Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Drei Gesetzesvorlagen von
ungeheuerer Wichtigkeit für hunderttausende werktätige
Menschen laufen in wenigen Tagen ab. Bei jeder Gelegenheit haben
wir darauf verwiesen, daß es zu einem System geworden ist.
an unangenehme Probleme nicht, wie es richtig wäre, heranzugehen,
sondern Sie haben es sich leicht gemacht, solche ungenügende
Regierungsverordnungen ganz einfach kurzfristig zu verlängern.
Daß Sie damit die Nöte unserer Arbeitsmenschen nicht
mildern, die ungeheueren sozialen Probleme nicht lösen, müßte
Ihnen eigentlich schon längst klar geworden sein. Und es
wäre zu wünschen, daß Sie diesen realen Tatsachen
einmal klar in die Augen sehen und sich bem ühen, durch eine
wirkliche Tat zu beweisen, daß Sie willens sind, die schwebenden
Probleme wenigstens teilweise zu lösen.
Der Regierungsantrag Nr. 1179, betreffend die Regelung des Staatszuschusses
zur Arbeitslosenunterstützung nach dem Genter System, soll
wiederum auf ein Jahr verlängert werden, ohne daß Sie
den Mut dazu gehabt hätten, diese Gelegenheit zu benützen,
die berechtigten Wünsche und Beschwerden gegen dieses Genter
System zu berücksichtigen. Unser Standpunkt zum Genter System
ist immer der gleiche, und vor wenigen Tagen habe ich im sozialpolitischen
Ausschuß diesen Standpunkt bekanntgegeben, so wie wir es
auch bei allen früheren Gelegenheiten getan haben. Unsere
Forderung ist und bleibt die, anstelle des ungenügenden und
bei uns nicht voll bewährten Genter Systems die obligatorische
Arbeitslosenversicherung zu schaffen.
Dieses System hat sich vielleicht zur Zeit seiner Einführung
im Staate vor 12 Jahren, als wir nicht ganz 40.000 Arbeitslose
hatten, bewährt, nicht bewährrt aber hat es sich in
den Zeiten, als die Arbeitslosigkeit bei uns bis auf 500, 600,
700 und 800 Tausend stieg. Denn nur ein Drittel aller arbeitslosen
Menschen kommt in den Genuß des Staatszuschusses zum Genter
System. Alle anderen werden nicht oder nur durch die Ernährungskartenaktion
unterstützt. Wenn schon vom Staat, also von der Gemeinschaft
der Staatsbürger, Opfer gebracht werden müssen, dann
müssen diese Opfer gerecht aufgeteilt werden und nicht so,
daß sie nur einem Teile der Bedürftigen zugute kommen.
Sie können uns wohl antworten: Es sollte eben jeder Arbeiter
organisiert sein. Wir aber antworten Ihnen darauf: Der Staat hat
seinerzeit mit einem Federstrich eine völkische Gewerkschaft
aufgelöst und die vorhan denen Mittel, die die Sicherstellung
der dort eingezahlten Beiträge der Arbeiter und damit ihr
Recht bildeten, einfach beschlagnahmt. Daß Sie damit den
Arbeiter durch solche Maßnahmen das notwendige Vertrauen
zur Gewerkschaft genommen haben, daran ist wohl niemals klar gedacht
worden. Wir können Ihnen auch weiter antworten: Was ist mit
jenen tausenden Jugendlichen, die der Schule entwachsen sind,
aber nicht in den Arbeitsprozeß eingebaut werden konnten
und deshalb auch nicht gewerkschaftlich organisiert sein können?
Und weil das alles so ist und weil noch viele andere Beschwerden
dazu kommen, deshalb lehnen wir ein System ab, das nicht alle
Arbeitslosen erfassen kann. Gerade aber die jetzige Zeit wäre
günstig für die Einführung einer obligatorischen
Arbeitslosenversicherung, weil diese eben in einer Zeit, die im
Zeichen des Aufstieges steht, leichter möglich ist und weil
dann auch jene Rücklagen geschaffen werden können, die
man für schlechte Zeiten braucht.
