Der Herr Ministerpräsident hat von einer Erscheinung gesprochen, die geradezu unsere größte Aufmerksamkeit erfordert, das ist die immer ärger werdende Geldknappheit. Aber ich möchte, um die Regierung zu warnen, nicht falsche Wege zu betreten, noch sagen, daß ihre Ursache nicht allein in der Thesaurierung gesucht werden darf. Meine Herren! Wir haben seit Juli oder August 1914 eine steigende Tendenz der Preise aller Bedarfsartikel, Nahrungsmittel und aller anderen Güter des menschlichen Bedarfes zu verzeichnen. Diese Steigerung hat noch keinen Moment ausgesetzt, keinen Augenblick angehalten, sie ist namentlich in den letzten 5-6 Monaten in rapider Weise vor sich gegangen. Und wenn nun in einer solchen Zeit die Lebensmittelpreise und die Preise anderer Bedarfsgüter um einen bestimmten Prozentsatz steigen, so ist es notwendig, um den Warenverkehrsprozeß, den Zirkulationsprozeß aufrecht zu erhalten, daß diejenigen Mengen an Geldmitteln bereit stehen, die für den eigenen Ankauf notwendig sind. Wenn nun die Menge an Geldmitteln zurückbleibt gegenüber jener Gesamtsumme, die die gesamte zirkulierende Ware nach den erhöhten Preisen ausmacht, so muß selbstverständlich eine Differenz entstehen, eine Stockung, und das ist, glaube ich, die entscheidende Ursache der Geldknappheit, die wir heute zu verzeichnen haben.
Es darf nicht vergessen werden, daß der Warenzirkulationsprozeß heute innerhalb des Staatsgebietes in der Form der gewöhnlichen Abwicklung sich vollzieht nach dem System der Barzahlung, und daß jene Methoden, die im Frieden bestanden haben, wonach die Inanspruchnahme von Bargeldmitteln für den Warenverkehr nur in einem geringen Umfang stattgefunden hat, weggefallen sind. Wir haben im Frieden Waren mit Wechseln bezahlt. Es wäre interessant festzustellen, wie groß etwa die Mengen an Waren aller Art gewesen sind, die zirkulierten, ohne daß ihre Bezahlung durch Geldmittel erfolgte, die bezahlt wurden mit Akzepten, die vor allem geschuldet wurden; es war doch im Frieden so, daß ein großer Teil der Waren schon in den Konsum gegangen war und das Geld hiefür erst den rückläufigen Weg vom Konsumenten zum Detaillisten, vom Detaillisten zum größeren Zwischenhändler bis zum Produzenten zurücklegte. Das ist heute nicht mehr der Fall und wir bedürfen der Geldmittel. Wir müssen sie haben, um diesen Zirkulationsprozeß aufrecht zu erhalten. Und wenn ich auch den Finanzminister verstehe, der in der Sorge um die finanzielle Existenz des Staates alle Mittel anwendet, um die Noteninflation einzuschränken, so darf das doch nicht soweit gehen, daß dadurch die Lebensmöglichkeiten, die Verkehrsmöglichkeiten der Waren und damit das Leben und die Existenzmöglichkeit der Menschen unterbunden und eingeschränkt wird. (Výbornì!) Und ich muß sagen, meine Herren, die Geldknappheit, unter der wir leiden, ist schon zu einer wahren Katastrophe geworden, vor allem zu einer Katastrophe für diejenigen, die heute berufen sind, die Versorgung der Bevölkerung unmittelbar durchzuführen.
