Pátek 3. prosince 1920

Ich möchte nur kurz darauf verweisen, daß der Mutter- und Säuglingsschutz und der Schutz verwahrloster Kinder, der Taubstummen und Tuberkulösen, der Blinden u. s. w. mehr als bisher gepflegt werden muß. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Ministerium für soziale Fürsorge eines der wichtigsten Ämter in diesem Staate ist, daß dieses Ministerium von seiten der Sozialdemokratie die größte Unterstützung finden wird. Wir wünschen aber auch auf der anderen Seite, daß dieses Ministerium nicht blindlings aus fiskalischen Interessen sozusagen ihr Bestreben mit Füßen tritt und auch den Arbeitern jene Rechte zuteil werden läßt, was wir vom Ministerium für soziale Fürsorge im allgemeinen, wünschen. Ich meine, es muß an der Spitze dieses Ministeriums ein Mann stehen, der nicht nur den guten Willen, sondern auch die Kraft hat, seinen Willen durchzusetzen, und das ist nicht immer so einfach, denn er stößt sehr häufig auf großes Unverständnis. Dasselbe verlangen wir auch von den Beamten in diesem Ministerium. Nicht auf die Dienstjahre kommt es an, sondern es kommt auf das Verständnis, auf das soziale Empfinden der Beamten an, mit denen das Ministerium besetzt sein muß.

Ich will zum Schluß kommen. Was wir in diesem Staate brauchen, ist nicht der Militarismus, sind nicht Rüstungen, ist nicht die Vorbereitung zum Massenmord, sondern wenn wir ein moderner Staat sein wollen, ein Kulturstaat, dann müssen wir eine Politik des Friedens machen, eine Politik der Freundschaft mit unseren Nachbarstaaten, eine Politik des Menschenschutzes, die allein imstande ist, eine Gesundung und eine wirtschaftliche Erstarkung unserer Arbeiterschaft im allgemeinen herbeizuführen. (Potlesk nìm. poslancù.)

7. Øeè posl. Röttela (viz str. 1106. protokolu):

Hohes Haus! Jedes Gemeinwesen, sei es Gemeinde, Land oder Stadt, muß, um eine Existenzmöglichkeit zu haben, eine gute finanzielle Grundlage aufweisen Dieselbe ist gewöhnlich immer dort gegeben, wo tatkräftige Faktoren die Verwaltung übernommen haben. Meiner unmaßgeblichen Ansicht nach ist weder das eine noch das andere in diesem Staate vorhanden, denn sonst könnte es unmöglich vorgekommen sein, daß während des zweijährigen Bestandes dieses Staates ein so großes Milliardendefizit emporgewachsen wäre. Nun wurde uns das erstemal, seitdem wir die fragliche Ehre haben, in diesem Hause als Volksvertreter anwesend zu sein, das erste Milliardenbudget vorgelegt, ein Staatsbudget von 14.000 Millionen. Dasselbe soll in der so kurzen Zeit von acht Tagen durchgepeitscht werden. Ich weiß nicht, ob wir hier die Verantwortung übernehmen können, dieses Budget von 14.000 Milionen ordentlich durchzuberaten, um unseren Steuerträgern anzuraten, diese 14.000 Millionen sich aus ihren Steuertaschen herausstehlen zu lassen.

Wenn ich als Landwirt dieses Budget beurteilen soll, so muß ich sagen, daß dasselbe, wenn nicht in allen, so wenigstens in zwei Punkten dem des alten Österreich gleichkommt. Im ersten Punkt, daß der Voranschlag des Ministeriums für Landwirtschaft stiefmütterlich behandelt wurde, und im zweiten Punkte, daß für das Ministerium für nationale Verteidigung absolut nicht gespart, sondern dieses ausgiebigst behandelt worden ist. Wo zum Beispiel das Ministerium für nationale Verteidigung bereits 15 Prozent der gesamten Ausgaben beinhaltet, hat man für das Ministerium für Landwirtschaft nur den verschwindend kleinen Betrag von 2865 Millionen übrig. Jetzt, wo wir durch den fünfjährigen blutigenKrieggegangen, durch ein Meer von Blut gewatet sind, wo Tausende, ja Millionen Flüche und Verwünschungen von Witwen und verwaisten Kindern auf dieses System herniedergesaust sind, sollte man doch nicht an einen Aufbau, sondern an einen Abbau dieses Systems schreiten. Jetzt, in der Zeit, wo man daran ging, die Völkerstaaten auf demokratischer Grundlage aufzubauen, hätte man doch bedenken sollen, daß die Demokratie nicht so weit gehen soll, das Heer auszugestalten und andere Faktoren dieses Staates, z. B. die Volksernährung abseits zu stellen. (Souhlas na levici.) Ich muß aufrichtig gestehen, daß ich als ernster Politiker mir ganz andere Ideale vorgestellt habe.

