Úterý 1. prosince 1936

Ich muß noch ein Wort über unser Verhältnis zu Deutschland sprechen. Unser Verhältnis zu Deutschland ist vom volklichen und nationalen Gesichtspunkt aus immer das gleiche gewesen. Es hat Masaryk, Beneš, Hodža, Kramáø, und wie die alle heißen, deutlich darauf verwiesen, daß es uns Sudetendeutschen niemals genommen sein kann, uns in geistiger und kultureller Verbund enheit mit dem groß en deutschen Volke und dem Reiche zu fühlen. Wir haben uns zu allen Zeiten mit dem Volke und dem Reiche ohne Rücksicht auf das System verbunden gefühlt, wir fühlten uns auch verbunden, als Genosse Kanzler Müller im Reiche regierte. (Sehr richtig!) Unsere Verbundenheit war nicht abhängig vom herrschenden System. Gerade die deutschen Sozialdemokraten haben den umgekehrten Weg beschritten. Sie haben ihr Verhältnis an das System gebunden. Wenn wir heute auf der grundlegenden Frage der Herstellung eines freundnachbarlichen Verhältnisses zum Reiche bestehen, was doch in der Auffassung als Deutsche ganz selbstverständlich sein muß, dann ist es immer die Idee des Friedens und niemals die Idee des Krieges. Wer ein freundnachbarliches Verhältnis wünscht, wünscht den Frieden. (Sehr richtig!) Das muß von maßgebender Bedeutung für Sie sein. (Posl. V. Sedláèek: To nezáleží jen na nás, to záleží také na tìch druhých!).

Ich möchte dem Schlusse zukommen. Herr Ministerpräsident, Sie können versichert sein, ich habe Ihnen gegenüber keine Loyalitätserklärung abzugeben, ich habe auch nicht den Willen dazu, aber wir müssen ausdrücklich feststellen, daß wir in Ihnen einen Mann sehen, von dem wir glauben, daß er die Probleme sieht, daß er sie behandeln und lösen will. Von dem Gesichtspunkte aus, Herr Ministerpräsident, begrüßen wir die Sachen. Aber lassen Sie uns bei den Kundgebungen des Präsidenten und den Ihren nicht den Glauben verlieren, wenn die Worte im Gegensatz zu den Taten stehen. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké strany.) Wir bitten Sie darum, lassen Sie den Worten, mit denen wir absolut einverstanden sinsind, auch die Taten folgen. Und nun ein Wort: Sie haben in Ihrer letzten Rede ausdrücklich festgestellt, daß von den nationalen Fragen und Problemen auch die Opposition nicht ausgeschaltet ist. Wir melden zu diesen Dingen nicht nur in der Mitarbeit unseren Willen, sondern auch unseren berechtigten Anspruch an. Wir glauben sagen zu können, daß Sie um eine Partei, die 70% der sudetendeutschen Bevölkerung repräsentiert, in diesen Fragen nicht hinwegkommen, denn diese Fragen sind nicht Fragen einer Partei, sie sind Fragen des Volkes; Sie können unmöglich dieses ganze Problem nur mit den deutschen Regierungsparteien und für diese lösen. Sie werden sie immer grundlegend mit dem ganzen Volke - von Volk zu Volk - lösen müssen und deswegen haben wir immer gesprochen von einem Ausgleich von Volk zu Volk.

