20

Die Bezirksbehörde Plan hat mit Bescheid
vom 18. September 1935, Z. 24229/35 Ernennungen
zwar abgelehnt, da Vertreter politischer Parteien
nicht ernannt werden können; später hat diese
Bezirksbehörde jedoch in anerkennenswerter
Weise in einer Reihe von Gemeinden des politi-
schen Bezirkes Plan eine Neuzusammensetzung
der Kommissionen durchgeführt und hiebei we-
nigstens annähernd auf die politischen Parteien
Bedacht genommen.

Die Bezirksbehörde Jägerndorf ist der An-
sicht, dass auf politische Parteien keine Rück-
sicht genommen werden müsse.

Alle diese Mängel ergeben sich vor allem
daraus, dass die Zusammensetzung der Kommis-
sionen hauptsächlich im Jahre 1933 erfolgte und
der Erlass des Ministeriums für soziale Fürsorge
vom 26. Juni 1933, Z. 28200/III/E/1933 und vom
11. November 1933, Z. E. -3420-17/11 über die Ein-
beziehung der Bewerber in die staatliche Er-
nährungsaktion keinerlei Bestimmung über die
Funktionsdauer der Bezirks- und Gemeindesozial-
kommissionen enthält.

Es liegt im Interesse des Staates, dass die
Bevölkerung zu den Mitgliedern der Bezirks- und
Gemeindesozialkommissionen Vertrauen hat. Da-
her ist es notwendig, dass diese Kommissionen
vorwiegend aus Angehörigen jener Partei zusam-
mengesetztwerden, denen die Bevölkerung bei den
letzten Wahlen ihr Vertrauen ausgesprochen hat.
Da in den Sudetendeutschen Siedlungsgebieten
die Sudetendeutsche Partei, Vorsitzender Konrad
Henlein, nahezu 70% aller abgegebenen Stimmen
auf sich vereinigte, hat sie einen Anspruch darauf,
dass die, genannten Kommissionen neu besetzt
werden und auf dieses Wahlergebnis angemessen
Rücksicht genommen wird. Es geht nicht an,
dass man in den Sozialkommissionen die im
Wahlkampf geschlagenen marxistischen Funktio-
näre nach ihrem Gutdünken schalten und walten
lässt und ihnen die Entscheidung überlässt, wer
als bedürftig zu betrachten sei. Um nur ein Bei-
spiel zu nennen, verweisen die Interpellanten
darauf, dass z. B. in Schönlinde, Bezirk Falkenau,
ein Sozialdemokrat die gesamte Verteilung be-
sorgt. Besonders bedenklich ist es, dass die ein-
zelnen Unterbehörden über die Frage der Neuer-
nennung verschiedener Ansicht sind. Dieser
Misstand ist vor allem darin begründet, dass die
genannten Erlässe des Ministeriums unklar sind,
weil sie überhaupt keine Bestimmung über die
Funktionsdauer der Gemeinde- und Bezirkssozial-
kommissionen enthalten.

So besteht der Verdacht, dass das Ministe-
rium für soziale Fürsorge in diesen Kommissionen
ähnliche Zustände herbeiführen will, wie in den
Krankenkassen, in denen schon seit einer Gene-
ration keine Aenderun? in der Zusammensetzung
vorgenommen wurde. Es entsteht der Verdacht,
dass das Ministerium für soziale Fürsorge in un-
demokratischer Weise einen Zustand dulden will,
der notwendig zu einer Versteinerung dieser
Kommissionen zu Gunsten der nach den Mai-
wahlen 1935 noch übriggebliebenen wenigen
marxistischen Funktionäre führen muss.

Ein solcher Zustand erweckt den leiden-
schaftlichsten Widerspruch der Bevölkerung, weil
er eine Missachtung demokratischer Grundsätze
darstellt und geeignet ist, die Kluft zwischen den
sudetendeutschen Arbeitslosen und den in den
Sozialkommissionen amtierenden marxistischen
Funktionäre, denen das Sudetendeutschtum in den
Mai-Wahlen 1935 das Vertrauen gekündigt hat,
so tief zu gestalten, dass auch das Vertrauen in
die staatliche Kontrolle dieser Kommissionen
ernsten Schaden zu leiden droht.

