Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Regierungsentwurf
regelt eines der kompliziertesten Gebiete unseres öffentlichen
Abgabenwesens. Es war schon längst der Wunsch der Bevölkerung,
das Ausmaß ihrer Verpflichtungen möglichst genau kennen
zu lernen und dadurch eine Grundlage für ihre Auseinandersetzungen
mit den Finanzbehörden zu gewinnen. Der Entwurf bringt in
manchen Punkten eine erwünschte Präzisierung, wenn auch
die von meinem Herrn Vorredner bedauerte Möglichkeit des
freien Ermessens nicht ganz ausgeschaltet werden kann. Immerhin
ist bei den Verhandlungen des Budgetausschusses erreicht worden,
daß in dem nunmehr vorliegenden Antrag eine Reihe von Verbesserungen
aufgenommen worden sind. Wir begrüßen diese Verbesserungen,
die es uns erleichtern, zu dem vorliegenden Entwurf positiv Stellung
zu nehmen und für ihn zu votieren.
Es ist nun, meine Damen und Herren, eine alte Gepflogenheit des
Parlamentarismus, daß die Gesetzgeber bei Verhandlungen
über Verpflichtungen der Bevölkerung auch die Wünsche
dieser Bevölkerung an den Staat z um Ausdruck bringen, und
so betrachte ich es, meine Damen und Herren, als meine Aufgabe,
in dieser Aussprache einige Probleme wirtschaftlicher und sozialer
Natur zur Sprache zu bringen. Es möge allerdings nicht der
Eindruck entstehen, als ob wir Ursache hätten, von der Tribüne
dieses Hauses aus einer politischen Aussprache über aktuelle
Fragen etwa auszuweichen. Wir wollen uns in dieser ernsten Situation
an ein Wort des britischen Staatsmannes Chamberlain halten, der
in einer seiner Reden erklärte, es gebe Situationen, wo der
Politiker in gedämpftem Tone sprechen müsse, weil die
Gefahr bestehe, daß eine laute Sprache eine Lawine mit unabsehbaren
Konsequenzen ins Rollen bringen könnte.
Diesen Standpunkt des britischen Ministerpräsidenten will
ich, bevor ich auf die wirtschaftlichen und sozialen Dinge übergehe,
den geschätzten Kollegen von der Sudetendeutschen Partei
ausdrücklich in Erinnerung bringen. Ich glaube, es war Koll.
Dr. Neuwirth, der unlängst in einer Kundgebung in
Reichenberg ungefähr erklärte: "Wir - damit meinte
er wohl die Anhänger der Sudetendeutschen Partei - sind das
Heu auf dem Dache des liederlichen Hausherrn; es ist nicht unsere
Schuld, wenn dies es Heu eines Tages zu brennen beginnt."
Ich zitiere hier nicht wörtlich sondern aus dem Gedächtnis
und möchte nicht, daß sich daraus etwa ein Wortstreit
entspinnen soll.
Meine Damen und Herren, der Vergleich ist bezeichnend. Ich sage
hier vom Standpunkt meines Klubs und der 300.000 Arbeiterinnen
und Arbeiter, die wir zu vertreten die Ehre haben: Es ist kein
Trost für uns, um bei dem Bilde des Koll. Dr. Neuwirth
zu bleiben, wenn wir mitverbrennen, sobald das Feuer ausgebrochen
ist. Wir wollen nicht, daß das Haus, das wir nun einmal
gemeinsam mit den Èechen und Slovaken bewohnen, in Flammen
aufgehe. Wir bejahen vielmehr die Aufgabe, es freundlich und wohnlich
einzurichten für alle seine Bürger und Bürgerinnen,
ohne Unterschied der Nationalität. Die deutsche Sozialdemokratie
ist und bleibt eine Vorkämpferin der Verständigung zwischen
freien und gleichberechtigten Völkern. Darum sind wir in
eminentester Weise daran interessiert, daß im Z uge der
mit dem 18. Feber 1937 aufgenommenen Bemühungen und der nunmehr
auf breiterer Basis vorgesehenen Verhandlungen eine umfassende
und dauernde Regelung des tausendjährigen Nachbarschaftsverhältnisses
der Èechen und Sudetendeutschen erzielt werde. Soll das
Werk gelingen - und wir wünschen es aus ganzem Herzen - dazu
ist vor allem eine Beruhigung und Entgiftung der Atmosphäre
notwendig.
