Nunmehr wird viel gesprochen von der Freundschaft zu Österreich, und speziell am heutigen Tage lese ich über das gute Verhältnis der Èechoslovakei zu Österreich, und zwar von Wien aus, folgendes: "Außerdem werden eventuelle freundschaftliche Vorstellungen der alliierten Wiener Regierung in Prag ein viel offeneres Ohr finden, als es bisher der all war." Nun kam mir wieder ein Akt zur Hand und ich will feststellen, wie Sie bisher zu Deutsch-Österreich gestanden sind. Ich lese den Akt 10.010/6 B vor. Einem Bericht der Nordbahndirektion zufolge soll die Behandlung der dienstlich nach Lundenburg kommenden deutschösterreichischen Zugsbegleiter nach Mitteilung dieser keineswegs entsprechend sein. Insbesondere sollen die mit den Zügen dort einlangenden Zugpartien, besonders die Regiepartien, in der rücksichtslosesten Weise durchsu cht, von Militär begleitet, öfter hiebei auch gestoßen werden. Ein solch es Vorgehen der Lundenburger Or gane, heißt es in dem deutschösterreichischen Akt, wäre keineswegs geeignet, die glatte und reibungslose Abwicklung des Eisenbahnverkehres, die doch im beiderseitigen Interesse gelegen ist, zu fördern, wohl aber erzeugt es eine persönliche Erbitterung, die bei dem deutschösterreichischen Personal auch schon dadurch zum Ausdruck gekommen ist, daß es die Einstellung der dienstlichen Fahrten nach Lundenburg in Erwägung zieht.
Nun, meine Herren, wollen wir ein Stückchen weitergehen und feststellen, nochmals feststellen, daß Sie sich in einer großen Finanzkrise befinden und daß diese hauptsächlich durch die Mobilisierung zustande gekommen ist, daß die Mobilisierung ein Verbrechen war, welches Sie selbst nicht leugnen können, und wir hätten doch erwartet, daß diejenigen, welche die Mobilisierung so leichtfertig heraufbeschworen haben, zumindest auf die Anklagebank gekommen wären. Uns wurde im Budgetausschuß gesagt, daß die kolossalen Auslagen, die die Mobilisierung hervorgebracht hat, durch Ersparnisse hereingebracht werden, die sich im letzten Jahre in einzelnen Haushalten gezeigt haben. Nun, meine Herren, auf einmal kommen Sie nicht mit Ersparnissen, sondern mit einem kolossalen Nachtragskredit. Sie verlangen außerdem 500 Millionen für die Mobilisierung; da haben Sie die Beamten und Lehrer herangezogen, um auf deren Kosten die Mobilisierungskosten zu decken und, wenn es auf Wahrheit beruht, was schon lange in den Couloirs herumschwirrt, so belaufen sich die Kosten der Mobilisierung auf 1 1/2 Milliarden. Der Herr Minister für Kriegswesen hat die Freundlichkeit gehabt, im Militärbudget ausdrücklich festzustellen, daß die Mobilisierung glänzend verlaufen sei, denn es seien 90 % der Einzurückenden eingerückt. Dem gegenüber will ich feststellen, daß es durch ungeheueren Fleiß und durch Emsigkeit gelungen ist, die Daten der Mobilisierung zu bekommen, und daß es nicht 90 % sind, sondern hier will ich feststellen, daß im ganzen 120.000 Mann und außerdem nahezu 4000 Offiziere nicht eingerückt sind. Ich will weiter feststellen, daß sich diese 124.000 Nichteingerückten folgendermaßen auf die Nationalitäten verteilen lassen: 50.000 Èechen nicht eingerückt, 40.000 Deutsche nicht eingerückt, 12.000 Slovaken nicht eingerückt, weiter sind 8000 Ungarn nicht eingerückt und 10.000 Polen, Russen und Rumänen. Ich habe mich der Mühe unterzogen und habe die einzelnen Bezirke genau studiert, weil es von wesentlichem Interesse ist, wie die Bezirke bei der Mobilisierung funktioniert haben. Da finde ich speziell in Mähren folgende interessante Daten: Der Bezirk Brünn hat 2900 Nichteingerückte an Ma nnschaften und 90 Offiziere aufzuweisen, Kremsier, das rein èechisch ist, hat 1200 Mann Nichteingerückte und 26 Offiziere aufzuweisen, Mährisch-Ostrau 1160 Mann und 55 Offiziere, Èechisch-Tetschen 800 Mann Nichteingerückte und 35 Offiziere, das reinèechische Boskowitz 850 Mann und 18 Offiziere, das reinèechische Göding 651 Mann Nichteingerückte