18

neuen Staat stellten. Sie wissen doch, dass die-
ses Bild verboten ist. Da könnte man ja jeden
Verbrecher ehren und aufhängen. «

Auch gegen andere Ortsbewohner von
Waltsch äusserte sich der genannte Gendarme-
riewachtmeister in der Weise, dass er die in Kaa-
den am 4. März 1919 erschossenen Menschen als
Verbrecher hinstelle. Derartige Auslassungen eines
Organes der Gendarmerie über die Ehre wehr-
loser Toter verletzen die Gefühle des gesamten
Sudetendeutschtums und gefährden auf das erns-
teste die öffentliche Ruhe und Ordnung und das
Ansehen der Gendarmerie. Auf jeden Fall ver-
letzen sie gröblich die durch die Dienstinstruktio-
nen gebotene Zurückhaltung anlässlich von Gen-
darmerieerhebungen.

Die Interpellanten richten daher an den Herrn
Minister die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche konkreten Verfügungen hat der
Herr Minister aus Anlass des gerügten Sachver-
haltes getroffen?

Prag, am 3. Juni 1937.

Illing,

Birke, Knorre, Fischer, G. Böhm, Knöchel, Ing.
Richter, Obrlik, May, Rösler, Dr Eichholz, Hirte.
Sogl, Jäkel, Axmann, E. Köhler, lag. Peschka,
Hollube, Franz Nìmec, Nickerl, Dr Zippelius, Ing.
Karmasin, Stangl.

Pùvodní znìní ad 982 VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Josef Jäkel
an den Minister des Innern

wegen willkürlicher Bestrafung von
Staatsbürgern deutscher Volkszugehörig-
keit durch die staatliche Polizeibehörde
in Reichenberg.

Mit Straferkenntnis der Polizeidirektion in
Reichenberg vom 27. 4. 1937 wurden mehrere
Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit we-
gen Uebertretung des § 17/1 des Gesetzes No.
269/36 nach § 22 des zitierten Gesetzes zu Ver-
waltungsstrafen verurteilt. Die Bestrafung erfolg-
te deshalb, weil die Polizeibehörde in völlig irri-
ger Weise eine verbotene Uniformierung der be-
straften Staatsbürger annahm.

Alfred Hübner, Inhaber eines Flaschenbier-
handels in Reichenberg, Eduardgasse 3, wohnhaft
in Ruppersdorf No. 327 ist gelernter Monteur und
betreibt, da er keine fachmässige Beschäftigung
gefunden hat, einen Flaschenbierhandel. Er be-
sitzt ein eigenes Auto, mit welchem er Waren
den Käufern ins Haus liefert. Da er allein die
Arbeit nicht bewältigt, bedient er sich zweier
Hilispersonen. Es ist ihm nur am Sonntag mög-
lich, die am Wagen während der Woche notwen-
dig gewordene Reparatur vorzunehmen. Zu die-
sem Zwecke begibt er sich jeden Sonntag in sein
Geschäft. Seine Kleidung bei Ausübung des Be-
rufes besteht aus ein Paar langen Stiefeln, einer
grauen Reithose, einer braunen Jacke, einem
Hemd mit Selbstbinder und einer dunkelbraunen
Chauffeurmütze. Diese Kleidungsstücke trägt er
täglich und hat sie auch am Sonntag, den 4. IV.
1937 getragen, als er zum Zwecke der Autorepa-
ratur sein Geschäft aufsuchte. Da er an diesem
Tage eine Armverletzung besass und ausserdem
die Reparatur nicht allein vornehmen konnte, bat
er einige Freunde, ihm bei der Ausführung dieser
Arbeit zu helfen. Nach Abschluss der Arbeit traf
er mit seinen Freunden ungefähr beim Cafe »Post«
einen bekannten Chauffeur, mit welchem sie sich
unterhielten. In diesem Augenblick kam ein nicht
uniformierter Polizeibeamter und forderte sie auf,
zur Wachstube zu kommen. Dort wurde ihnen
mitgeteilt, dass sie sich einer Uebertretung nach
§ 17/1 des Gesetzes No. 269/36 schuldig gemacht
hätten und das Verfahren eingeleitet würde.

