21

Pùvodní znìní ad 607 VI.

Interpellation

der Abg. Ernst Kundt, Ing. Schreiber
und Georg Wollner

an die Regierung

wegen Einholung eines Gutachtens über
den juristischen Inhalt der Interpellations-
beantwortung Druck 356 beim Juristen-
beirat des Herrn Ministerpräsidenten.

Am 3. März 1936 hat der Vorsitzende der
Regierung die dringende Interpellation Druck 297
des Abg. Ing. Franz Schreiber wegen gesetzwidri-
gen Vorgehens der Landesbehörde in Prag bei der
Vergebung des Neubaues des Zollamtsgebäudes
in Rossbach-Pfannenstiel unter Zahl 356 wie folgt
beantwortet:

»Die Vergebung von Lieferungen und Arbei-
ten auf Grund der Reg. Ver. S. d. G. u. V. Nr.
667/1920 (Vergebungsordnung) ist ohne jeden
Zweifel ihrem Wesen nach ein Akt der Wirt-
schaftsverwaltung, welcher in Form privatrecht-
licher Verträge realisiert -wird, wobei der Um-
stand, dass irgendein Organ der Staatsverwaltung
den Bau oder die Lieferung vergibt, an diesem
Charakter der Angelegenheit nichts ändern
kann.

Daraus ist ersichtlich, dass im vorliegenden
Falle der tschechoslowakische Staat nicht als
Träger der Hoheitsmacht und die Landesbehörde
als Vollstrecker dieser Macht aufgetreten ist, son-
dern dass der tschechoslowakische Staat hier die
Stellung einer blossen Partei und die Landesbe-
hörde in Prag die Stellung eines Parteienvertre-
ters hatte. Demgemäss entspricht das Vorgehen
der Landesbehörde in Prag den Bestimmungen
des Art. 49 der Reg. Vdg. S. d. G. u. V. Nr.
17/1926, wonach die Gerichte, Behörden und Or-
gane bei Verhandlungen in Vertretung des Staa-
tes als Partei stets die Staatssprache gebrauchen,
und widerspricht nicht den Bestimmungen des
§ 2 des Gesetzes S. d. O. u. V. Nr. 122/1920
sowie den einschlägigen Bestimmungen des Haupt-
stückes I-III der Regierungsverordnung S. d. G.
u. V. Nr. 17/1926. «

Die Antwort steht im Gegensatz und im Wi-
derspruch mit dem Gesetze; denn die Ausschrei-
bung einer staatlichen Lieferung hat nicht den
Charakter einer Verhandlung im Sinne des Art.
49 der Reg. Ver. Nr. 17/26, sondern den Charakter
einer Kundmachung einer staatlichen Behörde. Es
kommt daher Art. 35 der Sprachenverordnung zur
Anwendung. Ein Unterschied, ob es sich um einen
Akt der Hoheits- oder der Wirtschaftsverwaltung
handelt, wird nicht gemacht. Die Regelung der

Vergebung im Verordnungswege Slg. Nr. 667/20
beweist an sich, dass hier Verwaltungsakte der
staatlichen Verwaltung geregelt und nicht irgend-
welche Verhandlungen geordnet werden sollten.
Ueber Verhandlungen könnten nur interne Dienst-
instruktionen Anordnungen treffen.

Es ist übrigens ein Akt der Illoyalität der staat-
lichen Behörden gegenüber der Bevölkerung, wenn
die gesetzlichen Normen nicht eingehalten werden
und ein Teil der Bevölkerung des Staates als eine
Art Fremdkörper behandelt und künstlich von Lie-
ferungen ausgeschlossen wird.

Auch wenn der Staat als Privatperson auftritt,
sind die Erklärungen, Verträge, andere Aktionen
u. dergl. nicht Privatakte der siebeneinhalb Millio-
nen Tschechen, sondern es sind eben Akte des
tschechoslowakischen Staates - der 1554 Millio-
nen Einwohner. Dies wird auf tschechischer Seite
mit Vorliebe übersehen.