Durch die immerwährenden kurzfristigen Verlängerungen
solcher ungenügenden Verordnungen schaffen Sie eine ungeheuere
Unsicherheit, auch in den Gewerkschaften selbst, weil die Führung
der Gewerkschaften sich keinen Arbeitsplan zurecht legen kann,
weil aber auch auf der anderen Seite diese Gewerkschaften nicht
wissen, was Sie für eine Regelung nach Ablauf dieser Frist
wieder treffen werden. Wenn Sie also den berechtigten Ruf nach
einer endgültigen Regelung durch eine obligatorische Pflichtversicherung
nicht erfüllen können oder wollen. dann verbessern Sie
doch wenigstens in kürzester Zeit dieses bestehende Gesetz.
Zur Vorlage Nr. 1181 über die Kollektivverträge muß
auch festgestellt werden, daß es sich, obwohl die Verlängerung
begrüßenswert ist, doch auch hier gezeigt hat, daß
man von Seiten der Regierung nicht die notwendigen Folgerungen
gezogen hat, u. zw. die Gelegenheit des Ablaufes dieser Verordnung
dazu zu benützen, um neue gesetzliche Maßnahmen zu
schaffen, die die Kollektivverträge und ihre Verbindlichkeitserklärung
für die Gesamtindustrie unter Berücksichtigung der Verschiedenheiten
der regionalen Lebensmöglichkeiten ermöglichen. Bei
dieser Gelegenheit hätte der Staat auch die Möglichkeit,
auf gesetzlicher Basis die Mindestlöhne zu regeln. Damit
hätte er den breiten Schichten der Werktätigen wie auch
der Gesamtwirtschaft gedient. Es ist uns klar, daß gegen
die gesetzliche Regelung der Kollektivverträge Widerstände
kommen müssen; doch müßte der Staat durch eine
wirklich energische Tat diese Widerstände überbrücken,
denn es kann sich letzten Endes wohl im wesentlichen nur um Stimmen
von Unternehmern handeln, die sich ihrer sozialen Pflichten gegenüber
der Arbeiterschaft nicht bewußt sind. Durch die von uns
verlangte Regelung heben Sie nicht nur die Kaufkraft und das Lebensniveau
der werktätigen breiten Massen, sondern dienen auch der Wirtschaft,
weil dieser die erhöhten Löhne der Arbeiterschaft doch
letzten Endes auf Umwegen wieder zufließen. Der Wirtschaft
dienen Sie aber auch noch deshalb, weil Sie eine gerechte Kalkulationsbasis
schaffen, die den sozial denkenden Unternehmer vor dem unsozialen
schützt.
Wir lassen auch diese Gelegenheit nicht vorbeigehen, Mahner zu
sein, daß solche sozialpolitische Vorlagen nicht so zu behandeln
sind, daß man sie in ihrem ungenügenden Zustand immer
und immer wieder nur verlängert, sondern daß man sich
endlich dazu entschließt, diesen Problemen endlich einmal
an die Wurzel zu gehen.