Dieses Vorgehen entbehrt jeder gesetzlichen
Grundlage und ist als willkürliche Schikane anzu-
sehen. Die Freunde des Alfred Hübner, die ihm
am genannten Tage bei der Ausführung der
Arbeit geholfen hatten, besassen wohl auch hohe
Stiefel, jedoch hatte jeder eine andere Jacke
oder eine andere Mütze. Einheitlich trugen sie
tatsächlich nur lange Stiefel. Ein ordentlich durch-
geführtes Erhebungsverfahren hätte ergeben und
beweisen müssen, dass die Betroffenen während
ihrer Arbeitszeit täglich die für sie praktischen
Stiefel trugen. Keinesfalls kann aber aus der zu-,
fälligen Tatsache eines gemeinsamen Kleidungs-
stückes eine Uebertretung nach dem Gesetz 269/
36 konstruiert werden. Es bedeutete im Gegenteil
eine Einschränkung der persönlichen Freiheit,
wenn die Bestimmungen des § 17/1 des Gesetzes
269/36 auf die gerügte Weise richtig ausgelegt
wären. Mit der gleichen Berechtigung müsste man
alle jene Menschen nach derselben Bestimmung
des Gesetzes 269/36 betrafen, die einen weissen
Kragen oder Bafaschuhe brauner Ausführung
tragen.

Die Interpellanten bringen dem Herrn Mi-
nister die willkürliche Auslegung des Flaggenge-
setzes und die darauf fussende rechtswidrige Be-
strafung von Staatsbürgern deutscher Volkszuge-
hörigkeit zur Kenntnis und richten an ihn die An-
frage:

Welche konkreten Verfügungen ist der Hen
Minister bereit zu treffen, um die rechts- und ge-
setzwidrige Auslegung des § 17/1 des Gesetzes
No. 269/36 durch die staatliche Polizeibehörde in


19

Reichenberg unmöglich zu machen, eine Interpre-
tation, wodurch Staatsbürgern ungerechtfertigter-
weise materielle und moralische Schaden er-
wachsen?

Prag, am 3. Juni 1937.

Jäkel,

Knöchel, Fischer, Illing, Ing. Richter, G. Böhm,
Knorre, Dr Eichholz, Hirte, Birke, May, Obrlik,
Rösler, Ing. Karmasin, Franz Nìmec, Axmann,
Sogl, Nickerl, Ing. Peschka, Hollube, Dr Zippelius,
Stangl, E. Köhler.

Pùvodní znìní ad 982/IX.

Interpellation

des Abg. Gustav Obrlik
an den Minister des Innern

wegen ungerechtfertigter Verfügung des
Polizeikommissariates in Hohenelbe.

Das Polizeikommissariat in Hohenelbe gab
den Auftrag bei Herrn Otto Seidel, Hackelsdorf
No. 12, am 17. Mai 1937 vormittags eine Haus-
durchsuchung vorzunehmen. Das Polizeikommis-
sariat begründete diese Hausdurchsuchung mit
dem schriftlichen Auftrag èj. 2160/37, ohne Da-
tum, der folgendermassen lautet:

»Dem Ueberbringer dieses Briefes wird hie-
mit Vollmacht erteilt, in Ihrem Hause, bezw. Ihrer
Wohnung eine Hausdurchsuchung vorzunehmen,
weil der begründete Verdacht besteht, dass Sie
dem Verbote der staatlichen Polizeibehörde in
Hohenelbe vom 25. IV. 1937, Zl. 682/37 nicht Fol-
ge geleistet haben. «

In diesem Verbote wird die Durchführung von
»Probewahlen« untersagt.

Wie aus dem beiliegenden Rundschreiben
hervorgeht, musste die Aktion der Partei zur Er-
mittlung der Meinung ihrer Mitgliedsschaft über
geeignete Kandidaten für die Gemeindewahlen
bereits am 24. IV. 1937 abgeschlossen sein. Der
Betroffene. Otto Seidel, konnte infolgedessen bei
der Durchführung dieser Aktion von dem, einen
Tag später erlassenen Verbote keine Kenntnis ha-
ben. Es war dem Seidel daher unmöglich, ein Ver-
bot der Polizeibehörde übertreten oder zu befol-
gen, das erst nach Abschluss der Aktion erlassen
wurde und auch erst nach Abschluss der Aktion
zu seiner Kenntnis gelangte. Die Polizeibehörde
traf also eine Verfügung, die infolge des Zeitpunk-
tes der Herausgabe unmöglich erkannt werden
konnte, bestraft aber trotzdem Herrn Seidel. Die
tatsächliche Unmöglichkeit, dem Verbote nachzu-
kommen, wird also von der Polizeibehörde nicht
anerkannt.