Es ist ganz natürlich, daß Riesenprobleme nach dem schweren Kriege zu lösen waren, aber ein Problem, um das sich alle anderen herumdrehen müssen, ist die Ernährungsfrage. Leider hat sich ein Gespenst hineingeschlichen, das hemmend in das Rad eingegriffen hat, das war die staatliche Bewirtschaftung, die sogenannte Zwangswirtschaft. Sie war es, die den konservativ veranlagten Bauern Lust und Liebe zur Arbeit genommen hat, die den Ernährungskarren in eine Sackgasse geführt hat, aus dem alljährlich insbesondere im Frühjahr ein Entrinnen unmöglich erschien, weil man gewöhnlich vorgezogen hat, auf die maßgebenden Posten Leute zu setzen, welche von der Landwirtschaft keine Ahnung hatten. Ich weiß es, daß ich mich mit vielen Kollegen dieses Hauses nicht im Einklang befinde, ich weiß es, daß ich mich vielleicht mit so manchem Kollegen in Konflikt bringen werde, aber einmal muß die Zeit kommen, wo reiner Tisch gemacht wird, einmal muß die Zeit kommen, wo wir uns gegenseitig Farbe bekennen. Es muß einmal die Zeit kommen, wo man an den Abbau dieses Systems denkt. Es muß einmal die Zeit kommen, daß wir Bauern wie alle anderen Berufsstände wieder wie freie Menschen sind, einmal muß die Zeit kommen, wo das vorkriegszeitliche System wieder eingeführt wird. Wir haben, trotzdem so Verschiedenes vorgekommen ist, trotzdem so verschiedene Irrwege in der Ernährungsfrage betreten wurden, gewarnt, fanden aber nur taube Ohren. Wir wurden stets so wie vor dem Kriege nur als Wucherer hingestellt, trotzdem die Höchstpreise da waren, trotzdem esgeradezu hohnsprechend war, wenn man unsere Preise den anderen gegenüber gestellt hat, wenn es sogar vorkam, daß die Bewirtschaftung unseres Bodens nichts mehr eintrug, wenn es auf der Hand lag, daß so viele Bauern zu anderen Erwerbszweigen greifen mußten als zur Getreidewirtschaft, wie zum Beispiel zum Mohnanbau, Rübenanbau, Gemüseanbau, was vielfach beigetragen hat, daß die Ernährungslage eine schwierige war. Trotzdem hat man nicht andere Wege beschritten, man ist auf dem alten Wege weiter gegangen. Es ist leider meine Zeit zu kurz, sonst könnte ich Ihnen Hunderte Beweise liefern, daß durch die staatliche Bewirtschaftung keine Produktionspolitik, sondern nur eine Verteilungspolitik betrieben wurde. Produktionspolitik, das wäre das einzig richtige gewesen, aber weder der Staat noch die Regierung, noch sonst Tod und Teufel hat sich um uns gekümmert, während des Anbaues, während der Ernte etc. etc. Nur dann, wenn die Ernte unter Dach und Fach war, da kam der Staat, legte die großen Pratzen darauf und sagte: "Bauer, jetzt hast du deine Schuldigkeit getan, drisch aus und liefere ab!"

