Ètvrtek 24. listopadu 1921

Die Unternehmer treiben zum Streik. Das ist eine offensichtliche Tatsache. Vielleicht treiben sie es, um ihre großen Vorräte los zu werden, sie haben 1,600.000 q Koks vorrätig liegen, vielleicht wollen sie im Zeichen der Kohlennot diese Vorräte zu höheren Preisen abstoßen; ich glaube aber, letzten Endes wollen die Unternehmer etwas anderes. In ihrem Memorandum an die Regierung und an die von ihnen inspirierten Zeitungen haben sie gar keinen Zweifel darüber gelassen, sie wollen ihre alte Herrschaft über die Bergarbeiter wieder aufrichten, sie wollen die Bergarbeiter wieder unter ihr Diktat drücken, so wie es in der Vorkriegszeit und besonders in der Kriegszeit der Fall war. Die Versuche der Unternehmer werden aber von den Bergarbeitern nicht ruhig hingenommen werden können. Ich habe keine Ursache, mich darüber vorläufig zu äußern, aber es darf niemand erwarten, daß die Bergarbeiter ruhig zusehen werden, wie die Unternehmer daran gehen, ihnen die Haut über den Kopf zu ziehen. Das kann nach den geschilderten Umständen niemand verlangen.

Aber die Unternehmer wollen weit mehr, sie sagen nicht nur, daß sie die Herabsetzung der Löhne und die Steigerung der Produktion wollen, sondern die Unternehmer sagen: "Wir wollen den Freihandel!" Meine Herren, es mag sein, daß die staatliche Bewirtschaftung und besonders die Bewirtschaftung durch diesen Staat viel, ja das meiste an den Zuständen unseres Kohlenmarktes am Gewissen hat. Das sei ohne weiteres zugegeben. Ich verteidige diese staatliche Bewirtschaftung keinesfalls und mit keinem Worte, sie fordert auch den schärfsten Widerspruch heraus. Aber ganz einfach die Geschichte umzudrehen und zu sagen: "der Freihandel ist das einzige Mittel, um zur Gesundung zu kommen," das scheint mir doch ein viel zu gewagtes Experiment in der gegenwärtigen Zeit. In der Vorkriegszeit hatten wir den Freihandel. Aber der Freihandel lag in den Händen großer Kohlenkonzerne, das waren Monopole, Monopole gegenüber den Konsumenten und Produzenten, den bei ihnen beschäftigten Arbeitern und Angestellten. Wenn Sie heute zum Freihandel kommen, so bekommen sie ein schärferes Monopol, als sie es vor dem Kriege hatten. Und ich frage Sie: Kann ein Gemeinwesen zuschauen bei der Beurteilung der Sachlage, daß unglücklicherweise die großen Kohlenkonzerne über die ergiebigsten Kohlengruben und die besten Marken verfügen, kann es denen, die die Macht haben, willkürlich die Preisbestimmung ausliefern. Ich glaube, es müßte sich bei der Kohle im großen wiederholen, was sich bei der Freigabe des Handels mit Mehl und Brot im kleinen gezeigt hat: zum freien Handel können wir unmöglich zurückkehren und ich glaube, daß in dieser Beziehung der Versuch der Mährisch-Ostrauer Bergwerksbesitzer, hinter dem zweifellos der Verband aller Bergwerksbesitzer der Republik steht, auch von den Kohlenkonsumenten sehr ernst genommen werden muß. Letzten Endes ist es auch eine Herausforderung an diese. Werden die Unternehmer mit den Bergarbeitern, nach ihrer Ansicht, fertig geworden sein, dann wird sie kein Mensch hindern, ihre Kohlenmonopolstellung aufzurichten, sie werden den Freihandel erzwingen und dann sind Konsumenten und Produzenten aufs neue und verschärft einigen wenigen großen Kohlenkonzernen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Das ist dann Ihre Sozialisierung, das ist Ihr Versprechen der Einlösung des Sozialisierungsprogrammes, und ich glaube, von diesem Gesichtspunkte aus kann die Regierung, wenn sie nicht den letzten Anschein von Achtung nach außen hin verlieren will, ganz einfach die Herausforderung zum Kampf seitens der Unternehmer von Ostrau nicht unbeachtet lassen. Sie muß sogar mehr tun. Es wäre verfehlt, anzunehmen, daß durch einen Ausgleich der augenblicklichen Schwierigkeiten in Ostrau die Krise in Bergbau überhaupt beseitigt oder bereinigt ist. Wenn das geschehen würde, so wäre die Krise vielleicht auf ein, zwei, drei Monate vertagt, aber aus der Welt geschafft wäre sie nicht. Mit radikalen Mitteln ist zur Behebung der Krise einzuschreiten, und da glauben wir im Gegensatz zu den Unternehmern, vier Mittel dafür anführen zu können, die wir der Regierung empfehlen, teilweise in Form von Anträgen und auch in anderer Weise.

