Støeda 2. èervna 1920

Meine Herren, wir betreten dieses Haus und Sie legen uns den Strick um den Hals: Sie haben eine Geschäftsordnung geschaffen, die nicht ihresgleichen in der ganzen Welt hat. (Potlesk nìmeckých poslancù.) Wir Sozialdemokraten sind keine Freunde der Obstruktion, wir haben dieses Mittel stets abgelehnt, aber das hier ist keine Geschäftsordnung, die die Obstruktion verhindert, sondern eine, die das Parlament vor der ganzen Welt lächerlich macht. (Výkøiky nìm. poslancù.) Wir sind nicht für die Obstruktion, in keinem Parlament. Wir haben sie bekämpft im alten Parlament, wir würden sie auch - das erkläre ich ganz offen - wenn wir aus der praktischen Arbeit dieses Parlaments für das Volk, für die Arbeiterklasse einen Erfolg erwarten können, auf das entschiedenste hier mit Ihnen bekämpfen, und wenn Sie Maßregeln treffen, die es verhindern, daß ein Parlament entwürdigt wird durch solche Szenen, wie wir sie im alten österreichischen Parlament erlebt haben - auf allen Seiten des Hauses - dann haben Sie unser Herz, dann sind wir mit Ihnen. Aber damit hat ja diese Geschäftsordnung nichts zu tun. In dieser Geschäftsordnung ist jede Möglichkeit der Initiative für jeden Abgeordneten, der sich nicht am Strick hinter der Regierung herschleifen läßt, ausgeschlossen. Sie haben uns den Strick um den Hals gelegt und einen Inquisitionsausschuß aufgerichtet, der jeden Antrag, der etwa Ihrem System der Aufrichtung der nationalen Herrschaft entgegensteht, einfach erwürgt. Wissen Sie, was Sie mit dieser Geschäftsordnung aussprechen? Sie sprechen damit aus, daß Sie ein für allemal, für immerwährende Zeiten es ablehnen, mit den anderen Völkern dieses Staates auch nur darüber zu reden, wie man diesen Staat aufbauen soll, damit sich in diesem Staate alle Völker wohlfühlen.

Meine Herren! Sie haben ein Sprachengesetz beschlossen. Wir sind sehr dafür, daß Regeln festgestellt werden, die im Amtsverkehre, die bei Gericht usw. die Anwendung der Sprache bestimmen. Aber das Sprachengesetz ist keine Regelung, sondern das ist ein Diktat. (Souhlas nìmeckých poslancù.) Und dann haben Sie dieses Gesetz so geschaffen, daß es zu einer Gefährdung, zu einer Schmälerung nicht nur des sprachlichen, sondern des materiellen Rechtes der deutschen Bürger dieses Staates wird. (Hluèný potlesk nìm. poslancù.) Es wird noch darüber bei anderen Gelegenheiten zu reden sein wie Sie deutsche Arbeiter, deutsche Angestellte, deutsche Beamte behandelt haben, wie Sie sie gemaßregelt, von ihren Arbeitsplätzen weggejagt und von ihren Posten versetzt haben, nur aus dem Grunde, weil sie, und noch dazu in einer Zeit, wo rechtlich Ihnen die Macht über das Gebiet, wo wir siedeln, noch nicht zugesprochen war, weil sie zu dieser Zeit sich für das Selbstbestimmu ngsrecht ihres Volkes eingesetzt haben.

Meine Herren! Ich erinnere mich an ein Wort in Ibsens "Rosmersholm". Da ist zwischen zwei Leuten ein Disput: Der eine sagt: "Hier hängt man in diesem Hause an den Toten". "Nein", antwortet der andere, "es ist umgekehrt: Hier hängen sich die Toten an das Haus". Und in diesem Hause, an dieses Haus, das Sie sich geschaffen, hängt sich das alte tote Österreich (Hluèný potlesk nìm. posl., odpor èeských poslancù. - Hluk.), das alte Österreich mit allen se inen Schlechtigkeiten, mit allen seinen Verfolgungen, mit allen seinen unnatürlichen Trieben, die Sie selber da mals so heftig bekämpft haben.