Einheitspartei, Einheitsfront! Es ist viel darüber gesprochen worden und da möchte ich den Herren von den deutschen Regierungsparteien, welche diese Einheitsfront so stark propagieren, Folgendes sagen: In der Vergangenheit haben wir mit den Einheitsfronten sehr schlechte Erfahrungen gemacht; das hat die sudetendeutsche Geschichte bewiesen. Die Einheitsfront kann nur dann Wirksamkeit haben, wenn sie sämtliche deutschen Parteien in der nationalen Frage einigt. Eine Einheitsfront mit den Christlichsozialen allein zu schließen, ist für uns nicht diskutabel. In dieser Einheitsfront müssen sämtliche deutschen Parteien, einschließlich der Kommunisten enthalten sein, weil nur das eine Einheitsfront sein kann, welche die Konkurrenz in diesem nationalen Problem ausschaltet. Solange sich die Christlichsozialen mit Hilgenreiner und Luschka auf der einen Seite und Zajièek und Mayr-Harting auf der anderen Seite noch selbst nicht über den Gedanken der Einheitsfront einig sind, ist das unsererseits nicht zu diskutieren. (Posl. dr Luschka: Sie irren sich, wir haben einheitliche Richtlinien!) Aber pardon, wie konnte dann Mayr-Harting in Karlsbad so sprechen, Herr Kollege. Mayr-Harting hat doch nichts anderes gemacht als eine Polemik gegen die Sudetendeutsche Partei gehalten, vom Programm und der Loyalität angefangen bis zur Blechmusik. Herr Koll. Luschka, Sie können ihm ausrichten, die Blechmusik richtet sich nach der Stärke. Ihnen bleibt es überlassen, entsprechend Ihrer Stärke mit der Piccoloflöte einverstanden zu sein.

Auf eines möchte ich noch aufmerksam machen: Auf der sudetendeutschen Seite ist das ganze politische Problem ein Generationsproblem. Herr Ministerpräsident, wir stehen, soweit Sie die 70 % der sudetendeutschen B evölkerung politisch vertreten sehen, bereits in der zweiten Generation, während sie bei den übrigen Parteien und selbst zum Teil bei den èechischen Parteien noch in der ersten Generation stehen. Nehmen Sie die Christlichsozialen; der Jungaktivist Schütz-Mayr-Harting, beim Bund der Landwirte Jungaktivist Hacker - Spina und bei den Sozialdemokraten Jungaktivist Jaksch-Czech. Sie sehen ja selbst, daß Sie beinahe auf dieses Generationsproblem auch auf der èechischen Seite kommen, nachdem Sie selbst in den Zeitungen über Ihre Verhandlungen mit den Jungaktivisten berichten lassen. Wir stehen heute auf der deutschen Seite vor dem Generationsproblem, das sich absolut nicht leugnen läßt. Wir stehen auf der sudetendeutschen Seite in der Politik vor dem Problem der Jugend und von dem Gesichtspunkte aus wird diese ganze Lösung immer dringlicher, weil auch diese ganze Lösung des nationalen Problems auch ein Problem der Jugend ist, weil wir auf der sudetendeutschen Seite wissen müssen, was wir mit unserer Jugend machen.

Wie die Verhältnisse draußen auf dem Lande sich heute gestalten, davon dringt die Kunde nicht zu Ihnen, wie es in Wirklichkeit aussieht. Wenn Sie die Relationen überprüfen könnten, oder wenn Sie hinausfahren und die Dinge in Wirklichkeit sehen würden, dann würden Sie ganz andere Verhältnisse herausfinden, dann würden Sie feststellen können. daß sich das sudetendeutsche Gebiet einem Konzentrationslager nähert, Sie unser Gebiet durch Vermehrung der Staatspolizei und Gendarmerie zerniert haben. Und wie sieht die praktische Durchführung der Verwaltung aus!