Wir stellen an den Herrn Minister für soziale
Fürsorge die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlas-
sen, dass die Zusammensetzung der Bezirks- und
Gemeindesozialkommissionen so abgeändert wird,
dass das neue Ergebnis der Zusammensetzung
dem demokratischen Willen des Sudetendeutsch-
tunis, der in den Mai-Wahlen 1935 klar erkennbar
geworden ist, entspricht?

3. Ist der Herr Minister bereit, die amtlichen
Richtlinien für die staatliche Ernährungsaktion zu
ergänzen und festzusetzen, wann die Funktions-
dauer der Gemeinde- und Bezirkssozialkommis-
sion abläuft?

Prag, am 13. Oktober 1936.

Nickerl,

Gruber, Stangl, May, Sogl. Ing. Schreiber, Birke,
G. Böhm, Illing, E. Köhler, Röster, Wagner,
Axmann, Ing. Karmasin, Dr Kellner, Dr Hodina,
Hollube, Ing. Lischka, F. Nitsch, Ing. Künzel,
Budig, Ing. Peschka, Obrlik, Jäkel.

Pùvodní znení ad 664/VIII.

Interpellation

des Abg. Franz Hollube
an die Regierung

wegen Ueberprüfung des Rücklagenstan-
des sämtlicher Versicherungsanstalten.

Der Phönix-Skandal hat den Versicherungs-
gedanken schwer erschüttert Ein zweitesmal hält
der Versicherungsgedanke einer solchen Er-
schütterung des Vertrauens nicht stand.

Die Interpellanten erhalten aus Wählerkrei-
sen wiederholt Zuschriften, in denen angefragt
wird, ob die Regierung durch ihre, mit der Beauf-
sichtigung der Versicherungsanstalten betrauten
Ressortministerien, insbesondere die Prämienre-


serven sämtlicher inländischer Versicherungsan-
stalten genügend überwacht; denn in den Zu-
schriften wird mit Recht hervorgehoben, dass die-
se Ueberwachungspflicht gegenüber der Versi-
cherungsgesellschaft »Phönix« in sehr unzurei-
chendem Masse erfüllt wurde.

Wir stellen daher an die Regierung die An-
frage:

1. Ist die Regierung bereit, bekanntzugeben,
welche Ueberwachungsmassnahmen nach Eintritt
des Phönixskandals gegenüber den anderen in-
ländischen Versicherungsanstalten bisher durch-
geführt wurden?

2. Ist die Regierung bereit, dafür zu sorgen,
dass der Rücklagenstand, insbesondere der Stand
der Prämienreserven bei allen inländischen Ver-
sicherungsgesellschaften auf das gewissenhaftes-
te überwacht und überprüft wird?

Prag, am 14. Oktober 1936.

Hollube,

Dr Kellner, Ing. Karmesin, May, Ing. Künzel,
Obrlík. F. Nitsch, Gruber, Ing. Peschka, Stangl,
O. Böhm, Ing. Schreiber, Birke, Wagner, Illing,
E. Köhler, Sogl, Jäkel, Ing. Lischka, Dr Hodina,
Rösler, Dr Peters.

Pùvodní znìní ad 664/IX.

Interpellation

des Abg. Richard Knorre
an den Minister des Innern

wegen ständiger Verletzung des Spra-
chengesetzes durch die einsprachig-
tschechlschen Drucksorten der Landes-
behörde in Brunn.

Die Landesbehörde in Brunn benützt für ihre
Erledigungsausfertigungen immer die gleichen
Drucksorten. Es handelt sich um sehr geschmack-
voll ausgeführte Drucksorten in modernem klei-
nerem Format. Am oberen linken Rande ist auf
einem, mit schwachen Linien schraffierten recht-
eckigen Untergründe die Bezeichnung der Behör-
de: »Zemský üfad v Brnì« angeführt. In der rech-
ten oberen Ecke dieser Drucksorte sind die vor-
gedruckten Worte angeführt: »Jednací èíslo« und
»dne.....«

Die Landesbehörde scheint überhaupt keine
anderen Drucksorten zu besitzen als diese. Sie
verwendet diese Drucksorten auch dann, wenn

21

sie auf ihnen tschechoslowakischen Staatsbür-
gern deutscher Nationalität (ethnischer und
sprachlicher Zugehörigkeit) Erledigungen ausfer-
tigt, bei denen sich die Wirksamkeit der Landes-
behörde auf Qerichtsbezirke erstreckt, in denen
nach der letzten Volkszählung wenigstens 20%
Staatsbürger derselben, jedoch einer anderen als
der tschechoslowakischen Sprache wohnen.

