Hohes Haus! Mit der Beratung des Voranschlages ist das Parlament
in seine diesjährige Hauptsaison eingetreten, deren Höhepunkt
wohl wieder die Aussprache über den Staatsvoranschlag im
Plenum des Hauses ist. Der Staatsvoranschlag als solcher bietet
natürlich in jedem demokratischen Gemeinwesen die pflichtgemäße
Gelegenheit, sich nicht nur mit dem Voranschlag als solchen, sondern
auch mit der gesamten Staatswirtschaft und Staatspolitik zu beschäftigen.
Der Staatsvoranschlag selbst als Rückgrat des Staatshaushaltes
in einem Kalenderjahr, in welchem sich die ganze Wirtschaft des
Staates - man kann wohl sagen das gesamte wirtschaftliche und
politische Leben im Staate - spiegelt, bedeutet ziffernmäßig
eine große Anforderung an die steuertragende Bevölkerung,
an alle Körperschaften und vor allem eine strenge Kontrolle
für die Ausgaben, die im heurigen Jahre gegenüber dem
Vorjahre um zirka 400 Millionen höher bemessen worden sind.
Ich kann nicht umhin, bei Beginn meiner Ausfsführungen über
den Staatsvoranschlag unserer Genugtuung Ausdruck zu geben,
daß der Herr Berichterstatter große Energie und Entschlossenheit
aufwendet, um die h öchsten parlamentarischen Rechte gerade
hinsichtlich des Voranschlages aufrechtzuerhalten, zum Teil wieder
herzustellen und mit großer Energie gegen eine Bürokratie
vorgeht, die durch ihre Eigenmächtigkeit die Parlamentsrechte
zu schmälern sucht und den Voranschlag nur zu gerne als ihr
eigenes Machtinstrument ansehen will. Es ist auch mit Genugtuung
im heurigen Jahr h ervorzuheben, daß das erstemal der Voranschlag
in seiner Beratung im Ausschuß Abänderungen unterzogen
worden ist, die, wenn sie auch nicht von beträchtlichem ziffernmäßigen
Umfange, so doch symptomatisch für den Willen des Parlaments
sind, sich selbständig zu mach en gegenüber den Zifferngerippen,
die früher immer nur vorgelegt und von der Mehrheit einfach
geschluckt wurden, um die parlamentarischen Rechte gerade hinsichtlich
der Festsetzung der Ziffern wahrzunehmen. Sicher ein Fortschritt,
von dem wir hoffen, daß er ein günstiger Anfang ist
zu der Entwicklung, daß immer mehr die Parlamentarier Gelegenheit
nehmen können, auf die einzelnen Posten, ihre ziffernmäßige
Festsetzung selbst, Einfluß zu nehmen. Es ist das umso notwendiger,
als gerade bei dem Voranschlag sich in den letzten Jahren leider
immer herausgestellt hat, daß er eine Hoffnung ist, die
sich nicht erfüllt. Wir haben seit 1927, also seit 10 Jahren,
immer das gleiche Bild erleben müssen, daß der Voranschlag
mit einem Betrag von rund 1.8 Milliarden zum Staatsdefizit wurde
und daß dadurch die S taatsschuld selbst von zirka 27.6
Milliarden inzwischen auf 46.8 Milliarden angestiegen ist, eine
Erscheinung, die umso bedenklicher werden kann, als ja dann der
Zinsen- und Tilgungsdienst der Staatsschuld eine Milliardenpost
schon erfordert, die gegenüber dem Vorjahre allein im heurigen
Voranschlag ein Plus von 387 Millionen Kè an Belastung
zufolge der Staatsschuld für den Staatshaushalt ausmacht.
Ich glaube, daß die energische Tätigkeit des Berichterstatters
sowie die Kontrollkommission, die ja zum Zwecke der Kontrolle
des Staatshaushaltes nicht zuletzt geschaffen wurde, in der Folgezeit
in derselben Richtung fortfahren werden und daß sich dadurch
die Sicherung, nach der der Staatsvoranschlag auch Wirklichkeit
ist und nicht Phantasie bleibt, immer mehr verwirklichen wird.