Ich möchte meine grundsätzlichen Ausführungen damit schließen, daß ich folgende Erwägungen anstelle. Aus dem ganzen Aufbau und aus dem W illen des Volkes heraus sehen Sie von uns Abgeordneten und Senatoren ab -, denken Sie in Ihren Maßnahmen, die Sie treffen, positiv und negativ, immer daran, daß Sie 70% der sudetendeutschen Bevölkerung treffen. Wir stehen vor einer Vertrauensfrage. Immer heißt es: "Ja, das und das ist recht schön, aber wir haben kein Vertrauen zu Euch." Prüfen Sie doch einmal die Frage von der anderen Seite, ob nicht die Herstellung des Vertrauens gerade für die èechische Seite vielleicht dringlicher ist. Da möchte ich auf eine sehr kluge Bemerkung in der "Pøítomnost" hinweisen, die lautet: "Ein gutes Verhältnis zu den Minderheiten bessert die strategische Lage der Republik." Das ist ein wahres Wort. Wenn jemand zu einem Menschen kein Vertrauen haben will, dann kann der Betreffende machen, was er will. Aber dieser Zustand muß sich rächen, weil Druck Gegendruck auslöst und weil diese Verhältnisse, wenn Sie so fortfahren, sich in einer Weise zuspitzen, daß sie niemals dem Frieden dienen können. Es geht nicht an. daß Sie auf èechischer Seite mit uns Sudetendeutschen ständig Schule halten. Man muß endlich begreifen, daß wir aus diesem Stadium der ständigen Vorwürfe, der ständigen Schwierigkeiten herauskommen müssen. Meine Herren, rekriminieren wir nicht mit der Vergangenheit, lassen Sie diesse als Geschichte bestehen. Ich mache Ihnen den Vorschlag: Liquidieren wir im Sinne der Gleichberechtigung die Vergangenheit, die Vergangenheit möge der Geschichte angehören, in der Zukunft liegt Leben und Hoffnung. Ich möchte Ihnen ein ernstes Wort sagen: Schalten Sie jene dunklen Kräfte aus, die sich hindernd zwischen die zwei Völker stellen und nichts anderes vorhaben als das Verhältnis zwischen den Völkern zu vergiften und zu verhetzen. Wenn wir imstande sind bei der Lösung des nationalen Problems diese ganzen nationalen Fragen und Streitigkeiten auszuschalten, wird sich der Raum freimachen im Interesse der Arbeit für unsere Mitbürger für Brot und Arbeit. Maßgeblich wird sein, daß wir uns gegenseitig in der politischen Gesinnung respektieren. Wir wollen aus Ihnen keine Deutschen machen, würden aber auch umgekehrt dagegen protestieren, wenn Sie uns zu Èechen machen wollten. Wir haben nichts anderes zu tun, als unsere politische Gesinnung gegenseiti g zu respektieren und den Weg der Gerechtigkeit zu beschreiten.

Ich wage zu behaupten, daß der nächste Mann, der die Inschrift eingemeißelt bekommt: "Zasloužil se o stát" - "hat sich um den Staat verdient gemacht" - im èechischen Volke nur derjeni ge sein kann, der das größte Verdienst um die Befriedung der inneren Verhältnisse hat. Denn von der Lösung dieser inneren Verhältnisse hängt das ganze Schicksal des Staates ab. (Potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)

3. Øeè posl. Köglera (viz str. 29 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich möchte zunächst einige Feststellungen zu den Ausführungen des Herrn Dr. Rosche machen. Herr Dr. Rosche erklärte, er spreche hier nur als einfacher Soldat, nicht als Dr. Rosche. Mir persönlich wäre eine politische und wirtschaftliche Rede des Herrn Dr. Rosche deshalb lieber gewesen, (Posl. Kundt: Weil er Ihnen unangenehm geredet hat!). Nein. weil wir dann gewußt hätten, wie ein deutscher Industrieller und Unternehmer zu den Dingen steht, die hier im Vordergrunde der wirtschaftlichen und politischen Betrachtung stehen. Ich möchte eine weitere Feststellung machen: Herr Dr. Rosche sprach hier angeblich im N amen von 70% der deu tschen Bevölkerung. (Výkøiky: Vielleicht schon 80%! - Posl. Birke: Da habt Ihr halt Neid!) Die Ausführungen des Herrn Dr. Rosche boten eine Reihe von Beweisen dafür, daß seine historischen Reminiszenzen es mit der Genauigkeit nicht so halten, wie das notwendig gewesen wäre. Herr Dr. Rosche mag von 70% des deutschen Volkes reden, aber er hat nicht die Berechtigung, n amens der Mehrheit der deutschen Arbeiter zu reden. (Výkøiky posl. Kundta.)

