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Pùvodní znìní ad 675/II.

Interpellation

des Abgeordneten Josef Rösler
an den Justizminister

betreffend den Formalismus der Gerichte
bei Ueberprüfung der Armutszeugnisse.

Durch die Regierungsverordnung 229/36 wur-
den die Bestimmungen über das Armenrecht ver-
schärft. Es ist zwar begrüssenswert, dass jeder
schikanösen Ausnutzung des Armenrechtes ent-
gegengetreten wird.

Es bedeutet aber eine soziale Gefahr, wenn
die Gerichte bei Lieberprüfung der Fragebogen
zur Erlangung des Armenrechtes formalistisch
vorgehen und die Bewerber um das Armenrecht
schikanieren. Solchen Schikanen muss vom Ju-
stizministerium durch Erlässe entgegengetreten
werden. Oft ist eine unvertretene arme Partei
beim besten Willen ausserstande, den komplizier-
ten Anordnungen der Regierungsverordnung
229/36 zu entsprechen. Solche Parteien müssen
die Richter verständnisvoll belehren und sie
darüber aufklären, in welcher Weise sie den Fra-
gebogen zur Erlangung des Armenrechtes aus-
füllen müssen. Wenn mit solchen Parteien brüsk
umgegangen wird und ihnen einfach der Frage-
bogen zurückgestellt und das Armenrecht ver-
weigert wird, kommt dies in den meisten Fällen
einer Rechtsverweigerung überhaupt gleich, weil
eben die arme Partei ausserstande ist, ohne Be-
willigung des Armenrechtes überhaupt ihren ge-
rechten Anspruch gerichtlich geltend zu machen.

Die Bedenken der Interpellanten sind umso
begründeter und schwerwiegender, als in den
Papierhandlungen noch keine neuen Drucksorten
für die Fragebogen zur Erlangung des Armen-
rechtes zu haben sind und die Gefahr besteht,
dass manche Richter schikanöser Weise jene
Armutszeugnisse, die noch unter Verwendung der
alten Drucksorten ausgefüllt wurden, mit dem
Bemerken zurückweisen, dass diese alten Druck-
sorten ungültig seien und eben das Armenrecht
nicht bewilligt werden könne, solange keine an-
deren Drucksorten erhältlich sind.

Eine solche Praxis ist eine ungeheure soziale
Gefahr. Ansprüche können auf diese Weise ver-
jähren, der Unterhalt anspruchsberechtigter Min-
derjähriger kann gefährdet werden und materien-
rechtliche Präklusivfristen können versäumt
werden.

Wir stellen daher an den Herrn Justizmini-
ster die Anfrage:

Was gedenkt der Herr Justizminister zu ver-
anlassen, um der in der Interpellation gerügten
sozialen Gefahr wirksam zu begegnen?

Prag, atn 22. Oktober 1936.

Rösler,

Franz Nìmec, Dr. Zippelius, F. Nitsch, Sandner,
Dr. Eichholz, Hollube, Ing. Lischka, Ing. Richter,
Gruber, Birke, Dr. Kellner, Wollner, Knöchel,
Kundt, Illing. May, Fischer, Stangl. Sogl, Obrlik,
Dr. Rösche.

Pùvodní znìní ad 675/ III.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nitsch
an den Justizminister

wegen Missachtung des Sprachen-
gesetzes durch das Bezirksgericht in
Mährisch Schönberg.

Der Abgeordnete Franz Nitsch hat heute an
das Kreisgericht in Olmütz (Präsidium) nachste-
hende Sprachenbeschwerde und Aufsichtsbe-
schwerde gerichtet:

»Am 8. Oktober 1936 wurde mir der Be-
schluss des Bezirksgerichtes Mähr. Schönberg
vom 30. September 1936, Zahl T 730/36 zugestellt.

Der Beschluss wurde mir mit Briefumschlag,
der den Poststempel vom 7. Oktober 1936 trägt,
zugestellt.

Ich bekenne mich zur deutschen Sprach- und
Volksgemeinschaft und habe mich bei der letzten
Volkszählung zur deutschen Nationalität bekannt.