Diese Praxis ist verfassungswidrig, gesetz-
widrig, verordnungswidrig und disziplinär, weil
solche Erledigungen in ihrem gesamten Wortlau-
te, also auch hinsichtlich der Bezeichnung der
Behörde, der Geschäftszahl und des Datums
nicht nur in tschechischer, sondern auch in deut-
scher Sprache auszufertigen sind.

Im konkreten Falle hat die Bezirksbehörde
Brunn auch dem tschechoslowakischen Staats-
bürger deutscher Nationalität (ethnischer und
sprachlicher Zugehörigkeit), Herrn Otto Schrenk
in Würbenthal, eine derartige gesetzwidrige Aus-
fertigung am 20. Juli 1936 zu G. Z.: 5638/1/1 aus-
gestellt.

Die gesetzwidrige Ausstattung der Drucksa-
chen verleitet die Beamtenschaft auch dazu, das
Sprachengesetz bei der Bezeichnung des Datums
zu verletzen. So trägt der gerügte Bescheid zum
Beispiel folgende Bezeichnung des Datums: »Dne
20. èervence 1936«, obwohl dem Gesetze gemäss
diese Bezeichnung nicht nur in tschechischer,
sondern auch in deutscher Sprache auszuferti-
gen war.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, diese
Interpellation zum Anlass eines Runderlasses an
alle, ihm unterstellten Behörden zu nehmen und
diese Behörden darüber aufzuklären, dass die
Verwendung einsprachig tschechischer Drucksor-
ten in allen jenen Fällen unzulässig ist, bei denen
die Voraussetzungen des § 2 des Sprachengeset-
zes vorliegen?

3. Ist der Herr Innenminister bereit, fest-
stellen zu lassen, welcher Beamte für die Ein-
führung und Benützung einsprachig-tschechischer
Drucksachenformulare beim Landesamt in Brunn
verantwortlich ist?

4. Ist der Herr Innenminister bereit, gegen
die, an dem gerügten Sachverhalt schuldigen
Staatsbeamten und Staatsbedienstete das Diszi-
plinarverfahren einleiten zu lassen?

Prag, am 14. Oktober 1936.

Knorre,

Ine. Schreiber. Illing, Soul, Ing. Peschka. Ing.
Lischka. E. Köhler. May, G. Böhm. Birke, Rösler,
Dr Hodina, Ing. Karmasin, Ine. Künzel. Gruber,
Sandner, Dr Jilly, Kundt. Jobst, Dr Zippelius,
Wollner.


22

Pùvodní znìní ad 664/X.

Pùvodní znìní ad 664/XI.

Interpellation

des Abg. Inc. Adolf Lischka
an den Minister des Innern

wegen grandioser Enthebung des Vor-
stehers der Genossenschaft verschiede-
ner Gewerbe in Nestomitz durch die Be-
zirksbehörde in Aussig.

Mit Bescheid vom 10. Juli 1934, Zl. 39091/34,
hat die Bezirksbehörde Aussig Herrn Karl Be-
nisch, Schneider in Nestomitz, von der Funktion
als Vorsteher der, Genossenschaft verschiedener
Gewerbe in Nestomitz und von der Funktion als
Ausschussmitglied des Verbandes der Handels-
und Gewerbegenossenschaften in Aussig entho-
ben, da dieser angeblich Mitglied der National-
sozialistischen Arbeiterpartei war.

In einem ändern Bescheide wurde ihm auch
aufgetragen, sein Gemeindemandat niederzule-
gen.

Diese Vertagungen sind unbegründet, weil
Herr Karl Benisch niemals einer politischen Par-
tei angehört hat Auch die Berufung blieb er-
folglos.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den Sachver-
halt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit bekanntzuge-
ben, auf Grund welcher Denunziationen, die ge-
gen Herrn Karl Benisch gerichteten Verfügungen
vorgenommen wurden?