Damit bin ich, meine Damen und Herren, bei dem wirtschaftlichen
Thema angelangt, das zu behandeln meine heutige Aufgabe ist. Es
wäre ein verhängnisvoller Fehler, wenn wir in den nächsten
Monaten unsere ganze Kraft und Aufmerksamkeit nur nationalpolitischen
Fragen zuwenden würden und dabei übersehen, daß
im Interesse des Landes und seiner Völker auch wirtschaftliche
und soziale Probleme von allergrößter Dringlichkeit
zu lösen sind. Überhaupt muß heute mehr denn je
die fundamentale Tatsache in den Vordergrund gerückt werden,
daß ein dauernder nationaler Friede nur auf dem Boden aufbauender
Wirtschaftspolitik, nur auf der Basis wirtschaftlicher Prosperität
zu begründen ist. Die Arbeitslosenziffern, die eben mit dem
Stichtag von Ende März in den heutigen Blättern veröffentlicht
worden sind, scheinen trotz aller Panikmacherei und aller pessimistischen
Prophezeiungen zu einem gewissen maßvollen Optimismus zu
berechtigen. Freilich dürfen die Arbeitslosenziffern in ihrer
heutigen Höhe auch kein Grund zur Sorglosigkeit sein. Mit
der fatalen Tatsache einer dauernden Arbeitslosigkeit von mindestens
einer viertel Million arbeitsfähiger Menschen muß auch
während der sommerlichen Saisonkonjunktur gerechnet werden.
Damit darf sich niemand im Staate, kein verantwortungsvoller Politiker
und kein verantwortungsbewußter Wirtschaftler abfinden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es ganz besonders für
meine Pflicht, die Aufmerksamkeit der èechischen Kolleginnen
und Kollegen auf einen Z ustand zu lenken, der eine Quelle der
Beunruhigung und der Sorge für uns alle darstellt. Die immerhin
noch beträchtliche Restarbeitslosigkeit hat sich entscheidend
in den Randgebieten des Staates festgesetzt, in jenen Randgebieten,
die Gegenstand eines politischen und propagandistischen Ringens
ohne gleichen geworden sind. Wie sehr das Ausmaß der Arbeitslosigkeit
noch immer in nationaler und territorialer Beziehung differenziert
ist, wurde am vergangenen Samstag auf der Tagung des Hauptverbandes
der Industrie durch den Referenten Mühlig neuerdings unterstrichen.
Ich führe nur einige Ziffern an: Im Feber 1938 entsprachen
100 Arbeitslosen in den èechischen Bezirken 169 Arbeitslose
in den Bezirken mit 20 bis 80 Prozent deutscher Bevölkerung
und 280 Arbeitslose in Bezirken mit mehr als 80 Prozent deutscher
Bevölkerung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch
diese Ziffern ist ein wahrhaft tragischer Zustand charakterisiert.
Längs einer Staatsgrenze von 1000 oder noch mehr Kilometern,
die uns nunmehr mit dem vergrößerten Deutschen Reiche
verbindet, sehen die Menschen, unsere Menschen, daß es drüben
zunächst mehr Arbeit gibt, Arbeit, die zum Teil auch höher
entlohnt wird, als bei uns. Es ist daneben unbestreitbar, daß
die Beschäftigungsmöglichkeiten in Prag und in Mittelböhmen
- Mähren ist in diesem Zusammenhang als ein Sonderfall auszuschalten
- unvergleichlich besser sind, als in den hochindustrialisierten
Randgebieten.
