Ich muß noch ein Wort über unser Verhältnis zu
Deutschland sprechen. Unser Verhältnis zu Deutschland ist
vom volklichen und nationalen Gesichtspunkt aus immer das gleiche
gewesen. Es hat Masaryk, Beneš, Hodža,
Kramáø, und wie die alle heißen, deutlich
darauf verwiesen, daß es uns Sudetendeutschen niemals genommen
sein kann, uns in geistiger und kultureller Verbund enheit mit
dem groß en deutschen Volke und dem Reiche zu fühlen.
Wir haben uns zu allen Zeiten mit dem Volke und dem Reiche ohne
Rücksicht auf das System verbunden gefühlt, wir fühlten
uns auch verbunden, als Genosse Kanzler Müller im Reiche
regierte. (Sehr richtig!) Unsere Verbundenheit war nicht
abhängig vom herrschenden System. Gerade die deutschen Sozialdemokraten
haben den umgekehrten Weg beschritten. Sie haben ihr Verhältnis
an das System gebunden. Wenn wir heute auf der grundlegenden Frage
der Herstellung eines freundnachbarlichen Verhältnisses zum
Reiche bestehen, was doch in der Auffassung als Deutsche ganz
selbstverständlich sein muß, dann ist es immer die
Idee des Friedens und niemals die Idee des Krieges. Wer ein freundnachbarliches
Verhältnis wünscht, wünscht den Frieden. (Sehr
richtig!) Das muß von maßgebender Bedeutung für
Sie sein. (Posl. V. Sedláèek: To nezáleží
jen na nás, to záleží také na
tìch druhých!).
Ich möchte dem Schlusse zukommen. Herr Ministerpräsident,
Sie können versichert sein, ich habe Ihnen gegenüber
keine Loyalitätserklärung abzugeben, ich habe auch nicht
den Willen dazu, aber wir müssen ausdrücklich feststellen,
daß wir in Ihnen einen Mann sehen, von dem wir glauben,
daß er die Probleme sieht, daß er sie behandeln und
lösen will. Von dem Gesichtspunkte aus, Herr Ministerpräsident,
begrüßen wir die Sachen. Aber lassen Sie uns bei den
Kundgebungen des Präsidenten und den Ihren nicht den Glauben
verlieren, wenn die Worte im Gegensatz zu den Taten stehen. (Potlesk
poslancù sudetskonìmecké strany.) Wir
bitten Sie darum, lassen Sie den Worten, mit denen wir absolut
einverstanden sinsind, auch die Taten folgen. Und nun ein Wort:
Sie haben in Ihrer letzten Rede ausdrücklich festgestellt,
daß von den nationalen Fragen und Problemen auch die Opposition
nicht ausgeschaltet ist. Wir melden zu diesen Dingen nicht nur
in der Mitarbeit unseren Willen, sondern auch unseren berechtigten
Anspruch an. Wir glauben sagen zu können, daß Sie um
eine Partei, die 70% der sudetendeutschen Bevölkerung repräsentiert,
in diesen Fragen nicht hinwegkommen, denn diese Fragen sind nicht
Fragen einer Partei, sie sind Fragen des Volkes; Sie können
unmöglich dieses ganze Problem nur mit den deutschen Regierungsparteien
und für diese lösen. Sie werden sie immer grundlegend
mit dem ganzen Volke - von Volk zu Volk - lösen müssen
und deswegen haben wir immer gesprochen von einem Ausgleich von
Volk zu Volk.
Einheitspartei, Einheitsfront! Es ist viel darüber gesprochen
worden und da möchte ich den Herren von den deutschen Regierungsparteien,
welche diese Einheitsfront so stark propagieren, Folgendes sagen:
In der Vergangenheit haben wir mit den Einheitsfronten sehr schlechte
Erfahrungen gemacht; das hat die sudetendeutsche Geschichte bewiesen.
