Ètvrtek 24. listopadu 1921

Auch die Befreiung Englands von seiner drückendsten Sorge, von der es, wenn es sich um europäische Dinge handelte, bisher präokkupiert war, kann seine Kräfte gegen die französische Gewalt- und Erstickungspolitik gegenüber den Deutschen freimachen.

So könnte von Washington aus ein Schritt gemacht werden, der uns einem auf ökonomischem Denken, auf Klarheit und Nüchternheit aufgebauten Systeme näher brächte. Das Beispiel der englischen und amerikanischen Abrüstung könnte nicht ohne Einwirkung auf den europäischen Militarismus bleiben. Kurz wir geben die Hoffnung auf ein Zusammenwirken Amerikas, Englands und der Deutschen nicht auf.

Findet man den Mut zur Realpolitik nicht und bleibt es auch in England und Amerika nur immer bei einzelnen, verhallenden Stimmen der Vernunft, so geht es mit allen Staaten nur immer weiter ab wärts. Das wirtschaftliche Wohlbefinden Deutschlands und Österreichs ist eine Täuschung, es ist heute noch wie das gute Aussehen und die Ruhelosigkeit eines Fieberkranken, dessen Kräfte, ohne daß er sich dessen bewußt wäre, verfallen, dessen Lebenssubstanz aufgezehrt wird. Was die deutsche Privatwirtschaft zu ver dienen meint, wird von der Überschuldung der Staatswirtschaft weit überwogen. In den Siegerstaaten ist das Bild klarer. Arbeitslosigkeit, Übersteuerung und Defizit liegen dort offen zu Tage. Was dort täuscht, ist speziell in Frankreich die Einstellung unerfüllbarer Forderungen als Aktivposten. Nur wenn man diese beiden Täuschungen wegräumt, wird man die traurige Wahr heit erkennen, die Konkursmasse der Welt überblicken und danach, allerdings zu spät, die Gesamtpolitik einzurichten vermögen. (Souhlas na levici.)

3. Øeè posl. Pohla (viz str. 1035 protokolu):

Hohes Haus! Als ich beim vorjährigen Budget aussprach, daß wir in diesem Staat faktisch keine Kohlennot, sondern einen Kohlenüberfluß haben, als ich die Öffentlichkeit und die Regierung darauf aufmerksam machte, diesem Umstand durch eine andere Kohlenbewirtschaftung Rechnung zu tragen, hat man mir entweder nicht geglaubt oder man hat die Dinge doch anders gesehen, als sie in Wirklichkeit waren; kurz, man hat nichts getan, um den Verhältnissen, die sich nun entwickelt haben, irgendwie vorzubeugen. Die Kohle, die wir haben, war früher für ein weit größeres Wirtschaftsgebiet bestimmt. Dieses Wirtschaftsgebiet ist uns verloren gegangen, nicht durch die rechtliche Trennung der Staaten, sondern verloren gegangen durch die Politik, die dieser Staat mit der Kohle getrieben hat. Diese Sünden der Vergangenheit rächen sich derart, daß sich die Situation im gegenwärtigen Moment zu einer Krise, zu einer Katastrophe zuspitzt. Den ehemaligen Braunkohlenabsatz nach Deutschland, der 40% der Förderung betrug haben wir bis auf 20% verloren, nicht durch die Valuta, sondern durch die Ausfuhrdrosselung