Als erstes Mittel ist die Aufhebung der Kohlensteuer anzusehen. Ich habe schon darüber gesprochen, die Kohlensteuer beträgt annähernd so viel als die ganzen Lohnkosten, die an die Bergarbeiter bezahlt werden; und wenn es den Kohlenmarkt zu sanieren gilt, so muß man dort beginnen. Das zweite Mittel ist die Regelung der Tarife, in dem von mir angedeuteten Sinne, die Abstufung der Tarife nach Qualität der zu verfrachtenden Ware unter Berücksichtigung der territorialen Lage der Reviere.

Eine kleine Zwischenbemerkung gestatten Sie mir. Die vorjährige Verlängerung des Kohlenabkommens mit Deutschland, wo man sich im èechoslovakischen Staate so gebrüstet hat, "endlich habe man den Deutschen einen Vertrag abgerungen, der für uns günstiger ist", günstiger in dem Sinne, weil wir weniger Kohle liefern müssen, diese Politik hat das Falkenauer Bergrevier, das auf Auslandsabsatz angewiesen ist, an den Rand des Abgrundes gebracht und auch Nordwestböhmen schwer bedroht. Wir sehen dagegen, daß die Tarifpolitik des Deutschen Reiches so elastisch ist, daß sie den heimischen und fremden Absatzbedingungen Rechnung trägt. Als sie mit ihren mitteldeutschen Briketts in unserem Braunkohlengebiet Sachsen Konkurrenz machen wollte, da war in vierzehn Tagen für die mitteldeutschen Briketts ein Ausnahmstarif hier, der es ermöglicht hat, die Briketts um den halben Tarifpreis in unser Absatzgebiet zu bringen.