Der Herr Ministerpräsident und die Regierung
haben wiederholt hervorgehoben, dass sie gröss-
ten Wert darauf legen, einen Zustand der Rechts-
sicherheit in diesem Staate zu erreichen, der vor-
nehmlich dann gegeben ist, wenn die Entschei-
dungen und Erklärungen der Administrative mit
der Sprachenpraxis des Obersten Verwaltungsge-
richtes übereinstimmt.

Die Erklärung der Regierung auf eine drin-
gende Interpellation ist eine Enunziation höchster
Autorität. Es geht nicht an, dass eine solche Er-
klärung mit dem Gesetze im Widerspruch steht.
Gewiss können Rechtsansichten verschieden sein.
Wenn aber die Interpellanten der Regierung vor-
halten, dass ihre Interpellationsbeantwortung dein
Inhalte nach mit dem Gesetze nicht in Einklang
zu bringen ist, hat der Herr Ministerpräsident und
die gesamte Regierung die Pflicht, seine Interpella-
tionsheantwortung einer juristischen Revision zu
unterziehen.

Wir richten daher an den Herrn Ministerprä-
sidenten und an die Regierung die Anfragen:

1. Ist der Herr Ministerpräsident und die Re-
gierung bereit, die Interpellationsbeantwortung
vom 3. März 1936, Zahl 356, zur juristischen Ueber-
prüfung des Sachverhaltes dem ständigen Juristen-
beirat des Herrn Ministerpräsidenten vorzulegen?

2. Ist der Herr Ministerpräsident und die Re-
gierung bereit, im Hause den Inhalt dieser Ueber-
prüfung bekanntzugeben?

Prag, am 13. August 1936.

Kundt, Ing. Schreiber, Wollner,

Jäkel, Fischer, Klleber, Franz Nìmec, Sandner,

Stangl, Illing, Dr Hodina, Dr Rosche, Axmann,

Rösler, Ing. Karmasin, May. Wagner, Hollube,

Nickerl, F. Nitsch, E. Köhler,


22

Pùvodní znìní ad 607/VII.

Interpellation

der Abg. Rudolf Sandner und K. H. Frank
an den Minister des Innern

wegen Umgehung der Auswirkungen der
Amnestie durch Verwaltungsstrafen.

Die Bezirksbehörde in Eger hat mit Bescheid
vom 11. Mai 1936, Zahl: 17485 gegen Karl Pötzl
in Ullrichsgrün Nr. 6 ein Straferkenntnis erlassen,
weil er »laut Anzeige der Wache und seinem
eigenen Geständnisse am 25. Mai 1936 an einige
Bäume in Ullrichsgrün ohne Bewilligung Plakate
der Sudetendeutschen Partei geklebt hat, wodurch
öffentliches Aergernis hervorgerufen wurde. «

Es ist dies ein typischer Fall nach § 23 des
Pressegesetzes, der unter die Amnestie des Herrn
Präsidenten fiel. Diese Amnestie haben auch die
Verwaltungsbehörden zu respektieren und nicht
die Auswirkungen der Amnestie dadurch zunichte
zu machen, dass sie noch nach Erscheinen der
Amnestie Verwaltungsstrafen erlassen, die oft
härter sind als Gerichtsstrafen.

Wir stellen an den 'Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit, zu
veranlassen, dass wegen solcher Tatbestände, die
unter die Amnestie des Herrn Präsidenten fallen,
keine Verwaltungsstrafen erlassen werden, da auf
diese Weise der Zweck der Amnestie zunichte ge-
macht würde?

Prag, am 14. August 1936.

Sandner, Frank,

Nickerl, Sogl, Axmann, Rösler, Knorre, Hollube,
Dr Hodina, Ing. Karmasin, Illing, Ing. Richter, F.
Nitsch, Dr Jilly, Dr Kellner, Birke, E. Köhler, Dr
Rösche, Franz Nìmec, Knöchel, May, Stangl,
Wollner.

Púvodní znìní ad 607/VIII.

Interpellation

des Abg. Ing. Wolfgang Richter
an den Minister für öffentliche Arbeiten

betreffend die sprachliche Bezeichnung
der Masarykstaustufe in Schreckenstein.

