Støeda 22. listopadu 1922

In der Geschichte der modernen Entwicklung der Völker zur Demokratie hat seit jeher die Finanzkontrolle eine Hauptrolle gespielt. Von dem Steuerbewilligungsrecht, das die Stände den absoluten Herrschern abgerungen haben, bis zum heutigen Budgetrecht, ist es aber un umstößliches Prinzig geblieben, daß im Staatshaushalte die gesamte Politik eines Staates verankert ist, und da möchte man meinen, daß auch in diesem Staat, wo sich auch das Budget als Achse darstellt, um die sich der ganze Staatsbetrieb dreht, die Aussprache hier nicht nur eine sehr gründliche, sondern auch vom allgemeinen Interesse des Hauses getragen sein müsse.

Meine Herren! Der größte Optimist in diesem Staate kann nicht behaupten, daß dies bei der Budgetverhandlung der Fall ist, ich will nicht von den Vertretern der Oppositionsparteien reden, die ja vielleicht nicht genügend gewürdigt werden und deren sachliche Ausführungen nicht voll genommen werden, aber selbst bei den Vertretern der Mehrheitsparteien ist ein merkliches Abflauen des Interesses an diesen Reden zu konstatieren. Die Beratung des Staatsvoranschlages ist ja vielleicht wirklich nur eine technische Formalität, wie sich in einer Mitteilung die berüchtigte "Prager Presse" unlängst auszudrücken beliebte. Jedenfalls wird dafür gesorgt, daß bei dieser Verhandlung ja nur die Redezeit eingehalten wird, daß ja nicht vielleicht jemand bei der Aussprache die Polizeiordnung, genannt Geschäftsordnung, dieses Hauses zu überschreiten wage. Ich werde mich auch darauf beschränken, in wenigen Worten, ein bischen zu den politischen Abschnitten des Voranschlages Stellung zu nehmen, und die Ziffern und damit das System, unter dem wir schmachten, zu perlustrieren und daraus zu kennzeichnen, welche Gefahren daraus dem deutschen Volke drohen.

Der Staatsvoranschlag kennt nämlich vor allem für die Vertreter der nichtcechischen Völker nur die èechoslovakische Staatssprache und unterläßt es wohlweislich, den Bericht über den Staatsvoranschlag in jener Sprache zu geben, welche für die Vertreter der nichtèechischen Völker die Muttersprache ist, so daß ihnen gleichzeitig verwehrt ist, jene Einsicht in den Staatsvoranschlag zu nehmen, welche ein selbstverständliches Recht der Volksvertreter wäre. Nun, der unverständliche Text, unverständlich für viele, welche noch nicht in der Lage waren, sich die gewiß schwierigen neuen Verhältnisse und insbesondere die èechoslovakische Sprache so ganz anzueignen, wird vielleicht damit begründet werden, daß es eine zu große Ausgabe bedeuten würde, wenn man die Hefte zu dem Staatsvoranschlag auch in anderer Sprache erscheinen lassen würde. Ich glaube, diese vielen Beilagen zu dem Staatsvoranschlag, die in der Staatssprache an die nichtèechischen Vertreter gelangt sind, sind sowieso eine total vergebliche Ausgabe und es wären ganz dieselben Kosten geblieben, wenn anstelle dieser Hefte deutsche Hefte in unsere Hände gelangt wären. Sicherlich wäre damit gar keine Erhöhung in den Ausgaben des Budgets verursacht gewesen, zumal heute gewiß behauptet werden kann, daß diejenigen, welche den Vorschlag machen, jene Beamte, welche ihn konzipieren, noch voll im Besitze der Kenntnis der deutschen Sprache sind und keine Übersetzer brauchen. Nun aber scheint die Regierung, oder besser gesagt, viele maßgebende Bürokraten dieses Staates im vorhinein jene demokratische Auffassung nicht geduldet zu haben; alles geht nur nach der Zauberformel: "To je vìtšina!" Etwas mitzureden hätte ja nach dem System niemand, der, wie wir, verdammt ist, alles zu schlucken und still zu sein. Allerdings, diese Behandlung der nichtèechischen Vertreter wird auch konsequent, und zwar konsequent von Seiten der Bürokratie, auch im internen Amtsbetrieb befolgt, dieselben Forderungen und dieselbe Haltung nicht gegenüber den Volksvertretern, sondern gegenüber den Beamten deutscher Nationalität eingenommen. Es ist zweifellos, daß durch die Sprachenpraxis ein direkter Terror gegenüber allen jenen ausgeübt wird, welche im Staatsdienst stehen, damit sie die èechische Sprache, die sie vielleicht noch nicht genügend kennen, sofort beherrschen und ausschließlich anwenden, sonst aber immer so zwischen Tür und Angel gestellt sind, weil das Damoklesschwert der Versetzung und Pensionierung in diesem Staate bei allen Ressorts ununterbrochen über ihnen schwebt.