Eine freilich endgültige und restlose Änderung ist in unserer Exportpolitik notwendig. Wir müssen aufhören, die Exportpolitik als Gnadenpolitik aufzufassen, ob wir den anderen Staat leben lassen wollen oder nicht. Sie haben die Wahl, den Kohlenproduktionsprozeß auf den heimischen Bedarf einzuschränken. Wenn Sie das wollen, dann sprechen Sie es offen aus, dann müssen Sie aber damit rechnen, daß 60.000 Bergarbeiter arbeitslos werden, daß nahezu die Hälfte der Gruben zum Erliegen kommt und - das möchte ich den sozialistischen Parteien der Regierungskoalition sagen - wenn Sie einer solchen Politik zustimmen, dann wird diese Ver kümmerung der Kohlenwirtschaft eine Verkümmerung der ganzen Industrie in diesem ganzen Staate zur Folge haben, sein Hinabsinken oder Zurücksinken zu einem reinen Agrarstaat, und dann begra ben Sie Ihre Hoffnungen auf den Sozialis mus, dann reden Sie nicht von Sozialisie rung, damit lebt und stirbt die sozialisti sche Hoffnung auf die Gestaltung der allgemeinen Politik im sozialistischen Sinne. Wir wissen, daß die Sozialisierung nicht vielleicht ein Produkt von heute auf morgen ist und nicht über Nacht zu er zielen ist. Wir haben schon seit mehr als einem Jahre der Regierung nahegelegt, das Problem dahingehend in Angriff zu nehmen, daß eine Änderung der Kohlenbe bewirtschaftung erfolgt. Nicht eine Verstaatlichung bei der ein paar staatliche Kohleninspektoren dort sitzen würden, die von den Wirtschaftsverhältnissen nichts verstehen und nach Gutdünken oder nach Wohlwollen darüber entscheiden, was mit der Kohle zu geschehen hat, sondern eine allgemein vom volkswirtschaftlichen und staatlichen Interesse geleitete Kohlenwirt schaft, die sich nur im Wege von Kohlen zwangssyndikaten verwirklichen läßt, de nen eine restlose Kohlendistribution und eine gewisse Repartierung für die Geste hungskosten überlassen sein müßte. Wir sind überzeugt, daß auch diese Mittel nicht restlos genügen. Aber sie sind der erste Schritt, und er wird uns zur Beseitigung der heutigen Zustände führen, die sich so zugespitzt haben, daß damit das Problem der Sozialisierung der Gruben praktisch in Angriff genommen und praktisch be gonnen werden kann. Wenn sich die Krise in den letzten Tagen zugespitzt hat - ich weiß nicht, welche Beschlüsse die Berg arbeiter fassen werden, ich weiß nicht, welche Antwort sie auf die Provokationen der Arbeitgeber geben werden, ich will nichts vorwegnehmen - aber gesetzt den Fall, daß die Bergarbeiter nur die eine Antwort übrig haben, koste es, was es wolle, diesen übermütigen Angriff abzu weisen, dann bitte ich, das hohe Haus, davon überzeugt zu sein, daß diesen Kampf die Bergwerksbesitzer provoziert haben. Die Arbeitervertreter waren bis zum letzten Moment zu Verhandlungen bereit. Und wenn Sie als gesetzgebende Körperschaft, wenn Sie als Staat dem Diktat dieser kapitalistischen, schon wieder übermütig gewordenen Gruppe der Bergwerksbesitzer sich beugen, ich hoffe, die Bergarbeiter werden noch ein Mittel der Antwort finden, das Ihnen vielleicht nicht angenehm sein wird, aber ein Mittel der Selbsthilfe ist, wenn der Staat versagt und neutral bleibt, wenn der Staat eventuell - denn wir haben guten Grund, es zu glauben, insgeheim die Unternehmer zu dieser Politik inspiriert hat.

Wir lehnen das Kapitel des Ministeriums für öffentliche Arbeitef ab aus diesem Grunde und noch aus anderen Gründen. Ich habe mir erlaubt, noch einige Anträge einzubringen. In dem einen wird die Aufhebung der Kohlensteuer beantragt, das heißt die Regierung wird dazu aufgefordert. Und ich sage Ihnen von vornherein: Jene Parteien, welche diesem Antrage die Zustimmung verweigern, sind direkt und indirekt mit verantwortlich, wenn es einen anderen Ausweg aus dieser Krise nicht gibt.

Ich habe mir einen weiteren Antrag einzubringen erlaubt, die 40 Millionen Beteiligung am Auslandsgewinn zu streichen. Ich bitte Sie, darum diese Post zu streichen, es ist jetzt bei der heutigen Kohlenbewirtschaftung eine fiktive Post und gibt, wenn sie bestehen bleibt, den Regierungsorganen fortgesetzt die Möglichkeit, sich an dem gewissen Raubritterzug gegen das Ausland zu beteiligen und unsere Kohlenwirtschaft zu verderben, die Absatzmärkte unwiederruflich verloren gehen zu lassen.

