Es bezieht sich das auf eine andere Gruppe, und zwar auf die Baumwollindustrie. Dort wurde auch von Garantien gesprochen, aber zum Schlusse hat sich die Garantie als eine sogenannte moralische Garantie herausgestellt. Was kaufe ich mir in diesem Staat für eine moralische Garantie? Ich will Ihnen das näher erzählen, was ich mir dafür kaufen kann: nicht einmal ein Hemd und ein paar Hosen. Die kosten heute um 70 K per kg mehr, als sie ohne diese Garantie kosten würden. Die Geschichte bei der Baumwolle steht folgendermaßen: Wir haben glücklich 65.000 Ballen Baumwolle in diesen Staat hereinbekommen und ich glaube, es war ganz gute Baumwolle; es ist aber in der Zwischenzeit der Preis für Baumwolle gefallen, wir haben teuer eingekauft. Deutschland hat normal in Baumwolle weitergearbeitet, hat Baumwollgarne erzeugt und ist im Stande, während wir für das Garn 150, 160 bis 170 K verlangen so hat man mir gesagt - mit 90 K zu verkaufen. Und der Obmann des betreffenden Baumwollsyndikates war der erste, der gesagt hat: Das Geschäft mache ich nicht mehr mit, ich lege meine Stelle nieder, ich trete zurück. - Aber es liegen heute Millionen Kilo Garn unverkauft hier und es werden 40 % hievon den Garnverbrauchern zugewiesen. Und man geht hiebei - ein Kollege hat mir heute eine solche Karte gezeigt - bis zu den kleinsten Hausindustriellen herunter und belastet sie mit diesem Baumwollüberkonsum. Die großen Fabriken haben natürlich Millionenverluste und sie suchen die Millionenverluste selbstverständlich auf die Kundschaft zu überwälzen, soweit es nur möglich ist. Und nehmen wir an, durchschnittlich brauche der Mensch im Jahre 5 kg Baumwollstoffe; wir sind aber durch vier Jahre ausgehungert, wir brauchten eigentlich jährlich 20 bis 30 kg; wir müssen nun für jedes Kilogramm 70 K auf den Kopf der Bevölkerung umlegen. Wir werden also keine Wäsche haben, keine Kleider haben und die Arbeiterschaft wird keine Hosen anzuziehen haben durch die Kunst unserer Finanz- und Handelspolitik.
Ich könnte das Beispiel natürlich erweitern, ich könnte von der Lederzentrale, ich könnte von der Fettzentrale sprechen, die uns allein durch das Liegenlassen eines Aktes 15 Millionen Kronen gekostet hat.
Das ist nur eine ganz kleine Sache gewesen. Ich könnte auch von der Obst-, Spiritus- und Devisenzentrale Einzelheiten anführen. Diese Zentralen sind schon in Auflösung begriffen, aber es haftet ihnen allen, nicht nur der Zuckerzentrale, etwas Klebriges an. Sie können sich nicht auflösen. Wir fragen immer, ja warum ist denn die Zentrale noch nicht aufgelöst? Und wenn wir genau nachschauen, so ist nichts anderes eingetreten, als daß die Beamtenschaft aus dem Gebäude des Außenhandelsministeriums in das Gebäude des Handelsministeriums übertragen wurde und dort Ausfuhrbewilligungen mit derselben Strenge und in derselben Art und Weise wie bisher weiter erteilt. Es sind mir nämlich dieselben Beschwerden, welche heute hier schon vorgebracht wurden bezüglich Kaffee und Salz, auch aus anderen deutschen Städten in Mengen vorgelegt worden. Es geht nicht an, daß wir die ganzen Zentralen in dieser Weisegewissermaßen petrifizieren. Und nun bauen wir hier nebenan auch noch ein Haus für diese Zwecke, wo sie sich vielleicht unter unserer Kontrolle versammeln werden, und während wir hier Kontrollreden schwingen, wird man drüben die Ausfuhrbewilligungen verweigern.