Prag, am 14. Oktober 1936,

Ing. Lischka,

May, Gruber, Ing. Karmasin, Axmann, F. Nitsch,
Ing. Künzel Hollube, Stangl, Ing. Peschka, Bu-
dig, a Böhm, Illing, Ing. Schreiber, Birke, Dr
Kellner, Obrlik, Jäkel, Dr Hodina, E. Köhler, Sogl,
Wagner, Rösler.

Interpellation

des Abg. Ing. Franz Schreiber
an den Minister des Innern

betreffend das Einschreiten der Gendar-
merie in Zebau gegen Bilder des Vorsit-
zenden der Sudetendeutschen Partei.

Der Gendarmerieposten in Zebau, Gerichts-
bezirk Weseritz, politischer Bezirk Plan, ver-
langt in seinen Ortschaften des Bezirkes die Ent-
fernung der Bilder des Vorsitzenden der Sude-
tendeutschen Partei aus den Gaststätten. Für
dieses Einschreiten fehlt jede gesetzliche Grund-
lage, weil die Ausgestaltung des Bilderschmuckes
in den Gaststätten dem Ermessen jedes Gastwir-
tes überlassen ist, soweit durch die Ausschmük-
kung nicht die öffentliche Ruhe und Ordnung ge-
fährdet ist. Diese Gefährdung kann jedoch nicht
eintreten, weil nahezu die gesamte Bevölkerung
des Gerichtsbezirkes Weseritz bei den letzten
Wahlen sich zur Sudetendeutschen Partei bekannt
hat und das Anbringen der Bilder des infolge
allgemein geachteten Vorsitzenden der Sudeten-
deutschen Partei von der gesamten Bevölkerung
der betroffenen Ortschaften begrüsst wird.

Wenn die Gendarmerieposten in Zebau die
Entfernung der Bilder aus den Gaststätten ver-
langt, ist dies eine Vorfügung, die die Bezirksbe-
hörde Plan zu verantworten hat. Es ist festzu-
stellen, ob der Gendarmerieposten ohne Auftrag
oder im Auftrage der Bezirksbehörde Plan einge-
schritten ist.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

Ist der Herr Minister des Innern bereit zu
veranlassen, dass eine Beanständung der Bilder
des Vorsitzenden der grössten Partei im Staate
nicht mehr erfolgt, weil derartige Amtshandlun-
gen das Gefühl der Sudetendeutschen verletzt?

Prag, am 12. Oktober 1936.

Ing. Schreiber,

Hollube, Dr Rodina, F. Nitsch, Wagner, Ing, Kar-
masin, Ing. Künzel, Dr Kellner, Ing. Peschka, May,
Obrlik, Jäkel, Gruber, Stand, G. Böhm, Birke,
Illing, Budig, Sogl, Axmann, E. Köhler, Rösler,
Ing. Lischka, Dr Peters.


25

Pùvodní znìní ad 664/XII.

Interpellation

des Abg. Dr Franz Hodina
an den Finanzminister

wegen einer grundlosen Verhaftung des
Bautechnikers Hans Lorenz in Wurzels-
dorf durch das Organ der Finanzwache
Pirko.