Ein weiterer Antrag bezweckt, die Revierbergämter besser auszugestalten, und ich möchte die Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der Abhilfe verlangt. Wir haben Revierbergämter, die die Telephonmiete nicht bezahlen können und denen die Telephonapparate von der staatlichen Postverwaltung gesperrt werden. Und wir haben Revierbergämter, die kein Blatt Papier sich kaufen können, keinen Akt er ledigen können, weil das Paus chale zu nied rig ist; und auf der anderen Seite werden aus dem Titel Kohlenwirtschaft Millionen und Milliarden hereingebacht. Wenn die Krise, die durch die Valuta hervorgerufen wurde, verschärft würde, dauernd wird sie nicht sein - entweder werden sich die valutarischen Verhältnisse Deutschland bessern oder es wird - wie schon heute sich zeigt - eine Preisbewegung in Deutschland eintreten müssen, die wieder ein anderes Verhältnis zu unsererProduktion entstehen läßt. Was hat die Regierung, die an den Auslandsgewinnen teilnimmt, was zu brand marken ist, getan? Sie hat dem Deutschen Reich rund 1000 Kronen pro Waggon mehr angerechnet. Und in diese 1000 Kronen haben sich geteilt die Unternehmer und der Finanzminister. Der Finanzminister hat 500 Kronen eingesteckt, die Unternehmer ebenfalls. Und jetzt, als durch den Valuta sturz die 1000 Kronen nicht mehr hier sind, jetzt entsteht ein Vakuum, jetzt schreien die Unternehmer und jetzt ist der Finanz minister zugeknöpft. In derselben Situation hat die englische Regierung 10 Millionen Pfund zur Aufbesserung der Löhne zu geben müssen, aus eigenem Verschulden, weil auch sie denselben Fehler begangen und auf Kosten des Auslandes, der fremden Abnehmer, die einheimische Lohnregulierung im Herbst 1920 durchgeführt hat. In kleinerem Maßstab befindet sich die ser Staat in derselben Situation, es sind die eigenen Sünden, durch die diese Krise verschuldet wurde.

Wenn ich das hier anführe, so deshalb, weil das gleichsam ein Spiegelbild für die gesamte Volkswirtschaft dieses Staates ist; nach diesem Horizont ist sie orientiert und einer solchen Regierung, einem solchen Budget, das solche Ungerechtigkeiten beinhaltet, dem wir ein so großes Verschulden in diesen Dingen beimessen, einem solchen Budget können wir unsere Zustimmung nicht geben. (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 1074 protokolu):

Wenn ich zu einigen Kapiteln der sozialen Fürsorge in diesem Staatsvoranschlag Stellung nehme, möchte ich zunächst die Gelegenheit benützen, um die breite Öffentlichkeit auf die unwürdige und herzlose Behandlung unserer armen Kriegsopfer hin zuweisen.

Es ist der feste Wille der Bevölkerung, daß den armen Kriegsopfern eine zeitentsprechende Versorgung vom Staate gesichert und namentlich den Kriegswitwen der Schmerz erspart werde, die armen Kriegswaisen, die ihres Ernährers beraubt sind, dem Elend und dem Siechtum überantwortet zu sehen.

Seit dem Erscheinen des Kriegsbeschädigtengesetzes vom 20. Feber 1920 wurde der Ruf nach Novellierung dieses Gesetzes und Erhöhung der bei der stets wachsenden Teuerung völlig unzureichenden Gebühren immer lauter, wuchs immer mehr die Verbitterung in weiten Kreisen der Kriegsopfer und die Verzweiflung der Kriegswitwen. Obwohl vom Ministerium für soziale Fürsorge die Berechtigung dieser Forderung vollauf anerkannt wurde, blieben die zahllosen Vorsprachen und Bitten bisher ohne Erfolg, weilsich der Herr Finanzminister mit der Erhöhung der Pensionen und des Existenzminimums nicht einverstanden erklärte. Diesen wirksamen Widerstand hätte der Herr Finanzminister ganz anderen Staatsausgaben entgegensetzen sollen, die selbst von èechischer Seite als unnütze Vergeudung des Volksvermögens bezeichnet werden. Es schwirrt uns der Kopf bei den großen Summen, die bedenkenlos bei der bekannten Großmannssucht für die verschiedensten Zwecke hinausgeworfen werden, während hier bei den armen Kriegsopfern die Sparsamkeit einsetzt.

