Pátek 3. prosince 1920

Das ist's, was wir wollen. Was wir aber sehen, ist die - infolge des harten Egoismus der Landwirte einerseits - der Unfähigkeit und energielosen Haltung der Regierung andererseits - zusammenbrechende Ernährungswirtschaft, die hereinbrechende Hungerkatastrophe, die denselben Gründen entspringende Absicht zum Expeirimentieren. Unsere seit fünf Jahren unterernährte Bevölkerung, unsere Bevölkerung mit ihren Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit ist körperlich und seelisch nicht in der Verfassung, ein Objekt von Experimenten zu sein. Schon eine alte Hausfrauenregel sagt: "Was man dem Magen zu wenig gibt, trägt man in die Apotheke." Die Apotheke, meine Herren und Frauen, könnte Revolution heißen. Wir haben soeben Erklärungen des Herrn Ernährungsministers gehört. Aber ich kann nicht sagen, daß auch diese Erkläru ngen geeignet wären, unsere große Unruhe, unsere schwere Sorge bezüglich unserer Volkernährung zu verscheuchen. Wir können der Regierung das Vertrauen nicht votieren. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

10. Øeè posl. Böllmanna (viz str. 1128. protokolu):

Hohes Haus! Wir bewegen uns anläßlich des Staatshauhaltes in dem Bereiche der nüchternen Ziffern. Es wird hier aber von solchen Summen gesprochen, die uns eigentlich nicht nüchtern, sondern stutzig machen. Das ist es nicht allein, was uns bewegt, dazu das Wort zu ergreifen. Es ist für die Allgemeinheit das erstemal, daß wir etwas von unseren Herzen bringen, was uns sehr bedrückt. Wir haben gewiß Anlaß dazu, über Schmerzen zu klagen und über eine gewisse Mißachtung, das ist das gelindeste Wort, das ich gebrauchen muß, die uns hier in diesem Hause von Anfang an zuteil wurde.

Ich wollte die Teplitzer Affäre nicht mehr berühren, die Rede des Herrn Kollegen Pastyøík, der der Vorsitzende im Untersuchungsausschuß in Teplitz war, veranlaßt mich aber, noch einmal davon zu sprechen. Auch ich war Mitglied dieses Untersuchungsausschusses und wohnte der Tagung in Teplitz bei.

Und wenn der Vorsitzende dieses Untersuchungsausschusses Herr Kollege Pastyøík sagt, nie ganze Affaire, die sich zugetragen hat, sei von den Deutschen verschuldet, weil sich die Èechen provoziert hätten, so ist es nicht nötig, daß wir das Gegenteil beweisen, ich will nur eine Aussage verlesen, die der Kol. Abg. Brožík vor der Untersuchungskommission abgegeben hat. Brožík gibt auf eine Anfrage des Abgeordneten Dyk bekannt, daß seine Partei auf dem Standpunkt stehe, die Beseitigung der Kaiser Josefdenkmäler sei der èechischen Nation nicht würdig, es müsse Sache jeder Nation sein, sich Denkmäler aufzustellen oder nicht. Insbesondere sei das Teplitzer Denkmal ein bedeutendes Kunstwerk eines heimischen deutschen Landsmannes gewesen, die ganze Frage sei nicht durch die Teplitzer, sondern durch die Èechen der Umgebung hervorgerufen worden und seine Partei stehe der Angelegenheit fern, obzwar Zweidrittel der Èechen hier sozial-demokratisch organisiert seien.

Das ist die Warheit und wir haben nichts hinzuzufügen. Wir wollen davon auch nichts wegnehmen. Es nimmt uns ja nicht Wunder, daß man von dieser Stelle aus der Offentlichkeit gegenüber die Sache gern immer anders darzustellen versucht, als sie sich in Wirklichkeit zugetragen hat. Wir erleben es zu wiederholtenmalen, daß man uns auf diese Weise in der Öffentlichkeit unmöglich machen will. Das geht nicht mehr. Unser Volk draußen ist aufgerüttelt, und wenn es noch nicht aufgerüttelt wäre, so muß die Behandlung, die uns hier zuteil wird, es aufrütteln. Wir bewegen uns in der Zeit des Nikolofestes. Es trat auch in diesem Haus ein Nikolo auf. Die Krampuse, die man draußen in den Läden und auf dem Markte sieht, sind alle mit einer großmäch tigen roten, spitzigen Zunge dargestellt; so ein Krampus trat auch gestern hier auf, er zeigte uns Deutschen seine spitzige rote Zunge, doch meine Herren, es ist ja doch der Krampus nur für Kinder bestimmt, die Kinder fürchten sich und wenn sie halbwegs erwachsen sind, fürchten sie den Krampus nicht mehr und sind zufrieden, wenn Sie vom Krampus nur ein Geschenk bekommen Wir allerdings erwarten vom ehemaligen Finazminister Rašín gar keine Geschenke. Das, was dieser Mann spricht, ist Wut, was er uns nimmt, ist unser Gut, und wornach seine Zunge lechzt, ist unser Blut. Wir sind ja nicht hier, diesen Mann eines Besseren zu belehren, aber furchtsam uns zu machen mit der Krampuskette oder Zunge, das ist wohl nicht die Aufgabe eines gewesenen Ministers dieses Staates. Das deutsche Volk ist über solches Gebaren erhaben. Wir wollen das Unglück, in das wir durch das Ende des Krieges hineingestürzt worden sind, mit Würde ertragen. Wir wissen, es ist nicht unsere Schuld, daß es so gekommen ist. Verrat auf allen Seiten, im Hinterland, im Schützengraben und auf dem Thron, wo ein Habsburger gesessen ist, unwürdig des Vorgängers, der sich Josef der H. nannte, ein Verräter war es, der uns mit Sixtusbriefen preisgegeben hat. So ein Mann war es, der uns hier in Österreich ins Unglück hineingeritten hat. Der Mann kannte das Wort nicht, das uns als höchste und größte unserer Tugenden nennt: "Die deutsche Treue." Wir halten sie unserem Volke auch im Unglück und wir warten im Ausharren in dieser Tugend auf gute und bessere Tage.

Das wäre erst die Einleitung. Wollen Sie uns die Mittel an die Hand geben, daß wir vielleicht auch in diesem Staate auf eine bessere Zukunft rechnen können, dann sind wir gerne bereit, die Hand zu ergreifen. Wollen Sie das nicht, wir sind das Dulden vom alten Österreich gewöhnt und werden es im neuen Österreich auch ertragen. (Posl. Dubický: To je agrární øeè!) Jawohl, es ist eine agrarische Rede. Wir wünchen nichts, als daß wir einer glücklicheren Zukunft entgegengehen, und jetzt komme ich auf das, was meine Kollegen sagen, daß wir festhalten sollen an dem eigenen Herd. Wir sind gewöhnt, unseren Heimatsboden zu lieben, und in dieser Liebe lassen wir uns von niemandem etwas abnehmen. Unser Volk ist das Heiligste für uns, unser Landvolk wurzelt im Boden, unser Landvolk wirkt und stirbt auf seinem Boden und will das, was es von seinen Vätern ererbt, deutsch auch seinen Kindern hinterlassen. Aus diesem Wirken heraus wollen wir dem Staate geben, was er braucht, ihm aber obliegt es, dem deutschen Volke zu geben, was es zu seiner Existenz braucht. Zur Existenz eines jeden Volkes aber in diesem Staate gehört es, daß alle die Mittel, die wir hier haben, ausgenützt werden, um die ersehnte Wohlfahrt des Friedens endlich zu erreichen. Das Land Böhmen, Mähren und Schlesien und vielleicht auch die Slovakei - ich kenne sie nicht näher, sind gesegnete Länder. Sie haben alles in sich, was die Einwohner dieses Staates befriedigen könnte, es heißt nur, die Quellen zu nützen, Handel und Wandel. Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe können aber nur blühen, wenn alles im Staate zu ihren Gunsten verwendet wird.

Dazu gehört - ich komme nun auf das eigentliche Thema, wozu ich mich gemeldet habe, - auch das Postwesen, Telegraf, Fernsprecher und Eisenbahn. Auf diesem Gebiete haben nicht nur wir Deutsche zu klagen, sondern auch die Herren auf der èechischen Seite. Die Post war ein ausgebauter Zweig des Verkehrswesens, bei dem es in Deutschland und Österreich geklappt hat. Ob es jetzt klappt, zweifle ich. Wenn ich als Landbewohner Ihnen sagen muß, daß wir draußen einen Brief von Prag erst nach 4 oder 5 Tagen bekommen, daß man auf Briefe, die von Leipa mit Expreßgebühr an unser Sekretariat nach Prag aufgegeben werden 4 Tage warten muß, und wenn unsere Zeitung, die "Landpost", von den Postbediensteten vielleicht die bestgehaßte Zeitung ist, so werden Sie gestehen, daß nicht alles klappt. Wir bekommen die Zeitung auf dem Lande nie auf einmal, sondern meist 3, 4 Nummern zu gleicher Zeit. Der Landbewohner draussen soll wie jeder andere Staatsbürger eine Zeitung lesen. Das ist die Pflicht eines jeden Staatsbürgers. Aber dem Landbewohner draußen erübrigt nicht so viel Zeit, um einige Stunden auf das Lesen einer Zeitung verwenden zu können, er hat täglich einige Minuten, eine Viertelstunde frei. Bekommt er aber einen Wust Zeitungen auf einmal, schmeißt er mißmutig das Ganze in den Winkel, und was zu lesen notwendig ist, liegt auch im Winkel. (Výkøik: Sie müssen das Prager Abendblatt abonnieren, das wird pünktlicher ankommen!) Es gibt noch eine andere Methode, wie man die Zeitung pünktlich bekommen kann. Wir haben vergeblich versucht, in Leipa es durchzusetzen, daß die Zeitung pünktlich in Prag eintrifft. Es war nicht möglich. Um aber zu erhärten, was daran schuld war, wir vermuteten das Richtige, daß die deutsche Anschrift der Anstoß war, versuchten wir es einmal von Leipa aus, die Zeitung unserem Klub nach Prag mit èechischer Anschrift zu senden. Das Postwunder geschah. An demselben Tag war die Zeitung in Prag, lag auf unserem Tisch. Glauben Sie vielleicht, daß unser Landvolk mit dieser Wirtschaft zufrieden sein kann?

Ein zweiter Fall. Ein Spar- und Darlehenskassenverein in einem Dorf draußen gab einen Brief an die Staatsbahndirektion in Prag auf. Ich glaube, diese Adresse kann genügen. Was geschah aber? Nach 3 Tagen bekam der Verein den Brief zurück mit dem Vermerk: "Zpìt, nìmecky nerozumíme." Sind wir denn nicht auch Bürger dieses Staates, haben wir nicht das Recht, uns unserer Sprache zu bedienen im Verkehr mit den öffentlichen Ämtern? So kann das Landvolk in solchen Vorfällen die Gleichberechtigung nicht erkennen. Wir haben doch auch Anspruch auf Behörden, wir zahlen ja ebenso Steuern, die Herren finden uns, wenn sie von uns Steuern, unsere Güterund unsere Jugend haben wollen. Dann schreiben sie auch deutsch; wenn wir aber etwas haben wollen, dann versteht man deutsch nicht. Und dieses ganze Gebahren ist uns einfachen Landleuten eben unverständlich.

Wir haben bezüglich der Post aber noch mehr Beschwerden. Wir am Lande sind stiefmütterlich behandelt; was das Verkehrswesen im großen und ganzen anbelangt, sind wir von den Verkehrszentren abgeschnitten, haben aber doch auch Geschäfte abzuwickeln. Aber auf Stunden weit steht uns oft kein Fernsprecher zur Verfügung. Wir sind nur auf Schreiben, im günstigsten Falle auf eine Drahtung angewiesen. Das ist aber schon immer ein Kunststück, um die Nachricht rechtzeitig an Ort und Stelle zu bringen.

Wir haben aber auch noch andere Beschwerden: Wenn man da irgend ein Paket aufgeben will, so unterliegt das wieder Hemmnissen. Der kleine Handwerker, der Gewerbetreibende in der Landstadt kann ein Postwertpaket mit 1000 K Wertangabe nicht zu jeder Zeit anbringen, er ist an gewisse Beschränkungen gebunden. Wenn aber der Staat verdienen will, so soll doch auch den Steuernträgern die Möglichkeit gegeben werden, ebenfalls zu verdienen. Unsere Gewerbetreibenden draußen müssen aber oft wochenlang warten, bevor sie die für sie so wichtigen Wertpakete zngestellt erhalten. Ich habe einmal von Prag ein Paket an meine Frau nach Hause geschickt. Ich war während dieser Zeit zweimal zu Hause, aber das Paket war immer noch nicht da. Die Postbegleitadresse kam, aber das Paket nicht, und als es endlich kam, da können Sie sich denken, in welchem Zustande es war. Der Verkehr muß besser geregelt werden und ich möchte da den Herrn Postminister sehr bitten, er möge auf seine Bediensteten einwirken, daß sie nicht ebenso unpünktlich ihren Dienst tun, wie er es uns zeigt, der während es sich um sein Ressort handelt, im Hause nicht anwesend ist. Sie sollen sich an ihm ein Beispiel nehmen. Aber an seiner persönlichen Zuvorkommenheit! Ich rechne ihm diese Abwesenheit nicht so arg an. Es ist ja wirklich nicht so interessant, den Verhandlungen zu folgen, wenn man durch Wochen schon dasselbe hört. Es ist aber doch wichtig, hier zu sagen, und die deutsche Bevölkerung, besonders im Gebirge draußen, hat einen Anspruch darauf, - daß die modernen Verkehrsmittel auch der Landbevölkerung, zur Verfügung gestellt werden sollen. Man hört überall, daß Automobillinien errichtet werden, und die bestehende Automobilverbindung von Buchau nach Karlsbad z. B. hat ei ne solche Frequenz aufzuweisen, daß ein Reisender, der sich dieses Vehikels bedienen will, schon tagelang vorher den Platz mieten muß, fast schon wie in der alten Zeit der Thurn-Taxis'schen Post.

Wenn der Staat fortschrittlich sein will und wenn er gegenüber allen Schichten der Bevölkerung gerecht sein will, dann soll er dort, wo das Bedürfnis ist, eben diese Automobillinien ausbauen. Sie werden damit dem Volke und dem Staate nützen. Wir als Vertreter des Landvolkes haben ein besonderes Interesse daran und so möchte ich den Herrn Postminister bitten, das zu berücksichtigen, und uns in dieser Beziehung zu helfen.

Und noch etwas anderes. Man klagt über die Postverhältnisse im allgemeinen, und sehen Sie, wie sorgt man da für Abhilfe? Der Umbau der Bahnhofspostämter ist im Staatsvoranschlag für die Direktion Prag mit der Summe von 321.000 K bedacht. Mit dieser Summe kann man aber bei den jetzigen Preisen nicht viel Bahnhofpostämter ausbauen und wenn Sie sich die Verhältnisse in Nordböhmen anschauen, dann werden Sie sehen, daß die Bahnhofspostämter Reichenberg, Aussig, Teplitz, Karlsbad, Komotau und Eger den Anforderungen, die der Dienst an sie stellt, schon lange nicht mehr entsprechen. Und dieses Gebiet ist doch das verkehrsreichste, ein Gebiet, welches dem Staate das meiste einbringt, was er von Staatsergiebigkeit in diesem Lande erhoffen kann. Verstopfen Sie nicht diese Quelle, indem Sie den Verkehr unterbinden. Der Verkehr muß gehoben werden und der Ausbau dieser Bahnhofspostämter muß demgemäß in die Wege geleitet werden und besser dotiert werden.

Nun noch etwas anderes. Wenn in dieser Republik neben dem èechischen, dem staatserhaltenden Volke, doch noch andere Völker wohnen und nach der demokratischen Verfassung gleichberechtigt sind, so haben sie gewiß Anspruch, auch in volkswirtschaftlicher Beziehung von Bediensteten des eigenen Volkes wenn ich mir diesen Ausdruck erlauben darf - bedient zu werden. Wir sehen aber, daß besonders am Lande draußen unsere deutsche Post-Beamten abgesägt werden. In der Zeit der erschwerten Ernährung und der Wohnungskrise versetzt man diese Herren aus Dienstesrücksichten in das èechische Gebiet, wo sie kaum eine Wohnung finden, geschweige denn, daß sie sich mit den Ernährungssorgen zurecht finden können. Aber auch hier in Prag bei der Postdirektion gibt es einzelne deutsche Beamte, und die Zugehörigkeit zum deutschen Volke ist natürlich ein Anlaß, daß man sie bei der Beförderung nicht der guten Dienstleistung halber vielleicht einen Rang überspringen läßt, sondern sie lieber einen Rang zurückzulassen, weil sie eben dem deutschen Volke angehören. Das ist Ihre Gleichberechtigung. So geschehen in der letzten Zeit.

Nun möchte ich aber auf ein Kapitel übergehen, das auch das Verkehrswesen angeht, aber es in seiner Größe noch weit übertrifft an Unheil, das es zur Zeit des Umsturzes dem deutschen Volke bereitete. Am 28. Oktober 1918 wurde die èechoslowakische Republik ins Leben gerufen. Den deutschen Eisenbahnern war es kein Geheimnis was da vorging, denn am 14. Oktober 1918 wurde in Pilsen schon Heerschau gehalten, ob und mit welchen Truppen diese Republik ins Leben gerufen werden könnte. Die Heerschau fiel glänzend aus. An diesem Tage war in der Staatsbahndirektion Pilsen kein einziger èechischer Beamter auf seinem Dienstposten zu finden, sondern natürlich auf dem Ringplatz, wo die Manifestation stattfand. Wir Deutsche wußten, was kommen werde. Wir neideten es Ihnen ja nicht, es mußte so kommen. Wir bewahrten Ruhe und warteten, wie die Dinge sich weiter entwickeln werden.

Wir waren gewiß weitgehend in unserer Loyalität. Ein Entgegenstellen war unmöglich und wir mußten uns mit den gegebenen Tatsachen abfinden. Unsere Kollegenschaft draußen machte kein Hehl darauß, daß sie vielleicht eine Änderung in den Beziehungen vornehmen müßte und es komme nur darauf an, wie sich die deutschen Bediensteten den gegebenen Verhältnissen anpassen werden. Abgeschnitten von der Umwelt, abgeschnitten von der deutschen Außenwelt, waren diese Bediensteten auf sich selbst angewiesen. Doch als Angehörige des deutschen Volkes waren sie vertrauensselig. Sie erhofften, als der versplitterte Teil des großen deutschen Volkes, daß auch für sie in Erfüllung gehen werde, was der Friedensapostel, der über der großen Wasserpfütze thronte, mit seinem Programm der ganzen Menschheit verkündet hatte, wir hofften, daß Wilson in Paris die Befreiung der Unterdrückten in die Tat umsetzen werde. Wir fühlten uns unterdrückt und da man uns sagte, daß auch die unterdrückten Völker zur Selbstbestimmung gelangen werden, so durfte es doch niemandem besonders auffallen, daß es irgend eine staatsgefährliche Aktion sein könnte, wenn sich die deutschen Staatsbediensteten in diesem Lande an die Spitze ihres Volkes stellten.

Das war ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Sie taten es auch. Aber sie machten die Rechnung ohne die Herren, die sich nach dem 28. Oktober an die Spitze der Staatbahndirektion gestellt hatten. Und siehe da! Nach kurzer Zeit wurden die Bediensteten gerufen, daß sie innerhalb einer 1/2 Stunde das Gelöbnis abzulegen hätten, in dem es hieß, daß sie dem èechischen Vaterlande Treue gelobten. Das war im Monate November 1918, zu der Zeit, wo der Friede noch nicht abgeschlossen war, wo jedermann aus dem deutschen Volke hoffen konnte, daß der Friede bestimmen werde, daß das deutsche Volk unter sich bleiben werde. Wir sind in dieser unserer Ansicht gestärkt worden durch die Erklärung des Außenministers Beneš, der ja selbst gesagt hat: daß das deutsche Volk ein Recht hatte, das zu erwarten und zu erhoffen. Von diesem Rechte machten wir Gebrauch und stellten uns auf die Seite unseres Volkes. In einer halben Stunde sollten diese Familienväter alle Brücken hinter sich vernichten und sollten die Hoffnung aufgeben, bei ihrem Volke verbleiben zu können. Das war eine Zumutung an diese Leute, wie man sie sich härter nicht vorstellen kann. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es, eine Frist von 24 Stunden und dann nochmals von 48 Stunden zu erlangen, dann aber mußte das Gelöbnis abgelegt werden. Wir wissen heute, warum man dieses Gelöbnis ablegen mußte. Man brauchte Material für das Memoire 3, um der Welt zu zeigen, daß die Leute sich freiwillig zu diesem Staate bekannt hatten. Wir wären durch Umstände vielleicht selbst dazugekommen, aber damals noch nicht, und das muß hier klipp und klar festgestellt werden, daß die Leute an den führenden Stellen bei der Pilsner Staatsbahndirektion diesen Druck auf die deutschen Bediensteten ausgeübt haben. Der Druck war ein gewaltiger und die Leute mußten sich fügen, es war der Winter da, sie wären ohne Existensmittel allen Unbilden der Jahreszeit preisgegeben gewesen. (Místopøedseda dr. Hruban zvoní.)

Ich habe 30 Minuten Redezeit. Wenn von dieser Seite noch etwas zu beleuchten ist, so ist es das, daß dieselbe Gefahr jetzt auch den deutschen Bediensteten bei den Privatbahnen bevorsteht.

Wir hatten bei den Staatsbahnen seinerzeit Fälle, wie der Vorstand Richard Trux in Komotau und der Inspektor Kretschman in Wiesa-Oberleutensdorf derzeit in Brüx, oder Oberkondukteur Hermman Müller in Znaim, daß sie ohne Bezüge da stehen, ja 600 Beamte und über 1500 Bedienstete sind es, die nach der Ausschließung auf die Anstellung warten. Dieses Unrecht muß gutgemacht werden. Wenn der Minister heute im Verkehrsausschuß erklärt hat, das daß eine Verbesserung des Verkehres zu erwarten sei, wenn man die Privatbahnen verstaatlichte, so erhoffen Sie das nicht. Denn die Beseitigung der Verkehrsmisere ist durch nichts anderes zu erreichen, als durch die Einstellung guter Maschinen und durch ein diensteifriges Personal. Derzeit werden schadhafte Maschinen an die Skodawerke nach Pilsen geschickt, von dort kommen sie schön lackiert und mit weißroten Tafeln beklebt wieder zurück. Aber betriebsfähig sind sie nicht. Wir sehen, daß eine solche Maschine, von den Skodawerken in kaltem Zustande von Pilsen nach Saaz rollend, mit durchschmolzenen Tenderlagen in der nächsten Station bei Pilsen wieder abgekoppelt werden muß. So etwas spricht Bände, wie man in den Skodawerken die Lokomotiven wieder repariert. Derselbe Mangel an Material herrscht in den Reparaturwerkstätten. Dort muß man schadhafte Bremsklöter auswechseln, wegen Nichtvorhandenseins vom guten Bremsklötern, sucht man aus den alten Eisenhaufen die alten schon abmontierten Bremsklötzer heraus und montiert sie wieder neu auf. Welche Gefahr das für den Zugsverkehr und für die Allgemeinheit bedeutet, wird jeder Fachmann beurteilen können, wenn solche Bremsen in Gefahrsmomenten versagen. Also es ist nicht alles bei der Staatsbahn so Gold, wie es außen scheint.

Und ich möchte, nachdem meine Zeit angeblich um ist, noch etwas dazu sagen. Machen Sie die Worte wahr, die unser Obmann gesagt hatte: Wiedergutmachung. An den deutschen Eisenbahnern ist viel und das meiste gutzumachen, das Sie vom Jahre 1918 bis jetzt schlecht gemacht haben. Die Bevölkerung wartet darauf, daß auch dieser Schade wieder hergestellt werde und wenn Sie das machen werden, werden Sie viel Not und Elend mildern und Sie werden von ihren Schultern den Fluch laden, der auf Ihnen lastet, von allen diesen bedrängten Müttern und Waisenkindern, die den Vater schon verloren haben, weil sie sich durch die Not gedrückt eine Kugel durch den Kopf gejagt haben @a la Schilling in Brüx.

Ich könnte noch viel erzählen, aber meine Zeit ist um. Wenn wir den Staatshaushalt beraten, muß eines klargelegt werden: Die Soll- und Habenseite des Buches, welches das Verhältnis zwischen den Völkern regeln soll, muß auch bereinigt werden. Es bedarf auch hier der Handhabe eines geschickten Ministers, daß dieses Konto ins Gleichgewicht gebracht werde. Es ist nicht mehr allzuviel Zeit dazu übrig. Besorgen Sie das sehr bald; wir wünschen und erhoffen es. Soll und Haben zu bereinigen ist eine Forderung und Ihre Schuld gegenüber unseren Volke muß ausgeglichen werden. Sonst könnte es einmal passieren, daß der Herr Ausenminister Beneš mit dem Hauptbuche nach Genf wandern muß und sagen müßte: "Dieses Konto des Buches ist weder auf der Seite "Soll" noch auf der Seite "Haben" bereinigt, ich melde den Konkurs an." (Potlesk nìmeckých poslancù.)

11. Øeè posl. Leibla (viz str. 1132. protokolu):

Hohes Haus! Einer Klasse hat man in diesem Staate viel zu wenig Beachtung geschenkt, trotzdem diese Klasse an Zahl eine der größten ist. Weit über 1 Million Kleinbauern und Häusler ringen gegenwärtig um ihre Existenz, kleine Landwirte, die nicht einmal so viel produzieren, als sie zu ihrem Lebensunterhalte brauchen, die gezwungen sind, sich einen Nebenerwerb zu suchen. Diesen Nebenerwerb fanden sie früher größtenteils im Auslande, in der Industrie, aber auch in landwirtschaftlichen Mittel- und Großbetrieben. Durch die Entwicklung der Maschinentechnik in landwirtschaftlichen Betrieben, auch in den mittelbäuerlichen Betrieben wurden viele zehntausende ländliche Arbeiter erspart; dadurch ist die Lage dieser Volksschichte eine sehr mißliche geworden.

Trotzdem hat diese an Zahl so große Klasse - mit ihren Familienangehörigen sind es 3 bis 4 Millionen, fast gar keinen Einfluß in diesem Staate, weder politisch noch wirtschaftlich, sie waren das Werkzeug anderer Parteien, besonders der Agrarier und der Klerikalen. Mit Hilfe dieser Kleinlandwirte sind die Agrarier zur Macht gelangt. So war es im alten Österreich und so ist es im èechoslovakischen Staat. So wie in Österreich Hohenblum der mächtigste Mann war, so ist es hier der Agrarier Švehla, ohne den hier überhaupt nichts geschieht, was nicht seine Kontrolle passiert. Im alten Österreich kam kein bedeutendes Gesetz zu Stande, das nicht vorher von Hohenblum zensuriert wurde. Hier macht diese Arbeit Švehla unter Zustimmung der Agrarier und der bürgerlichen Parteien. Dieser Staat ist ein ausgesprochener agrar-kapitalistischer Staat. Alle seine Gesetze tragen diesen Stempel. Nach dem Umsturze wurden eine Reihe von sogenannten Bodenreformgesetzen geschaffen, die diesen Kleinlandwirten zum Vorteile gereichen sollten, ja man sprach sogar von Sozialisierung des Großgrundbesitzes; zugegeben, daß das Revolutionsparlament im Anfange wenigstens den Versuch machte, eine Bodenreform zu schaffen, es ist vielleicht auch anzuerkennen, daß sich die èechischen Sozialdemokraten Mühe geben, aus diesen Gesetzen etwas zu machen, aber es ist ihnen nicht gelungen. Ich will nur kurz einige dieser Gesetze erwähnen - von einer gründlichen Erörterung kann keine Rede sein - die auf die Bodenreform Bezug haben.

In erster Linie ist es das Gesetz über die Umwandlung des. Gemeindegutes in Gemeindevermögen. Ich will nicht erklären, auf welche Art und Weise das Gemeindevermögen entstanden ist, ich erwähne nur die Tatsache, daß das Gemeindegut tatsächlich Gemeingut aller im Orte Wohnenden war. Die Altansässigen - Rustikalisten - haben es jedoch verstanden, sich diesen Grund, der allen gehörte, anzueignen. Hunderttausende Kleinlandwirte wurden dadurch in ihrer Existenz gefährdet. Nun sollte das neugeschaffene Gesetz das große Unrecht wiedergutmachen. Aber nur wenigen Gemeinden ist es gelungen, dieses Gesetz zur Durchführung zu bringen; wo eine sozialdemokratische Mehrheit die Gemeinde vertreten hat, kam dieses Gesetz zur Geltung, wo jedoch die Agrarier herrschen, wurde dieses Gesetz gar nicht beachtet. Es haben sich mehrere Redner gewundert, daß wir eine mangelhafte Vertretung in den Bezirksverwaltungskommissionen haben und die Schuld den einzelnen Ministern zugeschoben. Nicht einzelne Personen sind schuld, sondern das System ist schuld. Die Agrarier mit ihren Verbündeten wollen nicht, daß wir nach unserer Stärke in der Bezirksverwaltung vertreten sind, damit sie die Gemeindeautonomie erdrosseln können, deren vorgesetzte Behörden die Bezirksverwaltungen sind, um auch das Gesetz über die Umwandlung des Gemeindegutes in Gemeindevermögen unmöglich zu machen und um die Gemeinden weiter um Besitz und Vermögen zu bringen.

Ein weiteres Gesetz handelt von der Sicherstellung des Bodens für Kleinpächter. Wegen des Mangels an Zeit kann ich auf die Einzelheiten nicht eingehen, verweise jedoch auf die Anträge, die unsere Partei hiezu eingebracht hat. Ich muß jedoch auf die großen Gesetzesverletzungen hinweisen, die sich die Geistlichkeit bei der Durchführung dieses Gesetzes zu Schulden hat kommen lassen. Durch Irreführung, Vorspiegelung falscher Tatsachen und Drohungen wurden die Kleinpächter derart eingeschüchtert, daß viele Anspruchsberechtigte auf ihr Ankaufsrecht verzichteten. Sie haben auch die Religiösität unerfahrener Landleute mißbraucht, indem man ihnen mit dem Verluste der ewigen Seeligkeit drohte, wenn sie Pachtgrund von Kirchengütern verlangen.

Sie selbst aber haben bewiesen, daß ihnen die Äcker und Wiesen als irdische Güter lieber sind und haben die Seligkeit den armen Häuslern überlassen. Wir haben einen Antrag eingebracht, der dahin lautet, daß die Anspruchsberechtigten Kleinpächter nochmals ihr Kaufrecht geltend machen können. Ich bitte sie, diesen Antrag anzunehmen.

Das wichtigste Bodenreformgesetz ist das Bodenzuteilungsgesetz. Es ist ein großer Irrtum, wenn angenommen wird, daß wir Sozialdemokraten für die Zerreissung des rationell bewirtschafteten Großgrundbesitzes sind. Das wäre ein Rückschritt und würde zu einer Ernährungskatastrophe führen. Es gibt jedoch genügend Boden, der umständehalber für den Großbetrieb nicht geeignet ist, es gibt Gebiete, die für die Viehzucht für Kleinbesitzer geeigneter sind, als für den Großgrundbesitz. Solcher Grund und Boden soll an die Kleinlandwirte abgegeben werden, um sie von den Agrarien unabhängig zu machen und sie vor dem grünen rücksichtslosen Terror zu schützen. Eine Vorzugstellung ist in diesem Gesetze den Legionären eingeräumt. Es ist das ein gefährliches Experiment, das da die Regierung im Sinne hat. Sie will den Großgrundbesitz zerreißen, neue Bauerngüter schaffen und mit Legionären besiedeln. Das ist das Ideal von Kramáø und Rašín. Aber es wird kaum zur Verwirklichung dieser Absicht kommen. Dieses Projekt wird aus finanziellen Gründen scheitern. Kommt es jedoch zur Verwirklichung, so ist es ein Unglück für diesen Staat. Ein Legionär ist noch lange kein guter Landwirt, denn es gehört viel dazu, ein guter Landwirt zu sein und noch mehr, es zu bleiben.


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