Ein weiteres Kapitel, das der Herr Ministerpräsident gestern besprochen hat, das ist die Frage der sozialen Gesetzgebung. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Ich will an dieser Stelle des Näheren nicht darauf eingehen, weil wir ja, so hoffe ich, sehr bald Gelegenheit haben werden, diese außerordentlich dringende und wichtige Frage sehr ausführlich zu besprechen. Aber ich mache darauf aufmerksam, daß es notwendig sein wird und darüber spricht sich das Programm des Herrn Ministerpräsidenten nicht sehr klar aus - die Frage der Schaffung eines einheitlichen Arbeiterrechtes sehr bald der Erledigung zuzu führen. Die Fragen des Arbeiterschutzes, der sozialen Fürsorge, der Krankenfürsorge sind im Programm des Herrn Ministerpräsidenten zwar berührt, aber ich muß sagen, in wenig deutlicher und klarer Weise. (Souhlas nìm. poslancù.) Wir hoffen, daß die Regierung sehr bald in der Lage sein wird, die bezüglichen Gesetzentwürfe hier vorzulegen und daß wir dann darüber werden beraten können. Was ich aber in dem Programm nicht finde, das ist die Ankündigung einer Vorlage betreffend die Alters- und Invalidenversicherung und betreffend die Arbeitslosenversicherung. (Min. pøedseda Tusar: Jest to tam obsaženo.) Es ist vielleicht in den allgemeinen Ausdrücken miteingeschlossen, das kann schon sein. Wenn die Regierung auch in dieser Beziehung im Parlamente vorangeht, so wird sie darin nur unsere Zustimmung und in der Durchführung dieser Fragen unsere Unterstützung finden. (Výbornì!)
Aber, meine Herren, wovon nicht die Rede ist in dem Programme des Herrn Ministerpräsidenten, das ist die Frage, wie die schuldlosen Kriegsopfer versorgt werden sollen. (Souhlas nìmeckých poslancù.) Ich glaube, diese Frage muß losgelöst werden von allen politischen Erwägungen, denn die Kinder, deren Väter in diesem Kriege gefallen sind, sind ebenso schuldlos an dem Kriege wie die Frauen, deren Männer auf den Schlachtfeldern geblieben sind. Und ebenso schuldlos sind die Gefallenen selbst, die alle zusammen, wie sie waren und welcher Nation sie angehörten, in diesen Krieg hineingetrieben worden sind! (Souhlas nìm. poslancù.) Ich glaube, es ist eine der ersten und dringendsten Pflichten dieses Staates, für die Opfer dieses Krieges zu sorgen, dessen Urheber nicht allein hier und da, sondern in der ganzen Welt, wo es kapitalistischen Imperialismus gibt, zu suchen sind. (Souhlas nìmeckých poslancù.)
Eine weitere Frage, die uns von außerordentlicher Dringlichkeit erscheint, ist die Frage der Heimbeförderung der Kriegsgefangenen. (Hlas: Höchste Zeit!) Ich will nicht über den Schmerz, über den Jammer, über den Kummer, die Sorge und das Elend derer sprechen, die heute nach vier, fünf und sechs Jahren noch immer auf ihre Lieben in Hangen und Bangen warten. Ich will kein Wort darüber verlieren, weil ich annehme, daß es nicht notwendig ist, hier in diesem Kreise zivilisierter Menschen, das menschliche Mitgefühl zu wecken. Aber ich kann nicht umhin, den dringenden Wunsch auszusprechen, daß die Regierung, die hier allein wirken kann - denn wir anderen können es nicht, - kein Mittel unversucht lasse und keine Anstrengung scheue, um endlich diese bedauernswerten Opfer des Krieges nach Hause zu bringen. (Souhlas nìmeckých poslancù.)
Ich bin jetzt im Begriffe, ein paar Worte darüber zu sagen, was in der Regierungserklärung über die Finanzpolitik steht. Es ist ja nicht viel, was die Regierung darüber sagt, und vor allem ist das, was sie sagt, ganz unbestimmt, und wir müssen abwarten, was sie auf diesem Gebiete zu tun gedenkt. Aber, meine Herren, wenn uns die Regierung zur Mitarbeit eingeladen hat - und das bezieht sich wohl auf den ganzen Umkreis der parlamentarischen und staatlichen Tätigkeit - so werden wir in diesem Punkte unsere Mitarbeit dahin richten, daß wir jede Finanzpolitik, jede Steuerpolitik auf das entschiedenste bekämpfen werden, die darauf gerichtet ist, die Schultern der arbeitenden Volksmassen zu belasten, die Armen zur Steuerleistung heranzuziehen. Der Grundsatz unserer Steuerpolitik ist: Belastet werden soll das arbeitslose Einkommen (Souhlas.), freibleiben soll das durch die Arbeit redlich und ehrlich erworbene Einkommen (Posl. Kmeko: Werden Sie auch für die Kapitalisten die Kriegsanleihe honorieren?) Und wenn der hochverehrte Herr Kollege, den zu kennen ich noch nicht das Vergnügen habe, meine Aufmerksamkeit auf die Kriegsanleihe lenken will, so ist das, glaube ich, eine Frage zweifacher Art: man muß sie behandeln zunächst einm al vom rein finanziellen Standpunkt, vom Standpunkt der staatlichen Finanzwirtschaft, und man muß sie behandeln vom Standpunkt der Interessen der Bevölkerung. Und da sage ich ganz ruhig - wir haben das unumwunden ausgesprochen in Beschlüssen, die wir gefaßt haben: Wir sind für die volle Einlösung der Kriegsanleihe. (Souhlas nìm. poslancù. Poslanec dr. Kmeko: Aj pre kapitalistov žiadáte honorovanie váleèných pôzièiek?) Hören Sie nur, geschätzter Freund, die Sache hat noch einen Nachsatz: Wir sind für die volle Einlösung der Kriegsanleihe mit der Maßgabe, daß durch eine entsprechende Besteuerung der Kapitalisten die kapitalistischen Klassen gezwungen werden, sie gemeinsam zu bezahlen (Souhlas nìmeckých poslancù.), die einen damit alles klar sei zwischen uns - weil sie den Krieg gewollt, die anderen, weil sie im Krige verdient haben.