und 27 Offiziere, Ungarisch Hradisch 670 Mann Nichteingerückte und 12 Offiziere, Weißkirchen 450 Mann Nichteingerückte und 11 Offiziere. Kurz und gut, man könnte eine ganze Litanei vorlesen, ich will mich aber nur auf die interessantesten Daten verlegen. Wenn ich das Königreich Böhmen in Betracht ziehe, so will ich auf Budweis hinweisen, wo nahezu 1000 Mann und 57 Offiziere nicht eingerückt sind, ferner in Èaslau 588 Mann und 10 Offiziere. Sehr schlecht ist Prag ausgefallen, ferner Kladno, Kolin, Laun, Pardubitz, Pøíbram, Pilsen. Verhältnismäßig sehr gut sind die Verhältnisse in der Slovakei gewesen, denn in der Slovakei - das läßt sich nicht wegleugnen - sind die armen Leute mit den Bajonetten von den Genda rmen geholt worden.
In der Slovakei sind indessen wenige Posten, die auffallen, so z. B. Preßburg, 1000 Mann Nichteingerückte und 40 Offiziere, dann Galanta 900 Mann Nichteingerückte und 7 Offiziere, Neustadt an der Waag 600 Mann und 10 Offiziere; die übrigen Bezirke bewegen sich zwischen 300 und 400 nichteingerückten Soldaten.
Nun will ich Ihnen z. B. auch nordböhmische Bezirke anführen, u. zw. von einem unserer sichersten Gewährsmänner, welcher über die Einrückung folgendermaßen berichtet: Interessant stellen sich die Zahlen, aus denen der glatte Verlauf der Mobilisierung ad absurdum geführt wird. Es hätten einzurücken gehabt in einem Bezirke 4447 Personen und es kamen 2771, ein glänzendes und bezeichnendes Ergebnis; einzurücken hatten Èechen 3140, Deutsche 1254 und Ungarn 53. Nichteingerückt sind in diesem nordböhmischen Bezirk 1088 Èechen, 574 Deutsche und 14 Ungarn, insgesamt sind also 1676 Leute in diesem einen nordböhmischen Bezirk nicht eingerückt. Der Berichterstatter, ein Fachmann katexochen, schreibt dann weiter: Ich glaube jedoch nicht fehl zu gehen, daß diese offiziellen Daten sich in Wirklichkeit noch mehr zu Ungunsten der Èechen, die so als Staatsbürger und Erhalter vollzählig in ihrem stets gefaselten Patriotismus hätten einrücken sollen, verschieben. Ich stelle weiter fest, daß selbst die höchsten èechischen Offiziere konstatieren mußten, daß es den Èechen an Patriotismus gefehlt hat. Ich will weiter feststellen, daß bei der Militärgerichtsabteilung Prag-Kleinseite nicht weniger als 400 Anzeigen wegen Desertion von Unteroffizieren und Mannschaftspersonen des Prager Automobilbataillons vorliegen. Diese Leute gingen schon am 3. und 4. Mobilisierungstag einfach nach Hause. Die bereits verhörten Leute gaben als Rechtfertigung an: Erstens, daß sie keine Löhnung hatten, zweitens keine Menage, drittens keine Montur und viertens keine Beschäftigung. Und bemerken will ich weiter noch - das interessiert uns besonders - daß das Bataillon, das derzeit einen Militärstandesausweis von 260 Automobilen haben sollte, nur über 42 Automobile verfügt. Dr. Beneš hat dem österreichischen Vertreter in Prag gegenüber öfter seine Ansicht über das wünschenswerte Verhältnis der Deutschen zu den Èechen entwickelt und dabei immer Worte der Versöhnlichkeit gefunden Es wurde auch in Wien davon gesprochen, daß die Ausgleichsverhandlungen, von denen wir allerdings nichts wissen, in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gemacht haben. Nun, was die Behandlung der Deutschen in diesem Staate anbelangt, will ich auch wieder bei der Mobilisierung bleiben und folgendes feststellen: Gelegentlich der Mobilisierung rückten zum Infanterieregiment 1 in Budweis auch zahlreiche frühere österreichische Offiziere ein, die von der hiesigen Regierung zu Infanteristen degradiert wurden und als solche einrücken mußten. Als sie einrückten, wurden sie von den einzelnen Offizieren, speziell von den Legionäreoffizieren, sowie von der Mannschaft mit folgenden bissigen Bemerkungen empfangen: "Aha, to jsou ti Rakušáci, ti Nìmci, no poèkejte, my vám to teï všechno oplatíme. Teï budete tancovat, jak my pískáme. Tìšte se! Teï nejste oficíøi, teï jste pìšáci!"