Die Sprachenerlässe in den Ämtern sind die größte Ungeheuerlichkeit, selbst wenn man vom objektiven Standpunkt der allgemeinen Beurteilung diese Dinge ins Augefaßt. Es ist ganz unglaublich, was da in der allerkürzesten Zeit von den Beamten nicht èechischer Nationalität verlangt wird, wie sie gerade durch diese Art der Behandlung in ihrer ganzen Sachlichkeit gehindert werden, und wie sie durch diese Art der Behandlung in ihrem ganzen sozialen Bewußtsein eingeschüchtert und niedergedrückt werden. Und diese Schritte werden tagtäglich getan, allgemein sowie in einzelnen Maßnahmen.

In Schlesien zum Beispiel ist es unlängst vorgekommen, daß von den deutschen Beamten ein Zeugnis der politischen Landesverwaltung über die Kenntnis der èechischen Sprache verlangt wurde, welches dem Präsidium der politischen Landesverwaltung vorzulegen ist. Nicht hinzugefügt aber wurde, daß die hiezu geforderte Prüfungstaxe von 30 Kronen pro Zeugnis von Amtskredit übernommen wird. Nur mehr die èechische Sprache soll ausschließlich für die Ämter zur Geltung kommen dürfen, Warnungen für die Bevölkerung und ebenso im Verkehre. Ist es nicht gerade zu absurd, daß bei den Eisenbahnen Warnungen für die deutsche Bevölkerung nur mehr in èechischer Sprache erfolgen und kein Wort derartiger Warnungen in deutscher Sprache mehr zu finden ist. Wenn mit entgegengehalten wird, daß das Wort "Notbremse" bei den Notbremsenvorrichtungen noch oft in deutscher Sprache zu finden ist, ist das kein Verdienst der Verwaltung, sondern ist nur der Unmöglichkeit zuzuschreiben, dieses Wort aus dem eisernen Guß auszumerzen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Weiters ist eigenartig, daß zwar bei den Pässen die französische Sprache mit vorgedruckt ist, aber von der deutschen Sprache hiebei niemand etwas wissen will. Es ist mir in meinem Wahlkreise vorgekommen, daß sehr oft bei der Ausstellung der Pässe die Namen der Deutschen èechisiert wurden und auf die Beschwerde hin, daß daß nicht der Name sei und daß dies im Auslande zu verschiedenen Auffassungen und zur Leugnung der Identität führen könnte, wurde erwidert, daß ein Erlaß des Ministeriums des Innern dahin geht, daß die Pässe nur in èechischer Sprache auszustellen sind und daß auf jeden Eigennamen unbedingt auch die Deklination, wie sie die èechische Sprache erfordert, angewendet werden müsse. Natürlich wird bei Franzosen eine Ausnahme gemacht. Beim Geschäfts- und Reiseverkehr ist die deutsche Sprache schon verpönt, wie viel mehr noch, um es nochmals zu unterstreichen, bei den Ämtern.