und die Ausfuhrerschwernisse. Die Ausfuhr der Steinkohle und Koks nach Österreich haben wir ebenfalls durch Drosselung und allerlei Manipulationen so verwirkt, daß uns dieser Absatzmarkt für immer zu ent schwinden droht. Im Budget des Kapitels Ministerium für öffentliche Arbeiten be findet sich eine Post von 40 Millionen Kronen Einnahmen an der Kohlenausfuhr im heurigen Jahre und 80 Millionen Kronen im Vorjahr. Die Regierung ist vor sichtig; sie präliminiert die Einnahmen aus diesem Titel für das kommende Jahr um 40 Millionen, also um die Hälfe weni ger. Und auf welche Art, durch welche Methode sind nun diese und auch noch andere Millionen hereingekommen? Man hat die Staaten, in die man ausführte, be sonders das arme Österreich, ein kohlenarmes Land, ununterbrochen fühlen las sen: "Wenn du einen Waggon Kohle be kommst, so bedanke dich dafür kniefällig, wir erweisen dir eine große Gnade, du mußt dir alle Bedingungen gefallen lassen!" Es gehört zu einer Regel der Kohlen bewirtschaftung dieses Staates - fast bis zum heutigen Tage noch - den Öster reichern keinen Meterzentner gute Kohle, sondern nur schlechte Kohle zu liefern und zwar nicht nur zu den Preisen, wie wir sie bezahlen müssen, sondern zu Preisen, die durch die Ausfuhrprämie verteuert werden. 1000 Kronen pro 10 Tonnen ganz minderwertiger Braunkohle mußten die Österreicher an Ausfuhrprämie bezahlen zu einer Zeit, als ihre Krone 10:1 stand, das heißt 10.000 Kronen nach ihrer Währung. Diese ließen sich die Österreicher nur solange gefallen, als sie mußten, und kein anderer Staat auf der Welt wird sich ein solches Vorgehen länger gefallen lassen, als er absolut muß. Als der Staat nicht mehr mußte - und wir haben dazu beigetragen - daß er heute nicht mehr muß - kam Stinnes. Und wenn Sie wissen wollen, warum Stinnes sich bei der Alpine in Österreich festgesetzt hat, so will ich es Ihnen sagen: hauptsächlich deshalb, weil unsere Koksund Kohlenpolitik die Alpine dem Stinnes in die Arme getrieben hat. Die Alpine hat sich dadurch von der ständigen Not an Koks und Kohle und von der Schikanierung befreit, sie bekommt westfälische Kohle und ist dadurch dem Stinneskonzern ausgeliefert worden. Der Absatzmarkt für unseren Koks ist wahrscheinlich für immer für uns verloren. Wir haben weiters den Absatzmarkt für die ganze österreichische Eisenindustrie und zwar die Hüttenindustrie wie die Feinindustrie verloren. Manche Firmen sind auf viele Monate hinaus mit teuerem englischen Koks eingedeckt, nur aus dem Grunde, um sich von den Schikanen dieses Staates zu befreien. Und die Wirkung dieser Politik ist, daß die Koksanstalten in Mähr.-Ostrau 3 Tage in der Woche arbeiten, daß die Vorräte 1 1/2 Million Meterzentner betragen, daß der Koks nicht abzusetzen ist und daß wir kurz und gut in unserem größten Koksund Kohlenrevier vor einer großen Krise stehen.