Die Vorlage Nr. 1180 über die Betriebsstillegungen und Massenentlassungen
bietet zwar eine gewisse Handhabe gegen Stilllegungen, dennoch
ist sie in ihrer Fassung nicht so, daß man sie als vollkommen
ansprechen kann. Auch hier müssen wir Bedenken äußern,
weil die Vorlage genügende Maschen hat, durch die jene schlüpfen
können, die das Gesetz umgehen wollen. Außerdem betrifft
das Gesetz nur den Schutz eines Teiles der Betriebe. Die kleingewerblichen
Betriebe werden dadurch nicht geschützt, sie stehen außerhalb
des Gesetzes, denn vielfach ist die unsinnige Steuerpraxis und
die Übersteuerung Grund der Stillegungen, von denen jährlich
tausende Arbeiter betroffen werden. Besser wäre ein Arbeitsbeschaffungsgesetz
sowie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der Schutz der Wirtschaft
vor ausbeuterischen Methoden, die häufig zu Stillegungen
führen, wie es in den letzten Jahren durch die Kartelle vielfach
geschehen ist. Besser als lediglich formale Maßnahmen gegen
die Stilllegung zu treffen, wäre es auch, dafür Sorge
zu tragen, daß keine neuen Betriebe errichtet werden, strengere
Befähigungsnachweise einzuführen und besser wäre
es schließlich auch, den Emigranten nicht die Möglichkeit
von Betriebsgründungen zu geben, durch die vielfach sudetendeutsche
Betriebe gefährdet werden. Der Schutz der breiten Massen
der arbeitenden deutschen Staatsbürger, der kleingewerblichen
Betriebe und ihre Förderung und Unterstützung durch
den Staat ist keineswegs so, daß man beruhigt sein könnte.
Aus allen diesen Gründen steht auch besonders die staatliche
Fürsorge auf allen ihren Gebieten, wie: Genter System, Ernährungskartenaktion,
Unfallversicherung, Pensions- und Sozialversicherung, Fürsorge
für die Altersrentner, Invaliden usw. immer und immer wieder
im Lichtkegel unserer öffentlichen Kritik, im Parlamente,
in der Presse, sowie unserer gesamten Tätigkeit.
Deshalb sehe ich mich auch gezwungen, bei der Behandlung dieser
sozialpolitischen Vorlagen noch Folgendes zu sagen. Meine Damen
und Herren! Der Winter steht vor der Türe, neben Hunger und
Kälte gesellt sich noch das Gespenst der weiteren Arbeitslosigkeit,
denn mit dem rapiden Steigen der Arbeitslosenziffer schwindet
auch für den Arbeiter wieder die letzte Hoffnung auf Arbeit.
Der Herr Berichterstatter gibt selbst zu, daß die Zahl der
Arbeitslosen in der letzten Zeit um rund 100.000 gestiegen ist.
Not und Elend wachsen wieder. Haben Sie, meine Herren, von sich
aus Vorsorge getroffen, daß wenigstens in den Tagen des
Friedensfestes kein Staatsbürger zu hungern braucht? "Humanität"
ist ein schönes Wort, aber wenn es nur Wort bleibt, dann
sinkt es herab zu leerer Form. Sie sollten, wenn Sie glauben,
daß Sie immer wieder nur auf das Kapitel "Rüstungen"
Geld verwenden müssen, auch daran denken, daß man damit
noch lange keinen Staat verteidigen kann, denn dazu gehören
in erster Reihe gesunde und kräftige Menschen (Potlesk
poslancù sudetskonìmecké strany) und
nicht solche, die durch Arbeitslosigkeit und unzureichende Fürsorge
verbittert und ausgemergelt sind. Es sind harte Worte, die wir
Ihnen immer und immer wieder sagen müssen und doch scheint
es, als machten Sie sich heute weniger denn je Gedanken über
die Fürsorge und Ihre sozialen Pflichten, ob sie nun Genter
System, Ernährungsaktion oder sonst wie heißen. Der
deutsche Arbeitslose gewinnt so den Eindruck, als ob da nun die
Arbeitslosenzahl in den èechischen Bezirken bis auf geringe
Ausnahmen stark zurückgegangen ist und der Staat sich wenig
darum kümmert, was aus jenen Menschen in den deutschen Gebieten
wird, die durch die Streichungen in der Ernährungsaktion
und die unzulängliche Fürsorge betroffen werden. Sie
hätten es in der Hand, heute große Beweise dafür
zu schaffen, daß der Staat sicl seiner unschuldigen arbeitslosen
Menschen annimmt, und es läge an Ihnen, durch eine Verordnung
oder ein Gesetz diese Armen vor dem Gröbsten und Schlimmsten
zu schützen. Als die Arbeitslosigkeit so groß war,
daß die Staatsfinanzen eine ausreichende Unterstützung
nicht mehr leisten konnten, haben Sie die Unterstützungen
gekürzt. Als in diesem Jahre die Arbeitslosigkeit aller sich
merklich senkte, zur Freude aller, wie ich ausdrücklich feststelle,
wäre es Ihre Pflicht gewesen, die Arbeitslosen, die noch
immer nicht in den Arbeitsprozeß eingebaut werden konnten,
auch zum Nutznießer dieser Besserung werden zu lassen.