Nun komme ich zu einer Frage, die vor allem meine Partei interessiert, zu einer Frage, welche die Arbeiterklasse in diesem Augenblicke in erster Linie beschäftigt: der Frage der Sozialisierung. Der Ministerpräsident hat gemeint, die Durchführung des Sozialismus sei heute nicht mehr eine Utopie. Ich glaube, die Durchführung war niemals eine Utopie. Sie war nur nicht eine Frage besonderer Aktualität, bis der Krieg seine sozialen und gesellschaftlichen Wirkungen vollbracht hat, Heute allerdings können wir sagen, daß der Weltkrieg die kapitalistische Entwicklung in einem solchen Maße beschleunigt hat, daß die Frage der Durchführung des Sozialismus zum unmittelbaren gesellschaftlichen Problem geworden ist (Souhlas nìm. poslancù.) hier und in der ganzen Welt, dadurch, daß dieser Krieg in Wahrheit die stärkste Lokomotive geworden ist, die es je in der Weltgeschichte gegeben hat, und mit rasender Geschwindigkeit die Entwicklung aller gesellschaftlichen Verhältnisse beschleunigt hat, die sonst vielleicht noch eine erheblich längere Zeit in Anspruch genommen hätte. Wir stehen, meine Herren, vor der Lösung des Problems aus zwei Gründen: Weil die Lösung eine gesellschaftliche Notwendigkeit geworden ist, und weil die Arbeiterklasse der ganzen Welt sie will. Da allerdings können und dürfen wir nicht allein von diesem Staate reden und dürfen unsere Verhältnisse, unsere Wirtschaft nicht isoliert betrachten. Dafür ist entscheidend die Gesamtlage Europas, und da zeigt es sich nun, daß das System der Produktions- und Austauschweise, wie es vor dem Krieg bestand, das kapitalistische System, durch den Krieg und im Kriege zerschlagen worden ist. Wir sehen nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa fast ausnahmslos, vor allem aber in jenen Staaten, die in den Kreis dieses ungeheuerlichen Weltgeschehens unmittelbar gezogen worden sind, einen vollständigen Niederbruch der Produktionskraft, nicht nur soweit sie besteht in den mechanischen Mittelu der Produktion, in Maschinen, Werkzeugen, im Grund und Boden, sondern auch, soweit sie besteht in der Arbeitskraft. Ja, meine Herren, wenn 15 Millionen Menschen mit allen Mitteln technischen Könnens methodisch und systematisch Tag für Tag durch 4 1/2 Jahre getötet werden, wenn 15 Millionen Menschen mit einem Mal, förmlich mit einem Schlag vernichtet werden und dadurch 30 Millionen Hände der menschlichen Arbeit entzogen wurden, in einem Weltteil wie Europa, der wahrlich nicht der größte ist, so bedeutet das nichts anderes als einen Niederbruch der menschlichen Arbeit. Unsere Verkehrsmittel sind ruiniert und vor allem ist das internationale Kredit system, das Rückgrat der kapitalistischen Austauschweise, vollkommen zerbrochen. Wir sehen es ja, meine Herren, wir können nicht mehr in der alten Form austauschen, auf den Grundlagen der kapitalistischen Wirtschaft und nach dem kapitalistischen System in der Form: Geld - Ware, Ware - Geld. Das ist die Methode, die Form des kapitalistischen Güteraustausches. Das können wir nicht mehr. Wir können nicht mehr mit Amerika oder mit irgend einem überseeischen Staat auf dieser Grundlage Handel treiben. Wir können nur Ware gegen Ware austauschen. Das verändert mit einem Schlage die Grundlagen der Wirtschaft überhaupt. Die Lage ist die, daß unsere Geldmittel so entwertet sind, daß sie nur noch unter Zwangskurs im Verkehre sein können, der eben bei uns besteht, wenn auch nicht nach formalen Gesetzen, sondern einfach unter dem Zwange der Tatsachen. Aber diesen Zwang können