Man hat diese Offiziere tatsächlich zu den gemeinsten Kasernenarbeiten herangezogen, ließ sie Aborte und Fußböden waschen, Stroh führen, Kohle fassen und tragen, Pferde putzen und warten, wobei sich besonders Legionäreoffiziere und Unteroffiziere in Gemeinheiten und ironischen Beschimpfungen überboten. Man ließ die armen Leute auf nacktem Fußboden schlafen, ohne ihnen Decken oder Stroh zu geben, sie faßten die schlechtesten Monturen aus, die meist zerfetzt waren, und ließ sie absichtlich so in zerrissenem Zustand durch die Stadt marschieren oder man schickte sie als Ordonanz mit dienstlichen Aufträgen in die Stadt. Als sich einzelne zum Rapport aufschreiben ließ en, um sich gegen die unerhörte Behandlung zu beschweren, riet man ihnen davon ab und als sie sich trotzdem meldeten und zum Rapport kamen, wurde ihnen versichert, daß es den einzelnen Offizieren leid täte um sie, daß man aber machtlos sei, denn die Legionäreoffiziere wollen es so haben. Nun, meine Hochverehrten, diese Ausführungen stehen wohl zum wünschenswerten Verhältnis der Deutschen zu den Èechen, von dem der Ministerpräsident in Wien gesprochen hat, in starkem Kontrast.
Ganz dasselbe hat sich in Losoncz zugetragen. Ich will Sie nicht ermüden mit Berichten aus Losoncz. Auffallen muß es mir aber, daß der Kriegsminister einen Reservatbefehl in die Slovakei hinausgehen ließ, der tief blicken läßt. Der Befehl lautet: "Aus einem Tagblatt erfahren wir, daß die Instruktoren der Rekruten gelegentlich der Instruktionsstunden den jungen Soldaten mit Vorliebe von der seinerzeitigen Desertion zum Feinde erzählen. Dieser Vorgang ist unstatthaft, nachdem den Soldaten der deutschen und ungarischen Nationalität so gezeigt wird, wie sie es im Kriegsfall machen sollen." (Veselost na levici.) Dieser Erlaß kommt mir spaßig vor.
Weiter muß ich noch bemerken, daß ich im Budgetausschuß darauf aufmerksam gemacht habe, daß man Sie vor der Mobilisierung gewarnt hat, indem Ihr Generalinspektor, der selbst in Pilsen seinen Sitz hat, nach Prag meldete, daß die Franzosen alle Instrumente aus den Skodawerken mitgenommen, geraubt und nach Paris geschleppt haben und daß man daher in Pilsen nicht imstande sei, Munition zu erzeugen. Ihr Generalinspektor hat Sie gewarnt vor einer Mobilisierung. Er meinte, Sie könnten einen Krieg über zwei Tage nicht aushalten, weil es Ihnen an Munition fehlt. Die Beantwortung auf diese meine schon im Budgetausschuß gebrachte Tatsache fehlt bisher vollständig. Allerdings fällt mir eines auf: Ich habe gedacht, daß die Skodawerke für Sie Munition erzeugen. Inzwischen fällt mir aber der Akt Z. 29.174 in die Hände, wo ich lese, daß in einem Tag von Wien 36 Waggons Munition aus Italien durch Lundenburg gelaufen sind für Polen und daran 16 Waggons Munition - wie es heißt - "pro nás" hingen, also für Sie, und weiter steht dabei: "Tìch 36 vozù pro Polsko stálo zde 18 hodin, protože celní úøad nechtìl pøipustiti odeslání bez našeho vojenského doprovodu." Also es ist Tatsache, daß Sie Munition von Italien beziehen und die Skodawerke ausgeraubt sind, deshalb, weil Schneider-Creuzot sich die wichtigsten und wertvollsten Sachen nach Paris mitgenommen hat.
