Wir haben kaum das Budget erledigt, haben kaum das Nachtragsbudget über uns ergehen lassen und schon wieder heißt es, einen Militärkredit von 500 Millionen zu bewilligen. Dabei haben wir bei all diesen Debatten und von Seiten der Ministerien bei jeder Gelegenheit gehört, es müsse gespart werden. Wir haben es erst vor kurzem gerade von den Koalitionsparteien gehört, als es galt, das Beamten- und Lehrergesetz durchzubringen: denn dieses Gesetz wurde in erster Linie begründet unter dem Gesichtspunkte des Sparens. Es hieß ausdrücklich im Motivenbericht, wir müssen irgendwo mit dem Sparen beginnen. Damals wurden 180 Millionen erspart auf Kosten jener Gruppe der Bevölkerung, welche augenblicklich die schwächste war, sich einfach nicht zur Wehre setzen konnte, auf Kosten der Beamten und Lehrer. Heute, wo wir wieder 500 Millionen herauswerfen sollen, wird offenbar, daß das damals getriebene Spiel lediglich Heuchelei gewesen ist, Augenauswischerei genau derselben Art, wie sie sich heute oder morgen hier abspielen wird, wenn wir das Gesetz über die Bezahlung der Eisenbahnfahrkarten für die Abgeordneten verhandeln werden. Denn damit soll gleichfalls der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut werden; es soll das Defizit bei den Bahnen herabgedrückt werden, das durch die außerordentliche Vermehrung des Personals, durch die Beamtenhypertrophie, bei den Bahnen entstanden ist, und das sollen die 2000 Kronen prOAbgeordneten wieder ins Gleichgewicht bringen. Ganz genau dasselbe Sparsystem wird uns bei jeder Gelegenheit, im Schulministerium, auf kulturellem Gebiete u. s. w., entgegengehalten.
Während wir nach dem vorliegenden Gesetze 500 Millionen hinauswerfen, werden hunderte deutsche Lehranstalten, Volks- und Mittelschulen, geschlossen, und zwar ausdrücklich mit der Begründung, daß gespart werden muß. Ich habe schon anläßlich der Budgetdebatte darauf hingewiesen, daß es ein vollkommen unvernünftiger Standpunkt ist, gerade auf dem Gebiete des Schulwesens, des Bildungswesens zu sparen und daß ein derartiger Vorgang eigentlich ein Rückschritt ärgster Sorte ist. Aber wie kommen Sie, frage ich Sie, meine Herren von der Koalition, dazu, einen derartig hohen Betrag hinauszuwerfen, wo Sie bei den kleinen Ausgaben für die deutschen Kindergärten, für Volks- und Mittelschulen, bei Subventionen für die Hochschulen, fort und fort erklären, wie ich es ungezähltemale selbst gehört habe: Wir haben kein Geld, wir müssen sparen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Seit Jahr und Tag wird zum Beispiel versucht, eine Regelung der Bezüge der Kindergärtnerinnen herbeizuführen. Die armen Kindergärtnerinnen müssen heute mit einen Gehalt von 130 bis 150 Kronen im Monat mühselig ihr Dasein fristen, das heißt, sie verhungern bei diesem Betrage. Alle Versuche im Kulturausschuß und bei der Regierung, ein Gesetz darüber in das Haus zu bringen und die Regelung der Bezüge endlich durchzuführen, alle diese Versuche sind bisher vollständig gescheitert an der Teilnahmslosigkeit in erster Linie der Regierung und in zweiter Linie der Koalitionsparteien. Ich bin nur neugierig, was die Kindergärtnerinnen dazu sagen werden, wenn sie hören werden, daß wir heute 500,000.000 K bewilligt haben, während die ganze Regelung der Kinde gärtnerinnenfrage mit einigen Millionen, vielleicht mit kaum 10 Millionen gedeckt erscheinen würde. Deutsche Volkschulen werden gesperrt, weil angeblich die Kosten für 30 bis 35 Kinder in einer Klasse zu hoch sind. Auf der anderen Seite werden für wenige èechische Kinder, bedeutend weniger als auf deutscher Seite, neue Schulen errichtet. Deutsche Lehrer werden hinausgeworfen, brotlos gemacht und das alles unter der Devise des Sparens. Für das Hilfsschulwesen ist kein Heller zu haben, die Pensionisten beziehen eine Pension, die geradezu ein Skandal für die Republik ist. Ich muß staunen, wie Sie angesichts dieser Verhältnisse, deren Aufzählung sich natürlich bedeutend erweitern ließe und von denen man stundenlang sprechen und Beispiele zur Genüge anführen könnte, uns eine derartige Ausgabe zumuten können und daß sich hiefür ein Berichterstatter gefunden hat.