Warum erzähle ich das hier? Ich möchte hier durchaus nicht Neid und Mißgunst erwecken, ich möchte auf etwas anderes, mir wichtiger erscheinendes, hinweisen, auf Bedenken rein wirtschaftlicher Natur. Den Kernpunkt der ganzen Zentralenwirtschaft möchte ich hier kritisieren, und der liegt meiner Ansicht nach in Folgendem: Der Einzelne kann sich in Baumwolle verspekulieren, es kann ihm auch einmal passieren, daß ihm ein Faß Himbeersaft vergährt - einer Zentrale soll bekanntlich ein ganzes Schiff Himbeersaft verdorben sein - so habe ich gehört, ich kann die Hand dafür nicht ins Feuer legen, aber man hat erzählt, daß die Häringe jetzt noch nach Himbeersaft schmecken dort wo man ihn ins Meer lassen mußte (Veselost na levici.) der Einzelne kann sich verspekulieren, kann in Konkurs geraten, er kann sogar Krida machen eines schönen Tages. Aber jetzt handelt es sich darum: Was geschieht, wenn sich eine Zentrale verspekuliert?
Wo ist dann die Verantwortung? Keiner will es dann gewesen sein. Der Staat zieht sich zurück, die Einzelnen ziehen sich zurück, und so geht es weiter, und wenn wir das geehrte Ministerium oder den Minister nach dem Ministerverantwortlichkeitsgesetz haftbar machen wollten, so müßten wir so alt werden wie Methusalem, bevor auch nur Teile dieses Betrages einmal wieder dem Volke zurückgezahlt werden könnten. Aber das Gefährlichste ist, die Industrie und die Arbeiterschaft geht bei dieser Wirtschaft zugrunde und das Volk muß die Kosten dieser Zentralen bezahlen. Da haben wir, den Hauptkernpunkt der ganzen gebundenen Wirtschaft liegen, hier sehen wir, daß es in einem geordneten Staatshaushalt nicht möglich ist, in der Art und Weise zu wirtschaften, und daß wir mit Mut und Entschlossenheit dieser Zentralenwirtschaft auf allen Gebieten entgegentreten müssen. Wir sind es nicht allein, die solche Schmerzen haben. So hat zum Beispiel der Freihandelskongreß in Westmünster unlängst eine Kundgebung beschlossen, wo er sagt, es gebe genügend Rohmaterialien auf der Welt, sie wären nur schlecht verteilt, die Politik ruiniert es; und der Baumwollkongreß in Zürich hat ähnlich gesagt: Solange sich die Regierungen hineinmischen werden in die Geschäfte, werden die Geschäfte und die Valuta sich überhaupt nicht stabilisieren und die Geschäfte sich nicht entwickeln. Also fallen lassen diese Zentralenwirtschaft, dann wird der Landwirt ein Interesse bekommen an der Produktion, es wird der Gewerbetreibende und der Händler ein Interesse bekommen und es werden wieder die normalen Bahnen eingeschlagen werden können, ohne die der Staat überhaupt im wirtschaftlichen Leben nicht existieren kann.
Nun kommen wir zu der Einnahmenseite des Budgets, der ich noch einige Betrachtungen widmen möchte. Es ist viel von der Kohlensteuer gesprochen worden, die im Budget ja verschwinden soll. Dafür soll auf der anderen Seite die Umsatzsteuer in erhöhtem Ausmaß erscheinen. Es ist das nach Ansicht gewisser Kreise eine recht gute Steuer. Denn die Umsatzsteuer ist diejenige Steuer, welche am leichtesten umgegangen werden kann. Ich möchte diesem Urteil von sehr sachverständiger Seite nicht zustimmen. Denn ich halte gerade diese Steuer für die allerschlechteste Steuer, ganz abgesehen davon, daß sie nicht 2 % ausmacht, sondern in Wirklichkeit viel mehr, nachdem sie durch viele Kanäle geht und bei vielen erhöht werden muß, wo man dann nicht 2 % zuschlägt, sondern, wenn es halbwegs geht, 3 bis 5 %; es wird immer abgerundet. So kommen wir zum Schluß zu viel höheren Summen und wir bekommen hier einen neuen Grund der Teuerung der wichtigsten Bedarfsartikel, die unbedingt steigen müssen, wenn wir diese Steuer einführen. Es ist hier nicht möglich, über das Einkommen und über die Steuersysteme überhaupt zu sprechen. Ich möchte nur auf das dringendste Bedürfnis hinweisen, was ich bereits eingangs meiner Rede festgestellt habe, daß wir nämlich der Umlagenwirtschaft unser besonderes Augenmerk zuwenden müssen, und daß wir hier das Beispiel Deutschlands nachahmen müssen; denn Deutschland hat in dieser Beziehung bereits an die Länder und Gemeinden bei der Einkommen-, Körperschafts-, Erbsteuer und Umsatzsteuer bedeutende Zuwendungen gemacht. Es muß bei uns in ähnlicher Weise vorgegangen werden, sonst entsteht eine Krise überall, bei sämtlichen Gemeinden, Bezirken und sonstigen autonomen Körperschaften.