Der Voranschlag selbst, der erhöht ist in der Ausgaben- und
auch in der vermuteten Einnahmenseite, entspricht in vielen Posten
unseren Erwartungen nicht. Wichtige Posten können uns nicht
befriedigen. Vor allem möchte ich da hervorheben die Aufrechterhaltung
der Abzüge der Staatsangestelltengehälter, die aus der
Krisenzeit stammen und zu einer Quelle höchster Unzufriedenheit
infolge der Verelendung und Verschuldung der Staatsangestellten
aller Kategorien, also des Mittel- und Arbeiterstandes des Staates,
geworden sind. Das immer dringender werdende Verlangen nach Wiederherstellung
der pragmatischen Gehälter ist umso begründeter, als
die Agenden der Staatsverwaltung ja ständig wachsen und damit
die Arbeitsagenda der einzelnen Ministerien, auf der anderen Seite
jedoch eine Ve rmehrung der Dienststellen nicht erfolgt und auch
die Beförderungen in den meisten Zweigen der Verwaltung,
man kann fast sagen in der ganzen Zivilverwaltung, immer wieder
stocken.
Auch die Mittel zur Belebung der Wirtschaft, insbesondere in den
Krisengebieten, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, dürfte
noch mancher Ergänzungen bedürfen, d amit sie ihren
Zweck auch erfüllen können. Bei den Investitionsarbeiten
insbesondere, deren Bedeutung wohl nicht unterschätzt werden
darf, wenn man von einem Zustand der Rekonvaleszenz der Wirtschaft
spricht, wäre insbesondere zu fordern, daß, soweit
die Erträgnisse der Wehranleihe nicht in Anspruch gen ommen
werden können oder dazu nicht genügen, die Fonds aufgefüllt
werden, die für Straßenbauten, die Wasserwirtschaft
insbesondere, geschaffen wurden, aber bereits zum Teil ausgeschöpft
sind, jedenfalls sich gegenüber den Anforderungen unzulänglich
erweisen, die gerade für diese Bauten, die nicht zuletzt
Notstandsbauten sind, in nächster Zeit unausweichlich werden
gestellt werden. Dann dürfen die berechtigten Anforderungen
zu den Entschuldungsaktionen der Länder, Bezirke und Gemeinden
an den Staatshaushalt noch weitere Ansprüche stellen, damit
die Sanierung der notleidenden Körperschaften und notleidenden
Gebiete umso aussichtsreicher durchgeführt werden kann.
Ich gestatte mir, da besonders auf die Forderungen des Landes
Mähren-Schlesien hinzuweisen, das vor zirka einem Monat dem
Vorsitzenden der Regierung ein Memorandum überreicht hat,
in dem die Forderungen des Landes namentlich angeführt sind
und vor allem die Gleichberechtigung des Landes Mähren-Schlesien
mit dem Lande Böhmen in allen Punkten verlangt wird, wo eine
Dotierung aus dem Staatshaushalt an die Länder erfolgt. Wir
unterstützen diese Forderungen, die gerecht sind, insbesondere
inbezug auf die Gleichberechtigung, die das Land Mähren-
Schlesien gegenüber dem Lande Böhmen sicher mit Recht
in Anspruch nehmen kann.
Ich kann aber nicht unvermerkt lassen, daß die volle Gleichberechtigung
der Schlesier auch im Rahmen des Landes Mähren-Schlesien
verlangt werden muß. Die Verwaltungsreform des Jahres 1927
hat Schlesien nicht Mähren einverleibt, sondern das Land
Schlesien ist ebenso wie das Land Mähren zu einem gemeinsamen
Verwaltungsgebiet Mähren-Schlesien vereinigt worden. Es wäre
deshalb ungesetzlich und auf das entschiedenste zu verurteilen,
wenn etwa die Verwaltung des Landes Mähren-Schlesien Schlesien
als Kolonie Mährens ansähe. Die Anzeichen dieser Art
sind leider nicht gering. Beim regionalen Investitionsbeirat,
der für das gemeinsame Land geschaffen wurde, um der Regierung
zur Verfügung zu sein, wurde kein einziger Schlesier weder
als Mitglied noch als Ersatzmann ernannt, weder ein Deutscher
noch ein Èeche. Die Erledigung der Agenden der Bezirke
und Gemeinden, Parteianliegen aller Art sind aus unserem Gebiet,
aus dem Landesgebiete Schlesien, einer derart schleppenden Erledigung
unte rworfen, daß das hier mit Bedauern festgestellt werden
muß. Auch die Art und die Ergebnisse von Vorsprachen in
Brünn sind nach den Erfahrungen derart deprimierend, sodaß
wir von hier verlangen müssen, daß den Bemühungen
aller berufenen Vertreter des Landes Schlesien seitens der Zentralregierung
Unterstützung geliehen wird.