So, meine Damen und Herren, befindet sich die demokratisch-republikanische
Gesinnung des deutschen Arbeiters, Angestellten und Arbeitslosen
unter einem geradezu mörderischen Zangendruck. Der simple
Mensch fragt nicht, mit welchen Mitteln im benachbarten Deutschland
die Wi rtsch aftskonjunktur angekurbelt wurde, er fragt nicht,
zu welchen Konsequenzen diese Rüstungskonjunktur führen
muß, er sieht nur und hört es täglich aus einem
D utzend vond Rundfunkstationen, daß es drüben mehr
Arbeit gibt, als in seiner Heimat, daß drüben größere
Möglichkeiten gegeben sind, sich ein Stück Brot zu verdienen.
Meine Damen und Herren! I ch kenne in meinem Wahlkreise in der
Heimat dieser Sachsen und Bayerngänger, in den Bezirken Tachau
und Bischofteinitz, Plan, Mies und Marienbad, nicht wenige Fälle,
wo alte Gewerkschaftler und alte Sozialdemokraten ein SdP-Mitgliedsbuch
in die Taschen stecken mußten, d amit sie jenseits der Grenze
Arbeit finden, weil die Vorlage dieses Mitgliedsbuches die Voraussetzung
der Aufnahme in die Arbeit ist. Diese Menschen sind geblieben,
was sie waren, diese Menschen sind nicht mit ihrer Gesinnung zu
kaufen für einige Wochenlöhne und sie kommen oft schweren
Herzens zu mir und sagen: (Výkøiky: Abtreten!)
Nein, sie sagen: Wenn ich hier bei Notstandsarbeiten 120 Kè
in der Woche verdienen würde, so würde ich lieber zu
Hause bleiben und würde mir hier mein Brot verdienen!
Meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht, welche verhängnisvolle
Wirkungen der Zustand der dauernden Arbeitslosigkeit auf die heranwachsende
Jugend ausübt. Wir begegnen oft jenem tragischen Typ des
jungen Menschen, der militärpflichtig geworden ist, ohne
daß er drei Monate hintereinander Arbeit verzeichnen konnte,
ohne daß er die Voraussetzung erreichte, überhaupt
in die Arbeitslosenfürsorge, in die Ernährungsaktion
eingereiht zu werden. Diese vielen, seit Jahr und Tag arbeitslosen
jungen Leute sind nunmehr fasziniert von der Möglichkeit,
daß sie im Auslande Arbeit, Zukunft und Existenz finden
können. Meine Damen und Herren, es ist männlich und
mutig, begangene politische Fehler zuzugeben und dadurch die Voraussetzung
zu ihrer Behebung zu schaffen. Es muß zugegeben werden,
daß leider zu wenig geschehen ist in all den zurückliegenden
Jahren für die arbeitslose Jugend. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda dr Markoviè.)
Es kann nicht verschwiegen werden, daß aus der Ernährungsaktion,
die schon bei ihrer Einführung eine bescheidene Form der
Krisenfürsorge darstellte gegenüber den Leistungen anderer
demokratischer Länder, daß aus dieser Ernährungsaktion
im Zuge geradezu sadistischer Sparmaßnahmen nur der Torso
einer wirklichen Krisenfürsorge übrig geblieben ist.
Es sei nicht übersehen, daß so manches geschehen ist
auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Arbeitslosenfürsorge.
Freilich aber muß gesagt werden: Was auch geschah, es war
zu wenig koordiniert, es ist nicht rechtzeitig und nicht planmäßig
getan worden. Nun aber, hohes Haus, pocht die eiserne Notwendigkeit
an die Tore der Regierungs ämter, rasch zu handeln und großzügig
zu helfen.