Die Staustufe in der Elbe zwischen Aussig
und Schreckenstein trägt den Namen »Masaryk-

staustufe«. Sie liegt im Gerichtsbezirke Aussig, in
dem über 90% Deutsche wohnen und in dem der
Staat, dessen Eigentum die Staustufe gemäss §
50/31 ist, doppelsprachige Anschriften zu verwen-
den hat.

Seit einigen Jahren trägt dagegen die Stau-
stufe eine grosse einsprachige tschechische Auf-
schrift »Masarykovo zdýmadlo«. Eine doppelspra-
chige Aufschrift wäre ohne Verletzung architekto-
nischer Schönheit auf die einfachste Weise mög-
lich. Wenn also keine vorgesetzte Stelle ein-
spricht, dürfte die verantwortliche Bauleitung
kaum aus eigener Initiative eine zweite Aufschrift,
und zwar eine deutsche Aufschrift »Masarykstau-
stufe« anbringen. Wir sind überzeugt, dass es
keineswegs den Intentionen des Herrn Alt-Präsi-
denten Masaryk entspricht, dass die zu seinen
Ehren errichtete Staustufe nicht auch eine deut-
sche Bezeichnung trägt.

Das Bild der Staustufe wird im In- u. Aus-
lande, in Zeitschriften und in Filmen zu sehen
sein, jederman wird sich darnach ein Urteil bil-
den können, wie die deutsche Sprache in einem
Bezirke mit überwiegend deutscher Bevölkerung
behandelt wird. Die Unterlassung der deutschen
Aufschrift auf einem Bauwerke, das sogar den
Namen des Herrn Alt-Präsidenten trägt, wäre ein
weithin sichtbar deutlicher Beweis dafür, wie in
unserem Staate der Grundsatz »Gleiche unter
Gleichen« in der Praxis beachtet wird.

Wir stellen an den Herrn Minister für öffent-
liche Arbeiten die Anfrage:

Ist der Herr Minister für öffentliche Arbeiten
bereit zu veranlassen, dass an demjenigen Pfeiler,
der rechts von dem Pfeiler ist. der die tschechi-
sche Aufschrift »Masarykovo zdýmadlo« trägt, die
Aufschrift »Masaryk-Staustufe« angebracht wird?

Prag, am 14. August 1936.

Ing. Richter,

Rösler, Nickerl, Gruber, Hirte, Knorre, Axmana,
F. Nitsch, Ing. Karmasin, Dr Jilly, G. Böhm, Illing,
Dr Peters, Dr Hodina. Dr Eichholz, Fischer, Dr
Kellner, Sogl, Knöchel, E. Köhler, Birke, Jäkel.

Pùvodní znìní ad 607/IX.

Interpellation

der Abg. Hubert H. Birke und
Dr Adolf Kellner

an den Minister des Innern

betreffend die Einschränkungen und die
Zensur der SdP-Ausstellung in Trautenau.

In zahlreichen Städten der Republik hat die
sudetendeutsche Partei eine Parteiausstellung


23

durchgeführt Es handelte sich immer um die-
selben Ausstellungsobjekte, die immer von der
Behörde zensuriert und niemals beanständet wur-
den.

Im Gegensatz zu dieser Praxis verfiel dassel-
be Ausstellungsmaterial, das in anderen Städten
anstandslos gezeigt werden konnte, vo'r der Er-
öffnung der SdP-Ausstellung in Trautenau am
Freitag den 10. Juli 1936, der Beschlagnahme. Laut
Pressemeldungen wurde fast das ganze Material
der bildlichen Darstellung des Wahlkampfes, der
Wahlflugzettel und Aufrufe, weiter graphische
Darstellungen des propagandistischen Dienstes und,
was besonders auffiel, Darstellungen, die auf Grund
von statistischen Daten gezeichnet sind, der Be-
schlagnahme. Die graphischen Darstellungen, aus
denen hervorgeht, dass in den vorwiegend von
Deutschen bewohnten Randgebieten der Republik
weitaus grössere Arbeitslosigkeit herrscht, als im
tschechischen Gebiet, durften ebenfalls nicht ge-
zeigt werden. Ebenso wurden die Darstellungen
beschlagnahmt, aus denen hervorgeht, dass gera-
de im sudetendeutschen Notgebiet die Selbstmord-
ziffern am grössten sind.