Einer meiner Kameraden hat im Budgetausschuß an den Minister
für soziale Fürsorge Neèas die Frage gerichtet,
die ich vor diesem Forum wiederhole: Wo sind die Ersparnisse aus
der Ernährungsaktion des heurigen Jahres? Sie haben das Budget
des Vorjahres auf Grund der Tatsache der mehr als doppelten Arbeitslosenzahl
aufgestellt. Sie müßten die Mittel für diese Zahl
der Arbeitslosen sichergestellt haben. Schon zu Beginn des heurigen
Jahres begann doch der Abbau der Arbeitslosen und Sie selbst berichten
ständig, daß die Arbeitslosenzahl um mehr als 50 %
gesunken ist. Wo sind also die Ersparnisse? Statt aus diesen Ersparnissen
die Lage der Werktätigen im deutschen Gebiet, die noch immer
ohne Arbeit und Brot sind, zu bessern und die besteh enden Unterstützungen
zu erhöhen, müssen wir täglich erfahren, daß
ganz unverständliche Streichungen, die sich zwischen 15 bis
40 % bewegen, in der Ernährungsaktion vorgenommen werden.
Ich bin der Meinung, daß ich darauf verzichten kann, Ihnen
abermals eine ganze Fülle von Unterlagen und Beweisen hi
erfür anzuführen, die zeigen, welch ungeheuere Härten
das ganze Fürsorgewesen dieses Staates in sich trägt,
die beweisen, wieviel Elend es gibt, das gemildert werden könnte,
wenn nicht diese Härten in der Gesetzgebung, in den Verordnungen
und in den Erlässen der staatlichen Fürsorge wären.
Ich möchte hier feststellen, daß sich noch niemand
Gedanken darüber gemacht hat, was es heißt, nicht nur
Monate lang, sondern schon drei, fünf bis sieben Jahre ohne
Arbeit zu sein und von einer kargen Unterstützung leben zu
müssen, was es heißt, täglich die hungernden Mäuler
der heranwachsen den Kinder zu stillen, wenn entweder nichts oder
nur die bescheidene Unterstützung von 20 Kè, ein paar
Brote und ein bißchen Milch da ist. Meine Herren, ich bin
der Meinung, daß man gerade jetzt damit aufhören muß
- ich sage ausdrücklich "muß" - daß
bei der Zuweisung an die Bezirke in der Ernährungsaktion
so gespart wird, weil dadurch draußen im Lande tausenden
Menschen auch noch diese letzte Unterstützung entzogen werden
muß.
Meine Damen und Herren, auch ich vertrete den Standpunkt, man
soll sparen, und es ist Pflicht für jeden Staat. dies zu
tun. Ich sage Ihnen aber auch dazu: Sparen Sie, wo immer Sie wollen,
nur sparen Sie nicht an der Fürsorge und der Unterstützung
für die Arbeitslosen. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké
strany.)
Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs schon von der arbeitslosen
Jugend gesprochen, von jenen Menschen, die heute zum Teil ins
arbeitsfähige, zum Teil schon ins wehrfähige Alter hineinwachsen,
ohne daß sie die Gelegenheit hatten, die Segnungen der eigenen
Arbeit kennenzulernen. Verschiedene Körperschaften in unserer
sudetendeutschen Volksgruppe gingen daran, aus eigener Initiative
und mit eigenen Mitteln sowie aus Opfern der deutschen Bevölkerung
für diese jungen Menschen Arbeitslager und Heime zu errichten.
Man steht bei uns in den maßgebenden Kreisen des Staates
noch immer auf dem ganz unrichtigen Standpunkt, daß der
freiwillige Arbeitsdienst oder die Arbeitslagerbewegung nur eine
Erfindung der sog. autoritären Staaten wäre und lehnt
sie aus diesem Grunde von vornherein ab. Ich muß hier feststellen,
daß diese Anschauung absolut unzutreffend ist und daß
die Einstellung des freiwilligen Arbeitsdienstes heute fast in
allen europäischen Staaten besteht, überall von Seiten
dieser Staaten nachdrücklichst gefördert wird und zu
den besten Erfolgen geführt hat. Auch in Amerika bestehen
heute solche Einrichtungen. Der Wert und die Erfolge der Arbeitslagerbewegung
kamen insbesondere auf dem internationalen Kongreß für
Arbeitslager zum Ausdruck, der heuer im Sommer in Seeligsberg
in der Schweiz stattfand und von fast allen europäischen
Staaten beschickt war. Leider fehlte gerade unser Staat auf dieser
Tagung.
Statt daß der Staat hier bei uns solche Bestrebungen - man
kann sie wohl private Bestrebungen bisher noch nennen - dankbar
anerkennen, unterstützen, fördern und subventionieren
sollte, werden sie bespitzelt und mißtrauisch betrachtet,
ob dort vielleicht nicht gar zu viel exerziert oder Nachtübungen
abgehalten werden.
Mein Klubkamerad Abg. Eichholz hat vor wenigen Tagen bei
der Behandlung der Staatsangestelltenfrage vom sudetendeutschen
Nachwuchs in Bezug auf den Einbau in den Staatsdienst gesprochen.
Tausende von Absolventen deutscher Mittel- und Hochschulen, die
früher einen Posten im Staatsdienst finden konnten, füllen
heute schon das Heer anderer arbeitslosen Menschen mit auf.
Wenn das Sudetendeuschtum infolge der großen Not der seit
Jahren arbeitslosen Menschen sich in der sudetendeutschen Volkshilfe
ein Hilfswerk geschaffen hat, das Hilfe für die Ärmsten
der Armen bringen sollte, dann lassen Sie uns dieses Hilfswerk
ohne Störungen und ohne Einschränkungen zu Ende führen,
damit wir wenigstens auf diesem Gebiete das Gefühl haben
können, helfen zu dürfen, ohne daß man uns Vorschriften
macht.
Ich wende mich hier bei diesem Punkte heute im Hause an den Herrn
Innenminister und habe an ihn die Bitte zu richten, er möge
dem Herrn Bezirkshauptmann von Neudek, Herrn Rat Skramlik, den
Auftrag geben, daß er es unterlassen soll, von dem Neudeker
Volkshilfssammlungen 20 % für sein eigenes Hilfswerk zu fordern.
(Výkøiky posl. Kundta.)
Wie oft schon haben wir in diesem Hause von dem Elend der Arbeitsinvaliden-Rentner
gesprochen, die wegen ihrer Rente von 80, 90 und 120 Kè
im Monat keine Karte aus der Ernährungsaktion bekommen sollen.
Diese armen Menschen sollen, alt und gebrechlich, wie sie sind,
mit dieser kargen Rente Zins, Kleidung und Heizung bestreiten
und sollen davon wahrscheinlich auch noch leben. Tausende solcher
armer Menschen gibt es, die als Altersrentner nach einem arbeitsreichen
Leben von den Handelskammern für 40jährige treue Dienste
auf ihrem Arbeitsplatz, Medaillen erhalten haben. Davon sollen
sie wahrscheinlich leben. Es ist eine Schande für jeden Staat,
der nicht genug Hilfsmittel aufbringt für seine Arbeitsinvaliden.