Der mit der Hausdurchsuchung betraute Be-
amte. Aktuar Brusebauch, hat jedoch nicht nur
Material beschlagnahmt, das auf die sogenannten
»Probewahlen« Bezug hat, sondern auch sämtli-
che Weisungen und Broschüren der Sudetendeut-
schen Partei bis aus dem Jahre 1936. Er hat fer-
ner 60 Stück Abzeichen beschlagnahmt, die be-
icits der Polizei vorgelegen und für den Verkauf
an Parteimitglieder bewilligt waren. Aktuar Bru-
sebauch verlangte von Herrn Seidel auch, zwei
Kästen zu öffnen, die gar nicht sein Eigentum
sind, sondern seinem Schwiegervater gehören.
Der Besitzer dieser Kästen hatte den Pfingstmon-
tag zu einem Ausflug benützt und war daher nicht
zu erreichen. Herr Brusebauch drohte, er werde
die Kästen gewaltsam öffnen lassen, obwohl ihm
als Beamten bekannt sein musste, dass das Ge-
setz vorschreibt, dass bei Hausdurchsuchungen
der Besitzer des zu durchsuchenden Mobilars an-
wesend sein muss. Herr Brusebauch äusserte sich
ferner gegenüber Herrn Seidel: »Das haben Sie
davon, warum lassen Sie sich mit diesen Dingen
ein. «

Aus dem vorliegenden Tatbestande ergibt
sich, dass die Amtsführung der Polizeibehörde in
Hohenelbe in diesem Falle unzulänglich ist.

Die Interpellanten bringen diesen Vorfall dem
Herrn Minister zur Kenntnis und richten an ihn
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
gerügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche konkreten Verfügungen hat der
Herr Minister wegen des gerügten Sachverhaltes«
getroffen?

Prag, am 3. Juni 1937.

Obrlik,

Knöchel, Fischer, G. Böhm, Knorre, Hirte, May,
Ing. Richter, Dr Eichholz, Birke, Rösler, Dr Zippe-
lius, Illing. Sogl, Jäkel, Hollube, Axmann, Stangl,
E. Köhler. Franz Nemec, Nickerl,
Ins. Karmasin, Ing. Peschka.

Pùvodní znìní ad 982/X.

Interpellation

des Abg. Gustav Knöchel

an den Finanzminister und den
Innenminister

wegen dienstlicher Uebergriffe eines

Organs des Grenzzollamtes In Ober-

hennersdorf namens Kafka.

Adolf Endler, Rumburg wurde am 30. April
1937 abends beim Grenzzollamte in Oberhenners-


20

dort auf dem Heimwege von seinem Warnsdorfer
Arbeitsplatze vom Finanzorgan Kafka angehalten.
Dabei fiel dem Finanzorgan ein vertraulicher
Durchschlag mit den Parolen der Sudetendeutschen
Partei zum 1. Mai in die Hände. In völlig vorschrifts-
widrige Weise gab der Finanzer den keineswegs
bedenklichen oder gesetzwidrigen Durchschlag
über die einzuhakenden Parolen bei den Mai-Kund-
gebungen der Sudetendeutschen Partei einem Gen-
darmen weiter. Dieser liess eine Abschrift anfer-
tigen und Endler sollte bestätigen, dass er diese
Parolen für sich selbst verfasst habe. Es mehren
sich in letzter Zeit die Fälle, dass ohne jegliche
gesetzliche Grundlage Anhaltungen, Beschlagnah-
men und Verhaftungen durchgeführt werden.

Die Interpellanten bringen dem Herrn Minister
den gerügten Sachverhalt zur Kentnis und richten
an ihn die Anfrage:

Ist der Herr Minister bereit, mitzuteilen, auf
welcher gesetzlichen Grundlage diese, die persön-
liche Freiheit einschränkende Massnahmen vor-
genommen werden?

Prag, am 3. Juni 1937.