In der Schulverwaltung, in der politischen und insbesondere in
der Finanzverwaltung betone ich nur die Passivität, die nach
wie vor bezüglich der Forderungen Schlesiens nach Erhaltung
seiner Finanzbehörde zweiter Instanz besteht. Es ist ein
förmliches Spiel "Grad oder ungrad", wenn man erfahren
will, ob die Finanzdirektion bleiben wird oder nicht. An einem
Tag wird es bestätigt, am anderen Tage aber wieder widerrufen,
und seit Jahren ist in dieser Hinsicht eine Unzweckmäßigkeit
und Unsicherheit und dadurch eine Störung des Amtsbetriebes
wahrzunehmen, die sicherlich auch in der Bevölkerung Schlesiens
ohne Unterschied der Nation oder Partei den ungünstigsten
Eindruck hervorruft. Ebenso ist die Erfüllung der Forderungen
nach der Steuerselbstverwaltung des Landes Schlesien unbedingt
notwendig. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sich die
teilweise Abdisponierung der Kompetenzen der Finanzdirektion in
Troppau nicht zum Vorteil des Dienstes und der Interessen des
Landes und seiner Bewohner auswirkt. Es wäre da schon höchste
Zeit, daß man wirklich den Dienstinteressen den Vorrang
vor allen politischen Motiven gibt, und bei objektiver Betrachtung
müßte man zur Überzeugung kommen, daß die
Wiederherstellung der schlesischen Finanzdirektion in vollem Umfange
ein Akt ist, der von jedermann im Staatsinteresse begrüßt
und gefördert werden müßte.
Ebenso ist es mit der politischen Verwaltung, die nach Brünn
an die zweite Instanz übersiedelt ist. Heute ist in Schlesien
das Wort allgemein verbreitet, daß Prag näher zu Schlesien
liegt als Brünn. Vor kurzer Zeit wurde in Kaschau eine Expositur
des Landesamtes für 24 ostslovakische G emeinden errichtet.
Als wir das hörten, fragten wir uns, ob nicht dasselbe ebenso
für Schlesien notwendig wäre. Nach den allgemeinen Forderungen,
welche diesbezüglich gestellt werden, und sicherlich nach
der Tatsache, daß wir in dem Falle auch wieder die Gleichberechtigung
mit den Auffassungen über die politische Administrative in
der Slovakei für uns Schlesier verlangen müssen, ist
das notwendig. Wir fordern Rücksicht auf die schlesischen
Interessen unter der Betonung, daß wir die volle Gleichberechtigung
gegenüber den anderen Landesteilen niemals aufgeben können.
Wir fordern bei diesem Anlaß auch, daß man sich bewußt
wird, daß es notvendig wäre, die Beamten des Landes,
die ehemals eingearbeitet und mit dem Dienste verwachsen waren,
in diesem Teile des gemeinsamen Landes zu belassen, und davon
absieht, ewig mit Versetzungen vorzugehen und des Landes und der
Verhältnisse unkundige Beamte an deren Stelle in unser Gebiet
zu versetzen. Wenn nun im Falle dieser Versetzungen sich Beamte
im Rahmen der Dienstpragmatik durch Vorstellungen entgegenstellen
und persönliche, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse
der Familie anführen, um eine Rücknahme von allfälligen
Versetzungen, die ja bereits meist eingehändigt sind, zu
erwirken, so muß ich schon erklären, daß das
keinesfalls als eine Hartnäckigkeit oder Bequemlichkeit der
Beamten gewertet werden darf. Die Beamten sind nicht hartnäckig
im Dienst, sie wären sonst ja Hasardeure am eigenen und am
Schicksal ihrer Familien. Es wäre ein Wahnwitz, wenn sie
sich einen unberechtigten Widerstand gegen Versetzungen erlauben
würden, insbesondere bei deutschen Beamten, welche genau
wissen, wie schwer es für sie ist, den Dienst zu machen,
und sich deshalb doppelt bemühen, in jeder Hinsicht den Anforderungen
des Dienstes gerecht zu werden. (Potlesk.) Ich muß
mich daher dagegen verwahren, daß derartige Pauschalverdächtigungen
etwa unter dem Einfluß irgendwelcher Èechisierungsvereine
gegen deutsche Staats- und öffentliche Angestellte erhoben
werden und man ihnen nach wie vor gegenüber allen anderen
Erwägungen Gehör schenkt.