Die Einheitsfront kann nur dann Wirksamkeit haben, wenn sie sämtliche
deutschen Parteien in der nationalen Frage einigt. Eine Einheitsfront
mit den Christlichsozialen allein zu schließen, ist für
uns nicht diskutabel. In dieser Einheitsfront müssen sämtliche
deutschen Parteien, einschließlich der Kommunisten enthalten
sein, weil nur das eine Einheitsfront sein kann, welche die Konkurrenz
in diesem nationalen Problem ausschaltet. Solange sich die Christlichsozialen
mit Hilgenreiner und Luschka auf der einen Seite
und Zajièek und Mayr-Harting auf der anderen
Seite noch selbst nicht über den Gedanken der Einheitsfront
einig sind, ist das unsererseits nicht zu diskutieren. (Posl.
dr Luschka: Sie irren sich, wir haben einheitliche Richtlinien!)
Aber pardon, wie konnte dann Mayr-Harting in Karlsbad
so sprechen, Herr Kollege. Mayr-Harting hat doch nichts
anderes gemacht als eine Polemik gegen die Sudetendeutsche Partei
gehalten, vom Programm und der Loyalität angefangen bis zur
Blechmusik. Herr Koll. Luschka, Sie können ihm ausrichten,
die Blechmusik richtet sich nach der Stärke. Ihnen bleibt
es überlassen, entsprechend Ihrer Stärke mit der Piccoloflöte
einverstanden zu sein.
Auf eines möchte ich noch aufmerksam machen: Auf der sudetendeutschen
Seite ist das ganze politische Problem ein Generationsproblem.
Herr Ministerpräsident, wir stehen, soweit Sie die 70 % der
sudetendeutschen B evölkerung politisch vertreten sehen,
bereits in der zweiten Generation, während sie bei den übrigen
Parteien und selbst zum Teil bei den èechischen Parteien
noch in der ersten Generation stehen. Nehmen Sie die Christlichsozialen;
der Jungaktivist Schütz-Mayr-Harting, beim Bund der
Landwirte Jungaktivist Hacker - Spina und bei den Sozialdemokraten
Jungaktivist Jaksch-Czech. Sie sehen ja selbst, daß
Sie beinahe auf dieses Generationsproblem auch auf der èechischen
Seite kommen, nachdem Sie selbst in den Zeitungen über Ihre
Verhandlungen mit den Jungaktivisten berichten lassen. Wir stehen
heute auf der deutschen Seite vor dem Generationsproblem, das
sich absolut nicht leugnen läßt. Wir stehen auf der
sudetendeutschen Seite in der Politik vor dem Problem der Jugend
und von dem Gesichtspunkte aus wird diese ganze Lösung immer
dringlicher, weil auch diese ganze Lösung des nationalen
Problems auch ein Problem der Jugend ist, weil wir auf der sudetendeutschen
Seite wissen müssen, was wir mit unserer Jugend machen.
Wie die Verhältnisse draußen auf dem Lande sich heute
gestalten, davon dringt die Kunde nicht zu Ihnen, wie es in Wirklichkeit
aussieht. Wenn Sie die Relationen überprüfen könnten,
oder wenn Sie hinausfahren und die Dinge in Wirklichkeit sehen
würden, dann würden Sie ganz andere Verhältnisse
herausfinden, dann würden Sie feststellen können. daß
sich das sudetendeutsche Gebiet einem Konzentrationslager nähert,
Sie unser Gebiet durch Vermehrung der Staatspolizei und Gendarmerie
zerniert haben. Und wie sieht die praktische Durchführung
der Verwaltung aus!
Ich möchte meine grundsätzlichen Ausführungen damit
schließen, daß ich folgende Erwägungen anstelle.
Aus dem ganzen Aufbau und aus dem W illen des Volkes heraus sehen
Sie von uns Abgeordneten und Senatoren ab -, denken Sie in Ihren
Maßnahmen, die Sie treffen, positiv und negativ, immer daran,
daß Sie 70% der sudetendeutschen Bevölkerung treffen.
Wir stehen vor einer Vertrauensfrage. Immer heißt es: "Ja,
das und das ist recht schön, aber wir haben kein Vertrauen
zu Euch." Prüfen Sie doch einmal die Frage von der anderen
Seite, ob nicht die Herstellung des Vertrauens gerade für
die èechische Seite vielleicht dringlicher ist. Da möchte
ich auf eine sehr kluge Bemerkung in der "Pøítomnost"
hinweisen, die lautet: "Ein gutes Verhältnis zu den
Minderheiten bessert die strategische Lage der Republik."