Wie wurde zum Beispiel die Produktionspolitik betrieben? Erstens dadurch, daß jene Gebiete, welche vielfach durch Mißernten keinen Samen hatten, zwar mit Samen beteilt wurden, aber der Same kam statt im Mai erst im Juni. Der Herbstsamen kam statt im September erst gegen das Frühjahr. Der Kunstdünger lag oft Monate hindurch in den Magazinen, aber die Bewilligung von der Statthalterei kam nicht herunter. So wurde Produktionspolitik betrieben! Einige wenige Beispiele kann ich mir doch nicht versagen, die charakteristisch sind. Zum Beispiel der Leinenbau. Es kommt oft vor in Gebieten, die durch Hagelschlag etc. leiden - ich bin aus einem Flachsgebiet -, daß diese Gebiete gezwungen sind, Samen zu kaufen. Wir suchten rechtzeitig an, der Same wurde zwar bewilligt, kam aber nicht. Endlich war derFlachsbauverband genötigt, sich selber Samen zu verschaffen, natürlich unter der Hand zu hohen Preisen. Der Samen kam, wurde eingelagert, die Sache wurde angezeigt, das Bezirksgetreideamt kam und beschlagnahmte den Samen, gab ihn irgendwo hinauf auf eine Tenne, welche durchsichtige Bretter hatte, und der Samen blieb liegen. Er durfte absolut nicht verwendet werden für die Landwirtschaft. Es hat sich 3 bis 4 Monate niemand um die ganze Sache gekümmert, die Mäuse hatten schon die Säcke zerfressen, da kam endlich die Gemeinde und beschlagnahmte den Samen für die arme Bevölkerung. Dasselbe war auch der Fall bei der Getreidebeschaffung, dasselbe wie schon vorhin erwähnt bei der Kunstdüngerbeschaffung.

Hier muß ich wirklich etwas anführen, was den Flachsbau betrifft, wenn ich schon dabei bin, weil die Flachsbauern in unserer Gegend eine Bedrückung erleiden, welche absolut nicht geduldet werden darf. Die Flachsbauern sind vor Jahrhunderten hinausgedrängt auf das äußerste Gebirge, waren von jeher von Staat und Regierung verlassen, sie haben nie eine staatliche Unterstützung bekommen. Jetzt, wo der Flachs beschlagnahmt ist, bekommen sie in vielen Fällen nicht einmal soviel, um für ihre Wirtschaft Stricke, Leinen etc. zu beschaffen. Den heuer gegründeten Genossenschaften wurde sogar das Recht abgesprochen, den Flachs ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden, mit einem Wort die Drosselung des Flachsbaues ist eine derartige, daß ich als einziger Flachsbauer hier im Hause meine Kollegen bitten muß, mich bei der nächstjährigen Verordnung, welche ausgegeben wird, tatkräftig zu unterstützen. (Místopøedseda Buøíval zvoní.) Der Vorsitzende läutet schon, ich muß dagegen protestieren; wenn der Vorredner 10 Minuten mehr bekommen hat, muß ich doch auch mehr bekommen. Ich kann nicht umhin, sehr geehrte Herren, auf etwas hinweisen, was sich in diesem Hause hier ereignet hat. Ich muß auf einen Artikel hinweisen, der vorgestern in einer Zeitung hier gestanden ist und von einem Kollegen der Rechten des Hauses stammt. Der Kollege Stránský hat in einem Aufsatz im "Prager Tagblatt" geschrieben: "Wir verlangen nicht die Liebe der Deutschen, wir verlangen nur die Pflichterfüllung". Nun ich glaube, sehr geehrte Kollegen, wir deutschen Landwirte haben gewiß jederzeit unsere Pflichten erfüllt, wir haben unseren Boden bebaut, wir haben geerntet und alles abgeführt, wir haben nie einen Lieferstreik oder einen Steuerstreik provoziert, wir haben unsere Pflicht getan. Was aber war der Dank dafür? Derr Dank dafür, daß von dieser Stelle aus von unserer Seite doch gewiß versöhnliche Reden gehalten worden sind, der Dank dafür war, daß von dieser Seite die größten Scharfmacher ins Feld geführt wurden, ich nenne nur Pastyøík, Dyk usw. Der Dank dafür ist, daß unserenBauern das Denkmal der Befreiung von der Leibeigenschaft, das Denkmal des Kaiser Josef überall niedergerissen wurde, der Dank dafür ist, daß wir in jeder Art und Weise chikaniert worden sind bis zum heutigen Tage, der Dank dafür ist, daß die Kriegsanleihe, die aus falschem patriotischen Sinn unserer Armen draußen im Gebirge und im ganzen Lande gezeichnet haben, daß sie den letzten Spargroschen hergegeben und auf ihr Alter nichts mehr haben, daß von der Mehrheit des Hauses die volle Einlösung der Kriegsanleihe abgelehnt wurde. Infolgedessen muß ich sagen, daß, solange unsere Mindestforderungen nicht eingelöst werden, wir auf den Boden dieses Staates nicht stehen können; ich muß sagen, daß unsere Schwüre, die wir bei der 150. Jahresfeier der Aufhebung der Leibeigenschaft am 12. September geschworen haben, treu zu bleiben unserem Volke, wo wir geschworen haben, die deutsche Schule unseren deutschen Kindern wieder deutsch zu übergeben, daß diese Schwüre auch eingehalten werden. Ich muß sagen, daß auch das deutsche Landvolk niemand fürchtet auf der Welt, es fürchtet nur Gott und sonst niemand auf der Welt. (Potlesk na levici.)