Wir haben in dieser Hinsicht nur zu betonen, daß wir hinsichtlich
des Beamtenproblems die Ansicht der Bevölkerung teilen, daß
die bodenständigen Beamten die geeignetsten sind, um durch
ihre Kenntnis von Land und Verhältnissen im öffentlichen
Dienst zu wirken. Die Gleichberechtigung ist der Sammelbegriff
für Forderungen aller Art, sie ist auch der Sammelbegriff
der nationalen Forderungen, welche hier in Hinsicht des Nationalitäten-,
bezw. wie man es zu nennen pflegt, des Minderheitenproblems gestellt
werden. Und wir stellen als Sudetendeutsche die Forderung nach
Gleichberechtigung und wissen uns darin im gesunden Rechte, das
uns auch verfassungsmäßig gegeben ist, dessen Verwirklichung
aber de facto aussteht, für dessen Verwirklichung wir alle
unsere politische Arbeit einsetzen müssen. Realisierung der
Gleichberechtigung in allen Belangen des öffentlichen Lebens
für uns Sudetendeutsche im Staate ist das Leitmotiv sudetendeutscher
nationaler Politik, und ist auch für uns das Leitmotiv und
Ziel gewesen, weshalb wir als deutschen christlichsoziale Volkspartei
im Juni dieses Jahres über Einladung des Herrn Vorsitzenden
der Regierung in die Regierung einngetreten sind. Die Arbeit für
unser Volk und im Dienste unseres Volkes an Seite der anderen
Koalitionsparteien scheint uns wirks amer gemacht werden zu können,
insbesondere jetzt in einem Zeitpunkt, wo es unter den sich überstürzenden
Ereignissen der Welt immer offenkundiger wird, daß das Minderheitenproblem
im Staate einer ehebaldigen Lösung harrt und daß diese
Übergangszeit, die nach der Verfassung bis zum heutigen Tage
keine definitive Befriedigung der Minderheitenvölker im Staate
gebracht hat, abgelaufen ist. An dieses Problem heranzutreten
ist die Aufgabe, die wir uns stellen, und ich bin ganz überzeugt,
daß es auch das richtig verstandene Staatsinteresse ist,
wenn jene Koalitionsparteien auf èechischer Seite, welche
sich für die gemeinsame Arbeit mit uns entschlossen haben,
ebenso daran interessiert sind, die Beschwerden und Schwierigkeiten
aus der Welt zu schaffen, welche sich einem friedlichen Nebeneinanderleben
der Völker h ier im Staate immer wieder entgegenstellen.
Daran sind meiner Überzeugung nach alle Bürger im Staate,
die es mit ihm ehrlich meinen, interessiert, ohne Unterschied,
insbesondere ohne Unterschied aller Volksteile und Schichten unseres,
des sudetendeutschen Volkes. Dabei mitzuwirken, halten wir für
die oberste Pflicht aller national denkenden und fühlenden
Körperschaften im Parlamente, insbesondere aller deutschen
Parteien. Wenn wir zu diesem Zwecke Anhänger der Einheitsfront
der deutschen Parteien im Parlamente sind, so eben aus der Erwägung,
daß in diesem vielleicht historischen Momente alle Deutschen
verpflichtet sind, das Gewicht eines 3 1/2 Millionen-Volkes im
Staate in die Wagschale zu werfen, damit dem deutschen Volke,
das für den Staat ist, auch Gerechtigkeit werde, die es von
dem Staate verlangen kann. (Potlesk.)