Knöchel,

Fischer, G. Böhm, Obrlik, Birke, Hirte, Axmann,
Ing. Richter, Ing. Peschka, E. Köhler, Dr Zippe-
lius, Franz Nìmec, Jäkel, Sogl, Stangl, Nickerl,
Ing. Karmasin, Dr Eichholz, May, Hollube, Illing,
Knorre, Rösler.

Pùvodní znìní ad 982/XI.

Interpellation

des Abgeordneten Dr Fritz Köllner
an den Eisenbahnminister

wegen Verletzung des Sprachengesetzes
durch einen Eisenbahnschaffner.

Der èechoslovakische Staatsbürger deutscher
Nationalität, Hans Maier, Kreisgeschäftsführer der
Sudetendeutschen Partei, Marienbad-Luft 159,
fuhr laut der in seinem Besitze befindlichen Fahr-
karte 11559 am 6. Mai 1937 mit dem Zuge um
9. 48 Uhr vormittags von Marienbad nach Bad-
Königswart. Er sass im Wagen Ce 3-2272. Dies
war der siebente Wagen hinter der Lokomotive.

Der Zug durchfuhr die Bezirke Marienbad und
Bad-Königswart. In jedem dieser Gerichtsbezirke
haben sich bei der letzten Volkszählung weit über
90%, also auf jeden Fall mehr als 20% èechoslo-
vakische Staatsbürger deutscher Natonalität be-
kannt.

Die èechoslovakischen Staatsbürger deutsche'
Nationalität, gleichgültig wo immer sie wohnhaft

sind, haben also einen verfassungsgesetzlichen
Rechtsanspruch darauf, dass die Behörden alle
Gebote und Verbote an sie nicht nur in èechischer,
sondern auch in deutscher Sparche richten.

An diese Vorschrift des § 2 des Sprachenge-
setzes ist auch die Bahn gebunden, und zwar
dann, wenn sie nicht als Anstalt, sondern in ihrer
Eigenschaft als staatliche Behörde kraft ihres Im-
periums an die die Bahn benutzenden Staatsbürger
Gebote und Verbote richtet.

Der im Zuge amtierende Eisenbahnschaffner
betrat unmittelbar nach der Einfahrt des Zuges in
das Territorium des Gerichtsbezirkes Bad-Königs-
wart das Abteil des Wagens Ce 3-2272 in dem
der genannte èechoslovakische Staatsbürger deut-
scher Nationalität sass. Dieser ist in der Lage,
noch einen weiteren Zeugen für die Richtigkeit
dieses Vorfalles anzugeben.

Der Schaffner rief dem beim Fenster sitzen-
den Hans Maier zu: »Kdo pøistoupil, prosim?«,
»Jizdenky prosim!«. Sowohl die Frage »Kdo pøi-
stoupil, prosim!« als auch die Aufforderung
»Jizdenky prosim!« sind keineswegs ein Vorgang
im internen Betrieb der Bahnanstalt. Hier handelt
es sich vielmehr um 2 Gebote, die die Bahn als
Behörde kraft ihres Imperiums durch ihren Schaff-
ner an die im Abteil sitzenden Staatsbürger ge-
richtet hat; denn die Aeusserung »kdo pøistoupil,
prosim« ist eine Frage, die ihrer Natur nach die
Aufforderung enthält, sich zu melden, und auf
diese Frage zu antworten. Sie ist also ihrem We-
sen nach ein Gebot der Bahnbehörde, dem Bahn-
organ eine Antwort zu erteilen. Die zweite Aeus-
serung »Jizdenky prosim« ist unzweifelhaft ein
Gebot, mit dem die Bahn als Behörde durch ihr
Organ, dem Schaffner, die im Abteil sitzenden èe-
choslovakischen Staatsbürger aufgefordert hat.
die Fahrkarten vorzuzeigen.

Der èechoslovakische Staatsbürger Hans
Maier, der sich bei der letzten Volkszählung zur
deutschen Nationalität bekannt hatte war sich
wohl bewusst, dass der Bahnschaffner an ihn im
Sinne des § 2 des Sprachengesetzes und der in
den Zeitungen wiederholt veröffentlichten Rechts-
sprechung des Obersten Verwaltungsgerichtes im
Gerichtsbezirke Bad-Königswart alle Gebote, Ver-
bote und Kundmachungen nicht nur in èechischer.
sondern auch in deutscher Sprache zu richten hat.