Nun liegt mir ein weiterer Akt in den Händen, der auch mit der Mobilisierung zusammenhängt, der ist unterschrieben von einem gewissen Eisenbahninspektor Jaroslav Radoò. Der macht dem Ministerium interessante Vorschläge. Er meint zuerst, die Mobilisierung habe gelehrt, daß das Ministerium in Prag nunmehr alles daran setzen müsse, die deutschen Beamten von der Eisenbahn im deutschen Gebiete dieses Staates zu beseitigen; insbesondere verlangt er das von der Grenze gegen Deutschösterreich. Dabei ist er so kindisch zu verlangen, daß das deutsche Gymnasium in Lundenburg sofort aufgelassen werde. Das ist derselbe Mann, dieser Jaroslav Radon, der als Fanatiker des Národní výbor in Mähren drei Jahre lang direkt gewütet hat. Er erwähnt weiter in diesem Aktenstück, Sie sollen mit Rücksicht auf die traurigen Erfahrungen mit der Mobilisierung mit großer Schnelligkeit darauf achten, daß die Wälder zu enteignen sind, die Wälder an den Staatsgrenzen, u. zw. aus strategischen Gründen. Ich staune, was so ein Eisenbahner für einen Kummer eigentlich im Kopfe hat. Ich möchte wünschen, daß sich der Mann mehr um die Eisenbahnverhältnisse in Lundenburg kümmern sollte. Das wäre wichtiger.
Nun hat die "Prager Presse" am 10. November 1921 folgende Bemerkung gemacht: "In militärischer Beziehung bewies die Mobilisierung, die so geschickt verlaufen ist, vor allem, daß wir ausgezeichnet ausgerüstet sind und mit unser en Vorräten auch jene versehen könnten, die an unserer Seite kämpfen würden." Ich weiß nicht, ob diese Äußerung die Folge davon war, daß die ganze Welt davon erzählt, daß dieser Staat den Deutschösterreichern 50.000 Gewehre gegen Ungarn geborgt habe.
Für jeden Fall haben wir uns darum gekümmert, ob diese Mobilisierung wirklich derart gut ausgefallen ist, ob die Soldaten ausgezeichnet ausgerüstet waren. Wir haben unsere deutschen Soldaten und Rekruten photographieren lassen und könnten Ihnen Bilder zeigen, über die Sie sich wohl entsetzen müßten. Hier sehen Sie zerrissene Kleider, zerrissene Schuhe, kein einziger Soldat dieses Zuges hat die gleiche Unifo rm und von der Wäsche, meine Herren, will ich gar nicht reden. Ich begreife nicht, wie Sie angesichts solcher Tatsachen sich mit einer Geste darüber hinwegsetzen können, die heute oder morgen doch in das richtige Licht gesetzt werden kann.