Noch eine Feststellung, meine Herren von der Sudetendeutschen Partei. Warum sind Sie so bescheiden? Herr Dr. Rosche erklärte, daß drei deutsche Minister der èechoslovakischen Regierung angehören, sei eigentlich ein Erfolg der Sudetendeutschen Partei. Von den 3 deutschen Ministern gehört einer seit dem Jahre 1926, der andere seit dem Jahre 1929 der Regierung an, also seit einem Zeitpunkt, da die èechoslovakische Öffentlichkeit noch keine Sudetendeutsche Partei und auch noch keinen Führer der Sudetendeutschen Partei kannte. Warum sind Sie so bescheiden, Sie könnten die Gründung des èechoslovakischen Staates als Ihr Verdienst beanspruchen, warum nicht auch die Weltschöpfung, wenn Sie schon einmal dabei sind, alle Entwicklung für sich zu reklamieren.

Zu der Frage der Demokratie möchte ich dem Herrn Dr. Rosche mit dem Wort des Herrn Staatspräsidenten antworten: Herr Dr. Rosche erklärte, wir können nichts anderes als Demokraten sein in der Èechoslovakischen Republik. Im gleichen Zusammenhang fiel das Wort des Herrn Staatspräsidenten in Brünn: Wer hätte sich einen solchen Grad von Verwirrung vorstellen können in der heutigen Zeit! (Posl. Kundt: Wie Sie es darstellen!) Die sudetendeutsche Presse und die sudetendeutsche Öffentlichkeit, soweit sie von Ihrer Partei, meine Herren, unmittelbar, beeinflußt wird, lehnt die demokratischen Grundsätze ab, von denen hier Herr Dr. Rosche gesprochen hat. (Výkøiky: Nein, die sozialdemokratischen Grundsätze, die Diktatur des Proletariats!)

Nun möchte ich mich den Fragen des Budgets zuwenden. Der Staatshaushalt wird in einem Zeitpunkt aufgelegt, von dem wir sagen können, daß er eine allgemeine wirtschaftliche Erleichterung und Besserung selbst in den deutschen Randgebieten wahrnehmen läßt. Die Grenzgebiete nehmen heute schon sichtbar an dieser wirtschaftlichen Besserung teil, an dem Erfolge, der - das stellen wir mit besonderer Befriedigung fest - ein Erfolg des demokratischen Regimes in der Èechoslovakischen Republik ist, an dem die deutschen Sozialdemokraten als Angehörige der Koalition ihren Anteil haben. Wir stellen dies deshalb fest, weil insbesondere aus den Reihen der Sudetendeutschen Partei in vielen Staatsbürgern eine Art Wunderglaube verbreitet worden ist, daß Initiative nicht von einem demokratischen Regime ausgehen könne. Die wirtschaftliche Besserung in der Èechoslovakischen Republik, die fühlbare Erleichterung der Wirtschaftskrise ist ein demokratischer Gegenbeweis gegen diese Auffassungen, die leider in der deutschen Bevölkerung unseres Staates systematisch verbreitet werden. Die Zahl der Arbeitslosen insbesondere im Krisengebiet ist im letzten Jahr sichtbar abgestiegen. (Posl. Kundt: Ich habe es im "Karlsbader Volkswillen" anders gelesen!) Die Zahl der Arbeitslosen ist selbst in schweren Krisengebieten heute unter den Ziffern des Vorjahres. (Výkøiky: Bezirke Reichenberg, Karlsbad!) Jawohl, in Reichenberg, im Bezirk Warnsdorf, selbst in der schwer notleidenden Glasindustrie merken wir deutlich den wirtschaftlichen Umschwung, vornehmlich in der Textilindustrie und dann auch in der Glasindustrie. Sie beginnen sich langs am wirtschaftlich zu erholen. Die Exportziffern der Textilindustrie steigen, wenn auch das Tempo dieses Fortschrittes für die Wünsche, die wir an die wi rtschaftliche Neuordnung und an den Wiederaufbau alle haben, als zu langsam gelten kann. Vom Status des Jahres 1929 trennt uns natürlich noch ein gutes Stück. Aber dank der wi rtschaftlichen und währungspolitischen Maßnahmen der Regierung holen wir in diesen Gebieten überall auf. Was das bedeutet, kann am besten der ermessen, der in einem Industriegebiet, in einem Notstandsgebiet, in einem von der Krise erfaßten Gebiet wohnt und lebt, an den Tag für Tag die Not der Menschen, die Auswirkungen der Krise herantreten, die Frauen verhärmt, die Männer physisch verfallen, die Jugend psychisch und moralisch in Gefahr.