wir nicht über die Grenzen dieses Staates hinaus ausdehnen, und der Amerikaner, der Getreide, Fleisch und Fett, der indische Kaufmann, welcher Häute, Tee und ich weiß nicht was noch, zu verkaufen hat, kann nicht gezwungen werden, èechoslovakische Kronen zu nehmen, sowie er nicht gezwungen werden kann, deutsche Mark oder österreichische Kronen oder sonst irgendein ihm nicht genehmes Zahlungsmittel anzunehmen. Mit unseren kapitalistischen Zahlungsmitteln, die Mittel des Tausches der besonderen kapitalistischen Wirtschaftsweise sind, können wir nicht mehr im Ausland einkaufen. Der ausländische Kapitalist, der Besitzer von Baumwolle und Schafwolle, von Häuten und Nahrungsmitteln, kann uns nicht mehr verkaufen, weil in seiner Hand unser Geld zu völliger Wertlosigkeit herabsinkt.
Was fängt er damit in Amerika, was in Brasilien, in Indien an? Wir also, meine sehr verehrten Herren, können nichts kaufen und man kann uns nichts verkaufen. Zu diesem Zustand ist die Entwicklung nach dem Kriege gediehen, und wir müssen uns also darnach einrichten, wenn wir Rohstoffe und Lebensmittel haben wollen, die wir selbst nicht besitzen. Wir müssen uns darauf einrichten, sie im Austauschwege von Waren gegen Waren in das Inland hereinzubringen. Das bedingt natürlich eine Kontrolle unserer Ausfuhr und Einfuhr, bedingt eine Kontrolle unserer ganzen Produktion, unserer ganzen Wirtschaft, bedeutet also, daß wir unsere ganze Wirtschaft auf neue Grundlagen stellen müssen.
Aber, meine Herren, noch eines kommt hinzu: Vor dem Kriege schon war Europa in seiner Ernährung von der Zufuhr von Lebensmitteln aus dem überseeischen Ausland abhängig. Wir haben damals, natürlich auch in den Formen des kapitalistischen Austausches, unsere Produkte, die Erzeugnisse unserer Industrie, unseres Gewerbes, und unsere Kulturwerte, die wir geschaffen haben, an jene Länder abgegeben.
Aber heute ist eben unser wirtschaftlicher Apparat durch den Krieg zerstört, sind die Kraftquellen unserer Wirtschaft versiegt. Wir verzeichnen nicht nur hier das, worüber der Herr Ministerpräsident in seiner Rede klagte, den Verfall der Wirtschaft, wir verzeichnen ihn in allen Ländern Europas. Und, meine Herren, es wäre ein verhängnisvoller Irrtum zu glauben, daß dies eine vorübergehende Erscheinung sei, die in dem Grade schwinden wird, als es gelingt, das Wirtschaftsleben künstlich zu beleben, und in dem Maße, als es gelingt, das Ausland, vor allem das ausländische Kapital, für unsere Wirtschaft zu interessieren. Nein, meine Herren, der Krieg hat etwas bewirkt, was uns vielleicht erst in den nächsten Jahren offenbar werden wird, was mit aller Deutlichkeit die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte uns erst zeigen wird; dieser Krieg hat bewirkt, daß das Zentrum des wirtschaftlichen Lebens und der politischen Kraft der Welt verlegt worden ist, weggetragen worden ist, u. zwar aus Europa auf die andere Seite dieser Erdkugel. Der Krieg hat dem Kapitalismus der Vereinigten Staaten Nordamerikas ein ganz neues Gebiet für seine Betätigung geschaffen, ein Gebiet mit unerhört reichen Quellen der Vermehrung des Kapitals und des Gewinnes, vor allem in der durch den Krieg geschaffenen Tatsache, daß die panamerikanische Idee immer mehr realisiert wird in der Form eines Zusammenwirkens, eines wirtschaftlichen und politischen Zusammenwirkens der amerikanischen Staaten. Und England, meine Herren, England hat durch den Weltkrieg eine vollständige Vereinheitlichung seines großen Imperiums erreicht, es hat