Fürs Militär hat dieses Haus, wie wir seit Bestand dieses Parlamentes zu beobachten Gelegenheit gehabt haben, immer Geld in Hülle und Fülle übrig. Ich weiß nicht warum, wahrscheinlich aus dem Gesichtspunkte heraus, daß das die einzige Stütze dieses sonst so gebrechlichen Staates ist. Militär und Polizei - das sind die festesten Stützen dieses Staates. Wie weit man sich gerade auf diese beiden Kräfte verlassen kann, das haben wir ja im alten Österreich, das haben wir während des Krieges und beim Zusammenbruch zu sehen Gelegenheit gehabt und daraus hätten die Herren den Schluß ziehen können, daß es wirklich schade ist, für ein derartiges Spielzeug soviel Geld aufzuwenden, und daß die Ausgaben fürs Militär vollständig unfruchtbar sind. Im übrigen müssen wir feststellen, daß, wenn wir uns auch den Namen einer demokratischen Republik beilegen oder anmaßen, wir noch sehr weit davon entfernt sind, und daß auch in unserem Staate das Militär sich bereits zu einer privilegierten Kaste entwickelt hat. Wir haben auch dafür Beweise, daß alle Ministerien, besonders das Schulministerium, vollständig ohnmächtig sind gegenüber den Forderungen, die von Seite des Militärs oder der einzelnen Garnisonskommandanten erhoben werden. Ich führe als Beispiel die Zustände in Gräz-Podoli an. Diese deutsche Minderheitsschule wurde nach schweren Kämpfen seitens der Regierung endlich bewilligt. Aber das Gebäude hiefür ist unter gar keinen Umständen frei zu machen, weil hier das èechische Militär seine Kanzleien und eine Offiziersmesse errichtet hat und nicht herausgeht. Ich könnte Ihnen den gleichen Fall aus der Stadt Freiwaldau erzählen. Hier wurden im Kaffeehaus "Klein", dem ersten in der Stadt, im November vorigen Jahres nach zweimaliger, sehr oberflächlicher Besichtigung und Informierung, das zweitemal durch einen Bezirkshauptmann der Landesregierung in Troppau, trotz des Protestes des Geschäfts- und Wohnungsinhabers zwei für Geschäftszwecke bestimmte Zimmer und eine Küche für die Errichtung einer Offiziersmesse beschlagna hmt. Man hat gegen diese Gesetzwidrigkeit den Rekurs eingelegt mit der Bitte um aufschiebende Wirkung, und zwar an das Ministerium für öffentliche Arbeiten. Diese aufschiebende Wirkung wurde zugestanden, dieser Tage aber wieder aufgehoben, und zwar, wie feststeht, über Einschreiten des französischen Obersten in Troppau, der beim Landespräsidium in Schlesien vorgesprochen, und es erwirkt hat, daß diese Räume tatsächlich der Offiziersmesse zugewiesen wurden. Sie sehen, wie weit es mit der sogenannten Gewerbeförderung in diesem Staate bestellt ist, wenn man hier einem Gewerbetreibenden die zur Ausübung seines Gewerbes notwendigen Räume wegnimmt und ihm dadurch einen unermeßlichen Schaden zufügt.