Ich möchte hier gerade unter Berücksichtigung dieser
Mängel und Fehler besonders in der staatlichen Ernährungsaktion
an den Herrn Fürsorgeminister und an die Landesbehörde
den Ruf richten, sie mögen noch vor Weihnachten einen Erlaß
herausgeben, der besagt, daß sämtliche Streichungen
der letzten Periode der Ernährungsaktion nachgeliefert werden,
damit die Menschen, die ausgesteuert werden mußten, jetzt
vor Weihnachten noch in den Besitz der Ernährungskarten kommen.
(Potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)
Meine Damen und Herren! Wenn ich diesen Vorschlag gemacht
habe, daß ein Erlaß noch in letzter Minute vor Weihnachten
erfolgt, dann soll mir niemand kommen und mir sagen wollen, daß
das Demagogie wäre, daß ich damit Propaganda machen
will. Ich kann Ihnen erklären: mit dieser Forderung, mit
dieser Bitte an den Fürsorgeminister und die Landesbehörden
ist es mir bitter ernst, weil ich weiß, wie schwer die Menschen
unter der Not draußen leiden.
Meine Damen und Herren! Es fällt uns nicht ein, bei der Kritik
an solchen sozialpolitischen Vorlagen gerade bei Ihnen den Eindruck
erwecken zu wollen, als ob wir hier lediglich immer und immer
wieder nur von der sudetendeutschen Not sprechen wollen. Wir stehen
hier vor ihnen als deutsche Volksvertreter offen und aufrecht
und zeigen Ihnen die Zustände und die Mängel auf, wie
sie wirklich liegen und verlangen für unsere notleidenden
Menschen, die immer noch nach 100.000 zählenden deutschen
Arbeitslosen, unsere noch darniederliegende Industrie, die verarmten
Handels- und Gewerbetreibenden Hilfe von Ihnen, verlangen von
Ihnen, daß Sie die aus den sudetendeutschen Gebieten dem
Staate in Form von Steuern zugeflossenen Milliardenbeträge
in den letzten Jahren wieder in die sudetendeutschen Gebiete -
zu einem kleinen Teil wenigstens - zurückfließen lassen,
u. zw. nicht nur in der Form, wie die Frau Koll. Zeminová
gesagt hat, durch einen Wall von Eisen und Beton, sondern
durch Hilfsmaßnahmen, die wir draußen notwendig haben.
(Potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)
Wir verlangen aber auch eine solche Behandlung, wie sie dieselbe
jedem anderen Staatsbürger auf sozialpolitischem Gebiete
angedeihen lassen. Wir haben insbesondere ein Recht, diese nicht
unbillige Forderung zu stellen, weil wir dem Staat und seinen
Regierungen bis heute nichts schuldig geblieben sind. Wenn wir
also auch die gesetzliche Verankerung unserer Lebensrechte von
Ihnen fordern, so ist das keineswegs eine überspannte Forderung,
sondern es ist eine Forderung, die sich stützt auf die bösen
und schlechten Erfahrungen der vergangenen 19 Jahre.
Meine Damen und Herren! Ich möchte hier einmal einige Fragen
stellen und Sie ersuchen, uns Beweise zu bringen. Bringen Sie
uns auch nur einen Beweis, daß wir unsere Steuern nicht
bezahlt haben, solange wir noch Geld besessen haben. Bringen Sie
uns Beweise, daß der deutsche Arbeiter nicht ebenso verläßlich
ist wie andere Arbeiter. Bringen Sie uns Beweise, daß der
deutsche Staatsbeamte weniger taugt als ein anderer Staatsbeamter.