Aber, meine Herren, noch auf ein Wort des Herrn Ministerpräsidenten lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zurückkommen. Der Herr Ministerpräsident beruft sich - in einer Polemik, glaube ich, gegen unsere Erklärung über unsere Stellung zur Wahl des Herrn Präsidenten der Republik, wo wir gegen die Art polemisieren, wie dieser Staat zustande gekommen ist - er beruft sich darauf, daß dieser Staat von der Entente anerkannt wurde, noch während des Krieges und dann nach dem Kriege. Ja nun, es scheint mir, daß darin etwas liegt, was für die Politik des èechischen Volkes von außerordentlicher Bedeutsamkeit ist. Denn wenn man sich auf den Willen der Entente beruft, so gibt man zu, daß eigentlich die Quelle der Entstehung dieses Staates außerhalb der Staates und nicht im Staate selbst ist. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Und, meine Herren, es sagt noch Eines, nämlich folgendes: In den Problemen, die zur Diskussion stehen, sind wir, das heißt, ist das èechische Volk nicht vollkommen frei. Denn wenn es so ist, daß eben Ihr Staat besteht, so wie er besteht, auf Grund des Willens der Entente, der allerdings verankert ist im Gewaltfrieden von Paris, dann ergibt sich eine Zwangssituation für Sie, wie für uns. Denn wenn Sie uns auch freigeben wollten, wenn Sie sagen wollten: "Wir lassen Euch darüber abstimmen, wohin Ihr gehen wollt und lassen Euch ziehen" - es hat ja auch solche Stimmen bei Ihnen gegeben - so könnten Sie ja das gar nicht. Sie sind also so wenig frei als wir. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Wir wissen, daß das Selbstbestimmungsrecht eine Sache ist nicht zwischen Euch Èechen und uns Deutschen, sondern daß das eine europäische Frage ist, und wir deutschen Sozialdemokraten sind uns vollkommen des sen bewußt, daß solange der Gewalt friede aufrecht bleibt, wir wahrscheinlich in diesem Verhältnis bleiben müssen, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Aber das setze ich auch gleich hinzu: Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, daß die Beseitigung des Gewaltfriedens eine geschichtliche Notwendigkeit ist, die sich erfüllen wird und erfüllen muß, weil unter ihm nicht nur wir und Sie nicht friedlich zusammenleben, sondern in ganz Europa die Völker nicht miteinander leben können. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Und ich sage, meine Herren, ich würde nicht so reden, wie der Herr Ministerpräsident. Denn das bedeutet ja, daß Sie auch das Schicksal dieses Staates geknüpft haben an das Schicksal des Gewaltfriedens von Versailles und St. Germain und an die Aufrechterhaltung der Macht der Herrenklasse der Entente. Wie denn nun, meine Herren, wenn dieser Gewaltfriede - und das ist keine Utopie - eines Tages zerbricht (Souhlas nìm. poslancù.) und wenn zusammenstürzt die mit so vieler Kunst aufrecht erhaltene Macht der Ententestaaten, wie wir sie heute sehen? Was dann kommen wird, weiß ich nicht, aber ich sage mir: Wenn ich ein Èeche wäre und nicht eingesponnen in die Enge Ihrer Gedankenwelt, die sich ja leider ergibt aus mancherlei Umständen, so würde ich mich als Èeche fragen: Wäre es nicht viel vorteilhafter, wäre es nicht eine viel sicherere Zukunft dieses Staates, ihn aufzubauen auf dem Frieden und dem gemeinschaftlichen Willen aller Völker, die diesen Staat bewohnen? (Hluèný potlesk nìm. soc. demokratù. - Posl. Myslivec: Proè jste tak nemluvil ve Vídni?) Ich rede so, wie ich im alten Hause geredet habe, und wenn Sie nicht eingesponnen wären in die Enge und Kleinlichkeit Ihrer Intellektualität, so würden Sie wissen, wie die Sozialdemokraten sich im alten österreichischen Parlament in dieser Frage ausgesprochen haben.

Die Lage ist doch so: Dieser Friede von Versailles und St. Germain hat kein europäisches Problem gelöst.(Souhlas nìmeckých poslancù.) Er hat alle Probleme, die durch den Krieg und in der vorausgegangenen Entwicklung aufgeworfen waren, vergewaltigt! Und nun dürfen Sie nicht vergessen, meine Herren, daß dieser Staat keine Insel ist, die nicht berührt würde von Allem, was draußen in der Welt vorgeht, daß vielmehr die Lage dieses Staates vor Allem bestimmt wird durch die Entwicklung der Dinge außerhalb dieses Staates im übrigen Europa.