Die Interpellanten wissen wirklich nicht, wie
sie sich eine solche Praxis erklären können; denn
das Ziffernmaterial, das aus den Veröffentlichun-
gen des statistischen Staatsamtes stammt, kann
doch niemals ein Gesetz verletzten oder die öffent-
liche Ruhe und Ordnung gefährden. Im Gegenteil,
es muss die öffentliche Meinung auf das höchste
beunruhigen, wenn die Administrative die Ver-
öffentlichung der von ihr selbst ermittelten Ziffern
verhindert.

Eine solche Praxis untergräbt aber auch jedes
Vertrauen in die Rechtssicherheit; denn der ein-
fache Mann aus dem Volke sagt sich: Gibt es
bei uns vielleicht für jedes Gebiet ein besonderes
Recht? In Eger und in anderen Städten haben
sich die Staatsbeamten vor Eröffnung der Aus-
stellung dasselbe Material mindestens ebenso ge-
nau angeschaut, wie vor der Eröffnung in Trau-
tenau! Dort hat niemand einen Anlass gefunden,
die Ausstellung einzuschränken oder das Material
zu beschlagnahmen.

Warum soll dieses Zensurergebnis nicht auch
für Trautenau gelten?

Man wird vielleicht antworten: In Trautenau
ist die Arbeitslosigkeit noch grösser als in Eger;
die Aufzeigung der wahrheitsmässigen Ziffern des
statistischen Staatsamtes könnte die Arbeitslosen
beunruhigen.

Die Interpellanten sind der Ansicht, dass sol-
che Erwägungen, die darauf ausgehen, der Bevöl-
kerung die wahrheitsgemässen Ziffern des statis-
tischen Staatsamtes vorzuenthalten, für keine Un-
terbehörde massgebend sein dürfen. Was das sta-
tistische Staatsamt zu veröffentlichen wagt - die-
sen Tatsachen muss auch eine Zensurbehörde ru-
hig ins Auge blicken können; denn wer Tatsachen,
die vorhanden sind, und von hohen Staatsämtern
als richtig anerkannt werden, nicht sehen will,
der ändert nichts an diesen Tatsachen.

Wir stellen an den Herrn Innenminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, aufzuklä-
ren, warum die SdP-Ausstellung gerade in Trau-
tenau eingeschränkt wurde?

3. Ist der Herr Innenminister bereit zu ver-
anlassen, dass die SdP-Ausstellung niemals wieder
in gesetzwidriger Weise eingeschränkt wird?

Prag, am 14. August 1936.

Birke, Dr Kellner,

Frank, May, Rösler, Jäkel, E. Köhler, G. Böhm,
Ing. Kartnasin, Ing. Künzel, Sandner, Knorre, Gru-
ber, Nickerl, Dr Hodina, Hollube, Axmann, Kundt,
Fischer, Illing, Wollner, Stangl, Franz Nìmec.

Pùvodní znìní ad 607/XI.

Interpellation

des Abg. Georg Stangl
an den Minister des Innern

wegen unbegründeter und gesetzwidriger
Versammlungsauflösung.

Es häufen sich die Fälle, dass manche Regie-
rungsvertreter ohne Vorliegen einer wirklichen
Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung
Versammlungen auflösen.

Ein typischer Fall einer unbegründeten Auf-
lösung hat sich am 17. Mai 1936 in Gross-Fürwitz
ereignet. Einberufer dieser Versammlung war Jo-
sef Wabra in Luditz 317, Redner Alfons Tscher-
nach in Gross-Fürwitz und Ernst Haas, Landes-
vertreter in Eger.

Als Regierungsvertreter fungierte Oberkom-
missär Dr Rybáø von der Bezirksbehörde in Lu-
ditz.