Der genannte Beschluss und der genannte
Briefumschlag beziehen sich auf den Gerichtsbe-
zirk Mähr. Schönberg, in dem nach der letzten
Volkszählung weit mehr als 20% tschechoslowa-
kischer Staatsbürger deutscher Nationalität
(ethnischer und sprachlicher Zugehörigkeit) woh-
nen. Gemäss § 2 des Sprachengesetzes steht mir
also ein subjektiver Rechtsanspruch zu, dass so-
wohl der genannte Beschluss als auch der ge-
nannte Briefumschlag nicht nur in tschechischer,
sondern auch in deutscher Sprache ausgefertigt
wird. Ich rüge die Verletzung dieses Rechtsan-
spruches, weil der genannte Beschluss und der
genannte Briefumschlag ausschliesslich in tsche-
chischer und keineswegs auch in deutscher Spra-
che ausgefertigt wurde. Wegen dieser gerügten
Gesetzwidrigkeit erhebe ich die Sprachenbe-
schwerde. Die Sprachenbeschwerde wird direkt


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an das Kreisgericht Olmütz gerichtet, weil dieses
über das Bezirksgericht Mährisch Schönberg die
Aufsicht führt. Ich stelle den Antrag, in Statt-
gebung dieser Sprachenbeschwerde den ge-
nannten Beschluss und der Ausfertigung des ge-
nannten Briefumschlages zu Grunde liegende
Verfügung ihrem ganzen Inhalte nach anzufech-
ten und die mögliche Abhilfe in der Weise zu
verfügen, dass meinem mit Vollmacht ausgewie-
senen Vertreter, Herrn Dr Hans Neuwirth, der
genannte Beschluss auch in deutscher Ausferti-
gung zugestellt werde.

Gleichzeitig erstatte ich diese Eingabe als
Aufsichtsbeschwerde.

Nach der ganzen Sachlage müsste dem Ge-
richte bekannt sein, dass ich ein gleichberech-
tigter Deutscher bin.

Ich erkläre, dass ich nicht bereit bin, dieses
Rechtsmittel zurückzuziehen und auf einer Ent-
scheidung in der Sache durch Zustellung eines
Bescheides mit Rechtsmittelbelehrung bestehe. «

Wir stellen an den Herrn Minister die An-
frage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, zu verfüge.:
dass diese Sprachensache dem Gesetze und der
Sprachenverordnung gemäss schleunigst behan-
delt und entschieden wird?

3. Ist der Herr Minister bereit, sich über die
Erledigung dieses Falles und über das Ergebnis
der Disziplinaruntersuchung Bericht erstatten zu
lassen?

4. Ist der Herr Minister bereit, eine Diszipli-
naruntersuchung gegen das Präsidium des Be-
zirksgerichtes Mährisch Schönberg einleiten zu
lassen, weil diese Sprachenpraxis für das Be-
zirksgericht Mährisch Schönberg symptomisch
zu sein scheint?

5. Ist der Herr Minister bereit, dafür zu sor-
gen, dass das Bezirksgericht in Mährisch Schön-
berg niemals wieder die Verfassung dadurch
verletzt, dass es das verfassungsmässig gewähr-
leistete Sprachenrecht der gleichberechtigten
tschechoslowakischen Staatsbürger deutschen Na-
tionalität (ethnischer und sprachlicher Zugehö-
rigkeit) unbeachtet lässt?

Prag, am 27. Oktober 1936.

F. Misch,

Knöchel, Sogt, Dr. Zippelius, Dr. Eichbolz, May,

Wollner, Ing. Lischka, Oblík, Illing, Birke, Kundt,

Gruber, Hollube, Rösler, Sandner, Franz Nemec,

ing. Richter, Dr. Kellner, Stangl, Fischer,

Dr. Rösche.

Pùvodní znìní ad 675/IV.

Interpellation

des Abg. Franz Nitsch

an den Minister für soziale Fürsorge
und an den Minister des Innern

wegen Verweigerung von Auskünften
über die Ernährungsaktion gegenüber
Mitgliedern der Bezirksvertretung der
Sudetendeutschen Partei seitens der Be-
zirksbehörde Sternberg.

