuern, die hohen Frachten und die Teuerung selbst, die vom Staate immer künstlich geschürt wird. Der furchtbare Aderlaß am gesunden Wirtschaftskörper sind und bleiben die Steuern. Es sind dies die direkten und die weit gefährlicheren indirekten Steuern. Die indirekte Besteuerung ist das erschütterndste Kapitel in der Tragödie, die jedes Jahr wieder neu an den Völkern in diesem Staate verbrochen wird. Hunderttausende von fleißigen Arbeitern, Handwerkern, Angestellten und Bauern, Beamten und Angehörigen freier Berufe, Ärzte und Ingenieure u. s. w. haben ihr Leben lang in zäher unermüdlicher Arbeit gespart, es sich vom Munde abgedarbt, damit sie einst einen sorgenfreien unabhängigen Lebensabend genießen können. Dieser Staat versteht es, seine Bürger um ihre Ersparnisse zu bringen. Neben diesem Betrug, dem die Sparer sich opfern müssen, erfolgt die Aderschröpfung der Arbeitenden und Konsumierenden in diesem Staate durch die indirekten Steuern. Diese treffen nur den Besitzlosen, stellen die rücksichtsloseste Beraubung der Bürger in dieser freien Republik dar und sind, je weiter irgend eine Ware transportiert oder durch je mehr Hände sie geht, ein wesentlicher Teil der Teuerung. Die indirekte Steuer ist in ihrer Auswirkung geradezu ein soziales Verbrechen. Erba rmungslos, schonungslos, in einer Form, der niemand entrinnen kann, trifft sie die große Masse der Bevölkerung umsomehr, je weiter der Weg des Transportes und durch je mehr Hände eine Ware ins Geschäftsleben geht. Der Reiche wird verhältnismäßig von der indirekten Steuer überhaupt kaum berührt.

Das fünfjährige Bestehen dieses Staates gibt darüber die beste Bilanz. Im Jahre 1919 betrug das Erträgnis der direkten Steuern 898 Millionen, das der indirekten hingegen 1760 Millionen, im Jahre 1924 werden die direkten Steuern mit 1224 Mill., die indirekten mit 8508 Millionen veranschla. Während so im Jahre 1919 das Verhältniß der direkten zu den indirekten Steuern 1:1·3 war, ist es im Jahre 1924 1:5!

Die indirekten Steuern sind also in 5 Jahren nahezu um das vierfache gestiegen. Diese Tatsache zeigt deutlich, daß dieser Staat ein spezifisch kapitalistischer Staat ist. Anstatt, daß billigere Waren mit der guten Valuta im Auslande gekauft wurden, wurde diese Einfuhr der billigen Waren durch eine Zolleinnahme von 603 Millionen Kè wiederum versteuert. Zölle sind bekanntlich auch eine Art indirekte Steuer. Trotzdem dieses Haus sich sonst brüstet, sozial gerecht zu sein, ist gerade das Gegenteil der Fall. Die èechischen Bankmagnaten und Scharfmacher dieses Hauses haben die ganze Last der Steuern auf die schaffenden Stände gewälzt. Je länger der Transportweg einer Ware, je öfter der Artikel durch Menschenhände in der Produktion oder im Handel sich bewegt, um so teurer muß derselbe werden.


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