Der Landesvertreter Haas kritisierte zuerst
an Hand von Unterlagen in sachlicher Weise die
Wirtschaftspolitik und kam sodann auf die Boden-
reform zu sprechen, deren Entnationalisierungs-
tendenz er hervorhob; diese Kritik war nicht un-
gehörig, denn sogar unser Herr Aussenminister Dr
Krofta hat in der Zeitschrift für Politik, XVI, Sei-
te 402 ausdrücklich zugegeben, dass die Boden-
reform: »ausser der sozialen eine nationale und
politische Seite hat. « Diese Tendenz wird meistens
mit der sogenannten, von den Deutschen aller-
dingst leidenschaftlich bekämpften »Revindikati-
onstheorie« begründet.

Trotz dieser sachlichen Kritik ermahnte der
Regierungsvertreter den Redner.


24

Hierauf sprach Landesvertreter Haas über die
Verwaltungsreform und erklärte, dass die Deut-
schen durch dieses Gesetz ebenfalls zu Schaden
gekommen seien. Auch diese Erwägung ist eine
historische Tatsache, die sich durchaus im Rah-
men sachlicher Kritik hielt. Trotzdem verwarnte
der Regierungsvertreter den Redner neuerdings.

Hierauf sprach Landesvertreter Haas über die
Arbeitslosigkeit und stellte einen Vergleich, indem
er erklärte: »Wenn man bedenkt, dass der Staat
für einen Sträfling Kè 11. - täglich, für einen Po-
lizeihund Kè 8. - täglich, « und nach seinen An-
gaben weiter sprechen wollte »für einen Arbeits-
losen nur Kè 10. - bzw. höchstens Kè 20. - in der
Woche ausgibt, « löste der Regierungsvertreter die
Versammlung auf.

Zu dieser Auflösung bestand nicht der ge-
ringste Grund, denn die genannten Aeusserungen,
die in keiner Weise die öffentliche Ruhe und Ord-
nung gefährden, weil sie vollständig der Wahrheit
entsprechen, wurden seit dem 1. Mai 1936 in An-
wesenheit von Regierungsvertretern bereits zwei-
mal unbeanstandet im Verwaltungssprengel des
politischen Bezirkes Luditz ausgesprochen und
zwar, einmal vom Landesvertreter Haas selbst in
Luditz anlässlich der Maikundgebung in Gegen-
wart des Regierungsvertreters Dr Bican und das
anderemal von Senator Schösser am 16. Mai 1936
anlässlich einer öffentlichen Versammlung in Pro-
tiwitz in Gegenwart des Regierungsvertreters Dr
Rybáø.

Es spricht alles dafür, dass der Grund für die
Versammlungsauflösung weniger der Inhalt der
Rede des Landesvertreters Haas war, als die
Tatsache, dass der Regierungsvertreter vier
Versammlungen an einem Tage zu besuchen hatte
u. zw.: Gross-Fürwitz von 10 bis 10. 45, Lubenz
11. 05 bis 11. 30, Prassles von 15 bis 18 Uhr. Die
Tatsache, dass der Regierungsvertreter die Ver-
sammlung verlassen musste, um eine andere Ver-
sammlung zu besuchen, wäre aber kein gesetzli-
cher Grund, die noch nicht beendete Versammlung
aufzulösen.

Wir stellen daher an den Herrn Minister des
Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlassen,
dass in Hinkunft Versammlungen nur dann aufge-
löst werden, wenn tatsächlich gesetzwidrige
Aeusserungen gebraucht werden und die öffentli-
che Ruhe gefährdet ist?

Prag, am 20. August 1936.

Stangl,

Jäkel, Gruber, Hirte, May, Dr Jilly, Dr Zippelius,

Dr Hodina, Ing. Lischka, Kundt, Fischer, E. Köhler,

Knorre, Jobst, Ing. Künzel, Dr Kellner, Illing, Ing.

Karmasin, Axmann, Dr Eichholz, Wollner.

Pùvodní znìní ad 607/XII.

Interpellation

des Abg. Ing. Franz Karmasin
an den Minister des Innern

betreffend den dehnbaren Präsidialerlas
über die staatliche Zuverlässigkeit, kund-
gemacht im »Obecni vìstnik zemskeho
hlavniho mìsta Brna«, roèník XVI, è. 9,
vom 1. Mai 1936.