Die Mitglieder der Bezirksvertretung Stern-
berg: Ruft, Thaler und Zoufal haben auf der Be-
zirksbehörde Sternberg vorgesprochen und um
Aufklärung über einige Daten betreffend die Er-
nährungsaktion ersucht. Bezirkshauptmann Dr
Dostal gestattete ausdrücklich die Abschrift die-
ser Daten. Auf die Anfrage der Mitglieder der
Bezirksvertretung, ob sie auch die, zur Erhebung
notwendigen übrigen Zahlen der Arbeitslosen vom
Arbeitsvermittlungsamte haben könnten, erklärte
Dr Dostal, das Landesamt unterstehe nicht seiner
Kompetenz, doch mögen die Mitglieder der Be-
zirksvertretung beim Arbeitsvermittlungsamte
vorsprechen und dort um die Unterlagen er-
suchen.

Der Leiter des Arbeitsvermittlungsamtes,
Herr Langer in. Sternberg, verweigerte die Her-
ausgabe der Arbeitslosenziffern mit der Begrün-
dung, dass er dies ohne Bewilligung des Arbeits-
vermittlungsamtes in Brunn nicht tun dürfe; er
habe ausserdem schon im März 1936 von der
Bezirksbehörde in Sternberg den telefonischen
Auftrag erhalten, der Sudetendeutschen Partei
kein Zahlenmaterial herauszugeben. Herr Langer
hat diesen Auftrag von der Bezirksbehörde Stern-
berg am 23. März 1936 nochmals schriftlich er-
halten. Die Mitglieder der Bezirksvertretung ha-
ben sich davon überzeugt, dass in diesem schrift-
lichen Auftrag ausdrücklich betont war, der »Su-
detendeutschen Partei« kein Material in die Hand
zu geben. Der Auftrag war vom Bezirkshaupt-
mann selbst unterzeichnet.

Die Mitglieder der Bezirksvertretung ver-
suchten hierauf nochmals durch Vorsprache auf
dem Gemeindeamte in Sternberg, die entspre-
chenden Zahlen zu erhalten. Vizebürgermeister
Kolschatzky verweigerte die Herausgabe der ge-
forderten Unterlagen und erklärte, er könne dies
ohne Bewilligung des Arbeitsvermittlungsamtes
in Brunn nicht tun.

Die Bezirksvertretungsmitglieder Thaler und
Zoufal sprachen hierauf neuerdings beim Bezirks-
hauptmann Dr Dostal vor. Dieser war in der
Zwischenzeit bereits durch den Vizebürgermei-
ster Kolschatzky telefonisch verständigt worden
und verweigerte unter Berufung auf das Landes-


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amt in Brunn die Herausgabe der Arbeislosen-
ziffern. Bezirkshauptmann Dr Dostal bestritt ent-
schieden dem Arbeitsvermittlungsamte ein Ver-
bot, betreffend die Herausgabe von Zahlenmate-
rial an die Sudetendeutsche Partei erteilt zu
haben. Diese Erklärung steht im Widerspruche
und irn Gegensatze zu dem, oben erwähnten
Briefe.

Die Mitglieder der Bezirksvertretung sind
verpflichtet sich aller wirtschaftlichen Angelegen-
heiten im Bezirke anzunehmen. Es ist die vor-
nehmste Pflicht, sich der Aermsten der Armen,
der Arbeitslosen anzunehmen. Die Mitglieder der
Bezirksvertretung haben einen Anspruch, das
amtliche Material über die Arbeitslosenzifiern
zu erfahren, damit sie in der Lage sind, hiezu
Stellung zu nehmen. Aus dem gerügten Sach-
verhalte geht hervor, dass Weisungen bestehen,
die geradezu aus parteipolitischen Erwägungen
die Informationen der Volksvertreter der Sude-
tendeutschen Partei über die Arbeitslosenziffern
unmöglich machen. Eine solche Praxis erweckt
den Anschein, dass von der Administrative par-
teipolitische Differenzierungen vorgenommen wer-
den und die Administrative ein Interesse daran
hat. die Wahrheit über die grauenhaften Arbeits-
losenziffern im sudetendeutschen Hungergebiete
vor der öffentlichen Meinung zu verbergen.

Wir stellen an den Herrn Minister für so-
ziale Fürsorge und an den Herrn Minister des
Innen die Anfrage:

1. Sind die Herren Minister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Sind die Herren Minister bereit, zu veran-
lassen, dass den Bezirksvertretungsmitgliedern
der Sudetendeutschen Partei in Sternberg die
amtlichen Daten über die Arbeitslosigkeit und
die staatliche Ernährungsaktion nicht weiter
vorenthalten werden?