Was aber alles seitens der höheren Stellen gedeckt wird, wenn es das Militär anbelangt, das haben wir seinerzeit bei uns in Neutitschein gesehen. Nach dem Umsturz hat das Militär, das wahrscheinlich zu Schutze der bedrohten Stadt dorthin verlegt wurde, alle Straßentafeln heruntergerissen. Es war ausgerüstet mit Leiitern und sonstigem Material und hat in der ganzen Stadt jede Orientierungstafel, selbst wenn nur darauf stand "Rechts fahren!" oder "Links fahren!", heruntergerissen. Die Stadtgemeinde hat daraufhin eine Eingabe an das Ministerium gerichtet und einen Schadenersatz von mehreren Tausend Kronen beansprucht. Es ist geradezu unglaublich, wie der Minister für nationale Verteidigung - es war damals der General Husák - dieses Verhalten des Militärs begründet hat. Es heißt darin: "Die Mannschaft zweier Kompanien begab sich auf die Gasse und riß die deutschen Straßenaufschriften und Aufschriften einiger Hotels herunter. Die Bevölkerung leistete keinen Widerstand. Es kam zu keinen Wortgefechten, alles spielte sich ruhig und ohne Geschrei ab." Wir könnten uns beinahe noch dafür bedanken, daß es vollständig unblutig abgelaufen ist. So geht es in der Antwort weiter. Zum Schlusse heißt es: "Die Kompaniekommandanten und Offiziere seien zwar eingeschritten, die Soldaten wurden aufgefordert, in die Kasernen zurückzugehen, aber schließlich und endlich lasse sich heute, nach Ablauf eines Jahres" - man hat es nämlich ein Jahr liegen lassen - "nicht mehr feststellen, wer das gemacht habe, und infolgedessen, können die Beteiligten nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Die Militärverwaltung haftet nicht für den durch Soldaten verursachten Schaden, soweit nicht durch eine besondere gesetzliche Bestimmung eine solche Verpflichtung der Militärverwaltung auferlegt ist. Im gegebenen Falle besteht eine solche Verpflichtung nicht," das heißt also: Die Stadtgemeinde kann sehen, wie sie zu ihrem Geld kommt. Ich wundere mich nicht über diese Antwort, damit niemand glaube, ich wäre soweit Optimist, daß ich auf eine solche Antwort etwas geben würde. Ist es doch vorgekommen, daß ich an einen Minister eine Interpellation gerichtet habe wegen seiner Äußerung, die er in Schlesien gegenüber Landwirten gemacht hatte. Diese Interpellation wurde gegen jede Vorschrift der Geschäftsordnung liegen gelassen, und schließlich antwortete der Ministerpräsident, es sei bereits ein Jahr verstrichen, der Ackerbauminister könne sich nicht mehr erinnern, was er damals gesagt habe. So werden deutsche Beschwerden seitens der vorgesetzten Behörde, seitens des Ministeriums, behandelt. In gleicher Weise hat man damals durch diese organisierte Heldentruppe in Neutitschein das Magazin, wo während des Krieges von der österreichischen Regierung die abgenommenen Waffen eingelagert wurden, erbrochen und diese Waffen einfach verschleppt und gestohlen. Es ist nicht festzustellen, wohin sie gekommen sind, wer sie weggenommen hat. Damals wurden eine Unmenge von Waffen ihren redlichen Besitzern weggenommen und Werte von Tausenden sind verloren gegangen. Bei einem Büchsenmacher hat man alles ausgeräumt, hat nicht bloß seine Gewehre und seine Waffen weggenommen, sondern auch Waffen, die von Kunden bei ihm hinterlegt worden waren.