Am 10. Juli 1936 sassen um die Mittagszeit
Arbeiter der Firma »Iser-Bau-Union« in Wur-
zelsdorf bei Tannwald gegenüber dem Fabriks-
gebäude der Firma »Naturin« A. G. in Wurzels-
dorf. Ein zu dieser Gruppe gehöriges Mädchen
bliess eine Papiertüte auf und wollte sie auf dem
Rücken ihrer Nachbarin zum Zerplatzen bringen.
Weil dies nicht gelang, erregte dieser Vorfall bei
den Arbeitern Heiterkeit. Durch diesen Heiter-
keitsausdruck fühlte sich vollkommen zu Unrecht
ein auf der Strasse vorübergehendes Organ der
Finanzwache, namens Pirko, betroffen. Die Ar-
beiter sassen unterhalb des Strassenniveaus mit
dem Rücken gegen die Strasse; sie konnten also
Herrn Pirko nicht sehen. Als sie aber Rufe hör-
ten: »Pane Lorenz, dejte si vùbec pozor, na Vás
už dlouho èekáme« horchten sie auf; denn die-
ser Zuruf galt offenbar Herrn Hans Lorenz, Bau-
techniker in Wurzelsdorf, der mitten unter ihnen
sass. Der Bautechniker Lorenz ist unbescholten
und geniesst einen guten Leumund. Er erhob sich
und rief dem, ungefähr 70 Schritt entfernten Herrn
Pirko zu: »Wenn Sie von mir etwas wollen, müs-
sen Sie herkommen!« Dieser Zuruf war nicht
ungehörig; jeder freie Staatsbürger hätte so ge-
handelt, wenn ihm grundlos aus der Entfernung
van 70 Schritten ein Organ der Finanzwache zu-
ruft, er solle achtgeben, weil die Finanzwache
schon lange auf ihn warte. Ueberdies hatte Pirko
dem Lorenz von dieser Entfernung mit der Hand
gedroht.

Pirko kam auf Lorenz zu und verhaftete ihn,
ohne sich überhaupt den Sachverhalt aufklären
zu lassen! Als Lorenz, der noch niemals verhaf-
tet worden war, den Pinanzheamten Pirko frag-
te, ob er rechts oder links von ihm zu gehen
habe, betrachtete dies Pirko zu Unrecht als eine
Herausforderung und beschimpfte Herrn Lorenz
in tschechischer Sprache. Lorenz antwortete hie-
rauf lediglich: »Wenn Sie mit mir reden, müssen
Sie deutsch reden, ich verstehe nicht tsche-
chisch!« Diesen Vorfall haben nachstehende Per-
sonen als Augenzeuge beobachtet; die Interpellan-
ten ersuchen daher um deren Einvernahme: Rie-
ger Rudolf in Wüstung, Nr. 263, Neubauer Alois
in Schwarz-Fluse«. Friedrich Albert in Grüntal
777, Schowald Emil, Wurzelsdorf 776, Jary Hu-
go, Wurzelsdorf. Erlebach Robert, Grüntal 705,
Schnabi Otto, Dessendorf 248, Fischer Bruno,
Wurzelsdorf. Gassren Karl, Wurzeladorf Nr. 9,

Fischer Gertrud 661, Braun Selma 86, Endler
Hedwig 660, Rotter Hilda, Wurzelsdorf 864,
Kasper Dora, Wazlawik Adele 210, Riegner
Olga 17.

Wir stellen an den Herrn Finanzminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Finanzminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt durch Einvernahme der be-
kanntgegebenen Augenzeugen erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Finanzminister bereit, gegen
das Organ der Finanzwache Pirko das Diszipli-
narverfahren einleiten zu lassen?

3. Ist der Herr Finanzminister bereit, mit
Rücksicht darauf, dass die Vertrauensstellung des
Herrn Pirko infolge dieser Aufsehen erregenden
grundlosen und gesetzwidrigen Verhaftung in der
Bevölkerung schwer erschüttert ist, Herrn Pirko
bis zur rechtskräftigen Beendigung des Diszipli-
narverfahrens von seinem Amte entheben zu las-
sen oder wenigstens seine Versetzung in einen
anderen Bezirk zu verfügen?

4. Ist der Herr Finanzminister bereit, diesen
unglaublichen Vorfall zum Anlass zu nehmen, um
die Organe der Finanzwache darüber aufzuklä-
ren, dass sie nur dann Verhaftungen vornehmen
dürfen, wenn tatsächlich schwerwiegende Grün-
de und die sonstigen, für die Freiheitsbeschrän-
kung freier Staatsbürger in der Verfassung und
in den Spezialgesetzen begründeten Voraus-
setzungen vorliegen?

Prag, am 9. Oktober 1936.

Dr Hodina,

Fischer, Budig, Dr Zippelius, Nickerl, Ing. Lisch-
ka, Ing. Karmasin, E. Köhler, Dr Kellner, Illing,
Röster, Dr Eichholz, Axmann, Hirte, Stangl, May,
Wagner, Jäkel, Knorra, a Böhm, Ing. Künzel,
Birke.