3. Sind die Herren Minister bereit, untersu-
chen zu lassen, ob irgendwelche behördliche Wei-
sungen erlassen wurden, die darauf abzielen, ge-
rade den Volksvertretern der Sudetendeutschen
Partei das amtliche Material über die Arbeits-
losenziffern vorzuenthalten?

4. Sind die Herren Minister bereit, gegen
diejenigen Beamten, die bei der Erteilung ihrer
Weisungen parteipolitische Differenzierungen ma-
chen, das Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

Prag, am 27. Oktober 1936.

F. Nitsch,

Obrlik, Stangl, ing. Richter, Klieber, Illing, May,

Sandner, Dr. Zippelius, Dr. Eichholz, Hollube,

Dr. Hodina, Axmann, Wollner, Sogl Rösler, Birke,

Ing. Lischka, Dr. Kellner, Knöchel, Kundt,

Dr. Rösche, Franz Nìmec, Fischer,

Gruber.

Pùvodní znìní ad 675/V.

Interpellation

des Abg. Karl Gruber

an den Minister des Innern

und an den Minister für öffentliche

Arbeiten

wegen Uebernahme des Elektrizitätswer-
kes Gratzen durch den »Povltavsky elek-
trárenský svaz, Ges. m. b. H. « in Böhm.
Budweis.

Abgeordnete der Sudetendeutschen Partei
haben bereits einmal wegen Nichtausschreibung
der Wahlen in die Stadtvertretung Gratzen an
die Gesamtregierung interpelliert (Druck 492/I).

Wie berechtigt diese Interpellation war, die
mit Druck 626/XVI beantwortet wurde, ergibt
folgender Sachverhalt:

Zahlreiche Wähler und Steuerzahler der Ge-
meinde Gratzen haben gegen den Beschluss des
Stadtamtes in Gratzen vom 20. Juli 1936, Zahl
1951/36/350/36 E, an die Bezirksbehörde in Kaplitz
am 30. Juli 1936 nachstehende Beschwerde ein-
gebracht:

»Der angefochtene Beschluss, dass der »Po-
vltavský elektrárenský svaz« Gesellschaft mit
beschränkter Haftung in Böhm. Budweis von der
Stadtgemeinde Gratzen, bzw. von der Herrschaft
Gratzen das diesen gehörige Elektrizitätswerk
übernimmt, ist ungesetzlich, da er den betreffen-
den gesetzlichen Vorschriften widerspricht,
ist undurchführbar und fehlerhaft, da er
all das, was mit der rechtlichen und sachli-
chen Rechtskonstruktion des Elektrizitätswerkes
zusammenhängt, ausser Acht lässt, er ist deshalb
auch rechtlich unwirksam und ist für die Stadt-
gemeinde Gratzen in wirtschaftlicher Hinsicht
höchst ungünstig.

Das in Rede stehende Elektrizitätswerk ver-
dankt seinen Ursprung einer Abmachung und
einem Vertrage, welcher seinerzeit zwischen dem
Besitzer der Herrschaft Gratzen Karl Grafen Bu-
quoy und der Stadtgemeinde Gratzen abgeschlos-
sen wurde. Aus diesem Vertrage ergibt sich, dass
das Elektrizitätswerk als ein gemeinsames Eigen-
tum der Stadtgemeinde Gratzen und der Herr-
schaft im Sinne der Bestimmungen des § 825 u.
fg. anzusehen ist und dass demnach für die Be-
wirtschaftung und die Geschäftsgebarung des
Elektrizitätswerkes die genannten gesetzlichen
Vorschriften zu gelten haben.

Der bereits erwähnte Vertrag zwischen der
Stadtgemeinde Gratzen und der Herrschaft Grat-
zen bestimmt die Parität der Compaciscenten.
Die Bewirtschaftung des Objektes wird von
einem Verwaltungsausschuss geleitet, welcher
aus sieben Mitgliedern besteht, von denen jede


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Partei drei zu nominieren hat. Den Vorsitz in
diesem Verwaltungsausschuss führt der jeweili-
ge Bürgermeister der Stadt oder ein von ihm
bestellter Stellvertreter.

Die Stadtgemeinde G ratzen wird zur Zeit
von einem Regierungskommissär verwaltet. Es
ist nun und bleibt höchst fraglich, ob es über-
haupt statthaft ist, dass eine derartige, für die
Stadtgemeinde Gratzen wichtige Angelegenheit
wie die Abtretung des Elektrizitätswerkes an
einen Dritten, durch den eingesetzten Regierungs-
kommissär durchgeführt werden kann und darf.