Um die augenblickliche Not zu lindern, wurde im Senat und Abgeordnetenhaus ein Antrag auf Erhöhung der Teuerungszulagen für Kriegsbeschädigte von 50 auf 100%, für Witwen und Waisen auf 200% eingebracht. 11 Monate nach seiner Einbringung kam er erst im sozialpolitischen Ausschuß in Verhandlung. Trotz des entschiedenen Einspruches der Deutschen wurde beschlossen, den Antrag zurückzustellen und erst den zu erwartenden Novellierungsantrag zu verhandeln. Die 14 Tage, innerhalb welcher die Regierung diese Vorlage einbringen sollte, werden sehr lange dauern. Damit ist die Hoffnung der Kriegsopfer, für das Jahr 1921 eine Erhöhung zu erlangen, wiederum zu Wasser geworden.

Die Behandlung der Kriegsopfer erscheint im grellsten Lichte, wenn wir die Ziffern des Staatsvoranschlages betrachten. Schon im vorigen Jahre mußte festgestellt werden, daß gerade hier der Sparsinn der Regierung sich zeige.

Im Staatsvoranschlage für 1922 finden wir gegenüber 1921 eine Verminderung der gesetzlichen Gebühren für Kriegsinvalide von 157 Millionen, gegenüber 1920 eine Verminderung von 352,000.000 K; bei den Hinterbliebenen gegenüber 1921 eine Verminderung von 8,850.000 K, gegenüber 1920 eine Verminderung von 194,750.000 gegenüber 1920 also eine Gesamtverminderung der gesetzlichen Gebühren der Kriegsinvaliden, Witwen und Waisen von 546,750.000 K.

Stolz, mit einer glänzenden Geste wies man bei der Behandlung des Staatsvoranschlages auf den großartigen Posten für Kriegsbeschädigte hin, der fast eine Milliarde ausmachte, um zu zeigen, daß der èechoslovakische Staat voll und ganz die Bedingungen der Friedensverträge bezüglich der Kriegsbeschädigten erfüllte. Schon bei der Einbringung des Nachtragsbudgets zeigte sich bei fast allen Ministerien ein Überschreiten der für 1920 bewilligten Beträge; nur das Ministerium für soziale Fürsorge wies ein Ersparnis von 521,000.000 aus, also weit mehr als die Hälfte des gesamten Postens für Kriegsbeschädigtenfürsorge. Damals wurde von mir und meinen Kollegen der Antrag gestellt, diese Beträge nachträglich den bezugsberechtigten Kriegsopfern zuzuführen. Dieser Antrag wurde dem Ausschusse überwiesen, weil man doch nicht im Hause dagegen stimmen wollte, und dann im Ausschusse begraben. So ist es erklärlich, daß das Ministerium für soziale Fürsorge die einzige Zentralstelle ist, in der im Vergleiche zum Vorjahre nennenswerte Ersparnisse gemacht wurden. Damit ist aber auch der Beweis erbracht, daß die Sparmaßnahmen der Regierung nicht beim Ministerium für soziale Fürsorge einsetzen dürfen - und daß bei der Tatsache, daß an gesetzlichen Gebühren für Kriegsopfer gegenüber dem Jahre 1920 546,750.000 erspart wurden, die Möglichkeit geboten ist, das Versorgungsgesetz vom 30. Feber 1920 im Simme der oft vorgebrachten Forderungen und Wünsche der Kriegsinvaliden zu novellieren.

Diese Novellierung ist aber im Staatsvoranschlag nicht vorgesehen. Die Invaliden haben es aber satt, sich fortwährend mit leeren Versprechungen abspeisen zu lassen. Diese Novellierung muß möglichst rasch erfolgen, weil ohnedies, wie die Erfahrung beweist, die Bezugsberechtigten bei dem schleppenden Geschäftsgange erst nach einigen Jahren in den Besitz der ihnen zustehenden Renten gelangen werden. Es sind ja heute noch viele Kriegsbeschädigte nicht im Besitze der ihnen nacn dem Gesetze vom 20. Feber 1920 zustehenden Renten und es mußten in der Sommersession erst Schritte eingeleitet werden, um den Auslandsinvaliden die ihnen gesetzlichen Gebühren zu sichern.

