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lieh zu grösseren Notstandsarbeiten beizutragen
und nur jene niedrigen Beträge verwendet wer-
den können, die im Kapitel Kommunikationen vor-
gesehen sind.

Die Gemeinde Priedlanz hat 472 Einwohner
mit vorwiegend landwirtschaftlicher Bevölkerung.
Es sind 57 Arbeitslose, davon 12 Lebensmittel-
kartenbezieher, 33 nach dem Genter System und
12 Arbeitslose erhalten keinerlei Unterstützung,
da ihnen der dreimonatige Arbeitsnachweis fehlt
und sie von Eltern und Geschwistern erhalten
werden müssen, was diese auf die Dauer ausser-
stande sind. Die Landwirte sind ziemlich mit
Schulden belastet, sodass gerichtliche Versteige-
rungen an der Tagesordnung sind. Um die Durch-
führung der Wittigregulierung bemühten sich die
Bewohner schon seit Jahren, allerdings bis heute
vergeblich, da auch diese Gemeinde durch das
Hochwasser ständig grossen Schaden erleidet.

Gemeinde Wüstung: Das einzige Industrie-
unternehmen im Orte, die Firma Müller, wurde
im Jahre 1931 stillgelegt, obwohl Aufträge vor-
handen waren. Vor der Stillegung wurden immer-
hin noch 60 Arbeiter und 9 Beamte beschäftigt.
Bei voller Beschäftigung waren in diesem Betrie-
be 200 Arbeiter und 20 Beamte tätig. Diese Stil-
legung wirkte sich so aus, dass von 396 Einwoh-
nern 74 Personen arbeitslos sind u. zw:

Ernährungsaktion 22, nach dem Genter
System 12, Kurzarbeiter 3, Familienangehörige 16
und ohne jede Unterstützung 21.

An diese 22 Personen werden 28 Lebensmit-
telkarten ausgegeben, sodass Kleinhäusler, wenn
sie ihren Lebensunterhalt und die Steuern aufbrin-
gen müssen, buchstäblich betteln gehen müssen.
Dasselbe gilt auch für die Ueberalterten und klei-
nen Rentner. Aehnlich ist auch die Lage der
Kleinlandwirte, die von dem Ertrag ihres An-
wesens nicht leben können. Früher gingen sie in
die Fabrik, heute in der Zeit der Krise fällt die-
ser Nebenerwerb aus. Die Folge ist ungeheure
Verschuldung und Exekutionen. Die Gemeinde
hat eine Schuldenlast von Kè: 243. 513 und muss
durch obenerwähnte Umstände ausserdem Kè:
2. 500. - an Armenunterstützung aufbringen, wo-
gegen die Einnahmen um Kè: 15. 571. - gesunken
sind. Die Gemeindeabgaben sind von Kè: 2. 000. -
auf Kè: 1. 69 gesunken, von denen Kè: 11. 351. -
für den Zinsendienst aufgebracht werden müssen,
sodass auch hier die Durchführung von Notstands-
arbeiten grossen Schwierigkeiten begegnet.

Die Gemeinde Ebersdorf ist Grenzgemeinde
und fanden deren Bewohner ihren Verdienst
grösstenteils im nahen Auslande. Sie war als
eine der wohlhabendsten Gmeinden des Bezirkes
bekannt. Die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1910
1. 300, 1920 1. 100, 1930 990 und jetzt dürfte die-
selbe auf 900 gesunken sein. Nur ein Drittel der
Einwohner beschäftigt sich mit Landwirtschaft.
Einige Jahre nach dem Kriege waren in Deutsch-
land 221 Arbeiter beschäftigt, im Jahre 1936 war
nur noch eine Person beschäftigt.

Die Betriebe in Ebersdorf beschäftigten:
Firma Müller 1929 280 und 1936 nur noch
92 Arbeiter kurz arbeiten. An Löhnen zahlte die-

selbe 1929 Kè: 1, 787. 000. - und 1935 Kè:
351. 390. -.