Pùvodní znení ad 664/XIV.

Interpellation

des Abg. Franz May
an den Minister des Innern,

wegen missbräuchlicher amtlicher Ver-
wendung des Ausdruckes »znìmèené uze-
mí« (verdeutschtes Gebiet).

Herr Auasenminister Krofta hat die Sudeten-
deutschen als zweites Staatsvolk bezeichnet das
mit dem Boden- verwurzelt ist. Trotzdem ver-
wendet eine gewisse chauvinistische Boulevard-
presse, ohne von der Zensur beanständet zu wer-


24

den, immer noch den Ausdruck »znìmèené úze-
mí« der mit den wirtschaftlichen Ergebnissen und
historischen Forschung über die Besiedlung der
von Sudetendeutschen bewohnten Gebiete - im
Gegensatz und im Widerspruch steht. Die Ver-
wendung dieses alle Sudetendeutschen kränken-
den Ausdruckes erweckt die irrige Feststellung,
dass die Sudetendeutschen zu Unrecht auf einem
Boden siedeln, der angeblich in Wirklichkeit den
Tschechen gehört. Derartige geschichtswidrige
Redewendungen zielen darauf ab, den Sudeten-
deutschen das Recht auf ihre ererbte Scholle ab-
zusprechen und reizen somit zum Hasse gegen
das Sudetendeutschtum auf.

Noch unverständlicher als die Lässigkeit der
Zensur gegenüber diesen Ausdrücken ist es, wenn
sogar die Behörden des Staates diesen Ausdruck
verwenden, der das Sudetendeutschtum auf das
Tiefste kränkt und verletzt.

So hat sich die Gendarmeriestation in Set-
tenz, Bezirk Teplitz-Schönau, erkühnt, am 2.
April 1935 unter G. ZI. 746/35 an die Staatsanwalt-
schaft in Leitmeritz eine Anzeige zu richten, in
der sie das Sudetendeutschtum durch Verwendung
des Ausdruckes: »znìmèené území« (verdeutsch-
tes Gebiet) beleidigt. Die Anzeige ist bei der
Staatsanwaltschaft in Leitmeritz zur G. ZI. St
1374/35 eingelangt und trägt die Unterschrift des
Stabswachtmeisters Knor. Der Akt wurde zur
Beweisführung im Presseprozess Konrad Henlein
gegen Dr Fr. Seiepa zu Tl III 97/35 vom Kreis-
strafgerichte in Brunn requiriert.

Da der Qendarmeriestabswachtmeister der
Aufsichtsgewalt des Herrn Innenminister unter-
steht, stellen wir an den Herrn Innenminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
gerügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
gegen denjenigen Gendarmen, welcher den Aus-
druck »znìmèené území« offiziell verwendet hat,
das Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
dafür zu sorgen, dass die seiner Aufsichtsgewalt
unterstellten Beamten und Bediensteten niemals
den Ausdruck »znìmèené území« verwenden, weil
dieser Ausdruck mit der Geschichte im Wider-
spruch steht und alle Sudetendeutschen und das
gesamte deutsche Volk auf Tiefste beleidigt?

Prag, am 12. Oktober 1936.

Pùvodní znìní ad 664/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Dr Alfred Rösche
an den Minister des Innern

wegen Verbotes handgeschriebener Aus-
hänge durch die staatliche Polizei-
expositur in Schluckenau.

Die Staatliche Polizeiexpositur in Schlucke-
nau hat mit Bescheid vom 3. September 1936,
Zahl 320 pres., der Ortsgruppe der Sudetendeut-
schen Partei in Gross-Schönau das Aushängen
von handgeschriebenen Parolen und zwar »Ohne
Kampf kein Recht«, »Unsere Heimat bleibt
deutsch«, unter Androhung einer Strafsanktion bis
zu 5. 000 Kè oder 14 Tagen Arrest verboten.

Dieses Verbot kann nicht mit dem § 23 des
Pressgesctzes begründet werden, weil handge-
schriebene Aushänge keine Druckschriften sind und
der Aushang daher keinerlei Bewilligung bedarf.