Der Staatsvoranschlag nimmt die Zahl der Kriegsinvaliden, Witwen, Waisen und Vorfahren mit 505.700 an, wobei festgestellt sei, daß nach den Bestimmungen des Gesetzes z. B. die wirtschaftlich Selbständigen, die mehr als 4000 Kronen, und die wirtschaftlich Unselbständigen, die mehr als 8000 Kronen Jahreseinkommen haben, sowie diejenigen, die im Besitze einer Tabaktrafik oder Geschäftsstelle der Klassenlotterie sind, wenn dieser Erwerb das festgesetzte Einkommen übersteigt, den Anspruch auf die Rente verlieren. Von dem Betrage von 402,650.000 K, der an gesetzlichen Gebühren hinausgeworfen ist, dürfte noch ein bedeutender Teil abfallen, den das Ministerium für 1922 wieder als Ersparnisse wird ausweisen können. Ein neuer Beweis, daß die Novellierung des Gesetzes den Herrn Finanzminister nicht aus der Fassung bringen darf.

Schon im Vorjahre wurde darüber geklagt, daß die Post zur Fürsorge für Kriegsblinde für 1921 eine Verminderung von 1,600.000 Kronen aufweist. Für diese ärmsten Kriegsopfer zwingt schon das einfachste Gefühl der Menschlichkeit zur Forderung nach weitherziger Fürsorge.

Für die Heilbehandlung der Kriegsbeschädigten sind 19 1/2 Millionen eingesetzt, ein Betrag, der durch den bloßen Hinweis auf die große Zahl der tuberkulosen Kriegsbeschädigten, für welche von Seiten der Regierung bisher recht wenig geschehen ist, als zu niedrig erkannt wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die Notwendigkeit der Ausgestaltung und Subventionierung der Lungenheilanstalten in Passek und Oberschar besonders hinweisen. Für Kriegsbeschädigte, die in häuslicher Pflege belassen wurden, ist es notwendig, eine ambulatorische Behandlung einzuführen, die ebenfalls einen bedeutenden Aufwand erfordern würde. Die Prothesen sollen gleichfalls vom Ministerium besorgt werden. Was ist mit den Kriegshilfsfonden? Man hat sie weggenommen, wie jüngst der Fall in Freiwaldau gezeigt hat.

Der Posten "Soziale Fürsorge für Kriegsinvalide und die Hinterbliebenen nach Soldaten," ist von größter Bedeutung, um den Invaliden die Möglichkeit bieten zu können, sich selbstständig zu machen. Der hiefür eingesetzte Betrag von 11,600.000 Kronen ist unzureichend. Die Selbständigmachung ist eines der hervorragendsten Ziele der Invalidenfürsorge. Um Existenzgründungen in größerer Zahl zu ermöglichen, sind aber bei den heutigen Verhältnissen ganz andere Summen erforderlich.

Eine ganz auffallende Herabsetzung erfuhr die Post "Schulung der Kriegsbeschädigten". Von 9,598.500 K wurde der Betrag auf 1,950.000 K herabgesetzt, also um 7,648.500 K, weil die Schulung nicht den gewünschten Erfolg zeitigte. Wäre aber mit der Schulung der Kriegsbeschädigten eine entsprechende Berufsberatung und ein Zwangseinstellungsgesetz verbunden gewesen, wäre der Erfolg sicher nicht ausgeblieben. Zu diesem Punkte erlaube ich mir einen Resolutionsantrag zu stellen.

Schließlich möchte ich bei diesem Kapitel noch auf einige oft erhobene Beschwerden bezüglich des Verwaltungsapparates, dem die Durchführung der Kriegsbeschädigtenfürsorge obliegt, hinweisen. Zahllos sind die Klagen, daß die Invaliden oft mehr als ein Jahr auf die Erledigung ihrer Ansuchen warten müssen, auf viele Eingaben überhaupt keine Antwort bekommen. Den Bezirksärzten, die heute nur Erhebungs- und Durchführungsorgane der Landesämter und des Ministeriums für soziale Fürsorge sind und die bestimmt sind für den direkten Verkehr mit den Kriegsverletzten, müßte einerseits die Kompetenz erweitert, anderseits weniger Bezirke oder mehr Beamte zugewiesen werden, damit sie die Arbeit bewältigen können.