Der Verwaltungsgerichtshof ist einer ändern
Ansicht und hat wiederholt zu Recht erkannt,
dass ein Regierungskommissär nur derartige An-
gelegenheiten und Sachen der Gemeindewirt-
schaft durchführen darf und kann, welche den
Rahmen der laufenden wirtschaftlichen Agenda
nicht übersteigen, und derartige Angelegenheiten
nur dann vornehmen kann, wenn Gefahr im Ver-
züge wäre (Budw. Z. 10088, A. Z. 973, Z. 7761,
A. Z. 6848, A. Z. 6020 A. ).

Wir glauben mit Recht sagen zu können,
dass der Verkauf des Elektrizitätswerkes eben
eine solche Angelegenheit ist, welche ein Regie-
rungskommissär auf keinen Fall durchzuführen
befugt ist

Wenn demnach für die Gemeinde Gratzen
ein Regierungskommissär die betreffenden
Schlussbriefe genehmigt und gefertigt hat, so war
die Gemeinde Gratzen bei der Transaktion nicht
im Sinne der oben erwähnten Vorschriften des
A. B. G. B. vertreten und es erscheint unsere
Behauptung, dass der angefochtene Beschluss
Und sonach die ganze, mit dem »Povltavsky elek-
trärensky svaz« abgeschlossene Transaktion un-
gesetzlich ist erwiesen, zumal sie entgegen den
Bestimmungen der Gemeindeordnung nicht den
Aufsichtsorganen zur Genehmigung vorgelegt
wurde, da sich die Bestimmungen des § 100 der
Gemeindeordnung für Böhmen auch auf die Per-
son eines Regierungskommissärs beziehen, ist es
Pflicht der Aufsichtsbehörde, im Sinne des § 100
der Gemeindeordnung einzugreifen.

In dem oben erwähnten Vertrage zwischen
der Stadtgemeinde Gratzen und der Herrschaft
Gratzen besagt § 6: Sollten wider Erwarten
Zwischen den Vertretern des Herrn Grafen einer-
nnd der Stadtgemeinde Gratzen anderseits über
besonders wichtige Fragen Meinungsverschieden-
heiten entstehen... haben sowohl die Vertre-
ter der Stadt, als auch die des Herrn Grafen das
Recht, ein Schiedsgericht anzurufen.

Ferner werden im besagten Paragraphen des
Vertrages beispielsweise Fälle angeführt, welche
die Einberufung des Schiedsgerichtes notwendig
machen, und es wird unter anderem auch der
Fall von Renovierungen und Adaptierungen, wel-
che einen Aufwand von mehr als 10. 000 Kè erfor-
dern, erwähnt. In unserem Falle handelt es sich
um das Wichtigste, was in Frage des Elektri-
zitätswerkes die Stadtgemeinde Gratzen nur tref-
fen konnte; obzwar zwischen den Interessen des
Herrschaftsbesitzes und den Interessen der gan-
zen Gemeinde, bezw. der ganzen Bürgerschaft
Differenzen gegeben waren und sind wurde das

eben erwähnte Schiedsgericht nicht angerufen,
weshalb auch die Transaktion rechtsungültig er-
scheint.

Wir haben oben erwähnt, dass die Abtretung
des Elektrizitätswerkes an den »Povltavsky
elekträrensky svaz« der Gemeinde einen be-
trächtlichen Schaden verursachen wird. Wenn
wir auch von dem Gutachten des elektrotechni-
schen Institutes der deutschen technischen Hoch-
schule in Prag (Prof. Dr Niethammer) absehen,
so müssen wir nicht lange beweisen und nach-
weisen, was der Verlust des Elektrizitätswerkes
für die Stadt Gratzen bedeuten wird. Es handelt
sich nicht nur um Einnahmen für den Strom usw.,
sondern auch um ein für die Gemeinde unersetzli-
ches Stück ihres Grundvermögens. Auch in diesem
Falle hätte man die Sache den vorgesetzten Be-
hörden zur Genehmigung vorlegen sollen.