Bringen Sie uns Beweise, daß die deutsche Industrie weniger
erzeugungsfähig ist und schlechtere Erzeugnisse herstellen
läßt als die im Inneren Böhmens liegenden Industrien,
und bringen Sie uns schließlich Beweise, daß der deutsche
Gewerbe- und Handelsstand keine Wertarbeit erzeuge und in den
Handel bringt. Wir haben ein Recht dazu, zu verlangen, vom Staat
bei allen vorgesehenen, der Bekämpfung der Wirtschaftsnot
und der Arbeitslosigkeit dienenden Maßnahmen in erster Reihe
berücksichtigt zu werden, weil wir am stärksten und
auch am längsten darunter leiden. Wenn wir immer wieder davon
hören und lesen müssen, daß wir von der sudetendeutschen
Partei zu radikal seien, daß unsere Forderungen zu überspannt
sind, so sind das lediglich Ausreden für Ihr Nichtwollen.
Wenn wir davon hören und lesen, die deutschen Aktivisten
seien viel gemäßigter und bescheidener, paßten
sich Ihnen und Ihrer Demokratie besser an, dann, meine Damen und
Herren, möchte ich Ihnen heute hier einmal Folgendes sagen:
Wem hat denn dieses Anpassen und dieses ewige Sichzufriedengeben
eigentlich genützt? Ihnen und dem Staat wohl, besonders aber
den "Jednotas", damit die leichter und geräuschvoller
ihre Entnationalisierungsmethoden in den deutschen Gebieten durchführen
konnten, auch genützt den einzelnen Herren Ressortministern
aus früheren Jahren, weil sie dadurch ohne Widerspruch leichter
in der Lage waren, zehntausende deutsche Staatsbeamten abbauen
zu können. Wir spielen eben hier als sudetendeutsche Partei
in Prag nicht den sanften Heinrich, wie die deutschen Regierungsparteien,
und lassen da draußen in unseren Gebieten alles so weiterlaufen,
wie es läuft, sondern sagen Ihnen hier auf parlamentarischem
Boden, was gesagt werden muß, daß der deutsche Arbeiter
und der deutsche Arbeitslose noch hungern und nach Arbeit lechzen,
daß deutsche Angestellte und deutsche Akademiker zu Tausenden
herumgehen und nicht wissen, was sie anfangen sollen, daß
die deutschen Jugendlichen, die aus der Schule kommen und ins
arbeitsfähige Alter hineinwachsen, nicht wissen, was Sie
mit dem ihnen von Gott geschenkten Leben anfangen sollen. Sechs
bis sieben solcher grauenvoller Jahre der Not lasten wie eine
Strafe auf dem Sudetendeutschtum. Wieviele Beweise Ihres wirklichen
guten Willens haben Sie denn durch die Tat bisher schon gegeben,
gegeben trotz der Teilnahme Deutscher an der Regierung und trotz
der Mahnungen und Warnungen und trotz der Versprechungen, daß
es anders wird?
Kommen Sie uns nicht mit dem 18. Februar. Wir glauben nicht an
diesen 18. Februar und die Budgetdebatte hat bewiesen, daß
selbst die eine Partnerseite, die deutschen Aktivisten, längst
nicht mehr daran glauben und das ganz offen sagen. Sie können
einwenden, meine Damen und Herren, daß es besser wird und
daß die Arbeitslosenziffer es bestätigt. Es wäre
unsachlich und ungerecht, wollten auch wir uns nicht darüber
freuen. (Posl. Pik: 18. únor vede k smíøení
a vy chcete štvaní! - Hluk.)
Místopøedseda Langr (zvoní): Prosím
o klid.