Das ist natürlich nur ein Grund für die Zustände, die sich entwickelt haben. Ein weiterer Grund - und ich möchte fast sagen, der hauptsächlichste Grund für die Wirtschaftspolitik auf diesem Gebiete ist die Kohlensteuer. Wir hatten nicht Gelegenheit, bei der Beratung der Kohlensteuer unser Votum abzugeben. Die Kohlensteuer hat die alte Revolutionsnationalversammlung beschlossen. Es mag für Sie vom Standpunkt Ihrer Finanzpolitik eine sehr bequeme Steuer sein. Sie bringt sehr viel und kostet einen kleinen Beamtenapparat. Es gibt keine Steuerhinterziehung und es gibt keine Steuerreste. Ja, im Gegenteil. Als im Jahre 1920, im Mai, die Kohlensteuer in Wirksamkeit trat, als am 15. Juni 1920 die erste Rate fällig war, das Finanzministerium im Mai 1920 aber in großen Zahlungsnöten war, da wandte es sich an die reichen Bergwerksbesitzer und sagte: "Schaut her, Ihr könnt doch die am 15. Juni fällige Kohlensteuer etwas früher zahlen!"

Die Unternehmer waren gnädig genug, dem Finanzministerium aus der Verlegenheit zu helfen, und haben die Steuer um einen ganzen Monat im vorhinein bezahlt; sie hoffen naturgemäß, dafür die Verrechnung später prasentieren zu können. Die Steuer beträgt von Ihrem Gesichtspunkt des Budgets aus gesehen 1 1/2 Milliarde Kronen und so viele Versuche gemacht werden, an diese unproduktivste unwirtschaftlichste aller Steuern dieses Staates etwas zu rühren, es ist nichts zu machen. "Es geht nicht, das ist undiskutabel," hallt es von den Mehrheitsparteien und von der Finanzverwaltung zurück. Ich glaube, wir befinden uns jetzt in einem Zeitpunkt, wo dieses Kapitel dennoch anders erörtert werden müßte, wo auch von den Mehrheitsparteien sorgsamer über diese Dinge nachgedacht werden müßte. Eine Reform, die Abänderung und Aufhebung der Kohlensteuer, ist ein dringendes Bedürfnis des Tages und der Stunde geworden. (Souhlas na levici.) Sie haben im verflossenen Sommer mehrmals den Versuch unternommen, an der Kohlensteuer zu ändern. Sie haben einen Antrag unterbreitet, daß die Kohlensteuer aufgehoben wird für jenen Koks, der dem Eisenhüttungsprozesse dient. Das Gesetz wurde in der Nationalversammlung beschlossen, dem Senat überwiesen, aber bei der Ausschußberatung im Senate entdeckte plötzlich jemand, daß diese Befreiung auf Grund des Friedensvertrages auch dem dem österreichischen Eisenhüttungsprozesse zu liefernden Koks zugute käme und das darf doch nicht sein. Die Österreicher müssen niedergehalten werden, und so wurde die Vorlage zurückgezogen. Die Folge ist die Stillegung von so und so viel Hochöfen in diesem Staate. Ein zweiter Umstand, der unsere Kohlenbewirtschaftung ungünstig beeinflußt, ist unsere Tarifpolitik. Ich will von einer generellen Herabsetzung der Tarife weniger reden, denn wahrscheinlich würde der Eisenbahnminister kommen und sagen: "Ich muß das Budget in meinem Haushalte in Ordnung bringen, die Kohle ist ein so wichtiger Frachtartikel, daß ich am Tarif nichts ändern kann." Aber, meine Herren, daß man die Tarife nicht abstuft nach dem Verbrauchswerte der Kohle, daß für minderwertige Kohle genau dieselben Tarife gezahlt werden wie für hochwertige, die das vielleicht verträgt, daß man die Tarife nicht durchrechnet, sondern, daß wir die teuerste Fracht für Kohle in ganz Mitteleuropa bezahlen, dieser Umstand ist wohl geeignet, behandelt zu werden. Aber auch er wird für undiskutabel befunden. Ja noch mehr! Als die jetzige Katastrophe des Valutasturzes der Mark eintrat, als die Ausfuhr der Braunkohle, auf die wir in unseren Braunkohlenrevieren angewiesen sind, fast unmöglich wurde, selbst da ist das Eisenbahnministerium nicht gewillt und gesonnen, die besonderen Tarifzuschläge bis an die Reichsgrenze für Auslandskohle aufzuheben, so daß ein Waggon Kohle von Brüx nach Bodenbach, wenn der Bodenbacher ihn verbraucht, 400 Kronon Fracht kostet und wenn ihn der Ausländer verbraucht, 500 Kronen, was jetzt 300 Mark bedeutet. Für die Eisenbahn könnte es sich ja schließlich gleichbleiben! Die Wirkung wird sein, daß sie so und so viele Hunderte Waggons nicht befördert und daß sie auch die 400 Kronen statt der 500 Kronen nicht erhält. Und ähnlich ist es mit der Kohlensteuer. Auch das Finanzministerium sagt, es könne an der Kohlensteuer nichts ändern. Meine Herren! Das Finanzministerium könnte uns da eine Aufstellung machen - es wird sich aber wahrscheinlich hüten - wieviele Hunderte Millionen an Kohlensteuer verloren gegangen sind durch die Krise, die durch die Kohlensteuer in ihrer gegenwärtigen Höhe verursacht wurde. Es sind durch die Krise im Anfang des Jahres mehr als 70 Schächte zum Stillstand gekommen, 