Die ganze Transaktion wurde zwischen der
Stadtgemeinde und dem »Svaz« in Form von
Schlussbriefen durchgeführt, was wir als äusserst
mangelhaft bezeichnen müssen.

Aus den angeführten Gründen ersuchen wir
um Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. «

Unter Hinweis auf die ausführlichen Darstel-
lung der früheren Interpellation richten wir an
den Herrn Minister des Innern und an den Herrn
Minister für öffentliche Arbeiten folgende An-
fragen:

1. Sind die Herren Minister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Sind die Herren Minister bereit, im ge-
meinsamen Zusammenwirken zu veranlassen,
dass die Bezirksbehörde Kaplitz über die einge-
brachte Beschwerde mit grösster Beschleunigung
entscheidet, da wichtige öffentliche Interessen ge-
fährdet sind?

Prag, am 27. Oktober 1936.

Gruber,

Dr. Peters, May, Wollner, Fischer, Dr. Köllner,
Jobst, Franz Nìmec, Oblík, Ing. Peschka, Dr.
Zippelius, Stangl, Sandner, Jäkel, Ing. Künzel,
Illing, Dr. Rösche, Dr. Jilly, Dr. Eichholz, Kundt,
Hollube.

Pùvodní znìní ad 675/ VII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Karmasin

an den Minister für Schulwesen und
Volkskultur

wegen missbräuchlicher Anwendung des

undeutschen Buchstabens »C« in einem

Lehrbuche der staatlichen Verlagsanstalt

in Prag.

Im Jahre 1935 erschien in der staatlichen
Verlagsanstalt in Prag das Lehrbuch: »Regeln


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und Wörterverzeichnis für die deutsche Rechts-
schreibung« zum Gebrauche in Schule und Haus,
bearbeitet von Anton Felbinger und Dr. Karl
Stejskal, sechste Auflage.

Dieses Lehrbuch wurde vom Ministerium für
Schulwesen und Volkskultur am 7. März 1935,
Z. 18. 080/35-1/1, als Lehrbuch für die oberen
Klassen der allgemeinen Volksschulen, für Bür-
gerschulen und für die Unterklassen der Mittel-
schulen deutscher Unterrichtssprache genehmigt.

Der Herr Minister für Schulwesen und Volks-
kultur verantwortet also den Inhalt und die Ge-
nehmigung dieses Lehrbuches.

Dieses Lehrbuch führt im alphabetischen Ver-
zeichnis der Buchstaben der deutschen Sprache
auf Seite 32 einen neuen Buchstaben ein, nämlich
das »C«.

Die Ausführung über diesen Buchstaben lau-
let: »C - Tsch. Èechoslowakei, die, - (spr.
Tschechoslowakei); unser Èechoslowakischcr
Staat; die Èechoslowakische Republik; die ce-
choslowakische Sprache; ein Èechoslowakischer
Staatsmann; gut èechisch sprechen; bald Èe-
chisch lernen; der Èeche, -n, -n; die Èechin, -,
-nen. «

Diese Anführungen sind ein unzulässiger
Eingriff in das Kulturgut der deutschen Sprach-
gemeinschaft; denn die deutsche Sprachenge-
meinschaft kennt kein »C« -. Wenn dieser
Buchstabe im Tschechischen die Lautverbindung
»Tsch« bezeichnet, kann dieser »Tsch« Laut
ohne weiteres mit dem deutschen Buchstaben
»Tsch« bezeichnet werden.

Wir Deutschen vertragen es nicht, dass in
unsere Sprache und noch dazu in die für unsere
Kinder bestimmten Lehrbücher Buchstaben ein-
geführt werden, die die deutsche Sprach- und
Kulturgemeinschaft nicht kennt.

Wir stellen an den Herrn Minister für Schul-
wesen und Volkskultur die Anfrage:

1. Ist dem Herrn Minister dieser Sachverhalt
bekannt?

2. Ist der Herr Minister bereit, vor der Ge-
nehmigung der nächsten Auflage des genannten
Buches dafür zu sorgen, dass das gerügte Kapitel
entfernt wird?

3. Ist der Herr Minister bereit zu veranlas-
sen, dass in allen Schulen, in denen die deutsche
Sprache verwendet wird, deutsche Buchstaben
und keine tschechischen Buchstaben bei der An-
wendung der deutschen Schrift verwendet wer-
den?

Prag, am 20. Oktober 1936.