Anläßlich einer Diskussion, die wir unlängst in
Prag vor einem unparteiischen Forum führten, gab ein èechischer
Redner der Regierung den Rat, sie möge vor allem eines tun,
um Beruhigung zu schaffen: sie möge vor allem die notleidenden
Grenzgebiete mit Brot bombardieren. Das mag vielleicht den A nschein
erwecken, wenn ich es hier wiederhole, als ob es Menschen bei
uns gäbe, die um ein Almosen betteln wollen. Das ist nicht
der Fall und ich kann wohl sagen, soweit ich unsere Arbeitslosen
kenne, so wünschen sie einmütig alle Ernährungskarten
zum Teufel, wenn sie eine halbwegs bezahlte Beschäftigung
finden könnten. Ich habe in Aussig unter frenetischer Zustimmung
von 4000 Arbeiterinnen und Arbeitern vor wenigen Tagen erklärt,
daß wir angesichts der gegebenen Situation an den Staat
drei Forderungen zu richten haben, und die lauten: Arbeit, Arbeit
und wieder Arbeit!
In der Überzeugung, daß keine Stunde versäumt
werden darf, hat sich der deutsche sozialdemokratische Klub, den
hier zu vertreten ich die Ehre habe, zu einem ungewöhnlichen
Schritt entschlossen. Er will mit seiner Initiative die Anregung
zur parlamentarischen Aufrollung des ganzen Arbeitsb eschaffungsproblems
geben. Bei dem konkreten Vorschlag, den ich anschließend
dem Hause zur Kenntnis zu bringen mir erlaube, haben wir uns von
folgenden Erwägungen leiten lassen: Die Erfahrungen der Weltkrise
lehrten eines vor allem, daß die Finanzpolitik des Staates
als Motor des wirtschaftlichen Auftriebs eingeschaltet werden
muß. Das lehrt vor allem das schwedische Beispiel, das lehrt
die Erfahrung, die in Amerika, England und Belgien gewonnen wurde.
Die Automatik der Wirtschaft allein genügt nicht mehr, um
aus dem Tal der Krise herauszuführen. Der tote Punkt muß
mit einer Ausweitung des öffentlichen Kredits überwunden
werden. Arbeitsbeschaffung als Ankurbelungsfaktor muß in
kurzem Zeitraume und mit großen Mitteln eingesetzt werden,
um für das soziale und wirtschaftliche Leben der Aufstiegstendenz
zum Durchbruch zu verhelfen.
Bei der Struktur unseres Staates ist es weiter erforderlich, ein
Sofortprogramm öffentlicher Arbeiten schlagartig mit einer
großen Exportförderung zu verbinden. Dabei denken wir
an unsere Glas- und Porzellanindustrie, aber auch an unsere Textilindustrie,
an die Spielwaren- und Instrumentenerzeugung des Erzgebirges genau
so wie an einzelne Spezialexporte, wie es z. B. die Nixdorfer
Messer sind. Aus diesen Erwägungen heraus bin ich zur Mitteilung
bevollmächtigt und habe den Auftrag, dem hohen Hause zur
Kenntnis zu bringen, daß heute ein gemeinsamer Antrag der
beiden sozialdemokratischen Klubs dem Hause vorgelegt werden wird,
der in seinem Kern beinhaltet, die Regierung möge durch geeignete
Kreditoperationen mindestens 500 Millionen Kè zur Durchführung
volkswirtschaftlich nützlicher Arbeiten bereitstellen. Dabei
ist vor allem gedacht an den Ausbau und die Rekonstruktion des
Straßennetzes, an den Ausbau der Elektrifizierung und des
Telephonnetzes auf dem flachen Lande, an die Erweiterung und den
Umbau der Bahnhöfe z. B. in Karlsbad, Bodenbach, Aussig,
Troppau, Zwickau, Gablonz, Teichstadt-Kreibitz und Trautenau,
an den Bau von Krankenhäusern, Errichtung von Amtsgebäuden,
Flußregulierungen, Wildbachverbauungen, Kanalisierungen,
vor allem an den Bau der Talsperre Kreuzberg, weiters an landwirtschaftliche
Meliorationen, Wasserleitungen, Düngestätten u. dgl.
m.