Aber auch der Hinweis auf Artikel 3, Absatz 1
des Gesetzes 125/27, ist keine hinreichende Be-
gründung, weil die öffentliche Ruhe durch die
Aushänge nicht gefährdet wurde. Es ist eine allge-
mein anerkannte Erkenntnis, dass es ohne Kampf
kein Recht gibt. Es ist ferner unbestritten, dass
die Sudetendeutschen ihre Siedlungsgebiete, wie
sie ihre Heimat nennen, deutsch zu erhalten, ent-
schlossen sind. Von einer Gefährdung der öffent-
lichen Ruhe und Ordnung kann keine Rede sein.

Wir stellen daher an den Herrn Minister des
Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, dafür zu sor-
gen, dass der Artikel 3 des Organisationsgesetzes
Nr. 125/27 nur dann angewendet wird, wenn tat-
sächlich die öffentliche Ruhe und Ordnung ge-
fährdet, keineswegs aber dann, wenn eine poli-
tische Propaganda im Rahmen der verfassungs-
mässigen Rechte durchgeführt wird?

Prag, am 14. Oktober 1936.

May.

G. Böhm, Ing. Schreiber, Ing. Lischka, Hollube,
Grober, Ing. Karmasin, lng. Peschka, Franz Nitsch,
Wagner, Stangl, Dr Kellner, Obrlík, Axmann,
Jäkel, Soul, Dr Hodina, Illing, Röster, Birke,
E. Köhler.

Dr Rösche,

G. Böhm, Ing. Schreiber, Illing, Ing. Lischka, Sogl,
Ing. Peschka, May, Budig, Dr Kellner, Hollube,
Wagner, Obrlik, Gruber, Stangl, Jäkel, F. Nitsch,
Axmann, Dr Peters, Ing. Kanzel, Ing. Karmasln,
Dr Hodlna, E. Köhler, Röster, Birke.


25

Pùvodní znìní ad 664 XVI.

Interpellation

des Abgeordneten Gustav Obrlik
an die Regierung

wegen der katastrofalen wirtschaftlichen

Lage der Gemeinden des unteren Wittig-

tales im Bezirke Friedland.

Die Interpellanten erhielten einen erschüttern-
den Bericht der Gemeinden des unteren Wittig-
tales im Bezirke Friedland. Sie bringen diesen
Bericht, dessen Inhalt für sich selbst spricht,
wörtlich in dieser Interpellation vor:

»Am 7. Juni 1936 fand in Priedlanz eine von
allen interessierten Kreisen, wie Gemeindever-
treter, Vertreter der Gewerbetreibenden, der
Landwirtschaft, der Arbeitslosen sowie den An-
rainern beschickte Versammlung statt, welche
sich eingehend mit der furchtbaren wirtschaftli-
chen Lage, in der sich der grösste Teil der Be-
völkerung des unteren Wittigtales befindet, be-
schäftigte. Auf Grund dieser Aussprache wurde
beschlossen, dass alle Schritte einzuleiten sind,
damit endlich einmal die Wittigregulierung in An-
griff genommen wird. Bei der Durchführung die-
ses schon durch Jahre projektierten Baues wäre
es möglich, einen grossen Teil der Arbeitslosen
zu beschäftigen. Durch diese Verringerung der
Arbeitslosigkeit würden auch die Gewerbetrei-
benden und die Landwirte ihre Lage etwas ver-
bessern können, denn durch gesteigerte Kauf-
kraft der Arbeiter würde sich auch der Umsatz
erhöhen und der werktätige Mittelstand könnte
auch seinen eigenen Verpflichtungen mehr nach-
kommen.

In welch trauriger Lage die Bevölkerung
und die Gemeinden des unteren Wittigtales sich
befinden, geht aus nachfolgenden nur oberflächlich
erhobenen Zahlen hervor. Verschärft wird diese
Situation durch die Hochwasserkatastrofe, wel-
che die Gemeinden dieses Gebietes betrifft.