Hans Maier schwieg also und reagierte auf die
Gebote des Eisenbahnschaffners überhaupt nicht.
Er wartete vielmehr, bis der Schaffner seine Ge-
bote dem Gesetze und seinen dienstlichen Instruk-
tionen gemäss auch in deutscher Sprache anfüh-
ren werde. Dies geschah jedoch nicht. Der Schaff-
ner sprach kein deutsches Wort, sondern tippte
Hans Maier auf die Schulter und wiederholte die
Aufforderung »Jizdenky prosím!« nur in èechi-
scher Sprache, wobei er zur Verstärkung seiner
Aufforderung mit der Zwickzange klapperte um
auf diese Weise sein Begehren verständlich zu
machen. Erst als Hans Maier sah, dass der
Schaffner offenbar weder seine Dienstinstruktio-
nen, noch das Sprachengesetz kennt und weil er
annehmen musste, dass der Schaffner überhaupt


21

nicht deutsch kann, wies er die Fahrkarte zur
Kontrolle.

Hier liegt kein Einzelfall vor. Solche Über-
griffe untergeordneter Bahnorgane ereignen sich
täglich zu tausenden.

Wir stellen an den Herrn Minister die An-
frage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche konkrete Verfügung hat der Herr
Minister in Erledigung dieser Interpellation ge-
troffen?

Prag, am 3. Juni 1937.

Dr Köllner,

Knorre, Knöchel, Fischer, G. Böhm, Obrlik, Hirte,

Dr Zippelius, E. Köhler, Axmann, Nickerl, Franz

Nìmec, Stangl, Birke, Jäkel, Sogl, Ing. Karmasin,

Hollube, Ing. Richter, May, Illing, Rösler.

Pùvodní znìní ad 982/XII.

Interpellation

des Abgeordneten Paul Nickerl
an den Minister des Innern

wegen willkürlicher Hanhabung der Ver-

sammlungspolizei durch den Leiter der

staatlichen Polizeibehörde in St.

Joachimsthal Dr Streit.

Es mehren sich in letzter Zeit die Fälle, dass
das verfassungsmässig gewährleistete Versamm-
lungsrecht gegenüber der Sudetendeutschen Par-
tei, Vorsitzender Konrad Henlein auf das willkür-
lichste beschränkt wird. Ein rühmliches Blatt be-
schreibt in dieser Hinsicht der Kommissär der
staatlichen Polizeibehörde in St. Joachimsthal Dr
Streit. Am 27. April 1937 verbot der genannte Po-
lizeikommissär dem Vertreter der Sudetendeut-
schen Partei die Abhaltung einer öffentlichen Ver-
sammlung in Wickwitz mit der Begründung, dass
in dem Ansuchen der Zweck der Versammlung
nicht angeführt sei. Das am gleichen Tage neuer-
lich eingebrachte und richtiggestellte Ansuchen
um Genehmigung der öffentlichen Versammlung
am 30. April 1937 wurde aber neuerlich vom Po-
lizeikommissär Dr Streit abgelehnt mit der eigen-
artigen Begründung, dass er bis zum 1. Mai über-
haupt keine Versammlung mehr bewillige. Ein
gleichzeitig überreichtes Ansuchen einer öffentli-

chen Versammlung beschränkt nach § 5 des Ter-
rorgesetzes Nr. 309/21 wurde mit derselben Be-
gründung nicht bewilligt.

Diese willkürliche Beeinträchtigung und Ein-
schränkung des verfassungsmässig gewährleiste-
ten Versammlungsrechtes wird in seiner Willkür-
lichkeit noch dadurch erhört, dass Dr Streit kei-
nen schriftlichen Bescheid, wie es die Verfahrens-
ordnung vorschreibt, herausgibt, sondern sich auf
die mündliche Erledigung der Ansuchen be-
schränkt.