Wir müssen auch daran denken und das scheint mir der Hauptfehler unseres Budgets zu sein daß die produktionshindernden Abgaben an den Staat nach Möglichkeit beseitigt werden. Es geht nicht so fort, daß wir uns mit den Frachten in der Art und Weise aufwärts bewegen, wie das bei unserer Eisenbahnverwaltung geschieht. Es ist mir hier ein Beispiel von einer Lederfabrik zur Hand, die in Deutschland, und von einer Lederfabrik, die bei uns arbeitet. Sie haben 50 Waggons Leder zur Verarbeitung und es zeigt sich, daß der Frachtenunterschied bei diesen beiden Unternehmungen 165.000 K ausmacht. Können wir unsere Unternehmungen überhaupt rentabel machen, können wir überhaupt zu einer Produktionsförderung, zu einem Export kommen, wenn wir derartige Unterschiede bestehen lassen? Es ist dies ganz und gar ausgeschlossen. Die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie muß vom Grund auf ertötet werden. Es ist zweifellos notwendig, daß dieser Sache unsere Handelspolitik ein erhöhtes Augenmerk zuwendet und alles tut, um uns jene Staaten, mit denen uns alte Beziehungen verknüpfen, auch weiterhin als wirtschaftliche Freunde zu erhalten. Ich möchte es begrüßen, daß in Äußerungen, welche das Handelsministerium in der letzten Zeit herausgegeben hat, gewissermaßen die Morgendämmerung einer neuen Zeit in einigen Zeilen sich bemerkbar macht. Es heißt dort: bei sukzessiver Freimachung des Auslandshandels, zu der es mit der Zeit und namentlich durch die Handelsverträge kommen muß, usw., wird Folgendes vorgeschlagen, etc. Ich möchte hier dieses "sukzessive" nur nicht allzuweit ausgedehnt wissen, denn es könnte sonst passieren, daß uns der beste Handelsvertrag nichts mehr nützt, wenn wir so weit sind, daß unsere Produktionen nicht mehr auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Wir müssen auch daran denken, daß wir ein System in diese Handelspolitik bringen und gerade bezüglich des französischen Vertrages, der in der letzten Zeit zur Beratung stand, zeigt es sich, daß es ungeheuer schwierig ist, mit derartigen Kompensations- und Kontingentziffern zu arbeiten. Denn die eigene Industrie, so die Automobilindustrie, hat in dem Augenblicke, als sie hier eine bedeutende Kontingentziffer sah, sofort damit eingesetzt, daß sie einen hohen Zoll verlangt hat, 45 % vom Werte, und wir werden hier in den nächsten Tagen im Parlamente darüber zu beschließen haben. Es fragt sich nur, was in solchen Fällen die betreffende französische Industrie dazu sagt, ob sie mit derartigen Dingen einverstanden ist. Sie hat denselben Zoll dort, aber natürlich ist dieserVertraggemacht, damit die Franzosen ihre Luxuswaren zum größten Teile in die Èechoslovakei hineinbringen, mit einem derartigen Handelsvertrag werden wir unsere Volkswirtschaft und unser Volk im allgemeinen kaum in die Höhe bringen. Wir müssen auch noch eines, nämlich die Kapitalsdrosselung der Industrie, berühren.