8. Øeè posl. Scharnagla-Würla (viz str. 1113. protokolu).

Die wenigen Stunden, die der Budgetdebatte zugedacht si nd, möchte ich mit Luxuszügen vergleichen, die in den kleinen und mittleren Stationen nicht oder nur kurze Zeit anhalten; drum haben auch alle Redner sich einer Schnellzugsgeschwindigkeit beflissen.

Als ich als Landwirt und Obmann des deutsch - christlichen Bauernbundes dieses Haus betreten habe, dachte ich als ehrlicher Politiker, daß die damals brennende Ernährungsfrage auch im Hause behandelt werden wird, doch nichts dergleichen ist bis heute geschehen; deshalb meine ich, daß es notwendig ist, die Debatte wenigstens mit Personenzugsgeschwindigkeit zu führen.

Wenn wir die Not an Brot und Mehl im Lande betrachten, wenn man ferner bedenkt, wieviel Milliarden für fremdländische Produkte ausgegeben werden, so muß man doch meinen, daß im Budget große Ziffern für die Hebung der heimischen Landwirtschaft enthalten sein müssen.

Ich frage deshalb, wo bleiben die Millionen für Meliorationen, für die Zuweisung von Kunstdünger, für die Schafzucht usw.? Bei der Station Landwirtschaft hält anscheinend der D-Zug nicht. Bis Oktober d. J. sind 120.000 Stück Rinder an Maul- und Klauenseuche, die gering gerechnet ein Lebendgewicht von 48.000 q haben, umgestanden; wenn man nur 10 K pro 1 kg rechnet, ergibt es einen Verlust von 480 Millionen Kronen, von den weiteren Folgen ganz abgesehen; nun finden wir aber im Budget nur einen Betrag von 100.000 K zur Hebung der Viehzucht. Dieser Betrag dürfte wohl für eine Gemeinde, nicht aber für einen Bezirk, z. B. Bischofteinitz, geschweige denn für ein Reich, wie die Èechoslovakei, genügen.

Wo bleibt da die Möglichkeit, eine rationelle Viehzucht zu betreiben?

Schuld an der Ausbreitung der Seuchen trägt allerdings zum Großteil die neu eingeführte Umsatzsteuer, die geradezu ein Unikum ist.

Wo bleibt die Dotation für die Schafzucht, die in verschiedenen Gegenden des Böhmerwaldes und des Erzgebirges ein dringendes Be dürfnis der Bevölkerung ist? Man dachte nicht daran, daß wir der Wolle bedürfen zur Bekleidung, wohl aber hat man für die Seide im Budget Raum für eine Dotation gefunden. Woher aber sollen heute die Landwirte das Geld zur Neuanschaffung nehmen?