seine großen gewaltigen Kolonialländer zu einem großen einheitlichen Gebiet konzentrisch zusammengeschlossen, das in seinem Innern alle Brücken und Straßen eines konzentrischen Verkehrs hergestellt hat. Das wird nun zur Folge haben, daß sich der amerikanische, daß sich der englische Kapitalismus den Teufel scheren und kümmern wird um das arme, um das zusammengebrochene, um das verelendete, um das verarmte, um das im Kriege in volle Ohnmacht gestürzte Europa, wenn ihm dort in so unermeßlicher Fülle die größten Quellen neuer Bereicherung offen stehen. Und so ergibt sich für ganz Europa die Perspektive, daß die Stunde kommt, wo das aufhört, wovon wir in diesem Erdteil noch leben, nämlich der Pump. Wovon leben wir denn noch in Deutschösterreich, in Ungarn, in Polen, in der Èechoslovakei, in Deutschland, in Frankreich? Davon, daß wir in Amerika Kredite bekommen, um von dort Lebensmittel nach Europa zu bringen. Wir bekommen sie vielleicht heute noch in der Erwartung, daß doch einmal eine Bezahlung erfolgen wird. Aber je mehr die europäische Wirtschaft zusammenbricht, und wir sehen sie noch immer im Zusammenbruche, umso mehr müssen sich alle diejenigen von uns abwenden, die vielleicht darauf rechnen, wenn sie heute Kredite gewähren, sie später doch einmal zurückzubekommen, und es wird die Stunde eintreten, wo wir nicht mehr durch Kredite oder durch sonstige finanzielle Transaktionen Lebensmittel oder Rohstoffe aus den Überseeländern nach Europa, in welchen Staat immer, werden bringen können. Das ist der Zustand, dem wir entgegengehen in Europa, ein Zustand, von dem wir, von dem dieser Staat nicht ausgeschlossen sein wird, denn es gibt heute nicht mehr ein vereinzeltes isoliertes Schicksal eines Staates oder eines Volkes, wir sind mit allen unseren Lebenserfordernissen und Bedingungen so auf einander angewiesen, daß, wenn ein Volk hinuntersinkt in Verelendung, in den Zusammenbruch seiner Wirtschaft und seiner Staatlichkeit, es die anderen Völker mit sich hinabzieht. Das zeigt sich ja am deutlichsten in dem Frieden, den die Entente diktiert hat, zeigt sich am deutlichsten darin, daß es immer offenbarer wird, daß der Gedanke nicht durchführbar ist, der dem Gewaltfrieden zu Grunde liegt, nämlich Deutschland so zu binden und so zu fesseln, daß es sich nicht wieder erholt, daß es als Staat absterben muß, weil klar wird und offenbar, daß vom Leichengift dieses Staates angesteckt, ganz Europa mit ihm verfaulen würde. (Hluèný potlesk nìmeckých poslancù.)
Europa wird sich nur helfen können, wenn seine Wirtschaft planmäßig organisiert wird, damit es seine eigenen Produktionsmittel, die es besitzt und die noch vorhandenen eigenen Quellen wirtschaftlicher Kraft vollkommen erschließt; nur wenn es gelingt, die vorhandenen Mittel der Wirtschaft in diesem Erdteil allen Völkern zugänglich zu machen und die Wirtschaft in diesem ganzen Weltteil organisch zu gestalten, nur dann, meine Herren, ist die Rettung Europas vor dem drohenden Schicksal des Verfalles möglich, das ihm droht aus seiner Vereinsamung, das ihm droht aus der Tatsache, daß die Wege der Weltwirtschaft, der großen Weltwirtschaft nicht mehr durch Europa, sondern an Europa vorbei nach anderen Weltrichtungen führen. Und da diese planmäßige Ausbeutung der wirtschaftlichen Kraftquellen dieses Erdteils, die planmäßige Produktion und Verteilung der geschaffenen Bedarfsgüter nur auf der Grundlage des Sozialismus möglich ist, ist der Sozialismus zur Hoffnung Europas geworden. (Potlesk nìm. poslancù.)