Wir haben zum Budget einen Antrag eingebracht, auf den ich die besondere Aufmerksamkeit der geehrten Gegenseite lenken muß. Als ich heute hier mein Bureau betrat, kam eine Parteizu mir, die mir den Dank dafür aussprach, daß ein Antrag wegen der alten Heeresforderungen eingebracht worden sei. Der Betreffende sagte mir, er gehöre nicht meiner Partei an, sondern sei ein Èeche, aber er finde bei seinen Abgeordneten für derartige Fragen kein Verständnis. Ich bitte Sie, das gefälligst zur Kenntnis zu nehmen und diesem Punkt Ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen; denn im Budget finde ich nur 10 Millionen für das Kleingewerbe, aber die Forderungen der Industrie betragen über 800 Millionen. Sie sehen - das ist statistisch festgestellt - daß wir hier bei diesem Punkte einsetzen müssen; setzen wir gemeinsam ein, dann werden wir eher etwas erzielen. Wir haben den Antrag gestellt, es sollen vorläufig 300 Millionen eingesetzt werden. Nehmen Sie diesen Antrag an und Sie werden sehen, daß die Industrie das als besonderes wichtig empfinden wird, denn liquid sind bereits 65 % der Forderungen erklärt worden.
Wir kommen bei dem Kapitel Drosselungen nun zu einer äußerst wichtigen Frage, die besprochen werden muß: zur Kriegsanleihe. Die Industrie kann nicht weiter arbeiten und wird sich nicht entwickeln, wenn wir dieser Frage nicht ins Gesicht sehen. Wollen wir vielleicht in der nächsten Zeit daran denken, die Kriegshacke zu begraben und uns über diese Frage anders zu besprechen als es bisher üblich war! Ich spreche mit Absicht von der Kriegshacke. Es wird gewiß möglich sein, es werden sich Pläne finden, man wird insbesondere eine Verbindung mit der Vermögensabgabe auch in deutschen Kreisen finden, und nachdem von Industrie, Gewerbe und ander en Kreisen schon solche Anträge gestellt worden sind, wird man es zweifellos sehr sachverständig beurteilen. Es müßte auch dem Projekte viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, welches die Kriegsanleihe mit dem Bauprojekt in Verbindung bringt in der Weise, daß derjenige, welcher Bauten aufführt, in gleicher Weise die Kriegsanleihe vergütet bekommt. Dadurch würde das Ministerium nichts anderes tun, als die Post, welche hier für Förderung von Wohnungsbauten eingestellt ist, zu erhöhen. Auf diese Art und Weise werden Sie wahrscheinlich billiger wegkommen, indem Sie hiefür die Kriegsanleihe verwenden. Wir dürfen aber nicht Projekten trauen, die sich auf die Baudiktatur beziehen. Es is heute in Blättern zu lesen, daß ein Baudiktator, ohne daß ein solcher noch besteht, nämlich die Regierung selbst, einer großen Industrie die Häuser, welche sie in Schönpriesen für ihre Arbeiterschaft gebaut hat, einfach beschlagnahmt hat. Jeder Industrielle wird sich da sagen: in Zukunft baue ich in so einem Falle überhaupt nicht mehr, und hunderte von Baudiktatoren werden mich nicht zwingen können.
lch könnte noch stundenlang über
Budgetfragen reden. Allein ich möchte zum Anfang zurückkehren
und möchte sagen: Suchen Sie, meine Herren von der Gegenseite,
das dringend notwendige Gleichgewicht im Privathaushalt, im gewerblichen
Haushalt, beim Händler, Industriellen herzustellen durch die rascheste
Herstellung der freien, ungebundenen und auch für die Deutschen
gerechten Wirtschaft in diesem Staate. Erst dann werden wir aus
der Irreführung, Verheimlichung und dem falschen Schein unseres
Budgets herauskommen und wir werden uns dann vielleicht einem
wahren Gleichgewicht im Budget des èechoslovakischen Staates nähern
können. (Potlesk nìmeckých poslancù.)