Gewiß, meine Herren, es gab Geld, aber heute ist es rar geworden; Vermögensabgabe, Umsatzsteuer und die Erhöhung der Katastralreinerträgnisse verschlingt Unsummen! Hunderttausende von Bauern hemmt die Nichteinlösung der Kriegsanleihe. Außer den privaten Zeichnungen ist auch noch die gezeichnete Summe der Gemeinden, sowie der Sparund Vorschußkassen-Vereine zu zählen. 300 Millionen würde ungefähr der Koupondienst dem Staate kosten, der soviel Geld für Militär usw. ausgibt.

Nun zum Kapitel 4! Wieviel entfällt von alledem auf die Deutschen, die doch 28 Prozent der Bevölkerung ausmachen? Soll denn wirklich die deutsche Landwirtschaft verkümmern?

Im Bahnwesen, bei der Post usw. liegen ungeheure Wünsche vor, aber es soll der Bahnhof Podebrad gebaut werden mit 14 Millionen Kronen Kosten! Es wäre gewiß viel wichtiger, im Interesse der persönlichen Sicherheit und einer glatten Abwicklung des Verkehres an die Erweiterung der Verschubgeleise auf einzelnen Bahnhöfen zu schreiten, durch welche Rückstände große Verkehrsschwierigkeiten behoben würden.

Auf eines muß ich bei der Gelegenheit noch hinweisen, worauf schon Ausländer bei verschiedenen Fahrten im Reiche hingewiesen haben; es befinden sich an gewissen Orten der Personenwagen und Bahnhöfe noch immer sittenwidrige Zeichnungen und gar nicht widerzugebende Zoten in verschiedenen Sprachen, deren Vertilgung eine weit wichtigere Sache wäre als die Zerstörung deutscher Aufschriften und Denkmäler.

Auf das Gesundheitswesen will ich mich nicht einlassen, da darüber Fachleute sprechen werden, aber ich kann nicht umhin, auf den Impfzwang hinzuweisen, wo Eltern, die ihre Kinder der Impfung entziehen, bestraft werden. Deshalb fordern wir die Aufhebung des Impfzwanges. Ich betone auch gleichzeitig die wirtschaftliche Notlage der Distriktsärzte, deren Besserstellung eine Staatsnotwendigkeit ist.

Im Budget vermissen wir den Eigenbericht der Staatsgetreideanstalten und fordern vor allem anderen die Herausgabe eines Amtskalenders, um feststellen zu können, was für Leute dort sitzen.

Wir fordern den raschesten Abbau aller Zentralen, denn mit großen Rechnungskünsten ist weder dem Produzenten noch dem Konsumenten gedient. Nur die Zentralen sind es, die das Brot und Mehl verteuern; nur in der Freigabe der Nahrungsmittel sehen wir einmal den Abbau der Preise. 21 Zentralen erhält der Staat mit einem Aufwand von jährlich 179,992.047 Kronen, wovon allein die Staatsgetreideanstalt mit ihren Filialen in Brünn, Troppau, Preßburg und Ungvar 156,234.709 Kronen verschlingt; nun frage ich namens meiner Partei und meines Standes: ist dadurch mehr Brot geworden?

Ich lehne es entschieden ab, daß der Landwirt fürderhin der Prügelknabe der konsumierenden Bevölkerung bleibe, was ganz besonders durch Mehl- und Brotkartensteuer wieder zum Ausdruck kommt. Nicht die inländischen Getreidepreise sind es, die den verantwortlichen Minister zu dieser Maßregel gezwungen haben, sondern der Aufkauf fremdländischer Produkte und unsere tiefstehende Valuta.

Der Getreidebau ist in Gegenden ohne Rübenboden bereits zum unrentabelsten Geschäft geworden und dies ist speziell im deutschen Gebiete längs der bayrischen Grenze der Fall. Unsere Landwirte sind durch die überhohen Preise von sogenanntem Druschbenzin gezwungen, die Benzinmotore verrosten zu lassen und mit Göppelbetrieb oder Flegeldrusch sich zu behelfen, während man in den Zeitungen liest oder von Rednern hört, daß man hier in Prag mit Autos Spazierfahrten macht, zum Großteil mit Damenbegleitung.

Ich eile zum Schlusse, um die Haltezeit nicht zu einer Zugsverspätung, die sonst in der Republik gang und gäbe ist, zu machen.

Zur Erhöhung der Produktion des Bodens, die mit der Hebung der Viehzucht enge verbunden ist, fordern wir von der Regierung eine ausgiebige Zuweisung von Kunstdünger, Subventionierung von Lagerhausgenossenschaften, um die Möglichkeit zu haben, nach der Aufhebung der Staatsgetreideanstalt die Vermittlung des Getreides vom Produzenten zum Konsumenten zu besorgen.

Die heutigen ungeheuerlichen Frachtentarife der Eisenbahn machen den Be zug von Düngemitteln aus dem Auslande unmöglich; ebenso ist an eine Düngung mit Kalk durch die Kohlenpreise und Frachtsätze nicht denkbar. Nur im Wege der künstlichen Düngung ist die Hebung der Produktion möglich, da durch den langjährigen Bestand der Viehverwertung die Erzeugung von mineralischem Dünger bedeutend zurückgegangen ist. Ich eile zum Schlusse:

Das deutsche Volk hängt unzertrennlich an der ererbten Scholle, an Sitte und Religion seiner Väter und Ahnen und fordert energisch gemäß seiner Stärke Annerkenung und Schutz im Staate.

Wenn uns der Herr Ackerbauminister versichert, für eine Milliarde Kunstdünger im Frühjahre auf unsere Felder zu streuen, wenn aber uns der liebe Herrgott keinen Regen schickt, so werden wir trotz alledem keinen Erfolg haben, denn kein Stand ist so, sehr auf den Segen Gottes angewiesen, als der Bauernstand. Ich schließe mit dem alten Bauernspruch: "Ich laß den lieben Herrgott walten, wir müssen ja doch den Staat erhalten!" (Potlesk nìmeckých poslancù.)

9. Øeè posl. Blatné (viz str. 1117. protokolu):

Hohes Haus! Wir parlamentarischen Neulinge waren der Unsumme von Zahlen, die das Budget ausmachen, anfangs etwas verständnislos gegenüber gestanden. Aber je mehr wir uns damit befaßt haben, desto lebendiger werden diese Zahlen, eine umso deutlichere Sprache sprechen sie und erzählen uns vom wirklichen Wesen dieses Staates der sich als ein demokratischer Staat geberden möchte.

Wir haben gefunden, daß dieses finanzielle Gleichgewicht nicht aufgebaut ist auf volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten, sondern daß es rein fiskalistischer Natur ist. Wir haben beispielsweise gesehen, mit welch liebervoller Fürsorge dieser Staat dem rein unproduktiven Zwecken dienenden Militarismus sich zuwendet, und mit welchen Unvermögen, mit welchen Mangel an guten Willen er anderseits, den wichtigsten Teil der Volkswirtschaft, dem Ernährungswesen, gegenübersteht. Die Folgen sehen wir schon heute. DreiMonate nach der Ernte, und wir sind schon inmitten eines krisenhaftes Zustandes im Ernährungswesen. Die Zuschübe stocken. Städte und Dörfer der Industriegebiete erhalten die Mehl- und Brotquote nur vermindert; im westböhmischen, besonders im Ascher Gebiet gab es seit Wochen kein Mehl, aus dem Rumburger lndustriegebiete hören wirdasselbe. Unsere Konsumvereine vertrösten die unruhig werdende Arbeiterschaft von Woche zu Woche. Besonders erbitternd wirkt es, daß die Bezirke nicht nur mangelhaft, sondern auch äußerst ungleichmäßig beliefert werden. Besonders Kartoffeln, aber auch Brot und Mehl gaben einzelne Bezirke regelmäßig aus, bei anderen waren die Stockungen regelmäßig. Dieses Ernährungselend hat seinen Grund vor allem darin, daß die landwirtschaftlichen Bezirke ihrer Ablieferungspflicht nicht nachkommen und unseren Ernährungdienst geradezu sabotieren. Kann man es anders nennen, wenn wir im Bericht vom 17. November lesen, daß einzelne Bezirke erst 6 und 7 % ihres Kontigentes abgeliefert haben? Dabei können sich die Landwirte nicht darauf ausreden, daß sich etwa die Ernearbeiten zusammengedrängt hätten, denn unsere Ernte konnte heuer vier Wochen früher eingebracht werden als im Vorjahre. Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ liefern die agrarischen Bezirke schlecht ab. Das abgelieferte Kontingent besteht zu 70 und 80 % aus Gerstenmehl. Die Industriebezirke erhalten vorwiegend Hafer und Gerste, das sie anstatt Mehl ausgeben müssen, da sie es ja doch nicht verbacken können, während Korn und Weizen in den landwirtschaftlichen Bezirken verbleibt und den Weg in den Schleichhandel findet.