Das leidige Kapitel der Entrechtung der deutschen Staatsangestellten ist überhaupt nicht in kurzer Zeit zu erschöpfen, wie wohl gerade diese Staatsbeamten, das muß öffentlich festgestellt werden, in einer bis zur Selbstverlleugnung gehenden Weise ihre ganzen Kenntnisse nach wie vor in den Dienst des Staates stellen. Trotzdem werden sie fortwährend schikaniert, bei den Beförderungen übergangen, und zwar und das ist das Interessante - auch dann, wenn sie die èechische Sprache ganz gut beherrschen. Es genügt, daß sie Deutsche sind, um fortwährend in Gefahr zu sein, versetzt oder pensioniert zu werden. In dieser Beziehung leistet das Ministerium des Innern vorbildliche Entnationalisierungsarbeit, unbekümmert um die Bestimmungen der Verfassung über die Gleichberechtigung, welche doch auch sicherlich zum Schutze der Beamten da sein sollen, weiters auch unbekümmert darum, was in den Friedensverträgen in den Minderheitsschutzverträgen festgelegt ist. Aber alles das stört die heutigen maßgebenden Faktoren nicht, sondern es genügt die Pflicht, den Amtsverkehr èechisch zu führen, und wer dagegen nur bei den kleinsten Anlässen widerstrebt, dem droht unaufhörlich und hoffnungslos das Schicksal des Brotloswerdens. Es ist zweifellos, daß das Beamtenelend alle Kreise der Beamtenschaft erfaßt hat. Aber das, was diesfalls die deutschen Beamten noch persönlich zu leiden haben, wird von keiner Seite geleugnet werden. Ich verweise da auf eine Eingabe der Gewerkschaft der deutschen Beamten mit Hochschulbildung an das Ministerratspräsidium inAngelegenheitder fortwährenden Präterierungen und Zurücksetzungen, worauf natürlich noch keine Antwort erfolgt ist, welche aber in anschaulicher Weise schildert, wie das Beamtenelend in der deutschen Beamtenschaft in erschütternder Weise fortschreitet. Die Durchführung des Sprachengesetzes in humaner Weise durch Festlegung einer Altersgrenze für die Erlernungspflicht - es wurden bestimmte Vorschläge von den Beamtenorganisationen den Ministerien wiederholt bekanntgegeben - weiters die Ermöglichung einer fünfjährigen Vorbereitungsfrist zur Ablegung der Prüfungen für jene, welche unter der Altersgrenze stehen, ist sicherlich eine allgemeine Forderung der gesamten deutschen Beamtenschaft, die auch bei der gesamten gesitteten Welt vollständigem Verständnis begegnen muß. Diese Angelegenheit ist auch eminent sozialer Natur, denn Sie können es vor dem Gewissen rechtlich denkender Menschen nicht verantworten, arbeitsfreudige Menschen durch chauvinistischen Eigensinn, welcher in den sprachlichen Verhältnissen gar nicht gerechtfertigt ist, brotlos zu machen. Oder ist es die Absicht der neuen Regierung, die immer weiter um sich greifende Arbeitslosigkeit noch durch das Heer der stellenlos gewordenen deutschen Beamten zu vergrößern? Allerdings scheint es den Vertrauensmännern in den hohen Beamtenposten ein Genuß zu sein, ihre früheren Vorgesetzten und Gleichgestellten zu treten, denn für die Hitzköpfe in der Republik ist die Rache für tatsächliches oder geheucheltes früheres Leid ein Staatsprinzip. Den unschuldigen Opfern dieser hochpatriotischen Mentalität droht unaufhörlich Versetzung und Pensionierung und damit wirtschaftliche Not. Dabei wird dem Los der Pensionisten seitens der Regierung viel zu wenig Beachtung geschenkt. Nach wie vor verschließt sich die Regierung der selbstverständlichen Forderung wahrer Humanität, diesen Veteranen der Arbeit eine der fortdauernden Teuerung standhaltende menschenwürdige Existenz zu sichern. Es ist nicht richtig, daß die Pensionisten heute ein auskömmliches Dasein von ihrer Pension fristen können. Es ist auch nicht richtig, daß es zwischen Alt- und Neupensionisten keinen Unterschied gibt. Tatsache ist, daß seit der Revolution, seit dem Umsturz die Bezüge der Pensionisten auf 56% der Aktivbezüge gegenüber früher 96% herabgesetzt worden sind und daß die Durchrechnung der Dienstjahre und andere Forderungen, die die Staatspensionisten notgedrungen stellen, noch immer nicht erfüllt sind. Und selbst dort, wo Gesetze beschlossen worden sind, sind sie noch nicht durchgeführt worden. Die Stabilisierung der Gehälter durch die Einbeziehung der Teuerungszulagen und der Anschaffungsbeiträge und dementsprechend eine höhere Pensionsbemessung ohne Unterschied zwischen Alt- und Neupensionisten ist ein Gebot der Zeit, dessen eheste Erfüllung die Staatsbeamtenschaft aller Kategorien mit vollem Rechte verlangt. Statt dessen kommt die Regierung mit ihrem wohlbestallten Finanzminister mit dem neuesten Beamtenschreck des Gehaltsab baues. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß die Beamten und Arbeiter durch Gehalts- und Lohnabbau das Bad für die verfehlte èechische Wirtschaftspolitik auszugießen haben. Die wirtschaftlich Schwachen werden dadurch in den Stützen ihrer Existenz gefährdet, ohne daß der Staat die Fähigkeit aufbringt, Produktion und Handel zu beleben, um die Lebenshaltung der armen Bevölkerung im gleichen Ausmaß zu verbilligen.