5000 bis 6000 arbeitslose Bergarbeiter sind die Folge. Und es ist ganz unfaßbar für die Politik eines Staates, daß das ganze Wirtschaftsleben vermöge einer unsinnigen und unvernünftigen Steuerpolitik, wie es bei der Kohlensteuer der Fall ist, zugrunde gerichtet wird. Sie haben nicht den Mut, ihre Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu bringen, Sie haben nicht den Mut zu sparen, dort wo es im Budget wirklich zu sparen ginge, Sie haben auch nicht den Mut, eine wirkliche Besteuerung des Besitzers durch entsprechendeVermehrung der direkten Steuern vorzunehmen, sondern ihre Steuerpolitik fußt auf den indirekten Steuern und eine der schädlichsten der indirekten Steuern, die es gibt, ist die Kohlensteuer. Denn sie lastet auf unserer Industrie, vor der die Arbeiterschaft in kritischer Weise betroffen wird, nicht einmal und nicht zweimal, sondern je nachdem das Produkt vom Rohmaterial bis zum Fertigprodukt ein-, zwei-, drei- oder viermal durch das Feuer geht. Daß die Steuer wahnsinnig hoch ist, bis 30%, werde ich später noch zu beweisen haben. Nicht nurwir Bergarbeiter, auch andere Leute wehren sich vergeblich gegen die Kohlensteuer. Und es freut mich ungemein, daß die Bergwerksbesitzer in Ostrau in einem Memorandum an die Regierung vom Oktober 1921 in schärfster Weise gegen die Kohlensteuer Stellung nehmen, sie für verderblich halten, sie als geeignet ansehen, das ganze Wirtschaftsleben des Staates zugrunde zu richten. Es ist aber ein sehr interessantes und pikantes Detail dabei, unter den hier namentlich aufgezählten Bergwerksgesellschaften ist auch die ehemalige österreichische Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Mähr.-Ostrau. Und da haben sich in der letzten Zeit wesentliche Veränderungen in deren Verwalttungsrat vollzogen. Der Präsident ist der ehemalige Finanzminister Prof. Dr. Engliš, im Verwaltungsrat ist Dr. Scheiner, in der èechischen Politik sehr bekannt, ein weiteres Mitglied des Verwaltungsrates ist Dr. Stránský und ein weiteres Mitglied Dr. Fajfrlík. Und ich glaube, den hier aufgezählten Herren, die mit zu den Koalitionsparteien gehören, für die Politik dieses Staates verantwortlich sind, müßte es leichter sein, in einem Memorandum die Regierung aufzufordern, die Kohlensteuer aufzuheben, als ihre Politiker der Koalition wirklich dahin zu beeinflussen, diese schädliche Steuer wirklich zu beseitigen, dort, wo sie die Macht dazu haben, meinetwegen in der Pìtka, in ihrer Regierung oder sonstwo. Ich habe schon erwähnt, daß die Wirkung dieser Steuerpolitik für die gesamte Industrie und zunächst für die Bergbauwirtschaft einen ungeheuren Schaden anrichtet. Wir haben heute weit über 7000 beschäftigungslose Bergarbeiter, und weit mehr als die Hälfte aller Gruben arbeitet kurzfristig mit Feierschichten, 3 bis 4 Schichten wöchentlich. Und da muß nun wohl jeder Mensch sich fragen, warum der Kohlenreichtum dieses Landes, der diesem Staat zum Segen und zur Grundlage einer reichen Volkswirtschaft werden könnte, derart zu seinem Verderben wird. Und was tut der Staat, besser was hat er getan, um diesen Reichtum auszunützen? Immer das Gegenteil von dem, was nötig gewesen wäre, immer das Gegenteil von dem, was eine vernünftige Wirtschaftspolitik von selbst diktieren sollte. Der Staat duldet gerade bei dem wichtigsten Rohstoff der Industrie, bei der Kohle, eine Politik, die sich nachgerade besonders in den letzten Tagen zu einer schweren Gefahr für das ganze volkswirtschaftliche Leben dieses Staates herausbildet. Die Unternehmer sehen die schädlichen Wirkungen dieser Politik zweifellos. Aber sie haben andere Grundlagen, sie haben andere Ausreden und sie haben andere Gründe und andere Methoden, die sie vorschlagen zur Beseitigung der Gefahr, sie sagen zunächst: "die Kohlenproduktion muß gehoben werden". Schön, das sehen wir ein. Wir sind bereit mitzuhelfen, und wir haben es schon wiederholt öffentlich ausgesprochen, daß wir mithelfen wollen; sie sagen aber weiter: "die Löhne sind zu hoch, die Löhne müssen abgebaut werden", und der letzte Konflikt, der sich nun vor Ihren Augen abspielt, meine Damen und Herren, geht darum, ob die Sanierung der Kohlenwirtschaftskrise auf Kosten der Lebenshaltung der Bergarbeiter oder durch andere Methoden erfolgen soll. Die Unternehmer benützen den Kurssturz der Valuta dazu, um die Krise aufzurollen, die Lohnfrage damit in Verbindung zu bringen und zu sagen: "Bis hieher, wir können nicht weiter". Sie weisen ziffermäßig ihre Schäden durch den Kurssturz der Valuta nach und sagen, es gäbe kein anderes Mittel, als die Löhne herabzusetzen und die Produktion zu erhöhen.