Des ferneren hat die "Prager Presse" in derselben Nummer erwähnt: "Wenn die Deutschen, deren Wehrverhältnis vielfach ungeklärt ist, in solcher Zahl und mit solcher Schnelligkeit zu ihren Regimentern eingerückt sind, so ist dies vor allem dem wachsenden Respekt vor der staatlichen Autorität überhaupt zuzuschreiben." Meine Herren, da irren Sie! Ich erspare mir jeden Komentar dazu, aber dagegen protestiere ich, daß Sie glauben, daß unsere Soldaten wegen des wachsenden Respektes vor der staatlichen Autorität eingerückt wären. Wenn ich aber vorhin erwähnt habe, daß sie sehr schlecht ausgerüstet waren, will ich nur noch einen Akt zur Hand nehmen, um zu zeigen, daß sie sehr schlecht ausgerüstet waren. Sie haben am 3. November 1921, also kurz vor dem Kriege, den sie erwartet haben, auf dem Invalidenplatz eine Truppenschau abgehalten. Hier waren ausgerückt drei Infanterieregimenter zu drei Bataillonen, ein Regiment Artillerie 8 cm Geschütze, ein Regiment 10·5 Feldhaubitzen, ein Genieregiment zu drei Bataillonen, eine Telephonkompagnie, ein Trainbataillon, eine Sanitätsabteilung, drei Autos, drei Wagen mit 3 Pferden u. s. w. Sehen wir uns den Bericht an, den Sie selbst von Ihren militärischen Fachleuten darüber bekommen haben: "Die Adjustierung," so lautet es in dem Bericht, "der zwei ersten Züge ist immer gut, die anderen Züge haben sehr gemischte Monturen. Das Pferdematerial ist im allgemeinen recht gut. Die Gewehrgriffe waren sehr schlecht, der Schritt nicht stramm und gleichmäßig, die Mannschaft spricht und raucht in der Abteilung, beim Defilieren blickten nicht alle Leute dem Herrn Minister Udržal ins Gesicht, sie sprangen über Lacken und brachten die Einteilung dadurch vielfach in Unordnung." Dann wird das Genieregiment sehr stark kritisiert, es wird erzählt, daß sie reichsdeutsche Mausergewehre besitzen, aber schlechte Schnürschuhe, Wickelgamaschen u. s. w. Sie sehen, daß Sie selbst gewu ßt haben, daß das mit der guten Ausrüstung nicht richtig ist. Nun frage ich mich: Wo ist das ganze Material hingekommen, das sie nach dem Zusammenbruche im Brünner Monturdepot übernommen haben? Im Brünner Monturdepot haben Sie um 1 1/2 Milliarden Friedenskronen Material übernommen. Interessant finde ich auch folgenden Erlaß des Präsidiums des MNO., und zwar ist es Z. 16.371, wo es lautet: "Einige Kommandos haben sich an das MNO. mit dem Ersuchen gewendet, man möge ihnen keine deutschen, respektive ungarischen, resp. polnischen Soldaten zuteilen. Das MNO. teilt allen Kommandos mit, daß diesem Ansuchen auf keinen Fall entsprochen werden kann, nachdem alle Soldaten, welche nicht der èechischen oder slovakischen Nationalität angehören, auf alle Truppenkörper aufzuteilen sind, womit die Bildung rein deutscher oder ungariascher Truppenteile vermieden werden soll." (Hört! Hört!) Wir verstehen den Ton, der darin enthalten ist.
Nachdem ich mich mit dem Kriegsministerium genug beschäftigt habe - ich möchte sagen, innerhalb meiner Redezeit schon überflüssig genug beschäftigt habe - will ich folgendes feststellen: Der Herr Finanzminister hat in einem öffentlichen Communiqué gesagt, daß die Valuta nicht künstlich heraufgebracht ist, wie ich im Budgetausschuß behauptet habe, sondern sie fuße auf dem Vertrauen des Auslandes, das sie auf Grund der exakten Mobilisierung erlangt hat. Ich glaube, Ihnen die Mobilisierung genau geschildert zu haben, damit das Ausland sieht, wie exakt dieselbe war. Sie gaukeln der Welt vor, daß hier in diesem Staate das Paradies ist, das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt; de facto hungern wir, de facto haben wir die höchsten Steuern in Europa und das Wirtschaftsleben hier ist tatsächlich erstickt. Meine sehr geehrten Herren! Hier erschlägt jede Entwicklung Ihr nationaler Chauvinismus und Sie gaukeln weiter der Welt vor, daß es ein demokratischer Staat ist, in welchem die Deutschen so behandelt werden, wie die Èechen. In Wirklichkeit aber sind wir Sklaven und zum Schaden haben wir noch den Spott, indem Sie draußen im Auslande mit enormen Gelds ummen eine Propaganda betreiben, um zu erzählen, wie gut es uns in diesem Staate geht. Sie gaukeln weiter der Welt vor, daß Sie Ausgleichsverhandlungen mit uns pflegen und daß dieselben schon langsam zu Ende sind. Alles Unwahrheiten, grobe Unwahrheiten. Wir wissen, daß wir von Ausgleichsverhandlungen lange nicht reden dürfen und davon nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil! Unsere Mißhandlungen werden von Tag zu Tag ärger. Sie legen uns Traumbücher vor, in der Form von Voranschlägen, Sie legen uns Ziffern vor, die mondähnlich sind, indem sie alle acht Tage ihre Gestalt wechseln, Sie gaukeln der Welt vor, daß Sie ein Freiheitsstaat sind und de facto bringen Sie gerade in diesem Nachtragsbudget ungeheuere Summen für Gendarmerie und Polizei auf. Sie sind einmal ein Polizeistaat.
Und, meine Herren, wenn wir Kritik
üben an Ihnen, so sprechen Sie von aktiven Staatsfeinden. Wir
würden Sie ersuchen, nicht davon zu sprechen, nicht zu sagen,
daß wir aktive Staatsfeinde sind, die Ihren Staat vernichten wollen.
Sie suchen mit Spürhunden des Hajšman nach irredentistischen Organisationen
und wir sagen Ihnen: Tun Sie das lieber nicht, denn es ist ein
Unsinn, Sie ruinieren selbst Ihren eigenen Staat. Ihr schlechtes
Gewissen ist ein guter Prophet und deshalb tun Sie alles, um eine
starke Armee, um eine starke Polizei zu haben, um uns im richtigen
Moment vergewaltigen zu lassen. Sie schießen bei jeder Gelegenheit
in unsere wehrlosen Massen hinein und gerade im jetzigen Augenblick
will ich mich der blutigen Opfer in Graslitz erinnern. Diese Todesopfer
in Graslitz erheben drohend gegen Sie die Hände und rufen Ihnen
zu: Ex ossibus ultor! Es kommt der Tag, wo sich alles das rächen
wird, was Sie bisher begangen haben. Wir stärken uns aber an den
Worten eines derjenigen, die vor 100 Jahren in den ersten Reihen
unseres Freiheitskampfes gestanden sind, der gesagt hat: Wie die
Hölle auch braust, Gott, deine starke Faust stürzt das Gebäude
der Lüge. (Souhlas a potlesk na levici.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Das auffallendste Ereignis bei der Generaldebatte über den Nachtragskredit für das Jahr 1921 ist wohl die allgemeine Interesselosigkeit, welche die Verhandlung dieser für die direkten und indirekten Steuerzahler so wichtigen Angelegenheit in diesem leeren Hause findet.
In der Sache wäre es ja sicherlich allgemein als auffallend und interessant zu bezeichnen, daß das glorreiche Gleichgewicht des Voranschlages für 1921 mit mindestens 728 Millionen im ordentlichen Budget und mit 120 Millionen im Investitionsbudget passiv geworden ist, wobei es noch als besondere Pikanterie empfunden werden muß, daß man über den Voranschlag für 1921 erst nach Ablauf des Jahres 1921 verhandelt. Somit ist dieses Nachtragsbudget auch kein Voranschlag mehr, sondern die erste eingestandene Rate des tatsächlichen Gebarungsdefizites. Nichtsdestoweniger dürfen es insbesondere die Begleitumstä nde des politischen Lebens dieses Staates sein, welche eine solche Agonie der Gesetzgebungskörper verursachen. Es wird nämlich immer klarer, daß die Außenpolitik durch Geheimverträge unter den Ministerpräsidenten und die Innenpolitik durch Geheimverträge unter den Mitgliedern der Pìtka gemacht wird und den Plenar- und Ausschußsitzungen zur Verhandlung über die unabänderlichen Abmachungen der "Pìtka" nur mehr formelle Bedeutung zukommt.
Natürlich ist mit einem derartigen Verfahren dem Parlamentarismus nicht gedient, im Gegenteil, man rückt immer mehr und mehr vom Parlamentarismus ab, auf einen neuzeitlichen Absolutismus, von dem man mit Recht sagen kann, daß zwar die Personen gewechselt haben, aber die Sache dafür nur noch schlimmer geworden ist. Das ist die schleichende Krise in diesem Parlament, welche die besten Kräfte aufzehrt und eine allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung auslöst. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)
Im besonderen ist es aber noch die durch die Fiktion des èechischen Nationalstaates erzwungene Hemmung, im freien Spiel der geistigen Auseinandersetzung die politischen und nationalen und damit auch wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, u. zw. auf wahrhaft demokratischer Grundlage zu sanieren. Überall stoßen wir Deutschen selbst mit unseren natürlichsten und von Haus aus selbstverständlichsten Forderungen, welche auch durch die Gewaltfriedensakte scheinbar garantiert sind, auf eine wesensfremde Gedankenwelt, welche durch Haß und Rachsucht getrieben, unverzeihlichen Hochmut und Cäsarenwahn ber uns ausschüttet und jeden national empfindenden Deutschen aufs tiefste verletzt, ja verletzen will. Wir Deutsche sind in der jetzt angehenden neuen Zeitepoche, vielleicht der ganzen Weltgeschichte, in der erdrückenden Mehrheit sicherlich Realpolitiker, dürfen aber doch niemals vergessen, was wir unserer nationaler Ehre und Würde und der Verantwortung vor der Weltgeschichte schuldig sind.