Hohes Haus! Der Krieg hat nicht nur unsere Volkswirtschaft aufs Schwerste erschüttert, sondern er hat auch der geistigen, wie manuellen Arbeiterschaft die schwersten Wunden geschlagen. Einesteils ist dies auf die furchtbar schlechten Ernährungsverhältnisse zurückzuführen, daß die Gesundheit unserer Arbeiter zermürbt wurde, andererseits waren es die unmenschlichen Kriegsstrapazen, die unsere Arbeiterschaft im Felde draußen und im Hinterland erdulden mußte. Und nicht zuletzt hat gegen die Gesundheit unserer Arbeiter dieser unverantwortliche Raubbau gewütet, der gegen die Arbeiter in den Kriegsleistungsbetrieben verübt wurde. Die Arbeiterschaft hat heute gesundheitlich ein großes Trümmerfeld aufzuweisen, wir sahen, daß die Frauenarbeit während des Kriegs in übermenschlicher Art zugenommen hat, daß die Frauen zu Arbeiten verwendet wurden, denen sie mit ihrer Körperkraft nicht gewachsen waren, wir seh en ein ungeheueres Kinderelend, wir sehen, daß wir eine ungeheure Zahl, Zehntausende und Hunderttausende von Menschen im besten Mannesalter durch den Krieg verloren haben, wir sehen, daß die Zahl der Geburten zurückgegangen ist, daß die Zahl der Sterbefälle gestiegen ist, kurz, auf der ganzen Linie sehen wir einen furchtbaren Zustand, in den wir Hilfe bringen müssen. Wenn eine Gesundung dieser Verhältnisse herbeigeführt werden soll, ist es nur dadurch möglich, daß in der großzügigsten Art und Weise Sozialpolitik, Arbeiterschutz getrieben werde. Und wir können heute mit Freuden konstatieren, daß die Arbeiterschaft im großen ganzen zu der Erkenntnis gekommen ist, welche ungeheuere Wichtigkeit, welch' ungeheuere kulturelle Bedeutung sie in jedem Staatswesen, in jeder Gesellschaft darstellt und daß aus dieser Erkenntnis heraus die Arbeiterschaft jeden Tag mehr in der ungestümsten Art fordert, daß die Arbeiterschutzgesetzgebung auf der ganzen Linie nach vorwärts getrieben werde. Was bis jetzt in diesem Staate geschehen ist, ist nach unserer Ansicht vollkommen ungenügend. Wir wünschen, daß mehr geschehe auf dem Gebiete der Arbeiterschutzgesetzgebung und daß man den Rechten der Arbeiter in dieser Beziehung mehr denn je entgegenkommt. Die Arbeiterschaft ist unter keinen Umständen gewillt, einen Zustand auf die Dauer zu dulden, der die alten Arbeiter, diese alten Arbeiterveteranen, die 40, 50 und 60 Jahre in harter Frohn gearbeitet haben, auf die alten Tage eventuell betteln gehen oder zugrunde gehen läßt. Die Arbeiterschaft steht heute auf dem Standpunkt, daß für die alten Arbeiter nicht mehr der Bettel und die Mildtätigkeit da sein soll, sondern daß eine entsprechende Versorgung vorhanden ist, damit es nicht vorkommt, wie es während des Krieges und vor dem Kriege und seit Jahren passiert ist, daß die älteren Arbeiter eventuell im Straßengraben ein Ende finden, wo sie nicht mehr weiter können oder wo sie eventuell zum Selbstmord greifen, um diesem Elend ein Ende zu machen. Sie sollen uns ja nicht kommen, auch in diesem Staate nicht, daß sie für die Versorgung alter Arbeiter keine Bedeckung haben, diese Unmöglichkeit hat uns das alte Österreich unausgesetzt vorgerechnet. Trotzdem hat es Krieg gemacht, hat es Milliarden verpulvert während des Krieges, und heute muß es viele Hunderte Millionen zur Unterstützung der Kriegsverletzten verwenden. Wir hätten die beste und schönste Altersversorgung bekommen, wo jeder Arbeiter vom 50. Jahre an schon in die Pension hätte gehen können. Wir werden nicht mehr zugeben, daß die Altersversorgung länger verschleppt wird und können heute schon an das Ministerium für soziale Fürsorge, an die Regierung und an den Staat die Forderung stellen, und zwar in der energischesten Form, daß die Altersversorgung möglichst bald in diesem Staate geschaffen werden muß.