Im oben zitierten Amtsblatt lesen die Inter-
pellanten folgenden Erlass, der die Dehnbarkeit
aller bisherigen Erlässe und Vorschriften weit
übertrifft und die Rechtssicherheit der Deutschen
aufs schwerste gefährdet:

»Feststellung der staatlichen Zuverlässigkeit.

Zu den allgemeinen Bedingungen für die Auf-
nahme eines Bewerbers in den staatlichen Dienst
gehört auch die Voraussetzung seiner staatlichen
Zuverlässigkeit.

Die Notwendigkeit der besonders sorgfältigen
Sicherstellung dieser Angelegenheit geht schon
aus der eigentlichen Wesensart des Dienstverhält-
nisses bei der Stadt Brunn als öffentlicher Korpo-
ration hervor, die im Hinblick auf die allgemeine
Angestelltenpflichten (gleicht. § 46 und die wei-
tere Dienstpragmatik) auf der Grundlage des ge-
genseitigen Vertrauens und der Ergebenheit
(Loyalität) dem Staate gegenüber begründet sein
soll. Es ist natürlich, dass diese Untersuchung
nicht eine blosse Formsache sein soll, sie muss
sich auf das ganze bisherige Leben des Bewer-
bers, wie auch auf die Umgebung erstrecken, in
der der Bewerber lebte und noch lebt. Ihr Zweck
ist vor allem die Feststellung, ob sich nicht der
Bewerber einer Straftat nach den Bestimmungen
des Gesetzes zum Schütze der Republik, Zahl
50/1923 der S. d. G. u. V. oder nach dem Ge-
setze Zahl 147/1923 d. S. d. G. u. V. über Ver-
folgung wegen antistaatlicher Tätigkeit, schuldig
gemacht hat.

Wenn es in der Intention des zuletzt ange-
führten Gesetzes liegt, dass in allen Funktionen
des öffentlichen Dienstes Personen ausgeschlossen
werden, die auf irgendwelche Art eine umstürzle-
rische Tätigkeit unterstützt oder entwickelt haben,
die den Staat und seine demokratisch-republika-
nische Form bedrohen, so muss es umsomehr das
Bestreben der Stadtverwaltung sein, dass diesen
Elementen schon der Zutritt zu den städtischen
Diensten ganz und gar verwehrt ist.

Besonders wird aufmerksam gemacht, dass
die Untersuchung über die staatliche Unzuverläs-
sigkeit des Bewerbers im Hinblick auf die §§ 3
und 4 des Gesetzes Zahl 147/1933 d. S. d. G. u. V.
auch im Hinblick auf dessen Familienangehörige
durchzuführen ist. «


26

Nach diesem Erlass ist jeder unzuverlässig,
der einen Onkel bei der SA hat,

der sich lediglich legal, aber noch nicht loyal
betätigt hat,

in dessen Wohnung bei einer hochnotpeinli-
chen Hausdurchsuchung eine schwarz-rot-goldene
Fahne gefunden wurde,

der eine Braut in Deutschland hat,

der im Kaffeehaus mit jemandem Schach spielt,
der den Maschen einer Schutzgesetzübertretung
nicht entronnen ist,

der mit jemandem sprach, der diesen famo-
sen Erlass kritisiert hat

Wir stellen an den Herrn Innenminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, darüber
Aufklärung zu geben, ob dieser famose Erlass
tatsächlich wie der Erlass anführt, analog »podle
obìžníku ministerstva vnitra ze dne 26. bøezna
1936, è. B-3111-17/4, 1935« erlassen worden ist?

2. Was gedenkt der Herr Minister zu veran-
lassen, um solche Kautschukerlässe ausser Kraft
zu setzen und sie durch Normen zu ersetzen, die
mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates verträg-
lich sind?

Prag, am 24. August 1936.

lag. Kanaasln,

Dr Zfppellus, Gruber, Ing. Richter, Hlrte, May,
Holtabe, Franz Nemec, Birke, F. Nltsch, Obrilk,
Röster, Jobst, Ing. Kfinzel, Dr Hodina, Kundt, Dr
Peters, Sogl, Ing. Schreiber, Wollner, Wagner,
Sandner.