Ein anderes Beispiel für die willkürliche und
rechtswidrige Handhabung der Versammlungspo-
lizei durch Dr Streit ist folgender Vorfall: Franz
Zapf, Jokes Nr. 11, Post Wickwitz, suchte um Be-
willigung zur Abhaltung eines Unterhaltungs-
abends für den 1. Mai 1937 bei der Staatspolizei
in St. Joachimsthal an. Dieses Ansuchen über-
reichte er ungefähr 8 Tage vor dem 1. Mai. Franz
Zapf erhielt weder ein Verbot noch eine Bewilli-
gung zur Abhaltung des Unterhaltungsabends zu-
gestellt. Er war daher der Meinung, dass die Ab-
haltung der rechtzeitig angesuchten Veranstaltung
behördlicherseits genehmigt sei. Zu seiner grossen
Verwunderung wurde er nach der Veranstaltung
zur Polizeibehörde geladen und mit einem Straf-
mandat belegt. Als Begründung für die Nichtzu-
stellung eines Bewilligungs- oder Verbotsbeschei-
des führte Dr Streit an. dass die Bewilligung zur
Abhaltung einer Veranstaltung von der Staatspo-
lizei abgeholt werden müsse. Der Fussweg Jokes-
St. Joachimsthal beträgt 4 Stunden.

Dieser Standpunkt des Dr Streit ist ungesetz-
lich, da der Einschreiter einen subjektiven An-
spruch auf eine schriftliche Erledigung seines An-
suchens besitzt.

Die Interpellanten bringen dem Herrn Minister
des Innern den gerügten Sachverhalt zur Kenntnis
und richten an ihn die Anfrage:

1. Welche Massnahmen ist der Herr Minister
bereit zu ergreifen, um Dr Streit von der staatl.
Polizeibehörde in St. Joachimsthal zu einer ord-
nungsgemässen Handhabung der Versammlungs-
polizei zu veranlassen?

2. Hält es der Herr Minister für notwendig
wegen der gerügten Verfehlungen und der dienst-
lichen Qualifikation des Kommissärs Dr Streit
über den genannten Beamten das Disziplinarver-
fahren verhängen zu lassen?

3. Welche konkrete Verfügung hat der Herr
Minister wegen der gerügten Sachverhalte ge-
troffen?

Prag, am 3. Juni 1937.

Nickerl,

Stangl, Knorre, Fischer, Hirte, Knöchel, Illing,
May, Birke, Obrlik, Rösler, G. Böhm, Ing. Peschka,
Ing. Richter, Sogl, Franz Nìmec, Dr Zippelius,
Jäkel, Ing. Karmasin, Hollube, E. Köhler, Axmann.


22

Pùvodní znìní ad 982/XIV.

Interpellation

des Abgeordneten Georg Stangl
an den Minister des Innern

wegen Verhaltens des Konzipisten Johann
Stradal von der Bezirksbehörde in Bi-
schoftelnitz anlässlich der Malkundgebung
der Sudetendeutschen Partei, Vorsitzen-
der Konrad Henlein, in Bischofteinitz.

Die Bezirksbehörde von Bischofteinitz hat mit
Bescheid vom 26. April 1937, Zahl 13. 688 Herrn
Krippner, Bezirksleiter der Sudetendeutschen Par-
tei, in Bischofteinitz verständigt, dass seinem An-
suchen um Bewilligung der Abhaltung einer Mai-
feier (Volksversammlung unter freiem Himmel,
sowie Marsch vorn Sammelplatz zum Marktplatz)
stattgegeben werde.

Der Veranstalter der Versammlung, Peter
Krippner aus Bischofteinitz, hat am Vortage der
Maikundgebung mit dem Oberkommissár der Be-
zirksbehörde in Bischoftemitz, Dr Tautermann
vereinbart, dass die im Ansuchen angeführten
Bildstreifen (Transparente) die im Umzüge mit-
getragen werden sollten, am Sammelplatz von
dem intervenierenden Regierungsvertreter einer
Ueberprüfung unterzogen werden und erst auf
Grund des Ergebnisses dieser Prüfung bestimmt
werden sollte, welche Bandstreifen (Transparente)
tatsächlich mitgetragen werden.

. Angesucht wurde um folgende Bandstreifen:

1. Gegen Missbrauch der Not zur Volksent-
fremdung!

2. Für aufrechtes Bekenntnis zum Volke!

3. Wir fordern: Durchführung der Verfassung!

4. Das Volk steht hinter Konrad Henlein!

Konzipist J. Stradal von der Bezirksbehörde
in Bischofteinitz, der bei der Maikundgebung als
Regierungsvertreter zugegen war, überprüfte die
vorbereiteten Bandstreifen in Gegenwart des Ver-
anstalters Peter Krippner und erklärte, dass sie
in Ordnung seien und kein Grund zur Beschlag-
nahme vorliege und diese also im Zuge getragen
werden können.