Wir können aber eine Feststellung machen: der Tiefpunkt ist überschritten und die Entwicklung bietet ein hoffn ungsvolleres Bild. Wir können auch feststellen, daß selbst in den Krisengebieten eine leichte Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse eintritt. Allerdings: wir brauchen außer den Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, zur Förderung der Wirtschaft noch weitere Maßnahmen. Ich kann mich hier auf die Ausführungen meines Koll. Hampl stützen, der in klarer Weise darauf hingewiesen hat, wieviel auf dem Gebiete der industriellen Belebung gesamtstaatlich und insbesondere auch für die Exportindustrie zu tun ist. Wenn wir im Jahre 1929 bei 20 Milliarden Export hielten, von denen 6 3/4 auf die Textilindustrie und 1.4 allein auf die Glasindustrie entfielen, so halten wir im Jahre 1936 bei letzterer ungefähr bei 50 % der Ausfuhr, bei der Textilindustrie in einem höheren Ausmaße. Das gibt uns einen etwas freundlicheren Ausblick in das Jahr 1937. Im Vergleich zum Anstieg der Weltproduktion sehen wir, daß uns ungefähr ein Viertel fehlt, von 70 auf 94 %. Wir haben die Hoffnung, daß wir das erreichen werden.

Aber es taucht eine andere Sorge auf. Selbst wenn das der Fall sein wird, selbst wenn die Produktionsziffer so ansteigt, daß man sagen kann, wir erreichen das Jahr 1929, werden wir mit einer Sorge schwer zu kämpfen haben, das ist die, daß selbst bei erfüllten Produktionsziffern nicht der letzte Arbeiter an die Maschine kommt, denn unsere Arbeitslosigkeit ist nicht nur krisenbedingt, sie ist auch technologisch bedingt. Wir haben hunderte, ja tausende von Arbeitern, die deshalb aus dem Produktionsprozesse ausgeschieden sind, weil sie die Opfer der Technisierung, der Rationalisierung unserer Wirtschaft bilden. Unsere Wirtschaft hat Produktionszweige, in denen auf diesem Gebiete in ungebändigtem Drange nach Gewinn der Industriellen mehr geschah als notwendig, und mehr geschah als den sozialen Interessen der ge samten Bevölkerung zuträglich war. Das Tempo der Rationalisierung hat tausende, zehntausende von Menschen aus ihren Arbeitsplätzen vertrieben. In einer Reihe von Industrien, wie Textil, Holz, Maschinen, Bergbau, Elektrizitätsbedarf, Chemie, sehen wir heute schon die Produktion steigen, aber die Zahl der Beschäftigten sinken. Da taucht ein Problem für das Parlament und die Regierung auf, das dringend einer Lösung heischt, das einen Eingriff in die Wi rtschaft rechtfertigt, weil uns dazu die Sorge um die Opfer der technischen Arbeitslosigkeit zwingt.

Im Rahmen der allgemeinen Erholung, von der ich schon gesprochen habe, zeichnen sich aber noch bestimmte Krisenterritorien und Krisenbranchen ab, sowie Inseln im Meer, und sie lenken den Blick des hohen Hauses und der Regierung auf sich. Unsere Partei hat zum Wiederaufbau auch dieser Gebiete ihre ganz konkreten Forderungen öffentlich bekanntgegeben, die darauf hinauslaufen, in den Krisengebieten den Versuch zu unternehmen, den Wiederaufbau durch neue Industrien herbeizuführen, denen vom Staate her die notwendige Unterstützung in Fo rm von Steuererleichterungen und Frachtbegünstigungen zuteil werden soll. Unsere Partei hat darauf hingewiesen, daß in den Devisenmaßnahmen, die heute noch ganz beachtenswe rte Schwierigkeiten bilden, zwecks rascherer Wiederbelebung eine Erleichterung eintreten muß, damit das Tempo der Neubelebung und des wirtschaftlichen Wiederaufbaues ein rascheres werde, um die jetzt schon gesunkene Z iffer der Arbeitslosen bis auf das denkbar niedrigste Minimum herabzusetzen.