Das ist ein wahres Wort. Wenn jemand zu einem Menschen kein Vertrauen
haben will, dann kann der Betreffende machen, was er will. Aber
dieser Zustand muß sich rächen, weil Druck Gegendruck
auslöst und weil diese Verhältnisse, wenn Sie so fortfahren,
sich in einer Weise zuspitzen, daß sie niemals dem Frieden
dienen können. Es geht nicht an. daß Sie auf èechischer
Seite mit uns Sudetendeutschen ständig Schule halten. Man
muß endlich begreifen, daß wir aus diesem Stadium
der ständigen Vorwürfe, der ständigen Schwierigkeiten
herauskommen müssen. Meine Herren, rekriminieren wir nicht
mit der Vergangenheit, lassen Sie diesse als Geschichte bestehen.
Ich mache Ihnen den Vorschlag: Liquidieren wir im Sinne der Gleichberechtigung
die Vergangenheit, die Vergangenheit möge der Geschichte
angehören, in der Zukunft liegt Leben und Hoffnung. Ich möchte
Ihnen ein ernstes Wort sagen: Schalten Sie jene dunklen Kräfte
aus, die sich hindernd zwischen die zwei Völker stellen und
nichts anderes vorhaben als das Verhältnis zwischen den Völkern
zu vergiften und zu verhetzen. Wenn wir imstande sind bei der
Lösung des nationalen Problems diese ganzen nationalen Fragen
und Streitigkeiten auszuschalten, wird sich der Raum freimachen
im Interesse der Arbeit für unsere Mitbürger für
Brot und Arbeit. Maßgeblich wird sein, daß wir uns
gegenseitig in der politischen Gesinnung respektieren. Wir wollen
aus Ihnen keine Deutschen machen, würden aber auch umgekehrt
dagegen protestieren, wenn Sie uns zu Èechen machen wollten.
Wir haben nichts anderes zu tun, als unsere politische Gesinnung
gegenseiti g zu respektieren und den Weg der Gerechtigkeit zu
beschreiten.
Ich wage zu behaupten, daß der nächste Mann, der die
Inschrift eingemeißelt bekommt: "Zasloužil se
o stát" - "hat sich um den Staat verdient gemacht"
- im èechischen Volke nur derjeni ge sein kann, der das
größte Verdienst um die Befriedung der inneren Verhältnisse
hat. Denn von der Lösung dieser inneren Verhältnisse
hängt das ganze Schicksal des Staates ab. (Potlesk poslancù
strany sudetskonìmecké.)
Hohes Haus! Ich möchte zunächst einige Feststellungen
zu den Ausführungen des Herrn Dr. Rosche machen. Herr
Dr. Rosche erklärte, er spreche hier nur als einfacher
Soldat, nicht als Dr. Rosche. Mir persönlich wäre
eine politische und wirtschaftliche Rede des Herrn Dr. Rosche
deshalb lieber gewesen, (Posl. Kundt: Weil er Ihnen unangenehm
geredet hat!). Nein. weil wir dann gewußt hätten,
wie ein deutscher Industrieller und Unternehmer zu den Dingen
steht, die hier im Vordergrunde der wirtschaftlichen und politischen
Betrachtung stehen. Ich möchte eine weitere Feststellung
machen: Herr Dr. Rosche sprach hier angeblich im N amen
von 70% der deu tschen Bevölkerung. (Výkøiky:
Vielleicht schon 80%! - Posl. Birke: Da habt Ihr halt Neid!)
Die Ausführungen des Herrn Dr. Rosche boten eine
Reihe von Beweisen dafür, daß seine historischen Reminiszenzen
es mit der Genauigkeit nicht so halten, wie das notwendig gewesen
wäre. Herr Dr. Rosche mag von 70% des deutschen Volkes
reden, aber er hat nicht die Berechtigung, n amens der Mehrheit
der deutschen Arbeiter zu reden. (Výkøiky posl.
Kundta.)