Die Bodenreform, wie sie die èechische Regierung ins Werk setzt auf Grund der Gesetze der Revolutionsversammlung, ist jedenfalls zur Verbilligung der Lebensmittel gänzlich ungeignet, u. zw. nicht allein durch den Wortlaut dieser Gesetze, sondern auch durch den Geist, in dem sie durchgeführt werden. Der Herr Ministerpräsident hat ganz recht, wenn er sagte, es gäbe keine Analogie zur èechoslovakischen Bodenreform. Vollkommen richtig! Eine Analogie zu einer solchen Bodenreform gibt es auf der ganzen Welt nicht mehr. Denn sie ist überhaupt nur ein Vorwand für die ¿wangsweise Entnationalisierungsarbeit des nichtèechischen großen Grundbesitzes und hat lediglich eine Besitzunsicherheit geschaffen, deren Folgen die konsumierende Bevölkerung in der Verminderung der wirtschaftlichen Produktion und des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten schon heute zu büßen hat. Einen klassischen Beweis für die Unrentabilität der großen Liegenschaften auch ohne Gefahr der Enteignung gibt ja heute das Staatsgut Lana selbst nach den Ziffern, die im Staatsvoranschlag ausgewiesen sind. Die sachliche Wirtschaftsgebahrung für 1920 verspricht nämlich - und das ist sicher das Minimum - ein Defizit von 113.000 K, das Defizit der Personalausgaben, das noch dazu kommt, beträgt rund 1,100.000 K. Es ist zwar richtig, daß davon ein wesentlicher Betrag auf die Hofhaltung des Präsidenten entfallen dürfte. Nichtsdestoweniger muß ein kleinerer Betrag jedenfalls dem Betriebsdefizit zugezählt werden. Aus der Bodenenteignung - das gilt für jene Besitzer, welche unter diese Bestimmungen fallen - aber will das absolutistische Bodenamt der demokratischen Republik auch noch einen Gewinn erzielen, und zwar ist dieser im Staatsvoranschlag mit dem Betrage von 425 Millionen Kronen ausgewiesen. Es entspricht dies so ganz dem Geschäftssinn dieses Amtes, für das ja eine Repräsentation in diesem Hause durch einen verantwortlichen Minister bis heute noch nicht durchgesetzt werden konnte. Die Herren scheinen die Absicht zu haben, in der Durchführung der Bodenreform jedenfalls ohne jede Kontrolle und ohne jede Aufsicht zu bleiben. Es ist ganz zweifellos, daß mit der Bodenreform auch eine soziale Frage innig verbunden ist, nämlich das Schicksal jener, die als Beamte, Angestellte und Arbeiterkategorien aller Art an dem Besitz, an der Arbeit dieses Besitzes und an den Früchten desselben beteiligt sind. Nun haben tatsächlich diese Kreise auch schon erkannt, welche Tendenz die Bodenreform in diesem Staate hat, indem Hunderte von Eingaben der Arbeiter und Güterbeamten beweisen, wie schwer sie unter der angedrohten Durchführung der Bodenreform zu leiden und wie sie gegen den Verlust ihrer Existenz oder ihres Amtes anzukämpfen haben. In den Eingaben heißt es überall sehr richtig, daß das Bodenamt nun darangehe, den Großgrundbesitz zu zertrümmern, ohne vorher auch in sozialer Beziehung die Frage der Existenzsicherung der Beamten, Angestellten und Arbeiter gelöst zu haben. Trotzdem scheint der Minister für soziale Fürsorge gegen eine derartige Durchführung der Bodenreform noch keinen Einspruch erhoben zu haben. Wenn der Regierungschef weiter sagt, der Zweck der Bodenreform sei, dem Volke den Boden zu geben, so muß gegen eine derartige Beschönigung und Entstellung der Tatsachen auf das Entschiedenste protestiert werden. Es hat übrigens auch schon ein Herr auf Seite der Mehrheitsparteien, und zwar ein nationaldemokratischer èechischer Großgrundbesitzer im Budgetausschuß, den Herrn Ministerpräsidenten dahin desavouiert, daß er feststellte, die Bodenreform habe vor allem einen nationalen Zweck. Der nationale Zweck ist, Eigentumskonfis kationen vorzunehmen, um nicht nur den Besitz, sondern auch jene Beamte und Arbeiter, die nicht genehm sind, von dem Besitz auszumerzen und an deren Stelle den Besitz an jene zu verschachern, die genehm sind.