Wiese, als Grenzgemeinde ist durch die wirt-
schaftliche Notlage besonders hart betroffen. Die
hiesigen Industrieunternehmungen wurden gänz-
lich stillgelegt, was sich heute unter sämtlichen
Schichten der Bevölkerung auswirkt. Derzeit sind
in der Gemeinde Wiese 18 Lebensmittelkarten-
bezieher und 12 werden nach dem Gentersystem
unterstutzt. Die Gemeinde ist auch nicht in der
Lage, grössere Notstandsarbeiten durchzuführen,
da sie bei einer Steuergrundlage von 5. 000 Kè
auf Kapitalschulden jährlich mehr als 5. 000 Kè an
Zinsen und Amortisation aufzubringen hat. Die
von den Gemeinden einzuhebenden Gemeindeab-
gaben sind mehr als 50% gesunken. Ferner sei
auch auf die Verschuldung des landwirtschaftli-
chen Besitzes hingewiesen. Auf 220 ha lasten
1, 374. 000 Kè Hypothekarschulden, dazu kommen

noch die Schulden der Gewerbetreibenden mit
170. 000 Kè und die der Arbeitslosen mit 65. 000 Kè.
Somit entfällt auf eine Einwohnerzahl von 262
Personen eine Gesamtschuld von 1, 609. 000 Kè.

Ferner sei darauf verwiesen, dass die Be-
wohner viel unter den Hochwasserschäden zu
leiden haben. Beispielweise wurde im Jahre 1932
die Heu- und Grummeternte zu 70% vernichtet,
riesiger Schaden an den Ufern und Kulturen her-
vorgerufen, sodass sich der Gesamtschaden auf
über 80. 000 Kè belief.

Die Gemeinde Bunzendorf zählt 46 Wohn-
häuser mit 176 Einwohnern, wovon 31 arbeitslos
sind, und zwar 16 Bezieher von Lebensrnittel-
karten und 8 nach dem Genter System und 7
Arbeitslose ohne jede Unterstützung. In der Vor-
kriegszeit besass Bunzendorf 2 Fabriken, die ge-
gen 300 Arbeiter beschäftigten. Beide Betriebe
wurden still gelegt, der letzte im Jahre 1926. Die
Krise wirkt sich in diesem Orte viel verheeren-
der aus, da ausser Arbeitern nur noch kleine
Landwirte vorhanden sind mit einem durchschnitt-
lichen Ausmass von 2 bis 10 Hektar. Im Jahre
1926 hatten nur einige Landwirte einen Schulden-
stand von 80. 000 Kè. Im Jahre 1935 stiegen die
Schulden auf 411. 021 Kè. Diese Landwirte haben
eine Besitzgrösse von 2-7 ha und bewirtschaften
eine Gesamtfläche von 61 ha. Die Schulden glie-
dern sich in:

Grundbücherliche Schulden....

235. 600 Kè

ausserbücherliche, Wechsel und

136. 500

laufende Betriebsschulden .....

17. 086

Steuerschulden .........

5. 435

sonstigen Schulden .......

8. 000

jährliche Leistungen an Ausgedingen.

8. 400

Dass eine derartige Entwicklung dazu führt,
keinerlei Reparaturen an den Gebäuden vorzu-
nehmen, ist selbstverständlich und muss folge-
richtig sämtliche Kreise der Bevölkerung in Mit-
leidenschaft ziehen. Nicht besser sieht es bei den
Krisenopfern, den Arbeitslosen, aus.

Der Hausbesitz auf Grund dieser Situation
ist ungeheuer belastet und zwar:

grundbücherlich .........

11. 700 Kè

Schuldscheine und Wechsel....

12. 800 »

Steuern und Miete .......

1. 200 »

Lebensrnittel ..........

2. 470 »

 

28. 170 Kè

Durch das stete Sinken der Kaufkraft der
Bevölkerung erfolgte ein Umsatzrückgang, sodass.
der Gewerbestand ungeheuer verschuldete. Die

Schulden betragen:

 

Grundbücherliche Verschuldung..

222. 000 Kè

Schuldscheine und Wechsel....

3. 500 »

Betriebsschulden ........

31. 000 »

Steuern und Versicherungsbeiträge.

8. 350 »

Sonstige Schulden und Zinsenrück-
stände ...........

90. 000 »

 

354. 850 Kè

In der Gemeinde besteht eine Umlagenbasis
von Kè: 3. 252. -, sodass es umöglich ist, wesent-


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