Noch eine Feststellung, meine Herren von der Sudetendeutschen
Partei. Warum sind Sie so bescheiden? Herr Dr. Rosche erklärte,
daß drei deutsche Minister der èechoslovakischen
Regierung angehören, sei eigentlich ein Erfolg der Sudetendeutschen
Partei. Von den 3 deutschen Ministern gehört einer seit dem
Jahre 1926, der andere seit dem Jahre 1929 der Regierung an, also
seit einem Zeitpunkt, da die èechoslovakische Öffentlichkeit
noch keine Sudetendeutsche Partei und auch noch keinen Führer
der Sudetendeutschen Partei kannte. Warum sind Sie so bescheiden,
Sie könnten die Gründung des èechoslovakischen
Staates als Ihr Verdienst beanspruchen, warum nicht auch die Weltschöpfung,
wenn Sie schon einmal dabei sind, alle Entwicklung für sich
zu reklamieren.
Zu der Frage der Demokratie möchte ich dem Herrn Dr. Rosche
mit dem Wort des Herrn Staatspräsidenten antworten: Herr
Dr. Rosche erklärte, wir können nichts anderes
als Demokraten sein in der Èechoslovakischen Republik.
Im gleichen Zusammenhang fiel das Wort des Herrn Staatspräsidenten
in Brünn: Wer hätte sich einen solchen Grad von Verwirrung
vorstellen können in der heutigen Zeit! (Posl. Kundt:
Wie Sie es darstellen!) Die sudetendeutsche Presse und die
sudetendeutsche Öffentlichkeit, soweit sie von Ihrer Partei,
meine Herren, unmittelbar, beeinflußt wird, lehnt die demokratischen
Grundsätze ab, von denen hier Herr Dr. Rosche gesprochen
hat. (Výkøiky: Nein, die sozialdemokratischen
Grundsätze, die Diktatur des Proletariats!)
Nun möchte ich mich den Fragen des Budgets zuwenden. Der
Staatshaushalt wird in einem Zeitpunkt aufgelegt, von dem wir
sagen können, daß er eine allgemeine wirtschaftliche
Erleichterung und Besserung selbst in den deutschen Randgebieten
wahrnehmen läßt. Die Grenzgebiete nehmen heute schon
sichtbar an dieser wirtschaftlichen Besserung teil, an dem Erfolge,
der - das stellen wir mit besonderer Befriedigung fest - ein Erfolg
des demokratischen Regimes in der Èechoslovakischen Republik
ist, an dem die deutschen Sozialdemokraten als Angehörige
der Koalition ihren Anteil haben. Wir stellen dies deshalb fest,
weil insbesondere aus den Reihen der Sudetendeutschen Partei in
vielen Staatsbürgern eine Art Wunderglaube verbreitet worden
ist, daß Initiative nicht von einem demokratischen Regime
ausgehen könne. Die wirtschaftliche Besserung in der Èechoslovakischen
Republik, die fühlbare Erleichterung der Wirtschaftskrise
ist ein demokratischer Gegenbeweis gegen diese Auffassungen, die
leider in der deutschen Bevölkerung unseres Staates systematisch
verbreitet werden. Die Zahl der Arbeitslosen insbesondere im Krisengebiet
ist im letzten Jahr sichtbar abgestiegen. (Posl. Kundt: Ich
habe es im "Karlsbader Volkswillen" anders gelesen!)
Die Zahl der Arbeitslosen ist selbst in schweren Krisengebieten
heute unter den Ziffern des Vorjahres. (Výkøiky:
Bezirke Reichenberg, Karlsbad!) Jawohl, in Reichenberg, im
Bezirk Warnsdorf, selbst in der schwer notleidenden Glasindustrie
merken wir deutlich den wirtschaftlichen Umschwung, vornehmlich
in der Textilindustrie und dann auch in der Glasindustrie. Sie
beginnen sich langs am wirtschaftlich zu erholen. Die Exportziffern
der Textilindustrie steigen, wenn auch das Tempo dieses Fortschrittes
für die Wünsche, die wir an die wi rtschaftliche Neuordnung
und an den Wiederaufbau alle haben, als zu langsam gelten kann.
Vom Status des Jahres 1929 trennt uns natürlich noch ein
gutes Stück. Aber dank der wi rtschaftlichen und währungspolitischen
Maßnahmen der Regierung holen wir in diesen Gebieten überall
auf. Was das bedeutet, kann am besten der ermessen, der in einem
Industriegebiet, in einem Notstandsgebiet, in einem von der Krise
erfaßten Gebiet wohnt und lebt, an den Tag für Tag
die Not der Menschen, die Auswirkungen der Krise herantreten,
die Frauen verhärmt, die Männer physisch verfallen,
die Jugend psychisch und moralisch in Gefahr.