Wie überall in der Verwaltung dieses Staates, macht sich auch bei den Invalidenämtern eine auffallende Zurücksetzung des deutschen Volksteiles bemerkbar Soziale Fürsorge verlangt herzliches Mitempfinden, die deutschen Invaliden wollen von deutschen Beamten betreut werden. Daß hier von einer nationalen Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung schon gar keine Rede sein kann, geht aus folgenden Feststellungen hervor: Trotz unzähliger Vorsprachen und Ansuchen, bei der Aufnahme von Beamten in die mit der Fürsorge für Kriegsbeschädigte betrauten staatlichen Ämter deutsche Invalide und deutsche Beamte zu berücksichtigen, wurde in dieser Hinsicht nichts erreicht. Bei der höchsten Behörde im Ministerium für soziale Fürsorge, in der Abteilung für Kriegsbeschädigtenfürsorge, ist kein einziger deutscher Vertreter als Beamter oder Referent.

Im Landesamte für Kriegsbeschädigtenfürsorge in Prag sind bei einem Beamtenstand von 300 nur 4 Beamte deutscher Nationalität. In Landesamte in Brünn und in den unterstellten Bezirksämtern, in Mähren und Schlesien sind angeblich 17, in Preßburg noch kein einziger deutscher Vertreter. Dazu kommt, daß einige Bezirksämter von der Existenz einer deutschen Sprache noch keine Ahnung zu haben scheinen. Deutsche Eingaben werden mit einer gewissen Beharrlichkeit èechisch erledigt und erfolgt einmal die Erledigung deutsch, so ist dieses Deutsch den Invaliden geradeso wenig verständlich, wie die èechische Erledigung.

Von hier aus muß der Ruf erschalten und von allen volksfreundlichen Parteien aufgenommen werden: "Erfüllet endlich die Forderungen, der armen Kriegsopfer! Heraus mit der zeitgemäßen Novellierung des Kriegsbeschädigtengesetzes!"

Im Anschlusse an diese Forderungen möchte ich kurz auf die Arbeitslosenunterstützung hinweisen, die durch das Gesetz vom 12. August d. J. neu geregelt wurde, das verlängert werden mu ß. Hiebei möchte ich der Regierung eine wirkliche Fürsorge, nicht die kalte Anwendung der Gesetzesparagraphen jenen Invaliden der Arbeit gegenüber empfehlen, die infolge der körperlichen oder geistigen Beschaffenheit zu einer regelmäßigen Arbeit nicht mehr fähig, von der gesetzlichen Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen und der Armenversorgung der Gemeinden überwiesen werden. Wie diese Armenversorgung der Gemeinden aussieht, wissen wir. Daher stellen wir das Ersuchen an die Regierung, den aus der Arbeitslosenunterstützung infolge ihres Alters Ausgeschiedenen bis zur parlamentarischen Regelung dieser wichtigen Frage eine staatliche Unterstützung zu sichern.

In Kürze will ich mich noch mit dem wichtigen Gebiet der Wohnungsfürsorge beschäftigen. Anläßlich der Beratung über die Baugesetze haben wir bereits unsere Beschwerden und auch unsere Befürchtungen gegen die von der Regierung mit so wenig Erfolg betriebene Wohnungsfürsorge vorgebracht. Schon damals stellten wir fest, daß die Bauanleihe, so sehr auch die Notwendigkeit der Kreditbeschaffung von allen Kreisen eingesehen wird, so lange kein befriedigendes Resultat zeitigen kann, als die Kriegsanleihefrage nicht eine gerechte Lösung gefunden hat. Was wir befürchtet haben, ist eingetroffen. 950 Millionen fehlen noch zur Baumilliarde und doch ist die Wohnungsnot allerorts schreiend, konnte sich nirgends eine regere Bautätigkeit entwickeln. Mit jedem Jahr stellt sich das Bauen teuerer und schwieriger, werden die Schwierigkeiten der Kreditbeschaffung für Bauzwecke größer. Fast überall, wo private Bauunternehmer und Baugenossenschaften um Kredit anklopfen, wird die ungelöste Kriegsanleihefrage als Haupthindernis hingestellt. Der Betrag für Bau und Wohnungsfürsorge weist in diesem Jahresvoranschlag eine Erhöhung von 80 Millionen aus. Wir dürfen wohl die Frage stellen - es möchte uns sehr interessieren, das zu erfahren - welche Pläne sich das Ministerium für soziale Fürsorge in dieser Hinsicht für das Jahr 1922 gestellt hat. (Posl. dr. Baeran: Vielleicht kaufen sie dem Präsidenten ein zweites Schloß!) Wäre auch eine Hebung der Bautätigkeit! Die Baugesetze haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht, die Mittel des Staates erwiesen sich als unzureichend.