Das Schicksal der nordböhmischen Industrie ist der Export. Daher haben wir Maßnahmen zu seiner Entwicklung, zur Zurückgewinnung verlorener und zur Gewinnung neuer Märkte gefordert. Die Regierung beschäftigt sich mit diesen Fragen und wir sind der Meinung, daß dies dazu führen wird, daß ein wirksamerer Kampf gegen die Krise und die wirtschaftlichen Zustände geführt werden kann, die wir heute noch in bestimmtên Notst andsbezirken haben.

Darüber hinaus möchte ich auf ein Kapitel verweisen, das der besonderen Aufmerksamkeit nicht entzogen werden kann, nämlich die Frage der Teuerung und der steigenden Preise.

Der Krisenablauf wird ferner erschwert durch das Verhalten unserer Industriekartelle. Es ist wiederholt in diesem Hause festgestellt worden, daß der Schacher mit den Stillegungsprämien, mit den Kontingenten in der Industrie eine Barriere gegen den Wiederaufbau darstellt und nur zur Sicherung der Unternehmergewinne dient, die nicht verantwortet werden kann. Ich will nur auf einen Fall hinweisen: Eine Textilunternehmung in Nordböhmen, eine Spinnerei mit 11.000 Spindeln, läßt den Betrieb stehen. Sie erhält vom Kartell pro stillgelegte Spindel eine Entschädigung von 6 Kè pro Monat. Das bedeutet 66.000 Kronen für einen Monat oder 792.000 Kronen für ein Jahr. Der Unternehmer hat nicht das geringste Risiko. Er braucht sich weder mit der Belegschaft, noch mit der Rohstoffversorgung noch mit den Banken einzulassen. Er erhält über 3/4 Millionen Kronen jährlich vom Kartell für die abgekaufte Produktion ausbezahlt. Es ist ganz selbstverständlich, daß unter solchen Voraussetzungen die Aufmerksamkeit diesen Dingen zugewendet werden muß. Die Kartelle haben andere Aufgaben zu erfüllen, als Erschwernisse in der wirtschaftlichen Besserung zu verursachen. Die Wirkung ist folgende: Dieser Textilbetrieb hat 500 Arbeiterinnen und Arbeiter, um die kümmert sich der Industrielle nicht. Diese 500 Arbeiterinnen und Arbeiter, das ist eine Sorge des Staates, der sie während der Arbeitslosigkeit unterstützt, bestenfalls eine Sorge der Selbsthilfe der freigewerkschaftlichen Organisationen. Die Leistung des Staates aber und die der gewerkschaftlichen Organisationen beträgt in einem solchen Falle gegenüber einer Entschädigung des Kartells von 3/4 Millionen an einen privaten Indusstrieunternehmer 1.2 bis 1.3 Millionen Kronen an die Opfer dieses Zustandes. Die Kartelle, die die Produktion in die modernsten Betriebe verlegen, die dabei ausgezeichnete Gewinne machen, bei relativ geringen Steuern, die das Risiko der Existenzsicherung von hunderten Menschen einfach dem Staate oder der Selbsthilfe der gewerkschaftlichen Organisationen überlassen, sind in dieser Tätigkeit ein Hemmnis für die Neubelebung der Wirtschaft und den industriellen Aufbau. Daher kann der Staat diese Entwicklung nicht einfach unkontrolliert abla ufen lassen. Er muß regulierend und dirigierend eingreifen im Interesse der hunderttausende von Menschen, die vom Schicksal der Arbeitslosigkeit du rch das Spiel der freien Kräfte betroffen werden, also im Interesse vieler tausender Staatsbürger. Wir sind der Hoffnung, daß die Regierung in ihrem Vorgehen gegen diese Übelstände, von denen wir allerdings in den Darlegungen des Dr. Rosche als Industriellen nicht ein Wort vernommen haben, sich nicht durch die unausgesetzten Warnungsrufe gewisser Interessentenkreise ablenken lassen, sondern auf dem Wege der Dirigierung der Wirtschaft weiterschreiten wird.


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