Ing. Karmasin,

Ing. Künzel, Wollner, Gruber, Dr. Kellner, Kling,

Dr. Rösche, Dr. Hodina, May, Dr. Peters, Dr. Jilly,

Ing. Peschka, Jobst, Axmann, Sandner, Jäkel,

Dr. Zippelius, Fischer, Ing. Richter, Obrlik,

Stangl

Pùvodní znìní ad 675/VIII.

Interpellation

des Abg. Franz Hollube
an den Minister des Innern

betreffend das ungerechtfertigte Verbot

des Aushanges von Druckschriften

in Rumburg.

Die Staatspolizei in Rumburg hat mit Be-
scheid vom 3. 7. 1936 Z: 924 dem Mitglied der
Sudetendeutschen Partei Alfred Glathe in Rum-
burg, Bahnhofstrasse 11, den Aushang einer
Druckschrift verboten, in dem ein Artikel des
»Severoöesky List« gegen den Vorsitzenden der
Sudetendeutschen Partei Konrad Henlein abge-
druckt war, weil dieser Aushang angeblich die
öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden würde.

Dieses Vorgehen ist unerklärlich; denn die
Staatsanwaltschaft hat den Artikel anstandslos
passieren lassen. Die Deutschen haben ein Recht
darauf zu erfahren, was tschechische Zeitungen
über sie schreiben. Es bestand gar kein Anlass,
den Artikel der deutschen Oeffentlichkeit vorzu-
enthalten. Wenn man schon solche Schreibereien
verhüten will, dann muss die Administrative ge-
gen die Schreiberlinge und Redakteure vorge-
hen, die solche Artikel zu verantworten haben,
keineswegs aber gegen ruhige deutsche Staats-
bürger, die im Rahmen gesetzmässiger politischer
Tätigkeit derartige Artikel der deutschen Oeffent-
lichkeit zur Kenntnis bringen.

Die Interpellanten begrüssen es immerhin als
Fortschritt, dass die Staatspolizei die öffentliche
Ruhe und Ordnung für gefährdet hält, wenn kund-
gemacht wird, dass tschechische Zeitungen emp-
fehlen, Konrad Henlein an die Wand zu stellen
oder ihn dem Strick auszuliefern, wenn sie ihn
als giftiges Individium und Kreatur bezeichnen.
Die Administrative hat aber ihre Fürsorge um
die Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung
gegen den unrichtigen getätigt. Nicht der ist
schuldig, der um den Aushang angesucht hat,
sondern der, der den Hetzartikel geschrieben und
abgedruckt hat.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Frage:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
gerügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit
zu veranlassen, dass der deutschen Oeffentlich-
keit des Staates die Aeusserungen der tschechi-


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sehen Presse nicht durch gesetzwidrige Aushang-
verbote vorenthalten werden?

Prag, am 27. Oktober 1936.

Hollube.

Birke, Ing. Lischka, Obrlik, Ing. Richter, Dr.
Zippelius, Gruber, Franz Nìmec, F. Nitsch, Woll-
ner, Kundt, Knöchel, Stangl, Rösler, Sandner,
Dr. Eichholz, Illing, May, Sogl, Dr. Kellner, Dr.
Rösche, Fischer.

Pùvodní znìní ad 675/IX.

Interpellation

des Abg. Georg Wollner
an die Regierung

wegen der Gewährung einer staatlichen
Ernährungshilfe an Arbeitslose.

Der bevorstehende Winter wird für alle
Bürger des Staates, deren Recht auf Arbeit in-
folge Arbeitsmangel keine Verwirklichung fin-
den kann, wiederum schwerste Notzeit bedeuten.
Die Gefertigten erachten es als ihre Pflicht, be-
sonders auf die schweren Notstände im sudeten-
deutschen Gebiete eindringlich aufmerksam zu
machen.

Besonders muss auf das Schicksal jener Ar-
beitslosen hingewiesen werden, für die keine
Möglichkeit besteht, sich einen Anspruch auf eine
Arbeitslosenunterstützung zu sichern oder die
einen solchen Anspruch nicht erreicht oder schon
erschöpft haben und die in ihrer Existenz schwer
bedroht sind.