Ich wundere mich - ich muß es aufrichtig sagen - daß
sich heute Abg. Dr. Rosche dagegen ausgesprochen hat, sich
auf die Erfahrungen der Vergangenheit mit dem Deutschen parlamentarischen
Verbande berufend. Ich wundere mich deshalb, weil er ja die Organisation
des parlamentarischen Verbandes, wie wir sie vor Augen haben und
wie sie im ersten Parlamente tatsächlich vorhanden war, gar
nicht mitgemacht hat. Ich, weil ich dabei war, kann ruhig dem
entgegenstellen, daß die Deutschen im Deutschen parlamentarischen
Verband damals viel mehr Einfluß zu üben imstande waren,
obwohl sie einer èechisch-nationalen Koalition gegenüberstanden,
welche die Regierung führte, als die heute um zwei Mandate
stärkere sudetendeutsche Partei, die heute nur froh sein
könnte, wenn sie in der Lage wäre, auf parlamentarischem
Boden so viel Anteil nehmen zu können, wie es unser
gemei nsamer nationaler parlamentarischer Verband tatsächlich
seinerzeit, wenigstens in den Jahren 1920 bis 1923, zu nehmen
imstande war.
Ich muß aufrichtig sagen, das wundert mich. Es wundert mich
auch aus einem anderen Grunde, weil es mir doch direkt widerspruchsvoll
erscheint, wie eine Partei, welche eine so große Verantwortung
für das gesamte Volkstum du rch die letzten Wahlen übernommen
hat, sich weigern kann, im Interesse der von ihr immer hervorgekehrten
Einigkeit gemeinsame Arbeit mit all jenen zu leisten, welche ehrlich
nationale Forderungen hier im Staate auf dem Boden des Parlaments
gemeinsam vertreten. Es ist mir ganz unerklärlich, und es
ist eben da der Verdacht naheliegend, daß es mit der Einigkeit
wirklich nicht so weither sein muß, die uns von dieser Seite
immer vorgehalten wird. Sonst könnte es nicht dazu kommen,
daß es für die Einigkeit der Deutschen gerade von der
Seite ein Hindernis gibt, die unter dem Zeichen der Volksgemeinschaft
gerade mit so überragendem Erfolge in dieses Haus gewählt
worden ist. Ich muß aufrichtig sagen, daß ich bezüglich
der Einigkeit, die da entstehen und zum Nutzen des Ganzen sich
auswirken könnte, nicht pessimistisch bin. Die Erfahrungen
haben es gezeigt und schließlich müßte unter
den gegenwärtigen schwierigen Verhältnissen der gute
Wille da sein. Insbesondere im gegenwärtigen Momente, wo
man ernstlich an die Lösung der Nationalitätenfragen
heranzugehen scheint, könnte gerade dieser gute Wille noch
viel mehr Einigkeit hervorbringen. Wir wünschen es.
Unser Programm ist die Einheitsfront. Das haben wir 1920, als
wir als Christlichsoziale in das Parlament gewählt wurden,
programmatisch erklärt und haben es bis heute konsequent
aufrecht erhalten. Wir haben es praktisch mitgemacht und sind
jederzeit bereit, in gleicher Weise eine solche vereinte Arbeit
in nationalen Dingen mit allen deutschen Parteien aufzunehmen,
die auf dem Boden des Staates stehen und diese positiven Aufgaben
mit uns zu erfüllen gewillt sind.
Abg. Dr. Rosche hat heute den Anspruch auf Beteiligung
bei der Lösung des Minderheitenproblems angemeldet, u. zw.
offiziell angemeldet. Ich bitte ihn, nicht durch Fragen der Taktik,
wie wir das unter uns ausmachen, von vornherein die Möglichkeit
der Mitarbeit zu verwirren. (Posl. Kundt: Siehe Staatsangestelltenausschuß
und Schulausschuß!) Ein Schulausschuß war in Schlesien,
da hat er sich sehr bewährt. (Výkøiky posl.
Kundta.) Ich wüßte nicht, warum das nicht jetzt
für uns gehen sollte. Das würde sich alles ergeben,
wenn wir in den großen Ideen zusammenkommen könnten.