Posl. G. Böhm (pokraèuje): Aber meine
Damen und Herren! Sehen Sie sich doch einmal die Ziffern der Arbeitslosigkeit
in den deutschen Gebieten im Vergleich zu den èechischen
Gebieten an! Wo ist die Arbeitslosigkeit noch am stärksten
und wo steigt sie schon wieder am schnellsten? Unsere deutschen
Arbeiter und Arbeitslosen haben also ein Recht, Gerechtigkeit
von Ihnen zu verlangen, denn Sie haben genau so den Anspruch auf
Leben in diesem St aate, wie jeder andere Staatsbürger.
Ich sage Ihnen noch zum Schluße, meine Damen und Herren,
daß es höchste Zeit ist, hauptsächlich deswegen,
falls der Regierung daran gelegen ist, zu verhindern, daß
die bereits bestehende Meinung, daß es zweierlei Staatsbürger
in diesem Staate gibt, nicht zum entscheidenden gefahrvollen Denken
wird. Mein Klubkamerad Dr. Peters hat vor einigen Tagen
von dieser Stelle aus darüber gesprochen, was Sie von der
Opposition denken sollten. Und auch ich nehme heute hier Gelegenheit
bei der Behandlung dieser Vorlagen Ihnen zu sagen, daß wir
nicht Kritik nur einfach um der Kritik willen üben, daß
wir nicht nur Opposition machen, weil wir in der Opposition stehen.
Dies tun wir schon aus dem Grunde nicht, weil uns die Situation,
in der sich das Sudetendeutschtum in diesem Staate befindet, viel
zu ernst ist. Aber eines tun wir allerdings zum Unterschied von
den deutschen Koalitionsparteien: Die Wahrheit sagen wir u. zw.
so klar, als es überhaupt nur denkbar möglich ist, und
wir nennen die Dinge bei den Namen, bei denen sie genannt werden
müssen. Wir zeigen Ihnen die Wurzeln aller dieser uns bedrückenden
wirtschaftlichen, sozialen und nationalen Übels auf, damit
sie dieselben endlich erkennen sollen und Ihnen, wenn Sie wollen,
an den Leib gehen können. Dabei bedienen wir uns aber auch
all der ehrlichen Überzeugung, die in uns allen ist. Denn,
meine Damen und Herren, auch das muß immer gesagt werden:
Wir sind keine Irredentisten, wir sind keine Staatsfeinde, als
die uns gerne ein Teil von ihnen hinzustellen beliebt. Wir hetzen
damit keineswegs gegen den Staat, weil wir genau wissen, daß
wir damit unserem eigenen Volke nur einen sehr schlechten Dienst
erweisen würden, denn wir wissen, daß neben Ihrer Heimat
in diesem Staate auch unsere liegt. Deshalb verlangen wir für
uns Deutsche - und dabei sprechen wir, ob Sie es nun wahr haben
wollen oder nicht, ist uns letzten Endes vollkommen gleichgültig
- für 70 % des Sudetendeutschtums, daß Sie, die Sie
die Macht und damit die Mittel haben, Zustände ändern,
die sich letzten Endes nicht nur für unser Volk, sondern
wenn Sie es weiter so treiben, für den Staat schlecht auswirken
müssen. Wir können dies sagen, weil wir diesen Kampf,
der unser wirtschaftliches, soziales und nationales Leben, aber
auch schon unser kulturelles Leben bedroht, nicht gewollt haben,
sondern weil Sie uns diesen Kampf aufgezwungen haben. Und daß
wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen Mittel
zur Wehr setzen, das, meine Damen und Herren, ist unser gutes
Recht und davon werden Sie uns niemals abbringen. Von diesem Kampfe
um unser Recht und um die soziale Besserstellung der breiten Schichten
unserer ma
nuellen und geistigen Arbeiter wird man uns erst dann abbringen,
wenn Sie durch Ihr zukünftiges Handeln und durch Taten den
Beweis liefern, daß es Ihnen wirklich ernst um die Lösung
des sudetendeutschen Problems zu tun ist, wenn Sie Beweise schaffen
werden, die uns die Sicherung der Existenz unserer Volksgruppe
verbürgen. (Potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)