Pùvodní znení ad 607/XIII.

Interpellation

des Abg. H. Hubert Birke
an den Minister des Innern

betreffend das Verbot des Rlesengeblrgs-

liedes durch die Bezirksbehörde in

Trautenau.

Die Ortsgruppe Petzer der Sudetendeutschen
Partei im Riesengebirge berichtet den Interpellan-
ten, dass die Bezirksbehörde in Trautenau an-
lässlich der Anmeldung von Monats Versammlun-
gen dieser Gruppe das Riesengebirgslied verbo-
ten hat.

Es ist nicht einzusehen, dass dieses Lied, das
im Riesengebirge allgemein gesungen wird, ver-

boten wurde. Das Verbot hat in der gesamten Be-
völkerung des Riesengebirges Erbitterung und
Verwunderung erweckt.

Wir stellen an den Herrn Innenminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, die Be-
zirksbehörde anweisen zu lassen, hinkünftig von
einem Verbot des Riesengebirgsliedes Abstand zu
nehmen?

Prag, am 24. August 1936.

Birke,

Dr Zlppelius, Ing. Karmasln, Hlrte, lug. Schreiber,
May, Gruber, Knorre, Wollner, Jäkel, Dr Kellner,
Ing. Kiinzel, Ing. Peschka, Obrilk, Dr Rösche, Dr
Elchholz, Jobst, Hollabe, Fischer, Kundt, Sandner,
Stangl

Pùvodní znìní ad 607/XIV.

Interpellation

der Abg. Adolf Jobst und Ludwig Wagner

an den Minister des Innern
und den Minister für öffentliche Arbeiten

wegen einsprachig tschechischen Verbots-
tafeln In Niederthal bei Gratzen.

In der Gemeinde Niederthal bei Gratzen wur-
de eine Verbotstafel aufgestellt, die bekannt gibt,
dass der Strassenabschnitt Niederthal-Schweinitz
gesperrt sei. Der Text der Tafel ist einsprachig
tschechisch verfasst, obwohl diese Kundmachung
in einem Bezirke angebracht ist, in dem weit mehr
als 20% tschechoslowakischer Staatsbürger deut-
scher Nationalität (ethnischer und sprachlicher
Zugehörigkeit) wohnen. Gemäss § 2 des Sprachen-
gesetzes ist daher die Kundmachung auch in deut-
scher Sprache anzubringen.

Im Jahre 1935 als auch im Jahre 1936 sind
solche einsprachig tschechische Verbotstafeln ge-
legentlich bei Strassenarbeiten wiederholt ange-
bracht worden. Die wegen dieses gesetzwidrigen
Zustandes an die Bezirksbehörde Gratzen einge-
brachten Beschwerden sind unbeantwortet und un-
berücksichtigt geblieben. Als die letzte Tafel in
der Gemeinde Niederthal /aufgestellt wurde, war
auch der Gendarmerie-Oberwachtmeister Coufal


26

anwesend. Einige Ortsbewohner machten ihn dar-
auf aufmerksam, dass die Tafel auch eine deut-
sche Aufschrift tragen muss, weil ja der Bezirk
Gratzen fast ausschließlich von Deutschen be-
wohnt sei. Die Ortsbewohner verwiesen auch
darauf, dass infolge der nahen österreichischen
Grenze viele Reisegäste auf der Strasse fahren,
die überhaupt kein Wort tschechisch verstehen
und daher auch die in der einsprachig tschechi-
schen Aufschrift ausgedrückte Warnung nicht ver-
stehen können.

Ausserdem handelt es sich hier um ein Ver-
bot der Benützung der gesperrten Strasse, das
der Staat kraft seines Imperiums an alle die Stras-
se benutzenden Staatsbürger richtet. Auch aus
diesem Grunde muss im Gerichtsbezirke Gratzen,
in dem weit mehr als 20% Deutsche wohnen, die
Tafel nicht nur einen tschechischen sondern auch
einen deutschen Text tragen.

Der Oberwachtmeister Coufal antwortete auf
die Fragen der deutschen Ortsbewohner, dass man
in England, Frankreich und Oesterreich auch kei-
ne zweisprachigen Tafeln anbringe.