Aber mitschuldig an diesem im höchsten Grade unsozialen Verhalten der Landwirte ist der Staat, der weder den Willen, noch auch die Macht zu haben scheint, die säumigen Bezirke zur Ablieferung zu zwingen, der Staat, der keine Sorge trägt für genügende und entsprechende Transportmittel der Lebensmittelzuschübe, was sich besonders beim Kartoffelverkehr fühlbar macht. Wir werden in dieser Beziehung Anträge stellen und bitten das hohe Haus, diese Anträge anzunehmen. Es ist sinnlos, die Kartoffel dem Erfrieren preis zu geben, während das Volk Hunger leidet, denn wir können es nicht glauben, daß man, wie gemunkelt wird, aus rein fiskalischen Gründen den Hunger des Volkes mit Schnaps beläuben will. Aus Kartoffeln wird Schnaps erzeugt und 12.000 Waggons Gerste werden unseren heimischen Bierbrauereinen zugewiesen, während das Volk hungert. Es ist ebenso sinnlos, in unsere Gebiete von der fernen Slovakei her Kartoffel zu schaffen, die halb verfault ankommen und oft bis zu einem Drittel mit Erde vermengt sind, während die guten und vielen Kartoffeln, die bei uns wachsen, einfach verschwinden.

Die Kartoffelversorgung der Bevölkerung wurde nicht nur gefährdet, weil nicht rechtzeitig genügende Ankäufe durchgeführt wurden, sondern auch, weil dann nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden, die Kartoffel am Transporte vor dem Erfrieren zu schützen.

Wir beantragen daher, durch Beistellung einer genügenden Anzahl geschlossener Waggons, durch Schaffung entsprechender und genügender Schutzverkehrungen bei offenen Transporten die Kartoffel vor dem Erfrieren zu bewahren und so noch jetzt die genügende Versorgung der arbeitenden Bevölkerung mit diesem Nahrungsmittel zu ermöglichen.

Und wie sollen wir es nennen, wenn in dieser Zeit der Ernährungskrise in den Grenzgebieten das Standrecht erklärt und gehandhabt wird. Auch wir sind gegen den Schmuggel; aber in der Zeit der größten Ernährungskrise übt der Staat seine brutalsten Machtmittel aus. Stellen Sie sich doch diese Gebiete einmal vor, um die es sich handelt, wirtschaftlich und teritorial, unser Westböhmen zum Beispiel! Halbbeschäftigte und unbeschäftigte Weber im Ascher Gebiet, arbeitslose Handschuhmacher im Erzgebirge, also durchwegs Hungerleider! Dazu eine Arbeitslosenfürsorge, die diesen Namen kaum verdient. Stellen Sie sich, meine Herren und Frauen, das Teritorium vor! Vor der Nase die Grenze, hinter der es viele und billige Kartoffeln gibt und im Rücken nirgendwo agrarisches Hinterland! Aber der Staat kommt und erklärt das Standrecht. Ordnung muß sein, aber niemand - und wäre es der Korrekteste - würde seine Kinder verhungern lassen aus reinen Ordnungsgründen. Der Staat aber, meine Herren und Frauen, ein böse Stiefmutter ist der Staat für seine deutschen Grenzgebiete. Doch möchte ich mich nicht nur an Ihr Gefühl wenden. Nicht nur weil es herzlos ist, vor allem weil es sinnlos ist, ist's auch unrecht.