Der Zug der Teilnehmer an der Maifeier
setzte sich auf Grund dieser abgegebenen Erklä-
rung in Bewegung.

Es ist nun unverständlich, dass während der
Zug im Marsch war, das Spruchband »Das Volk
steht hinter Konrad Henlein!« vom Regierungsvet-
treter Johann Stradal beanstandet und aus dem
Zuge entfernt wurde, ohne den Veranstalter von
dieser Massnahme in Kenntnis zu setzen.

Diese Massnahme hat bei den Kundgebungs-
teilnehmern grosse Erregung hervorgerufen, zu-
mal anzunehmen ist, dass die nachträgliche Ent-

iernung uber Einflussnahme Dritter geschah, ob-
wohl anfänglich nichts vom behördlichen Stand-
punkt einzuwenden war.

Die Interpellanten richten daher an den Henn
Minister die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerugte
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche konkrete Verfugung hat der Herr
Minister im gerügten Falle getroffen?

Prag, am 12. Juni 1937.

Stangl,

Illing, E. Köhler, Knöchel, Gruber, Fischer, Sogl,
Klieber, Knorre, Dr Eichholz, Dr Hodina, Nickerl,
Rösler, Hollube, Birke, Axmann, Ing. Peschka,
Franz Nìmec, Dr Rösche, Sandner, Dr Zippelius.

Pùvodní znìní ad 982/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Karmasin
an die Regierung

wegen Benachteiligung èechoslovakischer
Staatsbürger deutscher Volkszugehörig-
keit bei der Erteilung von Ausreisebewil-
ligungen durch das Arbeitsamt in Žilina.

Josef Antoni, Sklené 162 und Josef Daubner,
Sklené 167, bewarben sich am 4. Mai 1937 im Ar-
beitsamte in Žilina um die Bestätigung für einen
Auslandspass. Die Bestätigung benötigten sie zur
Aufnahme landwirtschaftlicher Saisonarbeiten im
Deutschen Reiche. Beiden Bewerbern wurde die
Bestätigung ohne Angabe eines triftigen Grundes
verweigert.

Demgegenüber konnte Josef Antoni in der
Kanzlei durch eigene Wahrnehmung feststellen
dass einem slowakischen Parteiführer die Pässe
fur den gleichen Zweck und am gleichen Tage
bestätigt wurden. Der betreffende Partiefuhrer
äusserte sich im Vorzimmer der Kanzlei: »Teraz
uz môžeme ist do Pruska«. Diese Aeusserung
wurde gleichfalls von Josef Daubner Sklené 167
und Ignaz Hickl, Sklené 307, gehört.

Das es ich m letzter Zeit häuft, dass es an deut-
schen Arbeitssuchenden dieses Staates zu unge-
rechtfertigten und willkürlichen Verweigerungen
der Ausreise gekommen ist, richten die Interpel-
lanten an die Regierung die Anfrage:

1. Ist die Regierung bereit, die gerügte und
ungerechtfertigte Benachteiligung bei Gesuchen
von Staatsbürgern deutscher Volkszugehörigkeit
zwecks Aufnahme von Saisonarbeiter in Deutsch-
land untersuchen zu lassen?


25

2. Welche Massnahmen ist die Regierung be-
reit, zu ergreifen, um gegen die Benachteiligung
cechoslovakischer Arbeiter deutscher Volkszuge-
hörigkeit wirksam einzuschreiten?

Prag, am 12. Juni 1937.

Ing. Karmasin,

Illing, Hollube, Knöchel, E. Köhler, Dr Hodina,

Gruber, Stangl, Axmann, Fischer, Sandner, Franz

Nemec, Nickerl, Klieber, Knorre, Rösler, Birke,

Dr Eichholz, Sogl, Ing. Peschka, Dr Zippellus.

Pùvodní znìní ad 982/XVI.

Interpellation

des Abgeordneten Rudolf Aximann

an den Minister für Post- und
Telegraphenwesen

wegen unzulänglicher Beantwortung einer
Anfrage gemäss § 67 der Geschäftsord-
nung des Abgeordnetenhauses.