Das Gesagte sind keine Pauschalverdächtigungen, die ich gegen das System ausgesprochen ha be. Ich werde das an einigen Stichproben beweisen. Finden es die Minister noch der Mühe wert, unsere Interpellationen innerhalb der durch die Geschäftsordnung festgesetzten Frist von zwei Monaten zu beantworten? Und welche Antworten werden uns in der überwiegenden Mehrzahl überhaupt gegeben, wenn eine Antwort überhaupt erfolgt! So etwa: "Die Regierung widerspricht dem angegebenen Tatbestande und erklärt, keinen Anlaß zum Einschreiten zwecks Behebung der Übelstände zu haben."
Das ist aber noch die höflichste Form. Auch verlangte Aufklärungen, wie z. B. die Interpellation über die Verteilung des Zuckergewinnes aus dem Zuckerexportgeschäfte des Jahres 1920, wird mit einer Dreistigkeit - ich kann es nicht anders bezeichnen - beantwortet, welche die Würde des Volksvertreters und sein Recht auf Interpellationen verleugnet. Ist es weiters nicht ein unerhörter und unverzeihlicher Skandal, daß die Regelung der Kriegsanleihefrage so auf die lange Bank geschoben wird, obwohl darüber kein Zweifel herrschen kann, daß diese Frage eine der brennendsten der inneren Politik ist und deren Nichteinlösung für Hunderttausende Ursache schwerster wirtschaftlicher und sozialer Not ist. Diese Herausschiebung erfolgt nur aus dem Grunde, weil es angeblich eine deutsche nationale Angelegenheit ist, was absolut mit den Tatsachen nicht übereinstimmt, aber deswegen zum Vorwande genommen wird, weil wir Deutsche für die deutsche Bevölkerung ein wesentliches Interesse haben und haben müssen. Das genügt, um die Kriegsanleihefrage trotz ihrer Wichtigkeit nicht hier in diesem hohen Hause zur Verhandlung zu bringen und die Neuregelung dieser brennendsten Frage erst dann zur Erledigung zuzulassen, bis keine Kriegsanleihebesitzer wegen Verhungerns oder sonstigen Todes mehr vorhanden sind.
In gleicher Weise ist auch von keinem der Vorkriegsschuldentitres auch je ein Zinsencoupon eingelöst worden, obwohl in diesem Falle die Gewaltfriedensakte die Verpflichtung dieses Staates festlegen und keine wie immer geartete Freiheit in der Regelung dieser Frage besteht, wenigstens nach der Mentalität jener, welche sich in allen Belangen der inneren und äußeren Politik immer auf die strengste Durchführung der Friedensverträge berufen. In gleicher Weise hat die Regierung in der Frage der Auslösung der Guthaben der Staatsbürger beim ehemaligen Postsparkassenamte und anderen Bankanstalten in Wien noch nicht das geringste unternommen und keine wirkliche und praktische Lösung gefunden.