Das ist die eine wirkende Tatsache, die ihn zwingend herbeiführen wird, die andere ist der Wille der Arbeiter. (Bravo!) Meine Herren! Dieser Krieg ist nicht ohne Eindruck auf das seelische, auf das geistige Leben der Arbeiter geblieben, aller der Proletarier, die ihn mitgemacht haben an der Front und im Hinterland, in den Betriebsstätten des Krieges, in den Munitionsfabriken, in den Fabriken, wo die Kanonen erzeugt wurden. Es ist in diesem Kriege den Arbeitern zum Bewußtsein nicht allein gekommen, sondern gebracht worden von all denen, die sie gelehrt haben, Tag für Tag nur möglichst viel Geschosse, möglichst viel Kanonen zu erzeugen, von denen, die sie hinausgestellt haben in die Schützengräben, durch all dies ist ihnen zum Bewußtsein gebracht worden, daß in ihrer Hand das - Schicksal der Welt liegt. Das hat das Kraftgefühl der Arbeiter gesteigert, hat ihnen auch zum Bewußtsein gebracht, daß sie, wenn sie wollen und wenn sie einig sind, sich eine neue Welt aufbauen können, eine Welt, in der das arbeitende Volk frei ist und in dem es das gleiche Maß an Wohlstand und Glück genießt wie die anderen Menschen.
Und noch eines: Es ist der Wille der Arbeiter, nicht mehr Mehrwert zu schaffen für den. Kapitalismus, denn sie haben erkannt, daß aus dieser ihrer gesellschaftlichen Funktion, für den Kapitalismus Mehrwert zu schaffen, schließlich die Gegensätze entstehen zwischen den Klassen der Welt, Gegensätze, die sich dann auslösen in neuen Kriegen, in einen neuen Weltkrieg, vielleicht um die Rohstoffquellen und Rohstofflager der Welt, in einen neuen Weltkrieg, ähnlich dem, wie wir ihn jetzt gesehen haben. Die gesellschaftliche Notwendigkeit und der Wille der Arbeiter, diese zwei Elemente sind es, meine Herren, die unbesiegbar sind, und darum ist wirklich der Sozialismus zum aktuellen Problem geworden. Alle Parlamente beschäftigen sich mit ihm und auch dieses Parlament wird diesem Problem mit dem größten Ernst nähertreten müssen.
Aber, meine Herren, die Sozialisierung, von der der Herr Ministerpräsident sprach, bedingt die Änderung der Eigentumsverhältnisse, nicht aber neue Eigentumsformen. Und das, was von der verflossenen sogenannten Nationalversammlung in dieser Beziehung geleistet wurde, namentlich auf dem Gebiete der Sozialisierung des Bodens und was Sie als Sozialisierung bezeichnen, das ist keine Sozialisierung (Souhlas nìmeckých sociálních demokratù.), das ist nur eine Veränderung der Eigentumsformen. Wenn Sie den Großgrundbesitz zerschlagen, aufteilen und neue Eigentümer schaffen, so ist das keine Sozialisierung, und es ist auch keine Sozialisierung und würde keine sein, wenn durch ein Gesetz etwa Folgendes beschlossen würde: "Der Großgrundbesitz geht in das Eigentum des Staates über und wird in der gleichen Weise wie bisher etwa dadurch betrieben, daß die Beamten und Arbeiter, die jetzt dort beschäftigt sind, statt Beamte und Arbeiter des Großgrundbesitzers nun Beamte und Arbeiter des Staates werden." Sozialisierung bedingt Veränderung der Eigentumsformen und der ganzen Betriebsweise und so erklären wir denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir, um zu sozialisieren, eine Reform des Bodenreformgesetzes anstreben (Souhlas nìm. poslancù.), das Sie in der verflossenen Nationalversammlung geschaffen haben. Es ist notwendig, daß ein Betriebsrätegesetz geschaffen wird, das sich nicht nur, wie das bestehende, auf die Kohlenproduktion bezieht, sondern das die Demokratisierung der Betriebe sowohl der Großindustrie als auch des Großgrundbesitzes regelt. Es ist dann die Frage, wie der Besitz überzuführen sei aus der privaten Hand in die Hand der Allgemeinheit. Dazu wird die Schaffung eines Gesetzes notwendig sein, durch welches in der Form einer Vermögensabgabe dem Staate die Mittel an die Hand gegeben werden, die Ablösung der Güter des Großgrundbesitzes durchzuführen.