Jeder Versuch, alle Eingaben an das Ministerium, doch den Leuten den Schaden wieder zu ersetzen, besonders dem Geschäftsmann, der ja doch den Kunden gegenü ber schließlich teilweise haftet, alle diese Versuche sind bisher vollständig ergebnislos gewesen und unerledigt geblieben. Man ist geradezu blind, was den Militarismus in diesem Staate anlangt, blind auch gegenüber den Vorgängen beim Militär selbst. Ich will dabei gar nicht sprechen von den Zuständen im Militär, in der Militärkaste besser gesagt, weil hier schon ausführlich darüber gesprochen worden ist. Man hat hier darüber gesprochen, wie nutzlos die Ausgaben für die Ausrüstung des Militärs waren und wie unnütz das Geld hinausgeworfen wurde für die von Frankreich übernommenen Ausrüstungsgegenstände. Man müßte bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, was in diesem Staate, wenn es das Militär anbelangt, alles möglich ist, wie rasch z. B. die Avancements der Offiziere hier vor sich gehen. Man müßte darauf hinweisen, wie es möglich ist, daß z. B. in Olmütz ein achtundzwanzigfähriger Offizier, namens Èervinka, in diesem Alter bereits Oberst und Regimentskommandant geworden ist. Wir haben ja solche 25- und 28jährige Majore, Oberstleutnants und Obersten in der Armee genug. Und Sie wissen ja, daß auch unser früherer Minister für Nationalverteidigung Husák eine ganz unglaubliche Karriere gemacht hat, daß er sozusagen über Nacht vom Hauptmann zum Oberst und kurze Zeit darauf zum General avanciert ist. In der Èechoslovakischen Republik ist das außerordentlich rasch gegangen, rascher als in den anderen Siegerstaaten (Posl. dr. Lodgman: Husák ist jetzt sogar Fabriksdirektor!) Es kommt nicht darauf an, was einer früher gewesen ist. Auch darüber könnte ich Ihnen Beispiele zur Genüge bringen. Ist doch einmal beim Ministerium ein Gesuch eingelaufen, worin ein Major der alten österreichischen Armee um Transferierung ansuchte, weil er doch unmöglich in einem Regimente dienen könne, wo sein früherer Offiziersdiener jetzt Regimentskommandant ist. Bei diesem ganz unvergleichlichen Avancement, bei diesem Hinauswerfen von Tausenden und Millionen für das aktive Militär vergessen Sie ganz auf die Militärpensionisten, Sie vergessen auf die ganz minimalen Beträge, die diese Leute nach einer Dienstzeit von 30 Jahren und mehr heute als Pension beziehen undvon der sie wirklich nicht leben können. Sie vergessen jene Offiziere, denen man seinerzeit das Existenzminimum bis zur Erledigung ihrer Übernahme zugebilligt hatte, und denen man dieses Existenzminimum später wieder wegnahm. Sie vergessen auf die Unteroffiziere, die im alten Heer gedieent haben, èechoslovakische Staatsbürger sind und die Sie sich bis heute zu übernehmen weigern, die Sie einfach aufs Pflaster geworfen haben.
Es wurde vorhin auch von der verunglückten Mobilisierung gesprochen, von der Mobilisierung, die sich heute doch schon trotz der schönen Worte des Herrn Ministers für nationale Verteidigung Udržal als eine große Blamage erwiesen hat. Wir müssen aber heute dagegen Protest einlegen und Stellung dagegen nehmen, daß man deswegen die jungen Leute mit drakonischen Strafen belegt, weil sie vielleicht ein oder zwei Tage zu spät eingerückt sind. Es ist bei uns vorgekommen, daß ein junger Mann, der einrücken wollte, auf dem Wege aufgehalten wurde, indem man ihm bedeutete, alles sei in den Kasernen überfüllt, er werde nicht unterkommen, es sei kein Platz, er möge nach Hause fahren und in zwei Tagen wiederkommen. Als er infolgedessen nach zwei Tagen wieder einrückte, wurde er bestraft, z. B. in einem Falle zu sechs Wochen Arrest und 700 Kè Geldstrafe. Das sind ganz drakonische Strafen, die in keinem Verhältnis zum Delikt stehen, sie sind aus dem einfachen Grunde schon unverhältnismäßig groß, weil dem Betreffenden jede böse Absicht gefehlt hat.