Die Firma Arnade wurde 1925 errichtet, sie
beschäftigte 1929 52 Arbeiter und 1936 37 Ar-
beiter. An Löhnen wurden 1929 Kè: 445. 831. -
und 1935 Kè: 167. 918. - ausbezahlt.

Das im Jahre 1923 gegründete Bauunterneh-
men Bruno Richter beschäftigte normal 33 Bau-
arbeiter; heute ruht der Betrieb bis auf einige
kleine Arbeiten. Diese Firma zahlte an Lohn im
Jahre 1926 Kè: 318. 220. - und 1934 nur noch Kè:
44. 237. - aus.

Seit dem Jahre 1927 wurde die Palmwedel-
erzeugung des Karl Werner, die 12 Leute be-
schäftigte und noch 1926 Kè: 52. 000. - an Löhnen
auszahlte, stillgelegt.

Der Stand der Arbeitslosen und Kurzarbeiter
ist 180 und ist der grösste Teil Ernährungskar-
ten-Empfänger. Im Jahre 1935 betrug der Wert
der ausgegebenen Lebensmittel-, Brot- und Milch-
karten rund 190. 000. -. Der Gemeinde flössen im
Jahre 1925 an staatlichen Zuweisungen von Steu-
ern und Abgaben noch Kè 162. 118. - zu. Im Jahre
1935 betrug diese Summe nur noch Kè: 29. 707. -
und sie dürfte im Jahre 1936 noch weniger wer-
den. Das Gesamtbild dieser Gemeinde ist ein
wirtschaftliches Trümmerfeld und ein Krosser Teil
der Bevölkerung bezieht nur noch Renten und
Unterstützungen.

Die Gemeinde Engelsdorf hat einen Stand
der Erwerbslosen: Im Jahre 1925 keine und im
Jahre 1935 130 Personen. Die Getränkeumla-
ge sank von Kè: 6. 200. - im Jahre 1925 auf Kè:
3. 480. - im Jahre 1935. Im Auslande waren 120
Personen beschäftigt, heute nur noch 4. Die Ver-
schuldung der Bewohner durch die Wirtschafts-
krise beträgt im Durchschnitt die Hälfte des gan-
zen Besitzes.

Die Gemeinde Ober-Berzdorf hat 33 Arbeits-
lose.

Die Gemeinde Nieder-Berzdorf hat einen
Schuldenstand von Kè 1. 300. 000. - auf 482 Ein-
wohner, von denen 20 arbeitslos sind.

Die Gemeinde Weigsdorf hat 43 Arbeits-
lose.

Die Gemeinde Dörfel, hat eine Einwohner-
zahl von 363 Personen. Davon sind Lebensmittel-
kartenbezieher 19, nach dem Genter System 8
und ohne jede Unterstützung 10 Arbeitslose. Die
Steuergrundlage fiel von Kè: 6. 460 im Jahre 1924
auf Kè: 4. 000. - im Jahre 1935. Die Gemeinde hat
einen Schuldenstand von Kè: 6. 800. -. Die Ge-
tränkeumlage fiel von Kè: 1. 600. - im Jahre
1927-1928 auf Kè 800. - im Jahre 1935. Das Er-
gebnis der Erwerbsteuer im Jahre 1925 Kè:
3. 682. - und im Jahre 1935 nur noch 280. -.

Die oben angeführten Tatsachen zeigen, dass
rasche Hilfe erforderlich ist, dass es höchste
Zeit ist, dass von Seite der Regierung und von
Seite aller verantwortlichen Faktoren wirksam
eingegriffen wird. Hier helfen nicht die Einführung
neuer Abgaben, da ein Grossteil der Bevölkerung
nichts mehr besitzt, sondern in erster Linie die


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Beistellung von ausreichenden finanziellen Mitteln
für die Beschaffung von Arbeit. Nur so können
wir die Kaufkraft der Konsumenten steigern, den
Umsatz erhöhen, das gesamte Wirtschaftsleben
verbessern und somit gleichzeitig Hunderte von
Existenzen vor dem Zusammenbruch retten. Die
sofortige Erfüllung nachstehender gerechten For-
derungen durch die Regierung, Landesbehörde
und Bezirksbehörde ist die einzige Möglichkeit,
die schweren Auswirkungen der Krise etwas zu
mildern:

1. Unverzüglicher Beginn mit der Regulierung
der Wittig.

Damit kann umso eher begonnen werden, da
das Projekt schon durch einige Jahre bei der
Landesbehörde in Prag liegt.