Und nun, meine Herren, erlauben Sie mir noch auf ein Wort zurückzukommen, das der Herr Ministerpräsident hier gesprochen hat und welches ich aus dem einen Grund für sehr bedeutungsvoll halte, weil es die augenblickliche politische Lage, und nicht nur die augenblickliche, allgemeine politische Lage dieses Parlamentes, sondern des Staates überhaupt, kennzeichnet. Der Herr Ministerpräsident hat davon gesprochen, daß dieses Kabinett, das sich uns vorgestellt hat, keine Partei von der Mitarbeit ausschließen oder ihre Teilnahme an der definitiven Regelung der politischen Verhältnisse und der Regierungsmehrheit ablehnen will. Nun, das klingt wie eine halbe Einladung an alle Parteien in die Regierungsmehrheit einzutreten. Ich glaube, diesen Wunsch hat ja jeder Ministerpräsident eines jeden Staates, und keiner ist glücklicher als der, der das Parlament in seiner Gesamtheit für sich hat. Nun, die Frage des Eintrittes oder diese Einladung, die da ergangen ist, sie ist nicht aktuell, soweit sie sich etwa auf uns beziehen soll. Aber es muß doch ein Wort darüber gesprochen werden. Denn ob eine Regierungsbildung in einem Parlament möglich ist auf der Grundlage der Koalition einer Mehrheit der Parteien des Parlaments, das ist nicht nur eine Angelegenheit der Regierung, sondern das geht uns alle an und das berührt ja das Schicksal des Staates. Und da muß man sich doch, wenn man die Dinge auch rein theoretisch behandelt, sagen, daß diese Einladung sehr begreiflich ist. Denn ich muß fragen: Wie ist in diesem Hause eine Majoritätsbildung überhaupt möglich? Das ist kein bloßes Rechenexempel. Es geht nicht, daß man einfach mit dem Bleistift in der Hand ausrechnet, die und die Partei, so und soviel Stimmen, daß man summiert und dann eine Majorität zusammenbekommt.
In national einheitlichen Staaten ist ja die Frage einer Regierungs- und Majoritätsbildung mitunter auch schwierig und eine komplizierte Sache; ungeheuer komplizierter und in ihren Schwierigkeiten gar nicht vergleichbar aber ist diese Frage in einem national gemischten, in einem Nationalitätenstaat. Und hier zeigt es sich nun, meine Herren, daß schon in dieser Frage die Krise, nicht des Parlamentes, sondern des Staates zum Ausdruck kommt. Denn die Wahlen haben die Staatskrise geoffenbart und wenn wir Schwierigkeiten in der Majoritätsbildung sehen, so ist dies nur die parlamentarische Widerspiegelung dieser Tatsache, die durch die Wahlen klar zum Ausdruck gebracht worden ist. Und da zeigt sich nun, meine Herren, was für einen ungeheuer schweren Fehler Sie, die Sie in der früheren sogenannten Nationalversammlung diesen Staat organisatorisch aufgebaut haben, begangen haben. In jener Nationalversammlung sahen Sie die Deutschen nicht, und Sie sahen sie doch - Sie sahen die Deutschen als das Objekt Ihrer Gesetze, Sie sahen sie aber nicht als die kommenden wirkenden Faktoren der parlamentarischen Politik. Sie waren, indem Sie diesen Staat politisch aufbauten, in Ihre Nationalherrschaftsgedanken ganz eingesponnen - vielleicht waren sie ein wenig vermischt mit dem Gefühl der Furcht vor den Deutschen - und Sie wurden blind und übersahen dabei den tiefen Riß, der durch Ihre eigene Nation geht. Und jetzt haben Sie die Bescherung. Zwei Möglichkeiten, sagt man, ergeben sich: eine nationale Koalition oder eine Koalition der Klassen. Eine nationale Koalition ich weiß nicht, ob diesem Gedanken jemand in diesem Hause ernsthaft nachhängt. Wir haben heute schon an einem Vorspiel gesehen, daß es vielleicht eine Unmöglichkeit ist, nationale Koalitionen zu bilden, weil durch die soziale Spaltung in jeder Nation die Kräfte ihrer Zahl nach allein nicht stark genug sind, um tragfähig zu sein. Der Gedanke der Sozialisierung ist so beherrschend in dem Bewußtsein der Welt der Arbeiter, daß es kaum denkbar ist, daß eine Koalition zwischen Vertretern des Proletariates und der reinsten Spielart des Kapitalismus entstehen kann.