Die Arbeitslosenunterstützung nach dem Gen-
ter System gewährt lediglich einem kleinen Teil
der Arbeiter- und Angestelltenschaft einen nur
unzureichenden Schutz. Der übergrosse Teil der
Arbeitslosen, der diese Unterstützung nicht er-
hält, findet in der »Ernährungsaktion«, die ja
auch wieder nur einen Teil der nicht unterstütz-
ten Arbeitslosen umfasst, keine entsprechende
Existenzmöglichkeit.

Wie die Verhältnisse im sudetendeutschen
Gebiete liegen, davon geben folgende Zahlen-
beispiele Zeugnis:

Im pol. Bezirke Sternberg wurden mit 31. 8.
1936 8. 759 Arbeitslose von insgesamt 60. 697 Ein-
wohnern gezählt. Hievon waren 2. 189 im Bezüge
der Unterstützung nach dem Genter System,
2017 waren in die staatliche Ernährungsaktion
eingereiht, hingegen waren 4. 553 ohne jede Un-
terstützung.

Untersuchungen in dieser Richtung haben er-
geben, dass ähnliche Zahlenverhältnisse im ge-
samten sudetendeutschen Gebiete bestehen.

   

bearb.

unters.

unterst.

nicht

 

Gerichtsbezirk:

Ge-

Fälle

Arbeis-

unterst.

   

meind.

 

lose

Arbeits-

         

lose

 

Trautenau

25

4. 823

2. 067

1. 856

 

Adlergebirge

7

812

235

577

 

Tannwald

15

2. 588

1. 689

899

 

Aussig

34

5. 008

3. 666

1. 342

 

Auscha

22

709

263

446

 

Komotau

21

4. 989

3. 601

1. 388

 

Katharinaberg

4

709

403

306

 

Graslitz

20

7. 254

4. 942

2. 312

 

Falkenau

40

6. 638

4. 169

2. 469

 

Pressnitz

14

4. 012

1. 982

2. 030

 

Neudek

22

7. 247

3. 669

3. 578

 

Kaaden

32

3. 693

2. 065

1. 898

 

Ronsperg

15

2. 135

654

1. 481

 

Tuschkau

8

638

273

365

 

Weseritz

22

498

105

393

 

Tepl

17

1. 053

168

885

 

Plan

18

1. 291

424

867

 

Kaplitz

25

881

364

517

 

Zlabings

4

82

2

80

 

Zwittau

10

1. 996

852

1. 144

 

M. Schönberg

27

3. 600

4. 150

1. 450

 

Jauernig

7

622

365

257

 

Jägerndorf

15

1. 771

1. 323

448

Die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil
der Arbeitslosen nicht in die Ernährungsaktion
einbezogen ist, beruht auf den vollkommen unzu-
länglichen »Richtlinien« für die staatliche Er-
nährungsaktion und weiters in deren, oft mehr
als bürokratischen Auslegung und Handhabung.

Im Bezirk Mähr. Schönberg wurden z. B. von
1450 Bewerbern 350 nicht in die Ernährungs-
aktion aufgenommen, weil sie den dreimonatigen
pflichtversicherten Arbeitsnachweis nicht erbrin-
gen konnten, 270 Personen, weil sie als Jugend-
liche noch nie oder nur in einem kurzen Arbeits-
verhältnisse gestanden sind. 150 Personen, weil
sie über 60 Jahre alt sind, 260 Personen, weil sie
Kleinrentner sind (die jedoch von der Rente
keinesfalls ihren Lebensunterhalt bestreiten kön-
nen), 80 Personen, weil sie Kleinbauern und
Häusler sind (welche aber, um ihren Lebensun-
terhalt bestreiten zu können, noch einer Lohn-
arbeit nachgingen), 200 Personen, weil deren Fa-
milienangehörige einen Verdienst oder Besitz
haben oder weil bereits ein Familienangehöriger
in die Ernährungsaktion eingereiht ist, 140 Per-
sonen aus verschiedenen anderen Gründen.

Aehnlich liegen die Verhältnisse in allen an-
deren Fällen. Es bestehen im Unterstützungswe-
sen offensichtlich schwere Mängel, die jeden ver-
antwortungsbewussten Menschen mit grösster
Sorge um das Schicksal der arbeitslosen Mit-
bürger erfüllen müssen.

Entgegen all diesen bedrückenden Tatsachen
und Erfahrungen ist im Staatsvoranschlage für
1937 bei dem Kapitel Arbeitslosenfüsorge ein Ab-


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