Und wie wird erst die Bodenreform in dem Gebiet aussehen, das angrenzend an meinen Wahlkreis liegt und sicher das all gemeine Interesse, trotzdem es bisher hier nicht vertreten ist, verlangt, im Hult schiner Ländchen? Da wird schon bei der Durchführung der Kleinpächtergesetze von den Regierungskommissären, die in den Gemeinden eingesetzt sind, jede Zuteilung gesetzlich einwandfreier Ansprüche davon abhängig gemacht, daß der betreffende ge setzliche Erwerber dieser Pachtgründe auch eine Mitgliedschaft in einem èechischen wirtschaftlichen Verein oder in einer èechischen Partei ausweisen kann. Die Leute gehen sogar soweit, unter dem Schutz der immer zur Verfügung stehen den Bajonette zu erklären, daß bei der Bodenreform in diesem Gebiete nur die Èechen und èechisch Gesinnten etwas bekommen werden. Wo ist da die Autorität der für alle angeblich gleichgeltenden Gesetze? Überhaupt ist es charakteristisch für die Verwaltungsbehörden dieses Staates, daß sie die Gesetze nur dann gebrauchen, wenn sie ihnen in den Kram passen. Dabei bedient sich die republikanische Demokratie auch jener altösterreichischen Hofdekrete, wenn sie ihnen nur so recht in den Krampassen; dort aber, wo es noch an Gesetzen gebricht, treibt sie hemmungslos Rabulistik gegen jeden Rechtsbegriff. Da glaube ich, hat sie eine gewisse Entschuldi gung. Sie kann nämlich darauf verweisen, daß seitens der Regierung die Gesetze, und zwar die obersten Verfassungsgesetze auch nicht immer durchgeführt werden. Ich frage Sie z. B.: Was ist seit der Lösung der Teschener Frage geschehen, um die Verfassung dahin abzuändern, daß der Kreis Teschen, der sich ja seinerzeit über ganz Ostschlesien erstrecken sollte, nun mehr entweder im verkleinerten Maße selbstständig bleibt oder zu einem anderen Kreise zugeschlagen wird, daß aber jeden falls den heutigen Verhältnissen dort Rechnung getragen wird? Überhaupt gehört das zu den dunkelsten Kapiteln der Regierungstätigkeit der letzten Jahre, was mit Ost schlesien seit den Verhandlungen, die inter national darüber schwebten, geschehen ist. Jedenfalls ist dort die Freiheit nicht ein geführt, nur ein Triumph ist in der letzten Zeit ganz offenkundig erzielt worden, daß nämlich die Operation mit Teschen dahin geführt hat, daß sie zwar gelang, daß aber der Patient gestorben ist. Ebenso geschieht es auch im Hultschiner Lande. Was geschieht da nicht alles an Gesetz- und Rechtlosigkeit! Jedenfalls wird vor allem von der Regierung als böses Beispiel jede Wahl verhindert. Wo ist die Verfassung durchgeführt worden, derzufolge die verfassungsmäßigen Wahlen in diesem Gebiete erfolgen müssen oder auch nur die gesetzmäßigen Gemeindevertretungen zustandekommen müssen? Und das sind doch wirklich gerade Gebiete, die der Vertretung am dringendsten bedürfen würden, weil sie am allermeisten unter Ausnahmsverfügungen und Ausnahmsgesetzen stehen. Für das Hultschiner Land wurde eine Regierungsverordnung vom 4. Mai 1920 erlassen, in der der bevollmächtigte Regierungskommissär für das Ratiborer Gebiet, der als oberster Chef dieses Gebietes eingesetzt wurde, vollkommen freie Hand über die Bevölkerung erhielt. Es wurde in dem Gesetz, das über die Inkorporation dieser Gebiete handelt - es ist das Gesetz vom 30. Jänner 1920 Slg. d. Ges. Nr. 76 - ausdrücklich im § 5 erklärt, daß über die auf Grund des Inkorporationsgesetzes getroffenen Verfügungen von der Regierung an die Nationalversammlung Bericht zu erstatten ist. Und ich frage nun: wann ist über die aus diesem Gesetz erflossene Verfügung, nämlich die vorhin zitierte Regierungsverordnung von 4. Mai 1920, an dieses Haus ein Bericht gelangt? Es war einmal im Verfassungsausschuß davon die Rede, es wurde ein Referent und ein Korreferent bestimmt, aber die Sache ist bereits 2 Jahre her und seither hat man an der Frage nicht mehr gerührt.