Und so erscheint wohl die nationale Koalitionsbildung unmöglich, ganz abgesehen davon, in welche politischen Schwierigkeiten der Staat und die ganze Regierungsmaschinerie geraten würde. So taucht der Gedanke der Koalition der Klassen auf, wie wir sie ja gesehen haben und noch sehen in anderen Staaten: einer Koalition zwischen Arbeitern und Bauern. Davon ist ja viel die Rede. Wir sehen sie in Deutschösterreich, wir sehen sie in Deutschland, allerdings als Erscheinungen eines bestimmten Notfalles, unter dem Zwange und im Augenblicke unüberwindlicher Tatsachen, die weder der einen, noch der anderen Klasse gestatten, ihr Handeln vollkommen frei zu bestimmen. Aber da zeigt sich nun, wie groß und schwer der Fehler war, den Sie, meine Herren, in Ihrer verflossenen Nationalversammlung gemacht haben. Man spricht auch von einer anderen Möglichkeit der Klassenkoalition, nicht nur von der der Bauern und Arbeiter; es gibt noch einen Gedanken, und zwar den, daß sich die Bourgoisien, die bürgerlichen Klassen in diesem Staate zu einer Regierungsmehrheit verbinden. Aber in jedem Falle zeigt sich die Unmöglichkeit in Folgendem: Sie haben die Völker, mit denen Sie koalieren wollen oder mit deren Teilen Sie koalieren wollen, behaftet mit den Ketten der nationalen Unterwerfung. Sie haben Ihre Verfassung aufgerichtet und darüber das Wort geschrieben: "Unabänderlich". Sie haben sie umgeben mit so vielen Befestigungen, daß es schwer und undenkbar erscheint, hier auch nur den Gedanken der Schöpfung einer gemeinsamen Verfassung zur Erörterung zu stellen, die uns allen behagte, in der und unter der wir alle frei leben könnten, einer Verfassung, die den Völkern das gibt, was sie zu ihrem unbedingtesten Leben brauchen, das, was für ihr nationales Leben Brot und Wasser ist. Sie geben den anderen Völkern nicht das Recht der Verwaltung ihrer Schulen, nicht die Selbstverwaltung ihrer sozialen Institutionen (Potlesk nemeckých poslancù.) und Sie machen sie dadurch zu Unterworfenen Ihres Machtwillens.
Ich greife nur eine Frage heraus, die Frage der Selbstverwaltung der Schulen. Das ist eine wahrhaft nationale Sache im edelsten und besten Sinne des Wortes (Hluèný potlesk nìmeckých poslancù.), die die deutschen Arbeiter vor allem und am schwersten und tiefsten berührt. In einer Zeit, wo der Gedanke des Selbstbestimmungsrechtes Wurzel gefaßt hat und das ganze Bewußtsein, alle Gedanken und das Leben aller Völker Europas beherrscht, in dieser Zeit ist es an und für sich ein unerträglicher Zustand für ein Volk, nicht einmal über sein eigenes geistiges Leben verfügen und entscheiden zu können. Aber noch viel unerträglicher ist es für uns deutsche Arbeiter, daß wir nicht die Kraft und nicht die Möglichkeit haben, den Geist zu schaffen, den wir wollen, von unseren Volksschulen bis hinauf zu den Universitäten, den Geist, der uns freimachen soll nicht nur von nationaler Fremdherrschaft, sondern von der kapitalistischen und nationalistischen Denkweise, der in uns prägen soll den Geist eines wahrhaften Weltbürgertums. Wir haben nicht die Möglichkeit, auch nur den geringsten Ei nfluß darauf zu nehmen, in welchem Geiste unsere Kinder, in welchem Geiste unsere Lehrer erzogen werden, in welchem Geiste unsere Universitäten lehren sollen. Sie nehmen uns dieses Recht, Sie nehmen uns das Notwendigste zu unserem geistigen Leben.