Wir können aber eine Feststellung machen: der Tiefpunkt ist
überschritten und die Entwicklung bietet ein hoffn ungsvolleres
Bild. Wir können auch feststellen, daß selbst in den
Krisengebieten eine leichte Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse
eintritt. Allerdings: wir brauchen außer den Maßnahmen,
die bisher ergriffen worden sind, zur Förderung der Wirtschaft
noch weitere Maßnahmen. Ich kann mich hier auf die Ausführungen
meines Koll. Hampl stützen, der in klarer Weise darauf
hingewiesen hat, wieviel auf dem Gebiete der industriellen Belebung
gesamtstaatlich und insbesondere auch für die Exportindustrie
zu tun ist. Wenn wir im Jahre 1929 bei 20 Milliarden Export hielten,
von denen 6 3/4 auf die Textilindustrie und 1.4 allein auf die
Glasindustrie entfielen, so halten wir im Jahre 1936 bei letzterer
ungefähr bei 50 % der Ausfuhr, bei der Textilindustrie in
einem höheren Ausmaße. Das gibt uns einen etwas freundlicheren
Ausblick in das Jahr 1937. Im Vergleich zum Anstieg der Weltproduktion
sehen wir, daß uns ungefähr ein Viertel fehlt, von
70 auf 94 %. Wir haben die Hoffnung, daß wir das erreichen
werden.
Aber es taucht eine andere Sorge auf. Selbst wenn das der Fall
sein wird, selbst wenn die Produktionsziffer so ansteigt, daß
man sagen kann, wir erreichen das Jahr 1929, werden wir mit einer
Sorge schwer zu kämpfen haben, das ist die, daß selbst
bei erfüllten Produktionsziffern nicht der letzte Arbeiter
an die Maschine kommt, denn unsere Arbeitslosigkeit ist nicht
nur krisenbedingt, sie ist auch technologisch bedingt. Wir haben
hunderte, ja tausende von Arbeitern, die deshalb aus dem Produktionsprozesse
ausgeschieden sind, weil sie die Opfer der Technisierung, der
Rationalisierung unserer Wirtschaft bilden. Unsere Wirtschaft
hat Produktionszweige, in denen auf diesem Gebiete in ungebändigtem
Drange nach Gewinn der Industriellen mehr geschah als notwendig,
und mehr geschah als den sozialen Interessen der ge samten Bevölkerung
zuträglich war. Das Tempo der Rationalisierung hat tausende,
zehntausende von Menschen aus ihren Arbeitsplätzen vertrieben.
In einer Reihe von Industrien, wie Textil, Holz, Maschinen, Bergbau,
Elektrizitätsbedarf, Chemie, sehen wir heute schon die Produktion
steigen, aber die Zahl der Beschäftigten sinken. Da taucht
ein Problem für das Parlament und die Regierung auf, das
dringend einer Lösung heischt, das einen Eingriff in die
Wi rtschaft rechtfertigt, weil uns dazu die Sorge um die Opfer
der technischen Arbeitslosigkeit zwingt.
Im Rahmen der allgemeinen Erholung, von der ich schon gesprochen
habe, zeichnen sich aber noch bestimmte Krisenterritorien und
Krisenbranchen ab, sowie Inseln im Meer, und sie lenken den Blick
des hohen Hauses und der Regierung auf sich. Unsere Partei hat
zum Wiederaufbau auch dieser Gebiete ihre ganz konkreten Forderungen
öffentlich bekanntgegeben, die darauf hinauslaufen, in den
Krisengebieten den Versuch zu unternehmen, den Wiederaufbau durch
neue Industrien herbeizuführen, denen vom Staate her die
notwendige Unterstützung in Fo rm von Steuererleichterungen
und Frachtbegünstigungen zuteil werden soll. Unsere Partei
hat darauf hingewiesen, daß in den Devisenmaßnahmen,
die heute noch ganz beachtenswe rte Schwierigkeiten bilden, zwecks
rascherer Wiederbelebung eine Erleichterung eintreten muß,
damit das Tempo der Neubelebung und des wirtschaftlichen Wiederaufbaues
ein rascheres werde, um die jetzt schon gesunkene Z iffer der
Arbeitslosen bis auf das denkbar niedrigste Minimum herabzusetzen.