Wegen der vielfachen Hindernisse muß unbedingt die Geltungsdauer des Gesetzes über die Baubewegung verlängert werden.

Wir wiederholen, daß es notwendig ist, daß in der Behebung der Wohnungsnot der Staat selbst mit gutem Beispiele vorangehe, für seine Ämter die erforderlichen Bauten errichte, nicht durch Einmieten der Ämter in Privathäuser und Beschlagnahme von Wohngelegenheiten zu militärischen Zwecken die Wohnungsnot vermehre, und in großzügiger Weise für die Herstellung von Beamtenwohnhäusernsorge.

Die gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaften sind in ihrer Tätigkeit mit größeren Subventionen zu fördern, damit durch ihre Beihilfe und Aufklärungsarbeit die gemeinnützige Bautätigkeit gehoben werde.

Schon voriges Jahr wurde von uns die Forderung erhoben, das Ministerium möge einen spezifizierten Bericht über die gewährten Bausubventionen und übernommenen Staatsgarantien nach Nationalitäten vorlegen. Wir wiederholen diese Forderung, obwohl - wie wir wissen keine Aussicht auf Erfüllung besteht.

Die staatlichen Subventionen und die Garantie der Zinsen und Annuitäten zeitigten nicht die gewünschte Baulust, weil Genossenschaften und Privatpersonen nicht wissen, woher sie sich den Baukredit verschaffen sollen. Die Geldinstitute müssen verhalten werden, einen erheblichen Teil ihrer Gelder der gemeinnützigen Bautätigkeit zur Verfügung zu stellen und von der Regierung muß die Erlangung von Subventionen bedeutend erleichtert werden.

Unbedingt notwendig ist es, das private Kapital zur Wohnungerstellung heranzuziehen und diesem auch einen Anreiz zur Schaffung von Wohnungen zu bieten. Die drückenden Lasten und Einschränkungen des Realbesitzes in Form von Steuern, Mietzinsabgaben, die Anforderungsmöglichkeiten von Wohnungen müssen herabgemindert werden. Die großen Finanzinstitute, die überall Niederlassungen gründen und Beamte hereinziehen, sind zu veranlassen, für die besetzten Lokale und ihre Beamten eigene Wohnhäuser zu erbauen.

Eine Vorbedingung für eine großzügige Wohnungsfürsorge wäre die möglichst verläßliche einwandfreie Feststellung des Wohnungsbedarfes, worauf nach einem großzügigen Plane die öffentliche und private Bautätigkeit durch Sicherstellung langfristiger Kredite mit aller Energie gefördert werden müßte. In diesem Falle wäre die Bevölkerung die bei so vielen Posten beanständete Großmannsucht gerne hinnehmen, damit wir endlich einmal wenigstens einigermaßen aus dem unerträglich gewordenen Wohnungselend herauskommen.

Wir wissen, daß unsere Worte in den Wind gesprochen sind, daß unsere Anträge nach festgesetztem Beschlusse niedergestimmt werden, bei einer solchen Demokratie fehlt uns jede Liebe und jegliches Vertrauen zu diesem Staate und seiner Regierung. Daher werden wir auch gegen das Budget stimmen. (Potlesk na levici.)

5. Øeè posl. S. Mayera (viz str. 1077 protokolu):


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