Zunächst möchte ich, damit keine Irrtümer entstehen, von dieser Stelle aus öffentlich etwas richtig stellen; die Unternehmer verschweigen wissentlich eine Tatsache. Maßgebend sind weniger absolute Ziffern, bei der Beurteilung einer Frage, sondern ausschließlich die Lohnkosten pro Meterzentner. Die Lohnkosten per Meterzentner sind im ganzen èechoslovakischen Kohlenbergbau beim Stein- und Braunkohlenbergbau im letzten Jahre ganz erheblich gesunken. Das ist es, was die Unternehmer, natürlich mit Absicht verschweigen, es würde ihre Politik, die Krise mit der Herabsetzung der Lebenshaltung der Bergarbeiter zu sanieren, dann schwer verstanden und in der Öffentlichkeit womöglich unbeachtet bleiben. Wir haben im nordwestböhmischen Braunkohlenbergbau vom November 1920 bis Juli 1921 eine Herabsetzung der Lohnkosten von 4.70 K auf 4.29 per q zu verzeichnen. Es wird nun in der Öffentlichkeit auffallen, daß ein Meterzentner 4.20 Kronen an Lohn kostet - und bei diesen Löhnen sind die Bezüge aller im Betriebe beschäftigen Beamten mit einbezogen. Und wenn Sie in den Verbrauchsstätten Braunkohle mit 24, 28, 30, 34 und 36 Kronen pro q bezahlen müssen, so wollen Sie bei diesen Ziffern im Auge behalten, daß der Bergarbeiter davon 4.29 Kronen bekommt. (Hört! Hört!) Und wenn Sie für Steinkohle 65, 67 und 70 Kronen pro q am Verbrauchsorte bezahlen, wollen Sie dabei bedenken, daß Sie dabei an Lohnkosten höchstens 9-11 Kronen pro q bezahlen. Was Sie außerdem bezahlen, sind andere Gestehungskosten, sind Tarifkosten, Unternehmer- und Händlergewinne und Steuern. Wie das im Detail aussieht, möchte ich Ihnen an einem einzigen Bild so recht drastisch zu Augenschein bringen.