Das Schicksal der nordböhmischen Industrie ist der Export.
Daher haben wir Maßnahmen zu seiner Entwicklung, zur Zurückgewinnung
verlorener und zur Gewinnung neuer Märkte gefordert. Die
Regierung beschäftigt sich mit diesen Fragen und wir sind
der Meinung, daß dies dazu führen wird, daß ein
wirksamerer Kampf gegen die Krise und die wirtschaftlichen Zustände
geführt werden kann, die wir heute noch in bestimmtên
Notst andsbezirken haben.
Darüber hinaus möchte ich auf ein Kapitel verweisen,
das der besonderen Aufmerksamkeit nicht entzogen werden kann,
nämlich die Frage der Teuerung und der steigenden Preise.
Der Krisenablauf wird ferner erschwert durch das Verhalten unserer
Industriekartelle. Es ist wiederholt in diesem Hause festgestellt
worden, daß der Schacher mit den Stillegungsprämien,
mit den Kontingenten in der Industrie eine Barriere gegen den
Wiederaufbau darstellt und nur zur Sicherung der Unternehmergewinne
dient, die nicht verantwortet werden kann. Ich will nur auf einen
Fall hinweisen: Eine Textilunternehmung in Nordböhmen, eine
Spinnerei mit 11.000 Spindeln, läßt den Betrieb stehen.
Sie erhält vom Kartell pro stillgelegte Spindel eine Entschädigung
von 6 Kè pro Monat. Das bedeutet 66.000 Kronen für
einen Monat oder 792.000 Kronen für ein Jahr. Der Unternehmer
hat nicht das geringste Risiko. Er braucht sich weder mit der
Belegschaft, noch mit der Rohstoffversorgung noch mit den Banken
einzulassen. Er erhält über 3/4 Millionen Kronen jährlich
vom Kartell für die abgekaufte Produktion ausbezahlt. Es
ist ganz selbstverständlich, daß unter solchen Voraussetzungen
die Aufmerksamkeit diesen Dingen zugewendet werden muß.
Die Kartelle haben andere Aufgaben zu erfüllen, als Erschwernisse
in der wirtschaftlichen Besserung zu verursachen. Die Wirkung
ist folgende: Dieser Textilbetrieb hat 500 Arbeiterinnen und Arbeiter,
um die kümmert sich der Industrielle nicht. Diese 500 Arbeiterinnen
und Arbeiter, das ist eine Sorge des Staates, der sie während
der Arbeitslosigkeit unterstützt, bestenfalls eine Sorge
der Selbsthilfe der freigewerkschaftlichen Organisationen. Die
Leistung des Staates aber und die der gewerkschaftlichen Organisationen
beträgt in einem solchen Falle gegenüber einer Entschädigung
des Kartells von 3/4 Millionen an einen privaten Indusstrieunternehmer
1.2 bis 1.3 Millionen Kronen an die Opfer dieses Zustandes. Die
Kartelle, die die Produktion in die modernsten Betriebe verlegen,
die dabei ausgezeichnete Gewinne machen, bei relativ geringen
Steuern, die das Risiko der Existenzsicherung von hunderten Menschen
einfach dem Staate oder der Selbsthilfe der gewerkschaftlichen
Organisationen überlassen, sind in dieser Tätigkeit
ein Hemmnis für die Neubelebung der Wirtschaft und den industriellen
Aufbau. Daher kann der Staat diese Entwicklung nicht einfach unkontrolliert
abla ufen lassen. Er muß regulierend und dirigierend eingreifen
im Interesse der hunderttausende von Menschen, die vom Schicksal
der Arbeitslosigkeit du rch das Spiel der freien Kräfte betroffen
werden, also im Interesse vieler tausender Staatsbürger.
Wir sind der Hoffnung, daß die Regierung in ihrem Vorgehen
gegen diese Übelstände, von denen wir allerdings in
den Darlegungen des Dr. Rosche als Industriellen nicht
ein Wort vernommen haben, sich nicht durch die unausgesetzten
Warnungsrufe gewisser Interessentenkreise ablenken lassen, sondern
auf dem Wege der Dirigierung der Wirtschaft weiterschreiten wird.