Eine solche Antwort steht mit dem verfas-
sungsmäßigen Sprachengesetze und mit dem von
der Disziplinarbehörde geforderten Verhalten eines
Gendarmen im Gegensatz und im Widerspruch.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
und an den Herrn Minister für öffentliche Arbeiten
die Anfrage:

1. Sind der Herr Minister des Innern und der
Herr Minister für öffentliche Arbeiten bereit, den
gerügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Sind der Herr Minister des Innern und der
Herr Minister für öffentliche Arbeiten bereit, zu
veranlassen, dass in Gerichtsbezirken, in welchen
wenigstens 20% tschechoslowakischer Staatsbür-
ger deutscher Nationalität (ethnischer und sprach-
licher Zugehörigkeit) wohnen, alle Kundmachun-
gen bei Strassenbauten nicht nur in tschechischer,
sondern auch in deutscher Sprache angebracht
werden?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
gegen den Gendarmerie-Oberwachtmeister Coufal
das Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

Prag, am 24. August 1936.

Jobst, Wagner,

DrZIppelius, Ing. Karmasln, Dr Peters, Gruber, Ing.
Richter, Hirte, Wollner, Kundt, Sogl, Obrllk,
Dr Jllly, Stangl, Ing. Künzel, Franz Nìmec, Dr
Rösche, Nickerl, F. Nitsch, Jäkel, May, Sandner.

Pùvodní znení ad 607/XV.

Interpellation

des Abg. H. Hubert Birke
an den Minister des Innern

wegen ungebührlicher Verzögerung von
Amtshandlungen.

Hugo Müller in Arnau a. E., Böhmen teilt dem
Interpellanten folgenden Sachverhalt mit:

»Ich habe am 23. April 1931 bei der Landes-
behörde in Prag gegen einen Einreihungsbescheid
der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt für Böh-
men einen Rekurs eingebracht. Am 8. Jänner 1932
erhob ich die erste Urgenz, da ich von keiner
Seite irgendeine Erledigung erhielt. Im Feber 1932
kam der Gewerbeinspektor aus Trautenau, um auf
Grund des Rekurses einen Lokalaugenschein vor-
zunehmen. Am 8. April 1932 urgierte ich wieder
bei der Landesbehörde, ebenso am 16. Juni 1932.
Am 19. Oktober 1932 verfasste ich eine Erwide-
rung auf einen Brief der Arbeiter-Unfallversiche-
rungsanstalt. Am 18. Oktober 1933 pflog die hie-
sige Gendarmerie Erhebungen. Am 8. Feber 1934
urgierte ich wieder einmal. Am 9. April 1934 ver-
fasste ich wieder eine Gegenschrift gegen einen
Brief der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt. Am
19. Juli 1934 Hess ich wieder eine Urgenz los.
Am 20. November 1934 wurde mit mir ein Proto-
koll beim hiesigen Bürgermeisteramte aufgenom-
men, in dem ich vor allen einen vollkommen un-
genügenden Vermittlungsvorschlag ablehnte. Am
26. Juni 1935 urgierte ich das letztemal. Seit
dieser Zeit habe ich von meinem Rekurs nichts
mehr gehört. Das Landesamt ist also in einer Zeit
von mehr als 5 Jahren nicht im Stande gewesen,
eine ganz einfache Angelegenheit der Erledigung
zuzuführen. «

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
den Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
darüber Aufklärung zu geben, wieso sich diese
einfache Angelegenheit jahrelang hinziehen konn-
te, ohne erledigt zu werden?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit, dies
einer Aufsicht unterstellten Behörden zu einer be-
schleunigteren Amtsführung zu verhalten?

Prag, am 24. August 1936.

Birke,

Ing. Karmasln, Gruber, Dr Zlppelius, Hirte, Dr

Elchholz, Ing. Künzel, Dr Hodina, Dr Kellner, Dr

Köllner, Wollner, Frank, Hollube, Fischer, Kling,

Sandner, Jobst, Kundt, May, Dr Rösche, Dr

Jllly.


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