Und da müssen Sie zugeben, daß, wo immer wir hinschauen, nichts definitiv, nichts endgültig geregelt ist in der Welt, daß Alles im Flusse ist, ja noch mehr, daß Alles in Aufruhr ist. Was ist dieser Gewaltfriede? Er ist nichts anderes als die Ablösung des alten Gewaltsystems, beruhend auf der Kongreßakte von 1815 und auf dem ersten Frieden von Versailles im J. 1871, durch ein neues Gewaltsystem, gegründet auf den Friedensschlüssen von St. Germain und Versailles im Jahre 1920. Ein neues Gewaltsystem hat ein altes abgelöst, und wie jene alten Systeme Imperien geschaffen haben zu dem Zwecke, diese Gewaltsysteme aufrecht zu erhalten, so hat auch dieser neue Gewaltfriede solche Imperien geschaffen, wie wir eines sehen in unserer sehr unliebsamen Nachbarschaft, und dieses Imperium heißt Polen.

Meine Herren! Wir sind uns wohl nicht im Zweifel darüber, welchen Zwecken dieses Imperium dienen soll. Es war wahrhaftig nicht die Liebe zur Freiheit und zum Selbstbestimmungsrecht des polnischen Volkes, das den deutschen Kaiserismus den Krieg gegen Rußland entfesseln ließ. Es war gewiß Heuchelei, elende Perfidie, als Kaiser Franz Josef und Kaiser Wilhelm in ihren Manifesten den Einmarsch in Polen mit der Absicht der Befreiung Polens begründeten. Aber es war auch sehr wenig Liebe zur Freiheit des polnischen Volkes, die die Ententemächte dazu veranlaßte, das polnische Imperium zu errichten. (Souhlas nìm. poslancù.) Sein Dasein hatte einen zweifachen Zweck: das Bollwerk zu sein gegen die Aufrichtung der Herrschaft des Proletariates und der Bauernklasse in Rußland. (Poslanec Myslivec: Židovská vláda!) Ja, ja, ich weiß, das ist ihre ganze Wissenschaft! . . Also ich sage, mit der Bestimmung, ein Bollwerk des westeuropäischen Kapitalismus gegen die proletarische Revolution des Ostens zu sein, zugleich ein Bollwerk zu sein gegen Deutschland. Darüber sind wir uns im klaren. Und nun haben Sie dieses Polen, nun sehen Sie es in seiner Eigenschaft als imperialistischer Staat in einem Krieg zur Unterwerfung des ukrainischen Volkes, zur Vernichtung des Selbstbestimmungsrechtes der Ukraine. Und was in Teschen und Ostschlesien vorgeht, das wissen wir alle zusammen, und darin, wie dort die Èechen und Deutschen, die auf jenem Boden siedeln, heute bis aufs Blut maltraitiert werden, hinausgetrieben aus ihrer Heimat, wie die Polen mit Mord und Totschlag gegen Deutsche und Èechen in jenem Gebiete losgehen, darin manifestiert sich der Charakter dieses kapitalistisch imperialistischen Staates. (Bravo!) Und so schafft dieser Gewaltfriede eine ständige Kriegsgefahr ganz unmittelbar an den Grenzen dieses Sta ates. Aber indem sich dieser Gewaltfriede in Wahrheit richtet gegen den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wiederaufbau Deutschlands, erweckt und stärkt er dort die Reaktion. Und indem er die russische proletarische und Bauernrevolution mit den polnischen Soldknechten der Ententemächte bedroht, ruft er Brussilow wieder auf die Weltbühne, Brussilow, von dem ich nicht glaube, daß er ein Bolschewik ist (Výkøiky.), der in Rußland heute auftritt in der Rolle Napoleons. (Hlasy: Kde jsou polští dìlníci? Kde je Daszinský? Proè se tam nedìlá poøádek?) Ich stelle es Ihnen frei, mit Herrn Daszinsky sich auseinanderzusetzen.

Was ist nun der Schluß? Daß dieser Friede das Selbstbestimmungsrecht vergewaltigt hat und noch immer vergewaltigt rings um uns in ganz Europa. Und von diesem Verrat am Selbstbestimmungsrecht droht der Demokratie in Europa der Tod. Denn alles, was jetzt geschieht, ist ausgelöst durch diesen Gewaltfrieden, ist eine allgemeine Bedrohung der Demokratie in ganz Europa, und zwar sehr hart an den Grenzen dieses Staates. (Smích.) Sie sollten nicht lachen, meine Herren, (Souhlas nìm. poslancù. Odpor. Hluk.) es gibt Leute auch in diesem Staat, denen es ganz gleichgültig ist, ob Demokratie oder Monarchie. Ich weiß, daß auch die èechische Nation nicht frei ist von Triebkräften der Reaktion, die in ihr wirken, so gut wie jenseits der Grenze in Deutschland. Aber wie dieser Verrat am Selbstbestimmungsrecht eine Bedrohung der Demokratie in ganz Europa ist, so ist er auch zur Bedrohung und Gefahr der Demokratie in Ihrem eigenen Staate geworden. Denn was folgt, wenn sich die Unmöglichkeit herausstellt, sowohl eine nationale, wie auch eine Koalition der Klassen herzustellen? Daraus folgt, daß wer immer an diesem Platz sitzt - ich wünschte nicht, daß es Tusar ist - keiner eine tragfähige parlamentarische Mehrheit und Regierung, gestützt auf die parlamentarischen Parteien, aufrichten kann. Und so pocht da draußen an der Türe dieses Hauses noch ein Toter des alten Österreich, der Paragraph 14. Wo bleibt da die Demokratie? Sie werden ein unglückliches Volk sein, solange Sie nicht begreifen, daß Demokratie nur möglich ist unter Gleichen, nicht aber unter Herren und Knechten.