Aber da wird es doch vielleicht nicht uninteressant sein, darauf zu verweisen, daß auch abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung, daß alle allgemeinen Verordnungen auch für diese Gebiete natürlich als bestimmend angesehen werden müssen, bei der Übergabe dieses Ländchens wiederholt von den obersten Stellen dieses Staates Versprechungen an die Bevölkerung ergangen sind, daß sie der vollen Gleichberechtigung und vollen Freiheit teilhaftig werden würde. Es ist interessant, daß im Amtsanzeiger für das Hultschiner Land, und zwar in der Nr. 1 vom Jahre 1920, in einer Kundgebung an die Hultschiner Bevölkerung, gezeichnet vom Ministerprä sidenten Tusar, vom Minister des Innern Švehla und vom Minister für auswärtige Angelegenheiten Beneš folgendes gesagt wird: "Mit Ruhe und Vertrauen, Bürger und Bürgerinnen der èechoslovakischen Re publik im Ratiborer Gebiet, kehret zurück in Eure alte Heimat! Die freie Èechoslova kische Republik ist ein demokratischer Staat, in dem immer und überall das Recht und die Gerechtigkeit entscheidet und ent scheiden wird. In unserem Staate sind alle Bürger gleichberechtigt, sowohl in politischer, als auch in nationaler und in religiöser Hinsicht." Das steht in dem Amts blatt für Hultschin. In der Nr. 4 findet sich, gezeichnet von dem bevollmächtigten Kom missär der Èechoslovakischen Republik Šrámek, ein Satz, der sicher auch ein Ver sprechen beinhaltet und der heißt: "Ihr kehrt in eine freie demokratische Heimat zurück, die euch mit offenen Armen emp fängt und euch Gelegenheit bietet, euch politisch und wirtschaftlich in einem Maße durchzusetzen, wie euch dies unter dem alten Regime nicht vergönnt war." Meine verehrten Herren! Das sind die Versprechungen und die Einlösung ist man bis heute schuldig gebliben. Man hat es noch nicht der Mühe wert gefunden, auch nur die Wahlen auszuschreiben oder nur daran zu denken, durch eine entsprechende Abänderung der Verfassung die Möglich keit der Durchführung der Wahlen für dieses Gebiet zu schaffen. Man hat auch bei den Gemeindevertretungen bisher absolut an Wahlen niemals gedacht, sondern nur Kommissäre bestellt, welche vollkommen ein seitig ihres Amtes walten und, - was das Schönste ist - ihre Verwaltungskommis sionsmitglieder nur solange behalten, als es ihnen paßt. In einer Gemeinde dieses Gebietes ist es vorgekommen, daß der Regierungskomissär als Vorsitzender der Verwaltungskommission 6 Angehörige meiner Partei einfach ihrer Funktion enthoben hat, weil sie ihm nicht mehr gepaßt haben. Es geht soweit, daß in Gemeinsamkeit mit dem Regierungskommiissär die Gendarmerie die vollkommene Herrschaft über dieses Gebiet führt, daß von ihr alles abhängt. Jede Gestattung irgend einer ganz selbstver ständlichen staatsbürgerlichen Handlung, wie Abhaltung von Versammlungen, Bildung von Vereinen ist immer an ihre Bewilligung gebunden und es ist nicht un interessant zu erwähnen, daß mir z. B. der Bezirkswachtmeister in der Gemeinde Obers sagen ließ, daß er eine Vers ammlung meiner Partei in dieser Gemeinde nicht mehr dulden werde. Ich bin neugierig, wie die Beschwerde, die ich in diesem Punkte an den bevollmächtigten Kommissär ge richtet habe, beantwortet werden wird. Jedenfalls kann die Hultschiner Bevölke rung mit vollem Recht verlangen, daß alle diese schönen Worte, die bei Inkorporie rung dieses Gebietes an sie gerichtet wur den, in die Tat umgesetzt werden, daß ihr wirklich die Möglichkeit geboten werde, sich politisch und wirtschaftlich vollkom men durchsetzen und daß sie durch ihre gewählten Vertreter überall ihre Stimme erheben und ihre Beschwerden zum Aus druck bringen kann. Es ist dies eine Forderung der Gerechtigkeit, es ist aber auch eine Forderung auf Grund der Prinzipien, die dieser Staat in seiner Verfassung und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit immer wieder wiederholt. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Meine verehrten Herren! Beim Voranschlag des Ministeriums für nationale Ver teidigung wurden angeblich 327 Millionen gegenüber dem Vorjahre erspart. Abge sehen davon, daß die Betrachtung über die Höherbewertung der èechischen Krone in mehr als dem dreifachen Ausmaße auch dafür gilt und daß noch keine Ersparnis vorliegt, wenn bei einem 3 Milliaren-Budget 10 % weniger an Ausgaben berechnet werden, stimmt diese Sache auch deswegen nicht, weil nicht weniger als 170 Millionen noch im Investitionsbudget für Kasernen bauten ausgeworfen sind und dann für 234 Millionen, sicherlich auch im Sinne dieses Ressorts, strategische Bahnbauten in der Slovakei vorgesehen sind. Bei Betrachtung einzelner Posten kann man aus dieser von verschiedenen Seiten als optimisch bezeichneten Verminderung des Budgets des Ministeriums für nationale Verteidigung noch nicht feststellen, daß auch tatsächlich in den Posten, welche für eine Politik des Friedens einen Fingerzeig geben würden, Ersparnisse eingetreten sind. Denn ich finde auffallender Weise, daß nicht nur der Automobilpark auf eine höhere Summe als im Vorjahre, auf 80 Millionen, veranschlagt wurde, daß nicht nur das ganze Kriegsmaterial höher eingestellt wurde, sondern daß auch gerade bei den Munitionsausgaben aus den einzelnen Ziffern ersichtlich ist, daß heuer nicht weniger als 254 Millionen hiefür ausgeworfen werden, das ist um 62 Millionen Kronen mehr als im Vorjahre. Das ist jedenfalls keine nationale Verteidigung im Sinne der Einführung einer Miliz oder einer Abrüstung, wir müssen im Gegenteil feststellen, daß das sicher wieder im Dienste der französischen Freundschaft geschieht, welche nebstbei in der Kommission auch mit 12 1/2 Millionen im Budget ausgewiesen wurde, und zu Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung dort verankert ist.

Beim Ministerium des Äußern, das sicher im Zusammenhang und in fortwährender Zusammenarbeit mit dem Ministerium für nationale Verteidigung steht, sind die Personalausgaben von 9.6 auf 10.7 Millionen gestiegen. Ich glaube, es wird darin noch nicht verrechnet sein, was an den fortwährenden Reisen des Herrn Ministers des Äußern und seiner verschiedenen Delegationen im Auslande noch immer verausgabt wird. Ich glaube, daß darin auch noch nicht verrechnet sind die Kosten, die die Kleine Entente alljährlich der Bevölkerung schon in der Gegenwart auferlegt und für die Eventualität von Verwicklungen noch auferlegen wird. Es ist sicher, daß vom Standpunkt der Kleinen Entente die Gefahr von Verwicklungen immer größer wird, weil diese Kleine Entente immer mehr zu einem Balkanbund Frankreichs ausgestaltet wird, an dem wir hängen bleiben, ob sich nun der Minister des Äußern für Orientfragen interessiert oder nicht. Es ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären.