Es wurde schon vorhin auf das ganz unglaubliche Verhalten bei den Pferdeassentierungen hingewiesen, wie man die Bauern geradezu an derNase herumgeführt hat, wie man ihnen die Pferde abnahm und ihnen eine Anweisung auf Bezahlung bei einem Steueramt gab, an eine Bezahlung aber in Wirklichkeit nicht gedacht hat. Später vor mir liegt eine derartige Anzeige eines Bauern - wurden die Leute gezwungen, die Pferde unter allen Umständen wieder zurückzunehmen, obwohl diese inzwischen in ihrem Ernährungszustande heruntergekommen und auch mit Krankheiten behaftet waren. Ich erwähne einen anderen Fall aus Troppau, wo einem Bauer ein Pferd um den Preis von 10.000 Kè abgenommen wurde. Der Mann war inzwischen genötigt, sich ein zweites Pferd zu kaufen. Nach der Mobilisierung wurde er gezwungen, das an den Staat verkaufte Pferd wieder zurückzunehmen. Der Mann weigerte sich das zu tun, man drohte ihm aber mit Strafe und schließlich mußte es es doch zurücknehmen. Das Pferd war nämlich krank und unterernährt. Der Betreffende weigerte sich auch eine Erklärung abzugeben, dahingehend, daß er auch in Zukunft keinen Anspruch an das Militärärar stellen werde. Dar Mann nahm schließlich das Pferd nach Hause und hat es mehr als einen Monat mit aufopfernder Pflege behandeln müssen, bis es endlich wieder gesundete. Während dieser Zeit hat es die beiden anderen Pferde, die in demselben Stalle standen, angesteckt, sodaß diese heute noch krank sind. Es ist ein unverzeihlicher Leichtsinn, daß man kranke Pferde seitens der Militärverwaltung an die Privatbesitzer zurückgegeben hat, daß man sie vorher nicht behandelte und ausheilte und in den gesunden Zustand zurückversetzte.
Vorhin wurde auch von èechischer Seite darüber geklagt, daß die Ausrüstungsgelder, die aufgewendet werden, hauptsächlich den Deutschen immer zufließen. Kollege Najman hat schwere Klage darüber erhoben und gesagt, er müsse feststellen, daß die Gelder, die seitens des Staates in irgendwelcher Form vergeben werden, in letzter Linie uns zufließen. Das Gegenteil ist wahr; wir können feststellen, daß alle Beträge restlos wieder èechischen Händlern und Gewerbetreibenden zugute kommen, obwohl auch deutsche Steuergelder in hervorragender Weise daran beteiligt sind.
So sehen wir also, daß im allgemeinen für Militär, für Rüstungen und dergleichen in diesem Staate immer Geld vorhanden ist, für Rüstungen, für eine Armee, von der wir doch sagen müssen, daß sie im Ernstfalle doch ganz bestimmt nicht zu brauchen sein wird, und zwar deshalb nicht zu brauchen sein wird, weil ihr in erster Linie die gesunden Unterlagen fehlen. Wir sind der Ansicht, daß es viel gescheiter wäre, wenn man das hiefür aufgewendete Geld für kulturelle und soziale Zwecke verwenden wollte, daß es viel gescheiter wäre, man würde sich endlich auf den Boden stellen, den die Èechen im alten Österreich immer eingenommen haben, daß das einzig Richtige die Schaffung einer Miliz und Neutralisierung sei. Es ist seinerzeit vom Minister Klofáè in der Revolutionsversammlung auch davon gesprochen worden. Er hat damals darauf hingewiesen, er, der Antimilitarist, der im alten Österreich immer das Militär bekämpft hatte, daß er eigentlich noch immer für das Milizsystem sei, nur gestatte die gegenwärtige europäische Konstellation die Verwirklichung derselben nicht. Die Armee diene nicht bloß zum Schutze gegen äußere Feinde, sondern müsse auch der Hort sein gegen die innere Reaktion, die noch immer unermüdlich an der Arbeit sei. Aus diesen Worten ziehen wir den Schluß, daß die Armee eigentlich in erster Linie gegen uns, die wir uns noch immer nicht in den Staat hineingefunden haben - also gegen die sogenannte deutsche Irredenta geschaffen wurde. Dabei fordert man andererseits deutsche Rekruten, man vergeudet deutsche Steuergelder, man wirft Geld in großen Mengen zu diesen Zwecken hinaus.