Ein anderes böses Kapitel ist die Tatsache, daß die Regierung unterlassen hat, rechtzeitig und genügend Getreide im Auslande aufzukaufen, daß sie keine Vorräte aufgestapelt hat, das wir sozusagen von der Hand in den Mund leben und wir so abhängig sind von jedem Zufall, der beim Getreideverkehr den Eisenbahntransport oder die Elbeschiffahrt zeitweitig lähmen kann, Diese Unterlassungssünden der Regierung sind wohl in einen gewissen Zusammenhang zubringen mit der famosen Zuckerspekulation des Handelsministeriums, Eine Spekulation, für die das Volk die Kosten zu zahlen hat.

Wir beantragen, im letzten Augenblick und unter allen Umständen dafür Sorge zu tragen, daß jene Ouantitäten von Getreide und Mehl augekauft werden, welche zur Beteilung der Bevölkerung bis zur nächsten Ernte mit der Quote von 2 kg per Kopf und Woche notwendig sind und nicht durch die Aufbringung aus dem Ertrage der heimischen Ernte gedeckt erscheinen.

Zu dem Zwecke beantragen wir weiters, mit Rücksicht auf den Umstand, daß der vorgesehene Ertrag aus dem Verkauf von 14.000 Waggons Zucker bei dem heutigen Weltmarktpreis nicht ausreichend ist, um die höheren Kosten der notwendigen Mengen des Auslandsgetreides decken zu können, daß der nach voller Deckung des Inlandbedarfes verfügbare Zucker zunächst zum Einkaufe von Getreide und Mehl aus dem Auslande verwendet wird. Gestatten Sie mir, daß ich bei der Kürze der Zeit die Anträge nur überfliege.

So wie wir kein Mehl und Brot haben, in demselben Maße fehlt es uns an Allem! Wir haben einen hohen Viehstand, aber kein Fett und Fleisch. Seit vielen Wochen schon gibt es keinen Tropfen Milch für die stillenden Mütter, die Säuglinge und für unsere Krankenhäuser.

So ist aus dem Ernährungswesen, dem unter dem Ministerium Johanis doch immerhin Ziel und Plan zugrunde lag, ein Ernährungschaos geworden. Die Zustände in den Zentralen, von denen uns der Abgeordnete Dietl tolle Dinge erzählte, sind nun auch nicht geeignet, dieses Chaos zu verringern. Aber falsch wäre es zu glauben, daß diese Zustände, diese bedaurlichen Entartungen das Wesen der Ernährungsverhältnisse beeinflussen könnten. Falsch wäre es, die gebundene Wirtschaft oder auch nur die Auswüchse, von denen wir hörten, für einen Zusammenbruch verantwortlich zu machen.

Aber immer lauter ertönt der Ruf nach dem Abbau der gebundenen Wirtschaft, nach dem Freihandel, dessen erste Folge unweigerlich die wäre, daß die Produzenten die Preise so hinauftreiben würden, daß die Löhne der Arbeiter, die ja schon heute überall weit hinter den Lebensmittelpreisen zurückbleiben, in diesem Wettlaufe unweigerlich verlieren müßten, daß die Arbeiterschaft körperlich verelendet auf der Strecke bliebe. - Und auf der Strecke bliebe auch auch neben der Volksgesundheit die Volkswirtschaft. Denn eine körperlich verelendete Arbeiterklasse ist zum Produzieren nicht fähig.

Welchen Weg aus diesem Chaos wir weisen, zeigt Ihnen der Antrag, der Ernährungsplan unseres verstorbenen Genossen Seliger, der dem Hause schon vorliegt: die Organisierung der Aufbringung und Verteilung auf genossenschaftlicher Basis im Einvernehmen mit den Produzenten unter Ausschaltung der Bürokratie.


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