Die 67 Millionen, die jetzt für die Gesandtschaften ausgegeben werden gegenüber 111 Millionen im Vorjahre, dann weiter die Tatsache, daß für die Konsulate 88.4 gegen 124.1 Millionen im Vorjahre ausgeworfen sind, könnten ein Beweis dafür sein, wie gespart wird. Gerade bei den Gesandtschaften und den Konsulaten ist aber zu betonen, daß diese Ausgaben keine Ersparnisse sind, wenn die èechische Krone im Auslande um mehr als das Dreifache gegenüber der Zeit des Voranschlags im Vorjahre gestiegen ist. Es mag für jene, welche keine Steuern zu zahlen haben und für jene, welche so reichlich an den Früchten ihrer Arbeit verdient haben, nicht schwer sein, diese Zahlen für die ausländische Repräsentanz aufzubringen, wohl aber für jene, welche im Erwerbsleben stehen und unter der fürchterlichen Arbeitslosigkeit und dem Darniederliegen von Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft schwer um ihre eigene Existenz zu ringen haben. Denn das ist zweifellos, wenn auch Ersparnisse wenigstens in den riesigen Ziffern ausgewiesen werden, daß gegenüber den Ausgaben die Einnahmen, besonders aus den direkten Steuern, im heurigen Jahre zweifellos zu hoch veranschlagt worden sind. Wenn da gegenüber dem Vorjahre ein Aufstieg festzustellen ist, wornach zum Beispiel die allgemeine Erwerbsteuer 211 1/2 Millionen Kronen gegenüber 190 Millionen im Vorjahre erbringen soll, daß weiter die Einkommensteuer auf 801 Millionen im Vorjahre veranschlagt wird, so wäre es interessant zu erfahren, wie der Herr Finanzminister sich das denkt, wenn er das allgemeine Wirtschaftsbild der meisten Industrien, das auch ihm bekannt sein müßte, betrachtet. Wir halten es für ganz ausgeschlossen, daß man im kommenden Jahre um 285 Millionen mehr an Steuern gegenüber dem Vorjahre wird leisten können, in einer Zeit, da die Wirtschaftskrise alle Unternehmungen unterbindet und eine vollkommene Lahmlegung, wenn nicht die Einstellung der Betriebe tatsächlich mit sich gebracht hat. Aber diese Zahlen sind doch nur ein Spiel, denn ich frage nur: Wo waren wir in der Lage, über die Staatsvoranschläge der letzten Jahre schon einmal einen Staatsrechnungsabschluß zu Gesicht zu bekommen? Und solange im Finanzgesetz ein Virement unter den einzelnen Posten möglich sein wird, wird man niemals aus den Ziffern Klarheit über den Staatshaushalt gewinnen können.

Das Ministerium des Innern ist in dem Vorschlag höher als im Vorjahr eingestellt. Daran sind in erster Linie der Beamten apparat und die sachlichen Ausgaben der politischen Verwaltung beteiligt. Ich habe mir die Mühe genommen, einen Vergleich zu ziehen zwischen dem Beamtenstand im Innenministerium des alten Österreich und dem Beamtenstand im Innenministerium der Èechoslovakischen Republik. Während im alten Österreich im gesamten Ministerium des Innern 262 Beamte beschäftigt waren, sind im neuen Innernministerium nur 13 Beamte weniger, 249 beschäftigt Bedenkt man, daß die Einwohnerschaft des neuen Staates kaum die Hälfte des alten zählt und auch des Flächenausmaß des neuen Staates bedeutend geringer ist, so tritt dieser Unterschied noch deutlicher in Erscheinung. Das Beamtentum im Ministerium des Innern ist nahezu gleich geblieben, wobei nur zu erwähnen wäre, daß natürlich in Wien überhaupt kein Sektionschef der III. Rangsklasse im Ministerium des Innern war - hier sind deren zwei; außerdem existieren nunmehr 16 Ministerialräte, 4 mehr als im alten Österreich. Bei den niederen Kategorien wurden schon Abstriche gemacht. Beweis dafür, daß durch diese einzelnen Beamtenposten in erster Linie jene einen Vorsprung bekommen sollten, welche in irgend einer Weise sich durch besendere Vorzüge - im Sinne des heutigen Systems - ausgezeichnet haben oder sich auszeichnen können.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP