Meine Damen und Herren! Seit der letzten politischen Debate aus Anlaß des ordentlichen Budgets haben sich bedeutsame Ereignisse abgespielt, die den Schluß zulassen, daß die Leiter dieses Staates zu der Einsicht gelangt sind, daß der bisherige politische Kurs geeignet ist, den Staat in den Abgrund zu stürzen und daß sie zufolge dieser Erkenntnis Ausschau halten, um Mittel ausfindig zu machen, um die drohende Katastrophe abzuwenden. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Als solche Erscheinungen betrachte ich die Reise des Herrn Ministerpräsidenten nach Podkarpatská Rus und in die Slovakei, im besonderen aber die an diese Reise geknüpften Enunziationen des Herrn Präsidenten und andererseits die politische Kundgebung, oder besser gesagt, die Stellungnahme des Präsidenten der Republik zu den politischen Tagesfragen am Neujahrstage. Der Herr Ministerpräsident hat über seine Eindrücke in Podkarpatská Rus und in der Slovakei in einer wisssenschaftlichen Gesellschaft in Preßburg und auch bei anderer Gelegenheit eine Rede gehalten, in welchen er sich natürlich in einer sehr optimistischen Weise über die Wahrnehmungen und Zustände in der Slovakei geäußert hat. Es mag wohl zu den Tugenden des Staatsmanns gehören, die Dinge, die unliebsam sind oder unliebsam erscheinen, aus Gründen des Opportunismus in einem rosigen Licht erscheinen zu lassen. Und ich glaube, ich würde dem Herrn Dr. Beneš ein gewaltiges Unrecht zufügen, wenn ich ihm nicht soviel historischen Sinn zumuten würde, daß er in einer andeden Eigenschaft die Dinge, die er gesehen, ganz anders beurteilen würde und daß er von den Dingen, die er gesehen, ganz andere Schlußfolgerungen ableiten würde, als er es getan hat in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident der Republik. Der Schwerpunkt des politischen Lebens in der Slovakei und Podkarpatská Rus bildet das ungelöste Nationalproblem, das durch die chronische wirtschaftliche Krise dieses Gebiets verschärft wird. Daß die Frage der Autonomie in der Slovakei dringend einer Lösung bedarf, beweist schon die einfache Tatsache, daß diese Idee imme rm ehr Anhänger gewinnt. Und ich meine, gerade die Herren von der èechischen Seite hätten alle Ursache, die Frage der Autonomie sobald als möglich einer Lösung zuzuführen, denn je später sie erfolgen wird, desto größer wird der Preis sein, den sie dafür zahlen werden. Ich will bemerken, das ist wichtig festzustellen, daß das Gros der Bevölkerung und namentlich der arbeitenden Bevölkerung unter dem Begriff Autonomie nicht jene meint, welche die Herren von der katholischen oder slovakischen Volkspartei meint. Das arbeitende Volk in der Slovakei ist gegen jenen autonomistischen Gedanken, welchen die Herren von der Volkspartei propagieren, außerordentlich mißtrauisch, weil das Volk ganz genau weiß, daß diese Herren die autonomistischen Bestrebungen nicht dazu forcieren, in der Slovakei Ordnung zu machen und ein demokratisches Regime dort einzuführen, sondern das aus Gründen der Reaktion tun, den Klerikalismus und die Dummheit im Volke weiterhin aufrecht zu erhalten. Wir Sozialdemokraten sind gegen diese Autonomie, welche die Volkspartei vertritt. Ich habe schon zu wiederholtenmalen Gelegenheit genommen, unseren Standpunk, den der deutsch-ungarischen sozial-demokratischen Partei, in der Slovakei in der Frage der Autonomie in diesem Hause zu vertreten. Wir stehen auf dem grundsätzlichen Standpunkt des Prinzipes der Selbstverwaltung und das besagt, daß wir keine territoriale Autonomie verlangen, sondern eine Autonomie, gestützt auf die Abgrenzung der sprachlich einheitlichen nationalen Gebiete unter Garantierung der nationalen, kulturellen und sprachlichen Verwa!tung dieser Bezirke durch vom Volk gewählte Organe. Auf diese Forderung antwortete man uns, daß die bereits gesetzlich beschlossene Neueinteilung der Županate ohnehin dem Prinzip der Selbstverwaltung genügend Rechnung trage und man tröstet uns obendrein, daß Wahlen bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres ausgeschrieben werden, sodaß die Bevölkerung nach dieser Richtung befriedigt werden wird. Aber die Neueinteilung der Županate sichert nicht nur das Prinzip der nationalen und verwaltungstechnischen Selbstverwaltung nicht, sondern ist geradezu eine blutige Verhöhnung des Grundgedankens der Selbstverwaltung, weil die Schaffung dieser Županate erstmals zustande kam ohne Anhörung der in der Slovakei wohnenden Nationalitäten und außerdem zu einer Zeit geschaffen wurde, wo man in der Lage war, sie so zu formulieren, daß die in der Slovakei lebenden und wohnenden Nationalitäten nicht zu dem ihnen gebührenden Einfluß gelangen können. In der sprachlichen Vergewaltigung der Minoritäten wird in der Slovakei überhaupt Furchtbares geleistet. Ich will beispielsweise anführen, daß von den Steuerämtern der schriftliche Verkehr mit den Steuerzahlern fast ausnahmslos slovakisch oder èechisch geführt wird. Da möchte ich den Herren hier denn doch sagen, daß es kein Wunder ist, wenn Sie sich darüber beschweren, daß in der Slovakei und Podkarpatská Rus so wenig Steuern einfließen. Ein Arbeiter kam zu mir mit einem Bescheid von der Generalparitätskommission für die Feldarbeiter und sagte, er habe sich diesen Bescheid von einem Stuhlrichter in Somarain übersetzen lassen, aus dem èechischen ins ungarische, und man habe ihm gesagt, sein Anspruch gegen den Arbeitgeber sei abgewiesen worden. In Wirklichkeit aber ist die Forderung dieses Arbeiters anerkannt worden, nur konnte dieser Arbeiter nicht èechisch und der Stuhlrichter in der Gemeinde konnte ebenfalls nicht èechisch. So glaubte der Arbeiter das direkte Gegenteil von dem, was das Urteil sagte. Ich meine, daß das Minimalste, wozu der Staat verpflichtet ist, wäre, daß er mit jenen, die nicht èechisch oder slovakisch können, in ihrer Muttersprache verkehrt. Aber an die Erfüllung ist insolange nicht zu denken, als in einem staatlichen Amt, u. zw. in der Finanzdirektion Preßburg an den Türen mit großen Lettern die Aufforderung steht: "Es wird gebeten, in diesen Ämtern nur in der slovakischen Sprache zu reden." Wohlgemerkt, das ist nicht für die Beamten aufgeschrieben, es wäre Wahnsinn, für die Beamten einen derartigen Aufruf in den Ämtern anzubringen, dieser Aufruf richtet sich lediglich gegen die dortigen Deutschen und Ungarn, ist also eine blutige Verhöhnung des im Friedensvertrage garantierten Schutzes und Rechtes der Minoritäten. (Pøedsednictví ujal se pøedseda Tomášek.)
Und wie man auch systematisch darauf hinarbeitet, in den Ämtern Personen, die eben nicht der èechischen oder slovakischen Sprache mächtig sind, loszuwerden und durch andere zu ersetzen, beweist beispielsweise folgender Fall: Dr. Procházka, der einstige Minister, hat eine Reise in die Slovakei unternommen und auf Grund seiner Eindrücke hatte er einfach die unerhörte Anschuldigung gegen die gesamten ungarischen und jüdischen Ärzte erhoben, daß es unfähige Leute sind, die sich absolut um gar nichts kü mmern. Ich bin nicht der Ansi cht, daß die Ärzte in der Slovakei Engel sind und daß sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ganz gewiß und namentlich auf dem Dorfe wird es so manchen Arzt geben, der sich verschiedenes zu Schulden kommen läßt gegen die primitivsten Regeln des Gesundheitswesens und gegen die Pflicht als Arzt. Aber ich glaube, eine derart generelle Anschuldigung von einem gewesenen Minister ist einerseits zuviel und zweitens zeigt sie die Absichten, die damit verbunden sind. Es wird nämlich jetzt ein Gesetz ausgearbeitet und auf Grund dieses Gesetzes sollen die bisherigen Bezirks- und Komitatsärzte ihrer Stellen enthoben werden und an ihre Stellen neue Ärzte kommen. Man sieht also die Tendenz, die jetzigen Ärzte vor der Öffentlichkeit total zu kompromittieren, damit es dann leichter ist, sie los zu werden, und jene Ärzte hinzusetzen, die einem lieber sind. Lange Zeit war die Bevölkerung der hoffnungsvollen Meinung, es werde mit der Zeit eine Toleranz eintreten gegenüber jenen, durch die Erfassung der Wirklichkeiten seitens des èechische Elementes, aber man kommt immer mehr zu der Einsicht, daß in diesem Gewaltsystem, welches das èechische Element gegen die Deutschen und Ungarn betreibt, berechnender Sinn und wohlbedachte Absicht steckt. Ein Schulbeispiel, wie selbst die Regierung das Recht der Minoritäten mit Füßen tritt, ist die Regierungsverordnung Z. 456 vom 21. Dezember 1921. § 1 dieser Regierungsverordnung bestimmt, daß 13 ungarische Gemeinden von dem Gerichtssprengel Preßburg ausgeschieden und dem Gerichtssprengel Galanta zugewiesen werden sollen. Dafür bekommt Preßburg eine größere überwiegend slovakische Gemeinde. Die Absicht, die mit dieser Regierungsverordnung bezweckt wird, wird auch Ihnen auf den ersten Blick klar erscheinen. Man will auf dem berüchtigten Paragraphen des Sprachengesetzes beharren, demz ufolge in einem Bezirk die Bevölkerung kein Recht auf den Gebrauch ihrer Muttersprache hat, soferne sie nicht Sprache des Staates ist, wenn sie nicht zumindest 20 % der Bevölkerung ausmacht. Die Ungeheuerlichkeit einer solchen Regierungsmaßnahme kann man nur dann voll und ganz erfassen, wenn wir wissen, daß auf Grund der jetzt vorgenommenen Volkszählung in Preßburg die Deutschen 27 % und die Ungaren 23 % ausmachen. Wie aber diese Volkszählung vorgenommen wurde, können Sie sich vorstellen, wenn ich Ihnen sage, daß der Obergespanstellvertreter die Zählkommmmissäre zu sich berufen und ihnen gesagt hat: "Wer einen slovakisch klingenden Namen hat, ist ohne Rücksicht darauf, ob er slovakisch spricht oder nicht, als Slovake oder Èeche aufzunehmen", und als ich den Župan gefragt habe, ob er das Gleiche tun würde, wenn jemand einen ungarisch oder deutsch klingenden Namen hat, da sagte er schon.: "Das hängt von dem Sinn des Volkszählers ab." Ich bin also überzeugt, daß die Zahl der Preßburger Deutschen und Ungarn bedeutend höher ist. Man braucht nur einen Blick in die Geschichte zu werfen, um sich zu überzeugen, daß Preßburg seit jeher eine deutsche Stadt war und daß sie auch weiterhin viele Jahrzehnte den Charakter einer deutschen Stadt beibehalten wird. Und da wird das Unerhörte eintreten, soferne die Verordnung zur Wirklichkeit wird - und sie soll bereits mit 1. Feber 1922 in Kraft treten - daß die Deutschen Preßburgs nicht mehr das Recht hätten, sich vor dem Richter in ihrer Muttersprache zu verteidigen. Das aggressive Vorgehen der Regierung und der èechischen Kreise gegen die in der Slovakei lebenden Minoritäten kann natürlich nur einen einzigen Zustand schaffen und dieser Zustand ist der unauslöschliche Haß gegen dieses Gewaltsystem, das sich auf Unterdrückung und Gewalt stützt. Hand in Hand mit der nationalen Unterdrückung in der. Slovakei geht auch die Wirtschaftspolitik der Regierung mit der Schädigung der Industrie. Um sich über den Stand der Industrie in der Slovakei ein Bild zu machen, ist es vor allen Dingen nottwendig, die Grundlage zu kennen, auf welcher die Industrie in der Slovakei aufgebaut ist und da müssen wir folgendes feststellen: Abgesehen von einzelnen Industriezweigen, wie z. B. von der Holzindustrie, die in der Lage waren, selbständig, unabhängig von anderen Organen einen Welthandel zu betreiben, waren die meisten Industriezweige während der ungarischen Herrschaft auf Staatsaufträge und auf Lieferung von Rohmaterial oder Halbferti gware angewiesen. Mit der Änderung der politischen Grenzen hat die slovakische Industrie ihr Absatzgebiet verloren, sie hat aber dafür noch kein anderes Gebiet erobert. Für die Arbeiter bedeutet dieser Zustand natürlich ein ungeheueres Elend und eine ungeheuere Not. Denn, der Kapitalist selbst leidet durch den Stillstand der Industrie nur insoweit, als sich die Profitrate nicht vergrößert. Für den Arbeiter aber bedeutet die wirtschaftliche Krise Arbeitlosigkeit und in der Folge Not und Entbehrung für sich und seine Familie. Daß sich diese Wirkung der Arbeitslosigkeit, die unzweifelhaft in großem Maße vorhanden ist, bisher noch nicht in explosiver Weise bemerkbar ma cht, ist lediglich auf den Umstand zurückzuführen, daß die Arbeiter selbst beschlossen haben, in allen Industriezweigen, wo dies nur möglich ist, die Arbeitszeit zu verkürzen, sodaß sie nur 3-4 Tage in der Woche statt 6 Tagen arbeiten. Dadurch natürlich partizipiert die gesamte Arbeiterschaft an der Arbeitslosigkeit und die effektive Zahl der faktisch Arbeitslosen kommt dadurch nicht voll und ganz, sondern nur in verhüllter Form in die Erscheinung. Aber es wäre gefährlich und sehr falsch, wenn die Regierung glauben würde, daß die Arbeiterschaft, die durch diesen glänzenden Akt der Solidarität das Opfer der wirtschaftlichen Krise auf sich genommen hat, gewillt wäre, einen solchen Zustand auf die Dauer zu ertragen. Denn dieser Zustand hat für die Arbeiterschaft der Slovakei, abgesehen von dem durch die Arbeitslosigkeit naturgemäß bedingten Elend auch in bezug auf das Arbeiterrecht, in bezug auf das Verhältnis der Arbeiter in den Betrieben, bereits eine kolossale Verschlechterung gebracht. Es kann ruhig gesagt werden, daß die Arbeiter in der Slovakei schon sehr, sehr weit zurückgedrängt sind in jenes alte Verhältnis, welches vor dem Kriege, vor dem Zusammenbruch bestanden hat. Die Arbeitgeber nützen den jetzigen Zustand dazu aus, eigenmächtig Fabriksordnungen einzuführen, die natürlich zustande kommen, ohne daß man die Arbeiter, resp. ihre Vertrauensmänner hinzuzieht. Auch für den Abschluß von neuen Kollektivverträgen sind die Arbeitgeber nicht zu haben. Die Löhne sind auf der ganzen Linie zufolge dieses Zustandes gesunken und jetzt rüsten sich die Arbeitgeber, um den Achtsstundentag, also die bedeutendste sozialpolitische Errungenschaft der Revolution, ebenfalls zu beseitigen. Es scheint, daß diese Verhältnisse zum größten Teil durch die staatlichen Organe und durch die Behörden der Slovakei verursacht werden. So hat z. B. der Finanzdirektor im Herbste des vergangenen Jahres mit Berufung auf ein aus dem Jahre 1876 stammendes Gesetz angeordnet, daß die Trafikbesitzer von 7 Uhr früh bis 8 Uhr abends ohne Unterbrechung die Geschäfte offen haben müssen. Erst auf unsere Intervention hin war der Herr Finanzdirektor bereit, die Verkürzung dieser schändlich langen Arbeitszeit von 13 auf 11 1/2 Stunden zu reduzieren. Jene Fabriksordnungen, die in verschlechterter Form durch die Fabriksherren zur Einführung gelangen, werden von den Gewerbeinspektoren in jedem Fall unterfertigt, gegengezeichnet, obwohl sie dazu gar kein Recht haben, weil im Sinne des Gesetzes dies in den Wirkungskreis der Gewerbebehörde fällt.
Die Sanierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Slovakei ist nur durch eine großzügige Wirtschaftspolitik möglich. Der Schwerpunkt des Problems der Lebensmöglichkeit der slovakischen Industrie liegt in der Transportfrage. Die bisherige Verkehrspolitik der èechoslovakischen Staatsbahnen hat dem keine genügende Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Staat, dessen Längsachse zur Querachse im Verhältnis von 5 1/2: 1 steht, muß, wenn der politischen Einigung die wirtschaftliche folgen soll, in großzügiger Weise auf die tarifarische Paralysierung der ungünstigen geographischen Konfiguration hinarbeiten. Aus mehreren Gründen liegt das Transportproblem in der Slovakei ungleich schwieriger als in den historischen Ländern. Während in Böhmen und Mähren einige Bahnen im Privatbesitze sind, gibt es in der Slovakei nicht weniger als 36 Lokalbahnen bezw. Bahnen im Privatbesitz. Mit Hinzurechnung der elektrischen und Lokalbahnen der Kaschau-Oderberger Bahn sogar 43.
Von dem gesamten Bahnnetz in der Slovakei entfallen über 50 % auf Privatbahnen. Nachdem die Frachtsätze auf den Privatbahnen bis 110 % höher sind als auf den Staatsbahnen, durchschnittlich um 50 %, resultiert allein schon daraus, daß der Eisenbahntransport innerhalb der Slovakei um etwa 25 % teurer ist als in Böhmen und Mähren. Hiezu kommt noch, daß die Frachtsätze nicht durchgerechnet werden, was auf größere Entfernungen eine weitere Verteuerung zur Folge hat, und endlich der Umstand, daß wichtige Industriegebiete in der Zips, Luèenec, Kaschau, mit den übrigen Teilen keine direkten Verbindungen haben. Die ungünstige Gestaltung der Südgrenze verursacht z. B., daß die Entfernung von Beregszasz nach Kallinovo über Ruttka, Luèenec ca. 546 km beträgt, über ungarisches Gebiet, über Miskolz. bloß 280 km. Bei besonders ungünstigen Relationen bedingt das Umfahren eine Vervierfachung der Entfernungen. Zieht man all das in Betracht, so resultieren in der Slovakei mindestens um 50 % höhere Transportkosten als in den übrigen Ländern der Republik. Allen diesen ungünstigen Umständen hat die Staatsbahnverwaltung bisher nicht in genügender Weise Rechnung getragen. Statt in großzügiger Weise durch Refaktien, Staffeltarife etc. auf eine tarifarische Annäherung der Slovakei und Podkarpatská Rus an die westlichen Länder hinzuarbeiten, erfolgte bis in die letzten Monate sogar an der mährisch-slovakischen Grenze ein Brechen der Tarife, als eine künstliche Vergrößerung der Entfernung. Inzwischen hat das Eisenbahnministerium in dieser Hinsicht allerdings einige Erleichterungen eingeführt. Eine radikale Lösung des Problems ist aber nur um den Preis der Übernahme der im Privatbesitz befindlichen Bahnen in die Staatsverwaltung möglich. Die Bedeutung, welche die Industriearbeiterschaft der Belebung der Industrie beimißt, bringt die landwirtschaftliche Arbeiterschaft der Bodenreform entgegen. Die Kundgebungen allerdings, die wir in den jüngsten Tagen von dem Herrn Präsidenten der Republik vernommen haben, lassen in uns die Meinung aufkommen, als würde in der èechoslovakischen Republik die Bodenreform in ein Stadium geraten sein, wo es hieße: Zurück zum Privateigentum als unantastbares Heiligtum. Aber, meine Herren, ich meine, wenn es wahr sein sollte, daß die Rede des Präsidenten nur anzudeuten zuläßt, daß das Parlament eine Verschlechterung und Verschlimmerung der Bodenreform vornehmen würde, oder sagen wir, daß eine Veränderung in der Bodenreformpolitik nach der Richtung hin machen wollte, daß die Vorherrschaft und die Vorrechte des Adels und des Grundbesitzes den Leuten, die einst Besitzer des Grundes waren, weiterhin garantiert würde, so bedeutet dieses den größten Betrug an der Feldarbeiterschaft, den sie überhaupt jemals erbringen können. Und glauben Sie sicher, meine Herren, daß die Feldarbeiter in der Slovakei, die mit großer Sehnsucht den Tag erwarten, daß tatsächlich durch das Parlament eine Gesetzreform angenommen wird, durch die ihre wirtschaftliche und ihre soziale Lage eine bessere wird, gegenüber dem jetzigen Verhältnis der kapitalistischen Produktions- und Wirtschaftsform, daß die landwirtschaftlichen Arbeiter, die in die Lage kämen, diesen schändlichen Betrug erleben zu müssen, nicht nur das Vertrauen in den Sozialismus, das Vertrauen in die Gerechtigkeit einer Gesellschaftsordnung verlieren würden, sondern es machen würden gleich ihren Ahnen zu Doszás Zeiten? Sie würden im offenen Kampfe sich diesen Grund und Boden nehmen, den man ihnen widerrechtlich vorenthalten hat. Sie müssen sich, meine Herren, nur der Mühe unterziehen hinunter zu gehen in die Slovakei und dort die soziale und gesellschaftliche Lage der Feldarbeiter mit eigenen Augen ansehen und kennen lernen. Da würden Sie es begreiflich finden, wie groß und wie gewaltig die Sehnsucht der Feldarbeiter nach Befreiung ist, nach einem höheren Lebensstandard, als er es momentan ist. Es ist eine wahre Schande, wie die Feldarbeiter in der Slovakei arbeiten, wie sie entlohnt werden und unter welchen sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen sie aufwachsen. Freilich, meine Herren, so wie die Bodenverteilung bisher in der Slovakei betrieben wurde, dagegen lehnt sich unser Rechtsgefühl auf, dagegen lehnt sich unser soziales Gefühl auf, weil wir zu der, glaube ich, nicht unbegründeten Annahme hinneigen müssen, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß man von seiten der Èechen und von seiten der Agrarier absichtlich in einer solchen Weise die Bodenverteilung vorgenommen hat, um in einer augenfälligen Weise den Gedanken der Überführung des privaten Eigentums in das Gesellschaftseigentum zu kompromittieren. In der Slovakei hat man bisher den Boden derart verteilt, daß man einfach ein Gut aufgeteilt hat, das man nämlich aufteilen konnte, sofern nicht die Advokaten durch entsprechende Interventionen höheren Ortes und beim Bodenamt gegen eine Bezahlung von 100.000 Kè oder 200.000 Kè es verhindert haben, daß ein solches Gut aufgeteilt wird. Ich möchte es, meine Herren, für wichtig erachten, wenn der Ackerbauminister oder der Ministerpräsident oder irgend jemand - man weiß tatsächlich nicht unter welchem Ministerium das Bodenamt steht - aber es wäre notwendig vom Gesichtspunkte der öffentlichen Moral einen Ausweis zu verlangen, wieviele Advokaten in Pressburg und für wen sie interveniert haben im Interesse der Vereitelung der Aufteilung von solchen Gütern, die zur Verteilung hätten kommen sollen. Wir sind selbstverständlich gegen das System, das bisher geherrscht hat, daß man nämlich Legionären oder slovakischen oder Èechischen Feldarbeitern oder slovakischen Bürgern einfach Boden gegeben und sie ihrem Schicksale überlassen hat. Wir verlangen in bezug auf die Bodenreform die Anwendung der sozialistischen Erkenntnis und der sozialistischen Methode.
Und nun möchte ich zum Budget einige Worte sprechen. Wir können natürlich diesem vorgelegten Nachtragsbudget unsere Zustimmung nicht geben, aus dem einfachen Grunde, weil die Regierung, die dieses Budget anfordert, die größere Summe desselben für militärische Zwecke verwendet. Wir Sozialdemokraten stehen auf dem Standpunkte, daß gerade die èechoslovakische Republik die erste Pflicht hätte, den Militarismus abzubauen, und auf das allernotwendigste Maß zu beschränken und endlich allen Ernstes Mittel und Wege zu finden, auf das das Milizsystem endlich als System der Verteidigung des Landes eingeführt wird. Wir sind aber auch deshalb gegen dieses Budget, weil es wie eine Selbstanklage klingt, wenn der Herr Ministerpräsident selbst von Podkarpatská Rus berichtet, daß dort mehr als 70 % der Bevölkerung aus Analphabeten besteht; und in der Slovakei sind sicher 35 bis 40 % der Bevölkerung mindestens Analphabeten. Ich meine, gerade die Èechoslovakische Republik hätte die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, auf das Bildungswesen mehr zu geben und mehr Gewicht zu legen als bisher geschehen ist. Gerade jenen Staatsmännern, die sich in erster Linie nach Frankreich orientieren in allen für die Republik und die Menschheit unangenehmen Dingen, diesen Herren, die so sehr alles nachahmen, was von Frankreich kommt, möchte ich folgendes Wort des großen französischen Staatsmannes Gambetta zu beherzigen geben, der sagte: Wenn andere Nationen nach großen geschichtlichen Ereignissen stehen, dann sagen sie: "In die Kirche!" Wir Franzosen aber sagen: "In die Schule!" Also, meine Herren, errichten auch Sie in ihrem Staate Schulen und bilden Sie das Volk, damit dieses arbeitende Volk, von dem Sie sagen, daß Sie es befreit haben, tatsächlich und in Wahrheit auch innerlich befreit werde von dem Geiste der Demut und Duldsamkeit und der Arbeiter das Joch, von dem er bisher beherrscht war, abschüttelt. Bilden Sie das Volk, damit es zu einer höheren sittlichen Auffassung, zu einer höheren geschichtlichen und geistigen Anschauung emporgehoben wird. Es wird viel gesprochen auch von der Schule u. dgl. Es sind auch in diesem Nachtragsbudget 2 Millionen für das Theater in Preßburg als Subvention votiert worden. Meine Herren, das ist, wie Sie sehen und wie ich in der Lage sein werde, hier nachzuweisen, eine vollkommen unproduktive Ausgabepost, weil die slovakische Theatergesellschaft beansprucht, 8 Monate hindurch das Theater benützen zu dürfen, während die Deutschen und Ungarn in Preßburg nur 4 Monate hindurch Zeit haben zu spielen. Es ist klar, daß unter solchen Umständen das slovakische Theater fast durchwegs vollkommen leer ist, weil einfach nicht so viel Slovaken und Èechen in Preßburg sind, die das Theater immerwährend füllen könnten. Man spricht in Preßburg davon, daß die Theatergesellschaft mindestens 6 Millionen Kronen schuldig ist, und man spricht auch davon, daß diese Gesellschaft Konkurs anmelden wird, um aus diesem Schulden herauszukommen. Wir haben weiter eine Musikschule in Preßburg. Diese Musikschule, die zumindest 150 Jahre alt ist, bekommt keinen Platz in der Stadtgemeinde. Wir können aber auch diesem Budget nicht zustimmen aus dem einfachen Grunde, weil wir lauter Elend der arbeitenden Bevölkerung wahrnehmen.
Wir erschauern beim Anblick der
Kriegsinvaliden und wir erschauern beim Anblick der Altpensionisten,
denen nicht die Möglichkeit gegeben ist, anständig leben zu können.
Unter solchen Umständen können wir nichts anderes tun, als gegen
das Budget zu stimmen. Wir stimmen auch gegen das Budget aus dem
Grunde, weil diese Regierung, die es anfordert und vertritt, auch
weiterhin mit den Mitteln des Despotismus, der Zensur der Presse
und mit dem Standrecht in der Slovakei arbeitet. Dadurch verhindert
sie die Entwickelung der demokratischen Kräfte und macht die Bahn
frei und hält sie frei für einen Bürokratismus, der natürlich
die beste Stütze der Korruption ist, die in der Slovakei und insbesondere
in Preßburg in großem Maße vorhanden ist. Mit einem solchen System
können wir nicht einverstanden sein, an einem solchen System wollen
wir uns nicht mitverantwortlich machen, und deshalb stimmen wir
gegen dieses Budget. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Es kommt einem wirklich zum Lachen vor, wenn man als Redner zu diesem Nachtragsbudget Stellung nehmen soll und im ganzen Hause ein derartig geringes Interesse wahrnimmt, daß es wirklich für jeden Redner besser ist, wenn er auf das Wort verzichtet. Übrigens kann ich es meinen Abgeordneten-Kollegen nicht einmal verübeln, daß sie ein so geringes Interesse haben, denn die Herren Minister werden mit ihren schlechten Sitten noch die besten Eigenschaften der Abgeordneten ertöten. Den ganzen Tag habe ich den zuständigsten von den Herren Ministern, den Herrn Finanzminister, noch nicht im Hause gesehen. Das wirft doch ein böses Licht auf die ganze Sache. Ich bin letzten Endes mit ganz anderen Illusionen hier eingezogen und habe doch vermutet, daß wir etwas mehr Ernst aufbringen werden bei Behandlung dieser ganzen Fragen, die hier vor uns liegen. Das Nachtragsbudget ist eigentlich eine Sache, die in den bestgeleiteten Staaten vorkommen kann, denn auch dort wird es manchmal ein Nachtragsbudget geben. Aber dieses Nachtragsbudget gibt uns etwas zu denken. Es ist im Vorjahre mit einem viel zu großem Tam-Tam publik gemacht worden, daß das Budget dieses Staates einen Überschuß von 288 Millionen Kronen aufweist und es ist dies mit so viel Klimbim in Szene gesetzt worden, daß selbst wir und das ganze Volk es geglaubt haben. Und wenn schon Zweifel aufgetaucht sind, hätten wir nicht vermutet, daß man uns heuer mit einem Nachtragsbudget überraschen würde, bei dem weit über 1000 Millionen Kronen Defizit herausschauen. Meine Herren! Das Volk ist sehr daran interessiert. Wo sollen wir da hinkommen? Ob wir diesen Staat jetzt lieben oder nicht, wir leben in ihm und hängen mitten drin im wirtschaftlichen Leben: mit unserer Arbeit, mit unserer Steuerleistung sind wir mit diesem Staat jetzt verbunden und da haben wir wohl ein Interesse daran, von einer geregelten Finanzwirtschaft sprechen zu können. Da haben wir jetzt 737 Millionen Kronen Defizit für das vergangene Jahr und das heurige Budget schneidet wieder mit einem Defizit ab, und dann fangen Sie an zu rechnen: was kostet uns die ziemlich unnötige Mobilisierung? - das kommt alles dazu - was kostet die Liquidation der Zentralen? Es werden nicht nur Millionen, es werden Milliarden sein. Was kostet uns der Gerstenhandel der Regierung? Da werden wieder Millionen dranhängen, zumindest gerechnet. Wenn Sie alles nehmen, was das Staatsmehl, die Staatsbaumwolle und der Staatszucker kostet, wieviel das dem ganzen Lande Schaden gebracht hat, dann werden Sie begreifen, daß man sich letzten Endes verwundert fragt: Ja, sind wir denn nur da, wenn das Volksvermögen verwirtschaftet wird, ins Parlament zu gehen und mit dem Kopfe dazu zu nicken? Es wird wirklich etwas viel von der Bevölkerung in der Beziehung verlangt, denn jemand muß doch wieder da sein, der diese ganze Schuld, die hier gemacht wird, deckt, durch seine Arbeit, durch seine Sparsamkeit, durch alles Jenes, womit man eigentlich ein Staatswesen erhält.
Meine Herren! Da kommt man letzten Endes auf den Gedanken, daß es die Lenker dieses Staates überhaupt nicht ernst mit diesem Staate meinen. Denn sonst müßte man voraussetzen, daß sie etwas ernster und sorgfältiger mit den Gütern des Volkes umgingen. Man verschleudert nicht in leichtfertiger Weise in wenigen Jahren Milliarden, wenn man Sinn für das Volk hat, Sinn für den Staat hat, wenn man sich überlegt, daß die Bevölkerung, welche doch die Grundlage des Staates ist, alles dieses Verschleuderte wieder mit ihrem Gut und Blut, mit ihrem Schweisse und ihrer Arbeit bezahlen muß. Glauben Sie mir, wenn unsere Partei gegen diese Wirtschaft Einspruch erhebt, so tut sie es mit vollem Rechte gerade als Vertreterin jener breiten Bevölkerungskreise, die durch ihre Arbeitsamkeit und Sparsamkeit eine der besten Stützen der ganzen Volkswirtschaft und dadurch des ganzen Staates sind. Gerade dadurch haben sie auch ein großes Interesse daran, daß der Staat eine geregelte Finanzwirtschaft führe. Dem Volke sind neue Milliarden von Schulden auferlegt worden. Womit sollen wir das bezahlen? Glauben Sie, daß Sie das durch Steuern aus dem Volke herauspressen können? Ich glaube nicht, weil die Steuerschraube gegenwärtig schon versagt. Was bleibt dann übrig? Die Vermögensabgabe, die wird den erwünschten Erfolg nicht haben, weil die technische Durchführung der Sache soviel Geld verschlingt, daß nicht mehr viel übrig bleiben wird. Die Vermögensabgabe als solche hätte schon etwas tragen können, dann hätte man aber die Sache nicht so umständlich einfädeln dürfen, man hätte es einfacher machen müssen, hätte müssen in manchen Fällen lieber auf 10 Kronen verzichten, um nicht 100 Kronen mit der Durchführung hinauszuwerfen. Infolge dessen werden Sie mit der ganzen Vermögensabgabe all diese Miliarden Schulden nicht decken können und an uns als Staatsbürger tritt die Frage heran, wie das bezahlt werden soll. Im Wege langfristiger Kredite? Aber da muß man sagen, die Regierung hat sich den Weg zu langfristigen Krediten selbst verrammelt, indem sie alles getan hat, um dem eigenen Volk wie dem Ausland den Glauben an die Kreditfähigkeit des Staates zu nehmen. Wohl hat Präsident Masaryk schon einige Male von der Einlösung der alten Staatschulden gesprochen, auch in seiner letzten Neujahrsbotschaft, allein letzten Endes sagt man sich auch da: Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; denn er hat schon einige Male so gesprochen. Wir fassen ihn als ernsten Mann auf und trotzdem ist all das nicht eingetroffen, was er sprach. So verläßt uns der Glaube, es werden Zweifel auch am Staatsoberhaupt auftauchen und Sie werden im Interesse des Staates damit nichts gemacht haben. Jetzt stehen wir vor der Tatsache, daß der Staat neue Lasten auf sich nehmen wird, daß er zugleich aber die besten unter seinen Staatsbürgern zu Zweiflern erzieht, zu Autoritätsverächtern, weil vieles von dem, was dem Volke draußen gepredigt wird, sich nachher als nicht wahr erweist. Wohin sollen wir kommen? Der Staat hat durch seine Betätigung speziell als Kaufmann bewiesen, daß er sich selbst, nur den schlechtesten Dienst geleistet hat.
Nun ist es endlich so weit gekommen, daß der Vertrag von Lana als Vertrag zwischen zwei Teilen der alten Doppelmonarchie, was man noch vor zwei Jahren für eine Unmöglichkeit gehalten hätte, heute fast als eine Naturnotwendigkeit empfunden wird. Wenn man hier sagt, daß Deutschösterreich durch seine Not gezwungen wurde, so behaupte ich mit demselben Recht, daß es bei uns auch nicht viel anders war, daß auch hier die wirtschaftliche Not zum Vertrag von Lana gedrängt hat, nur aus umgekehrten Gründen. Hat Deutschösterreich kein Brot, keine Kohle und keinen Zucker, so ersticken wir hier in diesen Waren, die Kohle brennt auf den Halden draußen. Wir bringen sie nicht an, weil wir durch eine schlechte Wirtschaftspolitik uns die Märkte verschlossen haben, die uns hätten offen sein können. Vom politischen Teil des Vertrages will ich absehen, wirtschaftlich wird der Vertrag beiden Seiten nur zum Gewinn gereichen, weil Österreich etwas bekommt und wir etwas anbringen, was uns sonst niemand abnimmt. Es hat sich gezeigt, daß durch die Betätigung der Regierung als Kaufmann nur dies eine erreicht wurde, daß Sie uns von der intensiven Wirtschaftsweise in die extensive gedrängt hat. Weite Bodenflächen, die intensiv mit Zuckerrübe und Handelsgewächsen bebaut waren, werden im nächsten Jahre nicht mehr so bebaut werden, weil es sich nicht verlohnt, weil die Sachen nicht anzubringen sind. Wir können nicht so viel Zucker verbrauchen als wir erzeugen, durch unsere Politik aber haben wir es soweit gebracht, daß ihn niemand kauft.
England, unser Hauptabsatzgebiet, kauft nicht unseren Zucker, weil es von Amerika mit Zucker überschüttet wird. Wir sind durch diese Wirtschaftspolitik schwer geschädigt worden und es wäre klüger gewesen, wenn man die Tür gegen Deutschland nicht so fest verschlossen, sondern sie offen gelassen hätte.
Wir sind gewiß keine Anhänger großer Schutzzölle, wir schreien nicht darnach, weil wir froh wären, wenn die Lebenshaltung wieder billiger würde und wir sind der Meinung, daß letzten Endes das Ideal jedes Volksmannes der Freihandel sein muß, weil doch jeder Mensch das Recht haben muß, dort einzukaufen, wo er am besten und billigsten kauft. Ich kann aber die Türe nicht gegen die eine Seite aufmachen und gegen die andere schließen. Ich kann nicht einen Zolltarif, auch wenn er provisorisch ist, so machen, daß man bei dem einen Artikel den 25- bis dreißigfachen Multiplikator einsetzt, bei dem anderen den zwei- oder dreifachen, oder gar keinen Sie werden damit nur erreichen, daß ein Teil der Bevölkerung gegen den anderen ausgespielt wird, daß einzelne Industrien künstlich aufgepäppelt, wie Treibhauspflanzen in die Höhe gezogen werden, und die ganze Bevölkerung hat den Schaden. Wie kommen wir dazu, nicht leistungsfähige Industrien durch Schutzzölle zu erhalten? Lassen Sie sie doch zu Grunde gehen, sie sind nicht mehr wert, als daß sie sterben; geradeso wie wir für uns nicht Schutzzölle verlangen, sondern uns bestreben werden, konkurrenzfähig zu bleiben. Macht dem Volk das Leben billig und viel wird aus der Welt geschafft sein, was heute Anlaß zu Krisen und Revolutionen gibt. Es könnte vieles besser werden, aber einseitig lassen sich die Sachen nicht aus der Welt schaffen. Wir werden keinesfalls zugeben können, daß man auf der einen Seite Zollsätze streicht, um sie auf der anderen Seite zu erhöhen. Wenn wir das Brot billig liefern sollen, dann wünschen wir, daß auch die Pflugschar billig sei. Und mit einer billigen Pflugschar werde ich jederzeit im Stande sein, billiges Brot zu liefern.
Etwas möchte ich noch bemerken, obwohl meine Herren Kollegen mit Feindschaft gedroht haben, wenn ich lange rede. Der Vertrag von Lana gibt uns etwas zu bedenken, was wir als Volkspartei bemängeln müssen. Ich will über den Inhalt der Abmachungen hinweggehen, ich fühle mich nicht berufen, die politischen Klauseln Wort für Wort zu zerlegen; es ist zu spät, der Vertrag ist abgeschlossen ebenso wie der Vertrag mit Polen abgeschlossen ist. Empörend jedoch ist das eine, daß das Volk als solches mitsamt seinen Vertretern von dem Vertrag erst dann Kenntnis bekommt, wenn er perfekt ist. Es kommt einem vor, als wenn man nicht in einer Demokratie leben würde, und noch dazu in einer Demokratie in Mitteleuropa, die von sich rühmt, daß sie eine der vorgeschrittensten ist, sondern wie zur Zeit Metternichs, da Kaiser Ferdinand in der Burg saß und Metternich die Sache machte und die anderen nichts dareinzureden hatten.
Ist das jetzt nicht genau so? Das Staatsoberhaupt sitzt in der Burg, der Ministerpräsident macht die Verträge und wir alle, die wir in diesem Hause sitzen, haben nichts dreinzureden. Dagegen müssen wir uns beschweren und auflehnen. Jene Zeit der Geheimdiplomatie muß endlich insoweit vorbei sein, als man wenigstens die Führer der einzelnen Gruppen zusammenberufen und ihnen mitteilen muß, was geplant ist; damit wenigstens die einzelnen Klubs im internen Rahmen darüber beraten könnten. Wir protestieren dagegen, weil es unserer unwürdig ist, immer vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Wir müssen immer da sein und haben dem Staat Gut und Blut, Menschen und Steuern zur Verfügung zu stellen; ich glaube, wir haben daher auch das Recht, von den jeweiligen Aktionen des Staates in Kenntnis gesetzt zu werden, damit eventuell auch verhutet werde, unnützerweise Gut und Blut herzugeben. Dieses Recht nehmen wir für uns in Anspruch.
Im übrigen hätte ich noch etwas
ganz kurz zu bemerken. Das Nachtragsbudget liegt vor und ich habe
bereits bemerkt, daß die Minister nicht anwesend sind. Außer dem
Minister für nationale Verteidigung, den ich den ganzen Tag im
Hause gesehen habe, waren einzelne andere Herren gewisse rmaßen
nur auf Besuch hier, was ich ebenfalls bemängle, denn wenn man
von den Volksvertretern Arbeit verlangt, kann man sie auch von
den Ministern verlangen und bei Beratung eines Nachtragsbudgets,
das über eine Milliarde beträgt, haben die Vertreter der betreffenden
Ressorts hier zu sein. Es ist das eine Mißachtung des ganzen Hauses
und Sie werden sich nicht wundern dürfen, wenn der ganze Parlamentarismus
so in Mißkredit gerät, daß das Volk über kurz oder lang von ihm
nichts wissen will und zu jenem Mittel greift, das wir als Ideal
bezeichnen, zur Ständevertretung, daß die ganze politische Parteienwirtschaft
aufhöre, zum Nutzen eines jeden Staatsgebildes. (Potlesk na
levici.)