Ich sage noch einmal: Wenn wir
auch schon ohne Einfluß auf die Verwendung des Geldes sind, wenn
Milliarden und Abermilliarden für unproduktive Zwecke hinausgeworfen
werden, so wollen wir wenigstens das Recht der Kritik an diesen
unhaltbaren Zuständen haben. Wir können nur Protest einlegen und
fordern, daß endlich diesem vollständig unvernünftigen System
ein Ende bereitet werde und daß jene Forderungen erfüllt werden,
die wir schon in zahlreichen Anträgen niedergelegt habe: Abschaffung
des Militärs, Schaffung eines Milizsystems. Aus diesem Grund müssen
wir unter allen Umständen gegen diese Vorlage stimmen. (Souhlas
a potlesk na leviei.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Auswanderung ist ein sehr wichtiges soziales Problem. Die Auswanderung selbst hängt zusammen mit den wirtschaftlichen und politischen Verhätnissen eines Staates. Aus einem Lande, in welchem die arbeitenden Menschen Lohn und Verdienst finden, in welchem sie politische und demokratische Freiheiten in ausreichendem Maße genießen, wandern sie nicht ohne weiters aus. Sie wissen, daß, wenn sie ihr Land verlassen, in andere Erdteile übersiedeln, sie einem ungewissen Schicksale entgegengehen und so überlegt es sich ein jeder, ob er diesen Schritt unternehmen soll. Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, finden wir, daß in jenen Ländern, in denen die wirtschaftliche Entwicklung fortschritt, wo sie durch die Gesetzgebung gefördert wurde, die Zahl der Auswanderer von Jahr zu Jahr abgenommen hat. So sind aus den westlichen Ländern Europas immer weniger Leute nach Amerika ausgewandert. (Posl. dr. Holitscher: Nur die Iren!) Die Iren deshalb, weil dort die politischen Verhältnisse für das Volk unerträglich waren. Dann erklärt sich der Rückgang der Auswanderung aus den westlichen Ländern und anderen europäischen Staten auch daraus, daß es nicht mehr wie ehedem in Amerika ausgedehnte Landstrecken zur Bebauung gegeben hat. Die amerikanischen Behörden haben, solange sie freies Land im Überflusse hatten, die Einwanderung gefördert und fanden bei ihrer Werbung von Auswanderern in einer Reihe von europäischen Ländern günstigen Boden; ihre Arbeit hatte Erfolg. Als aber später in Amerika weniger Ländereien zur Verfügung standen, ging in den westlichen Ländern unseres Erdteiles die Auswanderung zurück, bis sie in Frankreich und England nahezu von keiner Bedeutung mehr war. Nur in Mitteleuropa hat sich die Zahl derAuswanderer aufeinerganz außergewöhnlichen Höhe gehalten. Es liefern dafür die Ziffern des Motivenberichtes zu dem Gesetzentwurfe, der verhandelt wird, den Beweis. Diese Ziffern sind lehrreich. Ich will nur jene herausgreifen, die sich auf Deutschland und Österreich-Ungarn beziehen, um zu zeigen, daß, während die Auswanderung im übrigen Teile Europas zurückging, sie sich in diesen beiden Ländern auf einer entsetzlichen Höhe erhalten hat. So weisen die Ziffern im Motivenberichte folgendes aus:
Im Zeitabschnitte 1889/1890 bis 1899/1900 hatte das Deutsche Reich noch einen Jahresdurchschnitt anAuswanderern von 122.357 Personen, Österreich-Ungarn hatte in diesem Jahrzent eine Auswanderungsziffer von 107.668 Personen jährlich. Eine ungeheure Summe von Arbeitskraft und Intelligenz ist da alljährlich aus Deutschland und Österreich-Ungarn nach Amerika und anderen überseeischen Ländern ausgewandert, um sich dort eine neue Existenz zu begründen. In den Ziffern von Österreich-Ungarn sind aber nicht eingerechnet jene Personen, die sich in Deutschland oder in einem der anderen europäischen Länder niedergelassen haben. So finden wir z. B., daß unter 1,236.048 Ausländern, die im Jahre 1910 im Deutschen Reiche gezählt wurden, aus Österreich allein 634.938 Personen stammten. Während des wirtschaftlichen Aufschwunges in Deutschland, als sich leicht Arbeitsgelegenheit fand, der Verdienst stieg und sich die Verhältnisse der Arbeiter besserten, ging die Zahl der Auswanderer im Jahresdurchschnitt im darauf folgenden Jahrzent auf 20.278 zurück. Es ist da nur eine kleine Zahl von Menschen, die in dem Jahrzehnte 1899/1900 bis 1909/1910 den Boden Deutschlands verlassen haben.