In allen Fragen aber, die über das Nationale gehen, müssen
wir uns unsere Gesinnungsfreiheit vorbehalten. Es ist ganz klar,
daß in einem demokratischen Staatswesen es nicht zu einer
Einheitspartei kommen kann, ohne daß sich schwerste Konsequenzen
an den Gesinnungsgemeinschaften ergeben würden, welche doch
nicht aus einem leichtfertigen Grunde entstanden sind, sondern
z. B. nach Weltanschauungen entstanden sind. Es ist unsere Pflicht,
auf dem Boden unseres Progr ammes stehen zu bleiben in der großen
A ufgabe, welche in allen anderen Belangen des öffentlichen
Lebens von uns verlangt wird. Aber in den nationalen Fragen haben
wir ebenso die Pflicht, allen die Hand zu reichen, die wie wir
in der gemeinsamen Aufgabe durch Volksauftrag gestellt sind, die
schwebenden nationalen Differenzen zu bereinigen und den
Einfluß dazu und die Wirkung hiefür mit allen verfügbaren
Mitteln und Kräften gemeinsam zu bestreiten. Die Einigkeit
würde schon möglich sein. Wenn mir vorgehalten wurde,
daß es in der christlichsozialen Partei angeblich auch keine
Einigkeit gebe, daß auf der einen Seite Hilgenreiner
und Luschka für die Einheitsfront sprechen, auf der
anderen Seite Mayr-Harting dagegen, so stelle ich fest,
daß durch die Richtlinien der Partei wie durch unsere ganze
Tradition wir noch niemals den Standpunkt aufgegeben haben, der
für alle Mitglieder ohne Unterschied bindend ist, wonach
wir für die Einheitsfront einstehen. Wenn eine persönliche
Differenz etwa aus irgendeiner Versammlungsäußerung
von Seiten der Sudetendeutschen Partei gegen uns herauskonstruiert
wird, so möchte ich Herrn Dr. Rosche nur um eines
bitten: punkto Uneinigkeit der eigenen Partei lieber vor
der eigenen Tür zu kehren. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Taub.)
Die Aufgaben, die wir haben, sind höhere, als darüber
zu streiten und uns noch mehr auseinanderzubringen, wo es sich
um höchste völkische Interessen handelt. Das nationale
Problem ist ohnedies so schwer, daß es unter den gegebenen
Verhältnissen der größten Kunst und Klugheit bedürfen
wird, um das aufgegriffene Pflänzlein, welches noch sehr
zart ist, am Leben zu erhalten und zu einem mächtigen Baum,
eingewurzelt in den Boden unserer Heimat, zu gestalten. Ungeheuer
schwer für alle, die selbst besten Willens sind. Wir sind
uns über die Schwierigkeiten da gar nicht im Unklaren. Aber
es handelt sich um ein solches Volksinteresse, daß wir davon
nicht ablassen können und immer wieder versuchen müssen,
es in Angriff zu nehmen nach bestem Wissen und Gewissen vor unseren
Wählen, ich möchte sagen, von unserer historischen Sendung
im Staate, das Problem in Angriff zu nehmen, eine Aufgabe, zu
der Mut erforderlich ist. Zur Durchführung des Problems sind
unendlich viel Kenntnisse aller Belange in politischer, administrativer
und legislativer Hinsicht notwendig, und wenn wir die Ergänzung
durch große Parteien auf èechischer Seite hiezu in
Anspruch nehmen, werden wir sicher auch auf deutscher Seite berechtigt
sein, auch von unseren Volksgenossen, die in den Parlamentsparteien
vertreten sind, Mitarbeit zu verlangen. Ich mache aufmerksam,
daß wir bei dieser Hoffnung, die uns erfüllt, daß
es zur Lösung wenigstens der größten Differenzen
kommen wird, uns dessen bewußt sind, daß das Problem
bis an die Wurzel klargelegt werden muß und daß erst
dann der modus vivendi, von dem bereits gesprochen wurde, geschaffen
werden kann. Wir dürfen da nur feststellen, daß wir
mit halber Arbeit nicht zufrieden wären, umso weniger, wenn
man gleich stecken bleiben würde oder wenn man dieses hohe
und heilige Problem nicht nur für unser Volk, sondern für
den ganzen Staat, nur zu theoretischen Diskussionen herabsinken
lassen würde.
Das ist die Aufgabe der Parteien in der Regierung, das ist die
Aufgabe und die schwere Verantwortung insbesondere der deutschen
Regierungsparteien, damit zu beginnen, was bisher vielleicht durch
die politischen Verhältnisse nicht möglich war, was
aber jetzt durch die Entwicklung der außenpolitischen Verhältnisse
nicht nur möglich ist, sondern immer notwendiger wird.