Die Lohnkosten pro 10 Tonnen in Brüx, Mittelsorte, haben zu einer gewissen Zeit 268 Kronen betragen. Das Material kostet 208 Kronen, die sonstigen Betriebskosten betragen 218 Kronen. Um 910 Kronen wurden die 10 Tonnen verkauft, die Kohlensteuer beträgt davon 273 Kronen, die Fracht bis Prag 600 Kronen, also ohne Händlergewinn 1783 Kronen. Darin steckt nach offiziellen Mitteilungen der Berg werksbesitzer ein Lohn von 268 Kronen.

Ich habe diese Ziffern deswegen ausführlich gebracht, um damit vor aller Öffentlichkeit die Frage aufzurollen: Ist es möglich, daß die Krise im Bergbau im Wege der Herabsetzung der Lebenshaltung der Bergarbeiter saniert werden kann oder nicht? Jeder volkswirtschaftlich denkende Mensch wird zur Überzeugung kommen, daß das rein unmöglich ist, und würden die Unternehmer unter gewissen günstigen Umständen eine 20-, 30- und 40%ige Herabsetzung der Löhne durchzusetzen vermögen, der Krisenzustand im Bergbau würde nicht aufhören, der sitzt tiefer. Mit diesen Mitteln ist es überhaupt nicht zu machen. Die Krise hat sich verschiedenartig bemerkbar gemacht, seit Jänner besteht sie schon im Braunkohlenbergbau und seit dem Spätsommer auch im Steinkohlenbergbau im größten Revier der Republik in Ostrau. Im August haben die dortigen Bergwerkbesitzer den Lohnvertrag gekündigt und Unterhandlungen auf Grund einer 30 %igen Herabsetzung der Löhne vorgeschlagen. Vier Monate haben die Unterhandlungen, die zwischen den Vertretern der Organisationen und der Unternehmer in Ostrau geführt wurden, gedauert. Sie haben kein Ergebnis gezeitigt. Am 29. Oktober ist es im Beisein des Ministers für öffentliche Arbeiten erst gelungen - d. h. man war der Ansicht, es sei gelungen - ein Übereinkommen zu treffen. Dieses Übereinkommen wurde nun von beiden Seiten verschieden ausgelegt. Während die Arbeitervertreter und der Minister für öffentliche Arbeiten und der das Protokoll führende Beamte im Ministerium der Ansicht sind, daß eine Gedingherabsetzung nicht vereinbart wurde, sondern nur eine Erhöhung der Produktion um 10 Prozent im November und um weitere 10 Prozent im Dezember, gingen die Ostrauer Bergwerksbesitzer nachhause und haben auf Grund mißverständlicher und bewußt falscher Auslegung der Vereinbarungen von Prag eine zehnprozentige Herabestzung der Gedinge für November angekündigt, pardon - nicht der Gedinge, sondern der Löhne im allgemeinen - und durchgeführt und eine weitere zehnprozentige Gedingeherabsetzung für Dezember angekündigt. Soweit steht augenblicklich der Konflikt. Gestatten Sie, Hohes Haus, daß ich mit einigen wenigen Argumenten darauf eingehe, ob an sich die Frage berechtigt ist in der gegenwärtigen Zeit, an der Lebenshaltung der Arbeiter Verschlechterungen vorzunehmen, sei es bei welcher Gruppe und bei welchem Berufe immer. Die Lebenshaltung der Bergarbeiter hat - es wäre unobjektiv, es nicht zuzugestehen - sich im Verlaufe der letzten drei Jahre gebessert. Der Durchschnittslohn beträgt 66 Kronen. Aber an dem Lohn hat sich seit dem November vorigen Jahres nichts geändert, es sind heute dieselben Löhne und Gedingsätze in Giltigkeit, die im November vorigen Jahres abgeschlossen wurden, und insoweit auf einzelnen Gruben ein höherer Verdienst erzielt wurde, ist dies ausschließlich durch die erzielte Mehrleistung hervorgerufen worden. Bis zum heurigen Sommer ging es mit der Lebenshaltung so ziemlich. Es war ein langsames, aber doch ein stets bemerkbares Sinken der Preise der Produkte, die zum Lebensunterhalt notwendig sind, feststellbar und in jedem Haushalt, auch in dem Arbeiterhaushalt fühlbar, wenn es auch nicht sehr erheblich war. Als dem Wunsche der agrarischen Parteien dieses Staates Rechnung getragen und die Ausfuhr von Lebendvieh bewilligt wurde, als das Sinken der Vieh- und Fleischpreise damit sofort in ein neuerliches Steigen überging, als endlich am 5. September der von den agrarischen Parteien als Allheilmittel längst ersehnte und gepriesene Zustand des freien Handels und der freien Bewirtschaffung mit Brot und Mehl eintrat, da war von diesem Moment ein konstantes neuerliches Steigen der Preise der Lebenshaltung aller Menschen zu verzeichnen und zwar ein Steigen, das größer ist als je in einer Periode der Kriegs- oder Nachkriegszeit. Wir haben vom 31. Juli bis Ende Oktober ein Steigen der Bedarfsartikel um 15 Prozent, in zwei Monaten, wir haben seit Oktober ein weiteres Steigen aller Produkte. Wir haben ein größeres Steigen zu verzeichnen bei anderen zur Lebenshaltung notwendigen Bedarfsartikeln, wie Kleider, Wäsche und Schuhe.

Nun muß man sich fragen: Kann man irgendeiner Klasse von Menschen, die ihr Einkommen ausschließlich aus dem Ertrag ihrer Arbeit bezieht, zumuten, diese 20prozentige Steigerung, die amtlich festgestellt ist, durch Einwilligung in einen Lohnabzug zu quittieren? Ich glaube nicht! Die Löhne sind für uns kein fixer Begriff und wir halten an den derzeitigen Löhnen keineswegs fest. Wozu dient der Lohn? Zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten. Wenn diese mit einem geringeren Aufwand und mit geringeren Mitteln bestritten werden können, haben wir gegen einen Lohnabbau gar nichts einzuwenden. Aber diesem Lohnabbau - das möchte ich besonders den Herren Agrariern sagen - muß der Preisabbau vorangehen (Souhlas na levici), also in umgekehrter Richtung, als die Preiserhöhung gekommen ist. Von der Preissteigerung der Lebensmittel ist die Steigerung im allgemeinen und die Lohnbildung ausgegangen, mimit dem Unterschied nur, daß die Arbeiter und die Angestellten nie nachgekommen sind, und soll Preisrückgang eintreten, so muß mit der Senkung der Preise der Urprodukte, der Nahrungsmittel begonnen werden; dann erst können die Löhne folgen, wie sie bei der aufsteigenden Tendenz folgen sollten, allerdings nicht folgen konnten. Aber zum Unterschiede von den Ostrauer Verhandlungen haben - ich sage das hoffentlich ohne in den Geruch zu geraten, daß ich den Herren Braunkohlenbergwerksbesitzern das Wort rede haben die Branunkohlenbergwerksbesitzer erklärt, es sei ihres Erachtens die Zeit für einen Lohnabbau bei der jetzigen Preissteigerung keineswegs gekommen, und ein Unternehmer war so offen und sagte: "Wenn ich die Kosten der Krise, wenn ich die Kosten meines Defizits durch die Löhne hereinbringen wollte, müßte ich die Löhne nicht um 20 % und nicht um 30, sondern um 54 % herabsetzen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit." Anders die Steinkohlengrubenbesitzer in Mähr. Ostrau. Bei ihnen ist es zu fixen Idee geworden, die Krise lasse sich nur durch Herabsetzung der Lebenshaltung, also der Löhne der Arbeiterlösen. Sie haben am 6. November diese ihre Kundmachung angeschlagen und halten nun an diesem ihrem Standpunkte fest. Bei dem am 21. November unter Vorsitz des Ministers stattgefundenen Verhandlungen haben sie erklärt, sie hätten keine Vollmacht von der Direktorenkonferenz, seien bloß hier zur Information. Vom Minister für öffentliche Arbeiten wurden sie weiter eingeladen, sich bei der Direktorenkonferenz Vollmachten zu erbitten und zur neu erlichen Verhandlung am 24. November zu erscheinen.

Heute vormittags sind die Unternehmer von Ostrau nicht gekommen. Sie haben der Einladung des Ministers keine Folge geleistet und haben erklärt, daß die Direktorenkonferenz es ablehnt, einer Einladung der Regierung Folge zu leisten, und daß sie es weiter ablehnt, mit den Vertretern der Organisationen zu unterhandeln. Ich möchte Folgendes feststellen: Die Bergarbeiter ohne Unterschied der Organisationszugehörigkeit, ohne Unterschied der Nation, haben sicherlich seit Bestand dieses Staates ihre Pflicht erfüllt, und es wird niemand in diesem Hause sein, der das Gegenteil behaupten wollte, sie haben durch ihre Arbeit zur Gesundung des volkswirtschaftlichen Lebens beigetragen. Die Bergarbeiter von Ostrau haben ihren Organisationen, trotzdem sie ein Ultimatum gestellt haben, weitere Verhandlungsmöglichkeiten eingeräumt. Und sie haben weiter ihre Zustimmung dazu erklärt, bei allen Maßnahmen zur Hebung der Produktion mitzuwirken. Ich gebe ohne weiters zu, daß besonders im Steinkohlenbergbau es möglich und notwendig ist, die Produktion zu heben. Aber nicht die Arbeiter sind schuld an der schlechten Produktion. Besonders im Steinkohlenbergbau hat das Barometer der Produktionssteigerung ausschließlich der Generaldirektor in der Hand. Ob der Vorbau vernachlässigt oder der Abbau forçiert wird, oder umgekehrt, darüber hat er allein zu entscheiden. Ich will hier etwas feststellen: seit wir das Gesetz über die Betriebsräte haben, welchen ein gesetzliches Vorschlagsrecht über Betriebsverbesserungen eingeräumt wurde, haben es unsere Betriebsräte nie und nirgends unterlassen, fast auf allen Betrieben Verbesserungen, die zur Steigerung der Produktion führen können, vorzuschlagen. Leider werden 99 % dieser Vorschläge von den Unternehmungen glatt in den Papierkorb geworfen, und es ist zweifellos eine Lücke des Gesetzes, daß es kein Mittel gibt, um die Unternehmer zu zwingen, praktisch durchführbare Vorschläge auch wirklich zu berücksichtigen. Nun wird man sich fragen: Was wollen die Unternehmer, wie können sie eine solche Stellungnahme vor der Öffentlichkeit gegenüber denBergarbeitern verantworten? Zunächst aber glaube ich, wenn sie der Einladung des Ministers keine Folge geleistet haben, so ist es nicht unsere Sache, sich um die Reputation des Ministers zu kümmern. Ich weiß nicht, wie der Minister es auffaßt, ich weiß nicht, wie die Regierung in ihrer Gesamtheit es auffaßt, daß sie einen Teil ihrer Bürger zu Verhandlungen einlädt und einfach brüskiert wird. Aber vom Standpunkt der Bergarbeiter kann ich Ihnen sagen, daß diese Herausforderung wohl nicht anders beantwortet werden kann, als daß alle Bergarbeiter der Republik dazu Stellung nehmen. Die Bergarbeiter haben es an Versuchen, den Konflikt zu bereinigen, nicht fehlen lassen, es bestanden Verhandlungsmöglichkeiten bis zum letzten Moment. Und nun, meine Herren, eine Frage:

In den Jahren 1918, 1919 und 1920 haben Sie in Ihrem Staate bei jeder Gelegenheit von der Sozialisierung der Gruben gesprochen; ich weiß nicht, was der jetzige Chef der Regierung zu diesem Kapitel gesagt hat, ich glaube, er hat gar nichts gesagt, aber der erste Ministerpräsident in diesem Hause Tusar hat die Sozialisierung der Gruben in sein Programm aufgenommen, sein Nachfolger, Èerný, hat das Programm übernommen, - wie ist es nun möglich, frage ich, daß da in diesem Kapitel nichts geschieht? Sie haben in der ersten Zeit Ihrer Revolutionsepoche fortwährend, wenn die Untern ehmer nicht parieren wollten, mit der Sequestrierung der Betriebe gedroht; ich weiß nicht, ob sich die Unternehmer davor gefürchtet haben, aber jedenfalls ist es ein Zeichen der Zeit.

Der èechische Kapitalismus hat Eingang gefunden in den Kohlenbergbau, er hat einen großen Teil des deutschen Kapitals dort ersetzt; wir stehen heute im Kohlenbergbau nicht mehr ausschließlich deutschen Kapitalisten gegenüber, sondern wir, die Bergarbeiter, - wir wissen es so genau, wie es die Bankbeamten bei ihrem Streik gewußt haben - stehen heute Herrn Rašín und seinen Hintermännern gegenüber. Wir stehen auch dem èechischen Kapital gegenüber, und dieses èechische Kapital fühlt sich auch schon mächtig genug, der Regierung zu trotzen und sich nicht an den Verhandlungstisch mit den Bergarbeitern zu setzen; anders wäre es nicht erklärlich. Es macht ja nichts, daß immer noch der eigentliche Diktator des Ostrauer Reviers der Generaldirektor Günther ist, aber die Interessen seines Kapitals verquicken sich schon mit den Interessen des èechischen Kapitals und da läßt man sich schon von Herrn Generaldirektor Günther führen, insbesondere wenn diese Führung auf Kosten der Lebenshaltung der Arbeiter geht und geeignet ist, den ganzen Kurs unserer sozialpolitischen Bewegung aufzuhalten. Und es tut wohl nichts zur Sache, daß was ich schon vorhin erwähnt habe - im Verwaltungsrat der ehemals deutschen Bergwerksgesellschaften gute èechische Patrioten sitzen: der Obmann der Sokolschaft Scheiner, der frühere Finanzminister Dr. Engliš, der ein ganz schönes Gutachten geschrieben hat, daß man langsam zur Sozialisierung der Gruben kommen müsse, weil der heutige Zustand unhaltbar sei; und er glaubt anscheinend, der beste Weg zur Sozialisierung der Gruben sei, sich zum Präsidenten der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft wählen zu lassen, wo er jedenfalls die Sozialisierung praktisch studieren wird, um seine Studien in die Tat umzusetzen. (Smích na levici.) Es ist also so, daß die Herren Sonnenschein und Günther allen Bergarbeitern den Kampf und Krieg angekündigt haben und daß die Herren Sonnenschein und Günther auch die Regierung brüskiert haben. Über dieses letztere will ich nicht viel sprechen, denn es ist nicht meine Sache. Gegenüber der Regierung fühlen sich die Herren aber nicht nur stark, das verdient bemerkt zu werden, weil die Herren Engliš, Scheiner, Stránský und Fajfrlík im Verwaltungsrat sitzen, sondern auch noch aus dem Grunde: weil sie mit großem Recht der Regierung Vorwürfe über die Art der Bewirtschaftung der Kohle machen können und weil sie sagen können: "Du hast uns so weit gebracht, du hast uns jedes Mittel versagt!" Und so rächen sich auch hier die alten Sünden in diesem Moment an der jetzigen Regierung, die persönlich vielleicht weniger Schuld hat, als ihre Vorgängerin oder Vorvorgängerin. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)


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