In Österreich-Ungarn aber ist eine solche Verschiebung nicht eingetreten. Da ist auch später, also im letztangeführten Jahrzehnt, die jährliche Auswanderungsziffer noch immer 137.464 gewesen. Sie sehen also, daß aus Deutschland die Auswanderung um ein Bedeutendes zurückgegangen, daß sie aber in Österreich-Ungarn außergewöhnlich hoch geblieben ist. Wir brauchen hier nicht auseinanderzusetzen, aus welchen Gründen sich diese Ziffer erklärt. Im alten Österreich bestanden Zustände, die es wahrhaftig einem aufgeweckten vorgeschrittenen Menschen nicht gerade angenehm machten, in diesem Staate zu leben. Die Agenten und Werber von Auswanderern hatten da ein leichtes Spiel. Man sehnte sich aus den Zuständen heraus und suchte sich über dem Ozean eine bessere Lebensmöglichkeit zu schaffen, eine erträglichere als die, die das eigene Land bot. Daraus geht hervor, daß die Auswandererfrage nicht zu lösen ist mit polizeilichen Maß nahmen und daß man sie auch nicht lösen kann durch Auswanderungsverbote. Daher kann es nicht genügen, daß wir ein Auswanderungsgesetz schaffen, sondern es wird ein weiteres geschehen müssen. Es wäre meines Erachtens verfehlt, wenn sich die èechoslovakische Staatsverwaltung nun mit dieser teilweisen Lösung der Auswandererfrage zufrieden geben würde. Man wird weitere Maßnahmen treffen und dafür sorgen müssen, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse in diesem Staate erträglich werden. Es ist klar und es braucht kein Wort darüber verloren zu werden, daß Menschen, die arbeiten wollen und keine Möglichkeit zur Arbeit finden, weil die Industrie infolge verfehlter Handelspolitik u. s. w. darniederliegt, daß diese Menschen nicht im Lande bleiben, um zu verhungern und zugrunde zu gehen, sondern die erste beste Gelegenheit benützen, um sich außerhalb des Landes ihre Existenz zu suchen. Der zweite Herr Berichterstatter hat recht, wenn er meint, daß in der Regel die besten Kräfte und die fähigsten Arbeiter auswandern, um sich anderwärts eine neue Existenz aufzubauen. Dazu kommen noch viele ungezählte Hunderte und Tausende, die leichtgläubig sind, die, weil es ihnen schlecht geht, auf Verlockungen leicht hereinfallen. Sicher aber ist, daß sich unter den Auswanderern eine große Anzahl der fähigsten und besten Leute befindet. Wir haben dies insbesondere schon im alten Österreich in den Randgebieten von Böhmen erfahren. Aus den deutschen Industriegebieten sind zahlreiche tüchtige Arbeiter nach Deutschland und Amerika ausgewandert, nur deshalb, weil ihnen sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse wie auch die Art, wie man die Arbeiter durch Jahrzehnte behandelt hat, wie man ihre Kräfte eingeschätzt hat, wie man mit ihnen umgegangen ist, unerträglich erschienen und weil jeder, der ein biß chen aufgeweckt war, der Vertrauen zu seiner Leistungsfähigkeit gehabt hat, sich sagte; das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen. Es ist nicht zu bestreiten, daß sowohl die amerikanische als auch die deutsche Industrie durch die Zuwanderung eine Unsumme sehr tüchtiger Arbeitskräfte bekommen hat, die mitgeholfen haben, den wirtschaftlichen Aufschwung, den diese Staaten genommen haben, zu bewerkstelligen. Wenn wir also dafür sorgen wollen, daß die Auswanderung in der Èechoslovakei nicht jenen ungeheuren Grad erreicht, den wir in Österreich bis zum Kriege und in Deutschland bis vor mehr als einem Jahrzehnt gehabt haben, dann wird man eine gute Wirtschaftspolitik treiben müssen, dann wird man vor allem dafür zu sorgen haben, daß die politischen Zustände in diesem Staate für alle ihn Bewohnenden erträglich werden, daß unsere Zustände niemanden veranlassen, sich anderwärts ein besseres Los zu suchen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Was das Gesetz selbst anbelangt,