Ich möchte da gleichzeitig ein Beispiel anführen, wie das Ministerium für soziale Fürsorge sich die Altersversorgung vorstellt. Es hat in diesen Sommer einen Erlaß hinausgegeben, wonach Arbeiter, welche über 65 und 70 Jahre alt sind, aus der Arbeitslosenunterstützung auszuscheiden sind, wo nicht einmal danach gefragt wird, ob diese Arbeiter noch arbeitsfähig sind, oder ob sie es nicht mehr sind, sondern kurzerhand vom Ministerium für soziale Fürsorge gesagt wird: weil du ein Alter von 65 Jahren erreicht hast, hast du es nicht mehr notwendig, in die Fabrik zu gehen, wirst du ausgeschaltet aus der Arbeit. Und so kommt es, daß der betreffende Arbeiter durch ein solches Vorgehen eines Ministeriums, das zum Schutze der Arbeiterschaft, das für die Volkswohlfahrt geschaffen wurde, dem Hungertode überantwortet wird. Ich meine, das ist eine Schande von einem Ministerium für soziale Fürsorge, und wenn das Ministerium auf diesem Wege fortschreitet, dann soll es eine Titeländerung vornehmen, dann soll es sich nicht Ministerium für soziale Fürsorge nennen, sondern Ministerium gegen soziale Fürsorge. Wir haben weiter gesehen, daß das Ministerium für soziale Fürsorge einen Erlaß herausgegeben hat, wonach die Arbeitslosen, die keine Arbeit finden konnten, wie die Verbrecher behandelt wurden, ihre Namen in den Gemeinden ausgehangen wurden zur öffentlichen Schau, und wodurch die Arbeitslosen, die sich nicht helfen konnten, direkt herabgesetzt worden sind. Wir sehen weiter, daß die Lebensverhältnisse sich unausgesetzt verschlechtert haben, und daß seit dem Bestande des Gesetzes über die Arbeitslosenfürsorge, seit dem 10. Dezember 1918, dieses unausgesetzt verschlechtert worden ist, sodaß wir sagen können, daß überhaupt eine geordnete Arbeitslosenfürsorge in diesem Staate nicht mehr besteht. Und da hat auch die Verfügung des Ständigen Ausschusses, die mit 1. Dezember dieses Jahres in Kraft getreten ist, nichts geholfen. Es heißt wohl, daß außer dem Familienvorstande noch zwei Familienmitglieder die Unterstützung, die volle Unterstützung beziehen können, gleichzeitig hat aber das Ministerium einen Erlaß an die Bezirke hinausgegeben, wo sie sagt, daß wenn der Mann, das Familienoberhaupt, beschäftigt ist, die Familienangehörigen einen Anspruch auf Unterstützung nicht besitzen. Das heißt also: wir haben heute draußen Fälle, wo der Arbeiter, das Familienoberhaupt, 120, 100 Kronen verdient oder nur 80, ja nur 60 Kronen, wo eine Anzahl von Familienmitgliedern sind, und wo diese Familienmitglieder, auch wenn sie sich selbständig erhalten müssen, bloß weil das Familienhaupt verdient, eine Unterstützung nicht erhalten. Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß hier eine andere Auslegung durch das Ministerium für soziale Fürsorge gefunden werden muß, wie wir überhaupt auf dem Standpunkte stehen, da während dieser Zeit, wo wir noch kein neues Arbeitslosengesetz besitzen, wie in anderen Staaten, zumindest das alte Gesetz so ausgebaut und ausgestaltet werden muß, daß wir von einer wirklichen Arbeitslosenfürsorge während dieser Zwischenzeit sprechen können, daß das Gesetz so gestaltet wird, daß man es nicht bloß in seiner ursprünglichen Fassung wiederherstellt, sondern daß man auch auf die dermalig festgesetzten Unterstützungssätze in Anbetracht der Teuerung den Arbeitslosen entsprechende Zulagen gewährt.
Mit der Schaffung des neuen Arbeitslosen-Versicherungsgesetzes muß auch gleichzeitig das Gesetz über die Arbeitsvermittlung geschaffen werden. Der Arbeitsmarkt muß organisiert werden, nicht wie es jetzt ist, im allgemeinen, daß man den Bezirksarbeitsvermittlungsanstalten diese Arbeit überläßt, die eigentlich eine Organisation der Arbeitsvermittlung nicht beinhaltet und wo auch die Mittel, die für diesen Zweck ausgeworfen werden, vollständig ungenügend sind; waren ja in dem Budget für 1921 650.000 Kronen für Arbeitsvermittlung im allgemeinen eingesetzt!