2. Ausserordentliche Berücksichtigung unseres
Gebietes sowie des gesamten Bezirkes bei In-
vestitionen und Notstandsarbeiten durch die Re-
gierung.

Unverzügliche positive Erledigung der Bau-
projekte des Bezirkes und der Gemeinden in den
Aemtern und Ministerien, ausserordentliche Fi-
nanzierung dieser Projekte aus den verschie-
densten Fonds (Strassenfond, Wasserfond) aus
den noch vorhandenen Mitteln der Arbeitsanlei-
he und sonstigen Mitteln des Staates, da die Ge-
meinden nur sehr geringe und in den meisten
Fällen überhaupt keine Finanzen besitzen, um
wirksame Notstandsarbeiten durchführen zu
können.

3. Bei den Investitionen und Notstandsarbei-
ten des Staates, Landes, der Bezirke und der Ge-
meinden sind in erster Linie die einheimischen
Arbeitslosen und auch jugendlichen Arbeiter zu
beschäftigen, ebenso Hinzuziehung der ruinierten
Kleinlandwirte und Gewerbetreibenden. Die ge-
werblichen Arbeiten sollen in erster Linie nur
von einheimischen Gewerbetreibenden ausgeführt
werden.

4. Sofortige Einstellung der Ausscheidungen
aus der Ernährungsaktion durch die Arbeitsver-
mittlung und Bezirkssozialkommission. Wieder-
aufnahme der ausgeschiedenen Arbeitslosen. Not-

wendig ist nicht weniger Karten, sondern Erhö-
hung der Anzahl derselben.  

 5. Beseitigung des Arbeitsnachweises und
der Wartefrist zur Erlangung der Arbeitslosen-
unterstützung.

6. Die Regierung möge die Forderung 10. 000
Waggon billiges Getreide für Nordböhmen, die
durch die Konsum- und Bäckergenossenschaften
gestellt wurde, ehestens erfüllen.

7. Einreihung der Kleingewerbetreibenden,
armen Bauern, die durch die Krise um ihre Exi-
stenz gebracht wurden, in die Ernährungsaktion
und sonstige Hilfsmassnahrnen für die Arbeits-
losen.

S. Wirksame Entschuldung der Landwirte und
Gewerbetreibenden.

9. Herabsetzung der Steuern für die Klein-
und Mittelbauern, sowie Gewerbetreibenden.

10. Die Regierung möge sofort aus den ge-
zeichneten Geldern der Verteidigungsanleihe einen
Teil auch in unser Gebiet sowie den Bezirk über-
weisen, damit sofort mit den Bauten der Schutz-
massnahinen für die Bevölkerung begonnen wer-

. den kann und damit auch gleichzeitig Verdienst-
möglichkeiten geschaffen werden.

Wir stellen an die Regierung die Anfrage:

1. Ist die Regierung bereit, die begründeten
Beschwerden aus dem Notstandsgebiete im Wit-
tigtale sogleich erheben zu lassen?

2. Ist die Regierung bereit, noch vor Anbruch
des bevorstehenden Notwinters die erforderlichen
Hilfsmassnalimen in den Gemeinden des unteren
Wittigtales einzuleiten?

Prag, am 14. Oktober 1936.

Obrlik,

Dr Jilly, Franz Nemec, Ing. Schreiber, Wollner,
Dr Kellner, Sandner, Fischer, Stangl, Ine. Lisch-
ka, Dr Zippelius, Dr Peters, May, Ing. Künzel,
Gruber, Ing. Richter, Kundt, Dr Rösche, Ing.
Peschka, Illing, Dr Eichholz.


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