Meine diesbezügliche Anfrage an den Herrn
Minister für Post- udn Telegraphenwesen vom 26.
Feber 1937 wegen unzulänglicher nationaler Zu-
sammensetzung der Angestelltenschaft des Post-
amtes in Bautsch und wegen dienstlicher Ver-
fehlungen eines Briefträgers dieses Postamtes hat
der Herr Minister am 5. Mai dahingehend beant-
wortet, dass er die in meiner Anfrage angeführten
dienstlichen Verfehlungen eines Briefträgers des
Postamtes Bautsch mit der verhältnismässig kur-
zen Dienstzeit, seiner Unkenntnis der Ortsver-
hältnisse und wegen der im gegebenen Falle vor-
liegenden grossen Namensähnlichkeit sowie we-
gen der Nachbarschaft des wirklichen Adressaten
und der Person, welcher der Brief unrichtiger-
weise zugestellt worden war, erklärt. Es wurde
aber nicht bekanntgegeben, welche konkreten
Verfügungen wegen dieser dienstlichen Verfehlun-
gen von Seiten der postalischen Instanz erlassen
wurde.

Auf meine Anfrage, warum entgegen der na-
tionalen Zusammensetzung der Ortschaft Bautsch,
nämlich auf Grund des Ergebnisses der letzten
Volkszählung 4069 Deutsche und 139 cechische
Bewohner, nur ein einziger deutscher Briefträger
im Postamte Bautsch Dienst tut, hat der Herr Mi-
nister nicht reagiert. Ich habe in meiner diesbe-
züglichen Anfrage ausgeführt, dass im Postamte
Bautsch 0 deutsche 4 cechischen Postbeamten und
1 deutscher 5 öechischen Briefträgern entgegen-
stehen.

Wir richten daher nochmals an den Herrn
Minister die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, feststellen zu
lassen, warum entgegen der nationalen Zusam-
mensetzung der Bewohnerschaft von Bautsch nur
ein einziger deutscher Briefträger im Postamte in
Bautsch Dienst verichtet?

2. Welche konkreten Verfügungen wurden aus
Anlass des gerügten Sachverhaltes getroffen?

Prag, am 12. Juni 1937.

Axmann,

Knöchel, Hollube, Illing, E. Köhler, Gruber, Stangl,

Fischer, Franz Nemec, Sogl, Dr Hodina, Klieber,

Dr Eichholz, Knorre, Dr Rosche, Birke, Nickerl,

Rösler, Ing. Peschka, Sandner, Dr Zippelius.

Pùvodní znìní ad 982/XVII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Wolfgang Richter
an den Minister für soziale Fürsorge

wegen Nötigung der Beamten der Be-
zirkskrankenversicherungsanstalt in Aus-
sig zur Zahlung ausserordentlicher Spen-
den für die deutsche sozialdemokratische
Arbeiterpartei.

Am 30. April 1937 erfolgte die Auszahlung der
Gehälter der Beamten und Angestellten der BKVA
in Aussig nicht wie gewöhnlich in den Arbeits-
räumen der einzelnen Beamten. Sie wurden viel-
mehr aufgefordert, sich ihren Gehalt beim Kassier
der BKVA selbst zu holen.

Die Auszahlung des Gehaltes nahm der Kas-
sier der BKVA Paul in Anwesenheit des sozial-
demokratischen Funktionärs und Krankenkassen-
beamten Hegenbarth vor. Dabei wurde den zum
Empfang des Gehaltes erschienenen Beamten er-
öffnet, dass ihnen zur Feier des 1. Mai ein Tages-
anteil ihres Gehaltes zu Gunsten der sozialdemo-
kratischen Arbeiterpartei abgezogen würde. Die-
sen Abzug nahm sogleich der Beamte und Partei-
funktionär Hegenbarth in Empfang.

Der Abzug des Beitrages erfolgte ohne Rück-
sicht auf die Parteizugehörigkeit der einzelnen
Krankenkassenbeamten und es steht fest, dass eine
Reihe von Beamten den Abzug erdulden mussten,
obzwar sie nicht Mitglieder der deutschen sozial-
demokratischen Arbeiterpartei sind.

Es liegt der dringende Verdacht vor, dass es
sich im geschilderten Falle um eine gesetzlich un-
erlaubte, behördlich nicht bewilligte Sammlung
handelt.


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