so geht es in seinen Bestimmungen gerade bis an die Grenze dessen,
was mit Rücksicht auf die Beobachtung des Grundsatzes, die Freizügigkeit
des Einzelnen nicht einz uschränken, geschehen darf und zulässig
ist. Ein Mehr wäre sicher zu viel. Im ursprünglichen Entwurf hat
es da einige Best immungen gegeben, die so ganz auf die Methode
eingestellt waren, mit der man die Auswandererfrage in Österreich
versuchsweise lösen wollte und mit der man auch in anderen Staaten
vergeblich versucht hat, der Auswanderung Herr zu werden. Man
hat die Polizei zur Lösung der Auswanderungsfrage mit heranziehen
wollen. Im ursprünglichen Entwurf über die Regelung der Auswandererfrage
waren ähnliche Bestimmungen enthalten, die aber beseitigt wurden.
Was uns veranlaßt, für dieses Gesetz zu stimmen, ist folgendes:
Wir halten es für die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß
die Auswanderer nicht schutzlos bleiben. Wer sich daran erinnert,
wie in der Èechoslovakei großeMassen über die Grenze drängen,
wer gesehen hat, wie die Auswanderer, Männer mit ihren Frauen
und Kindern oft zu Hunderten auf den Grenzbahnhöfen ohne jede
Fürsorge herumgelegen sind, wer sich insbesondere erinnert, welche
Zustände da manchmal auf den Prager Bahnhöfen herrschten, wo Massen
von Auswanderern verlassen herumliegen und sitzen zu sehen waren,
wer sich dieser Elendbilder erinnert, wird es nur als selbstverständlich
finden, daß der Staat die Verpflichtung hat, sich der Auswanderer
anzunehmen, und dafür zu sorgen, daß sie nicht dem furchtbarsten
Elend preisgegeben sind. Das Gesetz sieht eine ganze Reihe von
Maßnahmen vor, durch die die gewissenlose und gewinnsüchtige Anwerbung
von Auswanderern oder von Arbeitskräften für Unternehmungen, deren
Verhältnisse kein Mensch kennt, unterbunden oder eingeschränkt
wird. Wenn wir auch das Gesetz für dringlich und notwendig halten,
wenn wir auch der Meinung sind, daß der Staat die Verpflichtung
hat, dafür einzutreten, daß die Auswanderer nicht einem ungewissen
und furchtbaren Schicksal entgegengehen, müssen wir trotzdem sagen,
daß damit allein, daß man ein Ausswanderungsgesetz schafft, diese
große Frage nicht gelöst ist. Das Gesetz wird in Verbindung mit
anderen Maßnahmen zur Anwendung kommen müssen. Man wird dafür
sorgen müssen, daß im LandeArbeitsgelegenheit geschaffen wird,
daß die Industrie sich entwickelt, das politische Dasein niemand
vergällt wird. Nachdem wir in dem vorliegenden Gesetze eine Maßnahme
erblicken, die aus sozialen Gründen nicht unterbleiben darf, zu
der jeder Staat schreiten muß, werden wir dafür stimmen. (Souhlas
na levici.)
Meine Damen und Herren! Auf der
Tagesordnung steht jetzt die Änderung der Geschäftsordnung. Wir
würden es natürlich begrüßen, wenn man sich endlich mit der Geschäftsordnung
eingehend beschäftigen würde . . . (Hluk, výkøiky posl. dr.
Šmerala.)