Was ich will, ist Folgendes: Ich kenne die Geschichte Ihres Volkes. Ich habe zehn Jahre im alten österreichischen Parlament neben Ihnen, mit meinen èechischen Parteigenossen, gearbeitet. Ich weiß, in ihrer Mehrheit ist Ihre Nation demokratisch, sie ist freiheitlich, sie ist in ihrer Mehrheit fortschrittlich, und wenn ich es nicht wüßte aus Ihrer Geschichte und aus der Arbeit, die ich jahrzehntelang mit Angehörigen des èechischen Volkes zusammen für das Proletariat geleistet habe, so hätten es doch die Wahlen bewiesen. Die Wahlen, sie haben auch in Ihren Volke eine Mehrheit geschaffen, die sich zu Freiheit, zu Fortschritt, zu Demokratie bekennt. Und was ich will, das ist, Ihnen klar zu machen, welcher intime, welcher enge, welcher unlösbare Zusammenhang besteht zwischen Demokratie und Freiheit und Selbstbestimmungsrecht der Völker. (Potlesk nìmeckých poslancù.) Wenn Sie das nicht begreifen, dann ist Ihr Staat, dann sind Sie mit Unglück geschlagen. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

Nun, es war ja immer so in der Geschichte, nur durch Wirrungen und Irrungen kommen die Völker zur Klarheit. (Hlas: Jak jste mluvili ve Vídni? My víme, co jest " Herrenvolk!" Hluk.) Ja, wenn das ihre ganze Wissenschaft ist, das Wort "Jude" und das Wort "Wien", dann habe ich für Sie nur ein Bedauern übrig. Aber es mag sein, daß diesem Gesetz, daß wir nämlich nur durch Irrungen und Wirrungen zur Klarheit kommen, daß diesem Gesetz nicht nur die Völker, sondern auch die Klassen unterliegen. Und wenn heute in so manchem Herzen auf dieser oder jener Seite des Hauses ein stiller Jubel aufgeklungen ist über den gewissen Mißton und Zwiespalt, der innerhalb der Arbeiterklasse einer jeden Nation besteht, auf Ihren Bänken und auf unsern Bänken, so möchte ich Sie davor warnen, darüber zu frohlocken, wenn dieser Mißton manchmal, wenn er heute, und wenn er in der Zukunft zum Aufklingen kommen sollte; in einem sind wir und bleiben wir uns einig, in dem Willen und in dem Entschluß, die Freiheit der Arbeiterklasse, den Sieg des Sozialismus vorzubereiten. (Potlesk sociálních demokratù.) Des sind wir deutschen Sozialdemokraten uns klar: Wie immer sich auch die Dinge hier gestalten mögen und wie immer auch die Politik in diesem Parlamente und in diesem Staate vielleicht in der nächsten Zeit zu Erschütterungen führen mag, die eben vielleicht darum notwendig sind, um die Völker zu belehren, ich sage: wenn auch dieses Parlament und dieser Staat in Wirrnisse und in Krisen stürzen sollte, in einem, wiederhole ich, sind sich die deutschen Sozialdemokraten vollkommen klar, daß wir auf diesem Boden des Staates und des Parlamentes die Pflicht haben, unsere revolutionäre Aufgabe zu erfüllen, die auf unsern Teil auf diesem Boden entfällt. Und wir werden nicht irre gehen in der Erfüllung dieser Aufgabe, weil wir geleitet sind in allem unserem Tun und in allen unsern Entschlüssen, in unserer Arbeit, von der Liebe zur deutschen Arbeiterklasse und von der heißen Liebe zum Proletariat der ganzen Welt. (Hluèný potlesk nìmeckých sociálních demokratù.)

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