Ich muß auch heute auf ein Gesetz zu sprechen kommen, das schon seit Juli dieses Jahres in Kraft ist, das Gesetz zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Heimarbeiter. Dieses Gesetz, das schon seit ungefähr 5 Monaten in Kraft steht, ist bis heute noch nicht in Wirksamkeit getreten. Man hat bis jetzt sonst nichts getan, als daß man im Juli eine Enquete für Textilarbeiter einberufen hat, und man ist in letzter Zeit darangegangen, zwei Subkomitees zu errichten, obwohl wir in der Republik in einzelnen Gebieten zehntausende von Heimarbeitern haben, die auf Grund ihrer Zwangslage unter äußerst schlechter Entlohnung und äußerst schtechten Arbeitsbedingungen zu arbeiten gezwungen sind. Ich erinnere daran, daß wir die große Anzahl von Hauswebern haben in Böhmen, Mähren und Schlesien, die Stricker und Wirker, die Arbeiter der Spitzenerzeugung, die Handschuharbeiter. Wir haben viele Arbeiter in der Holzindustrie als Heimarbeiter beschäftigt, wir haben Metallarbeiter im Nixdorfer Gebiete, Glasarbeiter im Steinschönauer und Haidaer Gebiete, dann in Gablonz, Tannwald u. s. w. Alle diese Arbeiter, die Heimarbeiter bedürfen dringend dieses Gesetzes, bedürfen aber auch der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen; und wir fordern heute, daß das Ministerium für soziale Fürsorge endlich diesem Gesetz Geltung verschafft, daß dieses Gesetz wirklich im allgemeinen in Wirksamkeit tritt.
Und ich möchte noch auf eine andere Sache zu sprechen kommen, die auch ein trauriges Kapitel für die betreffenden Arbeiter ist, nämlich für die Unfallsrentner. Die frühere Nationalversammlung hat einmal beschlossen, daß den Unfallsrentnern ihre Renten je nach der Erwerbseinbuße von 30 bis 50 % erhöht werden. Wenn Sie bedenken, daß die Löhne dieser Rentner und ganz besonders jener, die vor dem Kriege einen schweren Unfall erlitten haben, damals 900 bis 1500 Kronen im Durchschnitt betragen haben, sodaß die 60prozentige Rente bei der 100prozentigen Erwerbseinbuße 540, im Höchstfalle 900 Kronen jährlich beträgt, wenn Sie einen Arbeiterkrüppel sehen, einen Krieger, der auf dem Schlachtfelde der Arbeit gefallen ist, der sich mit diesem Beitrag das Notwendige zum Leben nicht verschaffen kann, so müssen Sie erkennen, wie lächerlich niedrig dieser Procentsatz ist. Wir fordern und stehen auf dem Standpunkt, daß die Rentenbemessung durch ein Gesetz geregelt werden muß, daß die Renten so gestaltet werden, daß diese Menschen, die im Dienste der Arbeit durch einen Unglücksfall ihre Erwerbsfähigkeit verloren haben, auch so unterstützt werden und eine Rente erhalten, die es ihnen ermöglicht, leben zu können. Bei dieser Gelegenheit urgieren wir auch weiter, daß die Wahlen bei den Unfallsversicherungsanstalten endlich einmal ausgeschrieben werden; denn es geht doch nicht an, daß Hunderte, Tausende von Arbeitern in den deutschen Gebieten bei diesen Anstalten vollständig rechtlos sind. Was das Ministerium für soziale Fürsorge gemacht hat, daß man drei Arbeitervertre ter ernannt hat, darauf können wir uns nicht einlassen. Man hat die Gewerkschaften als solche gar nicht darum gefragt. Man hat bei dieser Ernennung das zahlenmässige Verhältnis der deutschen Arbeiterschaft in den betreffenden Gebieten in keiner Weise berücksichtigt. Wir fordern heute das Ministerium für soziale Fürsorge auf, endlich die Wahlen auszuschreiben, damit auch die Arbeiterschaft in den deutschen Gebieten eine entsprechende Vertretung besitzt.