In gleicher Weise hat auch die Regierung - um jetzt auf das politische Gebiet zu kommen - bisher noch gar nichts unternommen, um das Wahlrecht der neuen Staatsbürger im Hultschinerlande in Ostschlesien, Feldberg und Weitra, Zips und Arva, und Karpathorußland zu verwirklich en und damit das wahre Bild der Nationalitätenzusammensetzung dieses Staates entgegen falschen Daten der Volkszählung zu verschleiern, da ja kein objektiver Mensch darüber im Zweifel sein kann, daß das Volkszählungsergebnis nicht das Bild der tatsächlichen Verhältnisse, sondern nur den Erfolg der brutalen Vergewaltigung der Minderheitsvölker dieses Staates darstellt. (Souhlas na levici.) So ist es z. B. interessant, einen Fall aus der Volkszählung zu erwähnen, der sich im Hultschinerlande zugetragen hat. Da wurde der preußische Gemeindesekretär und Lehrer Hein in Deutsch-Krawarn mit 2 Tagen Arrest bestraft, weil er angeblich die Aussage zur Volkszählung verweigerte. In Wirklichkeit aber hat er sich als Deutscher bekannt. Denn der Bezirkskommissär Dr. Fürst, der bei diesem Strafverfahren amtierte, sagte ihm bei der Einvernahme: "Wir haben uns in Ihnen getäuscht, wir haben Sie für einen Èechen gehalten und jetzt entpuppen Sie sich als Deutscher." Der Herr Hein erwiederte: "Entschuldigen Sie gütigst, darüber kann kein Zweifel sein, daß ich preußischer Beamter war und bin." Und tatsächlich hat er auch für Deutschland optiert. Hat sich schon eine Hand gerührt, um überhaupt den ganzen abnormen Absolutismus im Hultschinerlande, welcher auf der parlamentarisch noch immer nicht genehmigten Regierungsverordnung vom 4. Mai 1920 beruht, auf eine no rmale Eingliederung der Hultschiner Bevölkerung in die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte und Freiheiten umzustellen?
Da ist trotz aller Urgenzen gar
nichts geschehen. Im Gegenteil, die freie Hand, die dort dem bevollmächtigten
Regierungskommissär überlassen wird, wird insbesondere durch seine
untergebenen Organe zu einer ungeheuren Macht gegen die Bevölkerung
und hat nur offensichtlich den Zweck, diese Bevölkerung, soweit
sie deutsch ist, unbedingt zu entnationalisieren. Hat weiters
zum Beispiel auch in anderen Gebieten die Regierung schon etwas
tatsächlich getan, um die Sprachenfrage auf vernünftige Art zu
regeln, und so den natürlichen Sprachenrechten der Minderheitsvölker
zu entsprechen? Wird nicht gerade die Sprachenfrage im Gegenteil
durch die Verwaltung dazu benützt, um eine Unzahl von deutschen
Beamten und Angestellten aller Art um ihre wirtschaftliche Existenz
und um ihr Brot zu bringen und so ein Chaos zu schaffen, aus dem
die völlige Balkanisierung und, gefördert durch die Not, die allgemeine
Verzweiflung mit ihrer Vernichtungswut entstehen muß? Da nützen
auch die internationalen Verträge nichts, gegen die wir gerade
mit Rücksicht auf die unleugbare deutschfeindliche Tendenz das
größte Mißtrauen haben. Die Ziele der Kleinen Entente, des Steckenpferdes
unserer Außenpolitik, sind ja erst gestern durch die Begrüßung
der Kleinen Entente von seiten des unversöhnlichen Kriegsenthusiasten,
des Ministerpräsidenten Poincaré in der französischen Kammer offenbar
geworden. Zur Durchführung der Ziele der Kleinen Entente scheint
im übrigen auch die èechoslovakische Republik in erster Linie
verpflichtet zu sein und bei uns besteht kein Zweifel, daß die
vom èechoslovakischen Außenminister abgeschlossenen oder noch
in Verhandlung stehenden Verträge mit den Sukzessionsstaaten insbesondere,
wo immer sie abgeschlossen worden sind und wie immer sie heißen,
das Konzept von Paris erhalten haben. Hier heißen sie Isolierung
Ungarns, Kampf gegen die Reaktion, Restauration etc. etc. Das
sind sicherlich aber nur Nebenzwecke. Der Hauptzweck ist und bleibt,
die politische und wirtschaftliche Versklavung des gesamten deutschen
Volkes im Interesse der französischen Machtpolitik zu besorgen.
Es ist daher nur selbstverständlich, daß wir zu der Innen- und
Außenpolitik der Regierung kein Zutrauen haben können. Die Behandlung
der einzelnen Posten des Budgets und ihre Kritik bleibt ja den
Rednern meines Klubs für die Spezialdebatte vorbehalten. Ich habe
nur namens meines Klubs schon bei der Generaldebatte zu erklären,
daß wir selbstverständlich auch gegen das Nachtragsbudget stimmen
werden. (Souhlas na levici.)