Meine Herren! Dieser ungewöhnliche Vorschlag, daß wir
uns zu diesem Initiativantrag zusammenfinden, sei durch die ungewöhnlichen
Verhältnisse entschuldigt, unter denen wir leben und arbeiten.
Mit diesem Antrag soll kein Mißtrauen gegen die Regierung
ausgesprochen werden. Schon deshalb besteht dazu keine Ursache,
weil sich die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei nach
wie vor als Regierungspartei mit allen Pflichten und mit der ganzen
Verantwortung fühlt, die damit verbunden sind. Es soll damit
nicht gesagt werden, daß der eine oder andere Staatsfunktionär
bisher dem Gebiet der öffentlichen Arbeiten zu wenig Aufmerksamkeit
geschenkt hat. Ich weiß, wie sich unser Freund Neèas
in dieser Richtung bemüht hat und ich glaube, wenn man ihn
im Schlafe aufwecken würde, so würde er von öffentlichen
Investitionen und Arbeitsbeschaffung zu reden anfangen. Wir wollen
auch durch diesen Vorschlag zum Ausdruck bringen, daß wir
Vertrauen zur modernen Auffassung des Herrn Finanzministers Dr.
Kalfus haben, der gezeigt hat, daß er in seiner Amtsperiode
die schwersten Probleme wohl zu meistern vermag. Es ist auch nicht
da ran vorbeizugehen, daß Ministerpräsident Dr. Hodža
bei jeder Gelegenheit sein gro ßzügiges Verständnis
an den Tag legt und es ist daran die Erwartung zu knüpfen,
daß er auch in diesem Fall seine großzügige Bereitschaft
bekunden wird.
Dennoch sind wir der Meinung, daß das Parlament in solchen
Lebensfragen des Staates und der werktätigen Bevölkerung
nicht auf jede Initiative verzichten soll. Es geht nicht allein
um den deutschen Arbeitslosen, es geht genau so um den èechischen,
slovakischen, ungarischen und karpathorussischen Arbeitslosen,
dem dadurch Arbeit und Brot geschaffen werden soll. Jeder spürt
den Hunger, der das Schicksal der Arbeitslosigkeit seit Jahr und
Tag erlebt, ob er nun Sozialist, Katholik oder auch SdP-Wähler
ist. Es geht nicht allein um Hilfe für die Industriegebiete,
denn nach dem Wortlaut unseres Vorschlags soll auch dem kleinen
Mann auf dem Dorfe Hilfe geboten werden durch Arbeitsbeschaffung,
dadurch, daß wir die Straßen ausbauen, Meliorationen
und Kultivierungen unterstützen, die Errichtung von modernen
Düngestätten und Jauchegruben, kurz all das, was in
den Bereich der Förderung unserer Gebirgslandwirtschaft gehört.
Weil es darum geht, ein Werk zu setzen, das allen Arbeitslosen
ohne Unterschied der Nation, den Arbeitslosen der Industriegebiete
und des Dorfes ein Stück Arbeit und Brot mehr geben soll,
deshalb laden wir alle staatserhaltenden Parteien von links bis
rechts ein, diesen Antrag zu unterstützen und uns bei seiner
Verwirklichung zu helfen. Der kleine Mann im Lande ohne Unterschied
der Nation soll nicht das bittere Gefühl haben, daß
im Streit um Sprachenfragen und Beamtenposten an ihn vergessen
wird. Es wäre eine verheißungsvolle Einleitung des
nationalen Friedenswerkes, wenn sich alle konstruktiven Kräfte
dieses Parlaments zusammenfänden zu einer Manifestation des
Vertrauens zu den wirtschaftlichen Kräften und großen
Zukunftsmöglichkeiten des Landes, zu einer Manifestation
des guten Willens, dem Volke Brot und Arbeit zu schaffen und ihm
den Frieden zu erhalten. Ich glaube, wir könnten keine schönere
Osterbotschaft von diesem Parlamente aus in das Land hinaussenden
als die, daß hier der gute Wille zum Durchbruch kommt,
die ganze Kraft, die ganze Aufmerksamkeit der nächsten Monate
auf die Arbeitsbeschaffung, auf die Behebung des sozialen Notstandes
unserer werktätigen Bevölkerung zu konzentrieren.
Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Ausführungen noch
einen Appell an die Kollegen auf den Bänken der Sudetendeutschen
Partei hinzuzufügen, sie mögen diesen ehrlichen Versuch,
die Lage in den deutschen Gebieten mit positiven Mitteln zu meistern,
durch keinen Parteihaß erschweren. In der Öffentlichkeit
und gerade in den Kreisen der Wirtschaft ist in den letzten Tagen
ein verhängnisvolles Kablogramm aus den Vereinigten Staaten
von Nordamerika bekannt geworden, welches den Handelskammern von
Eger und Reichenberg und den Organisationen der Wirtschaft wohl
bekannt ist, ein Kablogramm, das uns vor der Gefahr warnt, daß
die sudetendeutschen Exportindustrien in eine große Boykottbewegung
einbezogen werden, wenn man in Amerika den Eindruck gewinnen sollte,
daß unsere Wirtschaft und Bevölkerung genau so gleichgeschaltet
sind wie die Bevölkerung Deutschlands oder Österreichs.
Man soll sich vor Augen halten, was das bedeutet, wenn unserer
schwerringenden Exportwirtschaft, die nun mit ganzem Krafteinsatz
wiederum einen Teil der verlorenen Märkte zurückgeholt
hat, dadurch neue Schläge versetzt würden. Es geht dabei
um das Stück Brot, um die Existenz des einfachen Mannes,
um die Entscheidung zwischen dem Wege des Chaos und dem Wege des
positiven Aufbaues.
Wir gehen den Weg des Friedens, wir gehen den Wegder positiven
Arbeit, wir gehen den Weg der Rekonstruktion der sozialen und
wirtschaftlichen Lebensbedingungen unserer Menschen. Es ist wahr,
wir sind die letzte deutsche aktivistische Partei geblieben. Es
ist wahr, daß unsere Lage durch den Abfall des Bundes der
Landwirte und der deutschen Christlichsozialen aus dem aktivistischen
Lager nicht leichter geworden ist, und unsere treuen Menschen
draußen stehen inmitten eines furchtbaren Terrors, sind
umgeben von den Wogen des Hasses, sind ausgesetzt der Gefährdung
ihrer Existenz und oft auch der Bedrohung ihres nackten Lebens.
(Výkøiky poslancù strany sudetskonìmecké.)
Es ist eine schwere, aber ruhmvolle Aufgabe, die sich die
letzte Partei des deutschen Aktivismus gesetzt hat, die Aufgabe,
daß jemand da sein muß, der das Banner der Freiheit,
der demokratischen Gesinnung und der europäischen Friedenspolitik
in schweren Tagen hochhält, wo so viele dieses Banner verlassen
haben, wie der Herr Kardinal Innitzer, der berufen gewesen wäre,
seinen Gläubigen ein anderes, ein tapferes Beispiel zu geben.
Wir weichen vor diesem Kampfe keinen Zoll breit zurück und,
gestützt auf die herrliche Treue unserer Arbeiterschaft,
werden wir aufrecht durch diesen Sturm gehen in dem Bewußtsein,
daß sich an der deutschen Sozialdemokratie als der letzten
Partei des deutschen Aktivismus das Wort erfüllen wird: Die
Letzten werden wieder die Ersten sein. (Potlesk.)