Ein weiteres Kapitel, wo in der allernächsten Zeit auch Wandel geschaffen werden muß, sind unsere Gewerbeinspektorate. Heute steht es so, daß die Inspektorate mit einem Aufgabenkreis, mit einer Menge von Agenden überlastet sind, daß sie ganz außerstande sind, diese Arbeit bewältigen zu können, und daß für ihre eigentliche Tätigkeit, die sie als Gewerbeinspektoren auszuüben haben, überhaupt keine Zeit übrig bleibt, daß sie die Kontrolle der Betriebe, die Aufsicht der Betriebe in keiner Weise vornehmen können. Heute sind die Inspektoratsbezirke viel zu groß, sie müssen verkleinert werden, die Zahl der Beamten muß vergrößert werden. Wir stehen weiter auf dem Standpunkte, daß auch Spezialgewerbeinspektorate errichtet werden, daß die Frauen als solche mit zu Inspektorinnen herangebildet werden, ganz besonders für jene Berufe, wo zum Großteil Frauen als Arbeiterinnen in Betracht kommen. Es kommt heute sehr häufig vor, daß die Gewerbeinspektorate draußen mit allen möglichen Agenden belastet werden, daß die Gewerbeinspektoren bei der Schreibmaschine sitzen müssen, weil das Ministerium für soziale Fürsorge keine Mittel für eine Hilfskraft bereitstellt, und daß sie infolgedessen ihren großen Aufgabenkreis im allgemeinen zu vernachlässigen gezwungen sind. Wir fordern auch weiter, daß die Gewerbeinspektorate mit einer größeren Vollzugsgewalt ausgestattet werden, als das bis jetzt der Fall gewesen ist.
Und nun möchte ich noch einiges sagen: es ist im Budget nichts vorgesehen, wie dies bereits in anderen Staaten geschehen, wo man jetzt nach dem Kriege versucht, auf dem Gebiete der Arbeiterunfallsgesetzgebung in allen Ländern Erfahrungen zu sammeln und für das eigene Land nutzbar zu machen, wie dies unter anderem Deutschland, Norwegen, Schweden, auch Italien getan haben, nämlich sozialpolitische Attachés den einzelnen Gesandtschaften beizustellen. In unserem Staate, in der Èechoslovakei, ist in dieser Beziehung nichts vorgesehen, sondern es ist nur vorgesehen, daß die Militärattachés weiterhin den Gesandtschaften beigegeben werden, daß sie zu studieren haben, was morgen die Technik des Massenmordens bringt, daß sie aber nicht zu studieren haben, was notwendig ist im Sinne des Schutzes unserer Arbeiterschaft. (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.)
Und hier meinen wir - es liegt auch ein diesbezüglicher Antrag vor -, daß auch den Gewerkschaften ein entsprechendes Vorschlagsrecht auf die Besetzung eines solchen Amtes eingeräumt wird.
Ich möchte nur noch kurz darauf zu sprechen kommen, daß wir heute noch kein Urlaubsgesetz haben, daß auch die Arbeiterschaft das Urlaubsgesetz urgiert, daß auch für die Arbeiter Urlaube bewilligt werden, denn bekommt jeder Angestellte, jeder Beamte, jeder geistige Arbeiter einen Urlaub, und wenn ein Privilegierter der Besitzerklasse bis jetzt Urlaub bekommen hat, ohne in der Zeit begrenzt zu sein, muß auch ein Recht und ein Gesetz bestehen, daß auch die Arbeiterschaft, die das ganze Jahr arbeitet, imstande ist, einige Zeit aus der harten Frohn der Arbeit herauszukommen.
Und gleichzeitig damit urgieren wir auch heute die Einigungsämter beim Ausbau unseres Lohntarifvertragswesens. Die Gewerbegerichte sind unzuständig in diesem Falle. Wir brauchen die Einigungsämter, wenn wir nicht fortwährend vor dem Ausbruche folgenschwerer Stritte innerhalb der Arbeiterbewegung stehen wollen. Wir haben heute eine Menge von Gesetzen, die verzettelt sind, in denen kein Arbeiter imstande ist, sich zurecht zu finden, und eine Unmasse von Verordnungen. Es muß endlich in diesem Staate daran gegangen werden, eine Zusammenfassung aller dieser Arbeiterrechtsgesetze vorzunehmen, sie müssen zusammengefaßt werden in ein Arbeiterrechtsbuch, wie man in Deutschland heute daran ist, dasselbe im allgemeinen durchzuführen.