Hohes Haus! Ich könnte unmittelbar an die Ausführungen
meines Vorredners anknüpfen, der hier den Versuch gemacht
hat, das autoritäre Regime in Vergleich zu setzen mit den
Regimes der politischen Parteien, und zwar in unmittelbarem Zusammenhange
mit der Behandlung der Vorlage über die Bauförderung.
Wir stehen in Europa in einer schweren Krise des Wohnungswesens.
Die Krise zeigt sich am ernstesten und härtesten dort, wo
wir es mit faszistischen Regimes zu tun haben, u. zw. aus dem
sehr einfachen Grunde, weil die Dynamik der Gewalt, die sich in
den faszistischen Ländern entwickelt, nicht dazu strebt,
etwa die Probleme der Wohnbauförderung vorwärts zu bringen
oder die Probleme der Volkswohlfahrt zu lösen, sondern weil
sie dazu drängt, gemäß der ihr innewohnenden Gewalt
an die Stelle von Volkswohnbauten Kasernen und andere Unternehmungen
zu setzen, die allerdings die Wohnungskrise nicht beheben, den
drückenden Mangel insbesondere an Kleinwohnungen nicht aus
der Welt schaffen, sondern vermehren.
Die Bauförderung hat in unserer Republik in den Jahren 1921
bis 1924 tatsächlich eine gewaltige Anregung erfahren. Allerdings
ist an dieser Anregung das deutsche Siedlungsgebiet in jenem Zeitpunkt
nicht wesentlich beteiligt gewesen. Dieses Gebiet hat den Anschluß
an die Bauförderung jener Zeiten mehr oder weniger versäumt
und nicht mitgemacht. Das hängt wieder zunächst zusammen
mit der mangelhaften Liquidität der Sparkassen in der Nachkriegszeit,
teilweise hängt es auch mit nationalpolitischen Fragen zusammen.
Erst in der zweiten Periode nach dem Jahre 1929 setzte in der
Wohnbauförderung eine stärkere Bewegung ein, die auch
in den Grenzgebieten sehr stark fühlbar war. Aber sie ist
seither abgeebbt. Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Bericht
verweisen, der dem Internationalen Arbeitsamt in Genf über
die Wohnbauförderung unserer Republik geliefert worden ist.
In diesem Bericht heißt es zum Schluß, daß die
Wohnungspolitik in allen Ländern in voller Entwicklung begriffen
sei und noch zu manchen Neuerungen führen werde. Sie dürfte
berufen sein, eines der lebendigsten Kapitel der Sozialpolitik
auszufüllen und ist somit für die Arbeiterschaft, deren
materielle und moralische Lebensbedingungen sie beträchtlich
zu heben vermag, von unmittelbarer Bedeutung.
Das galt noch 1932. Heute gilt es eigentlich nicht mehr. Die finanzielle
Lage der Republik zwang seither zu außerordentlichen Sparmaßnahmen,
die sich leider auch auf dem Gebiete der Wohnbauförderung
ausgewirkt haben. In den letzten Jahren, insbesondere im Jahre
1935 kommen nennenswerte Neubauten eigentlich kaum mehr in Frage.
Aber auf keinen Fall stehen die neugeschaffenen Wohnungen in einem
erträglichen Verhältnis zum wachsenden Bedarf, der sich
ja doch nach gegebenen Größen vollzieht und der sich
zu regulieren hat an den Ziffern der Population und den Ziffern
der Eheschließungen. Die Tatsache, daß der Wohnungsbau
in den letzten Jahren abgeebbt ist, wirkt selbstverständlich
krisenverschärfend. Ich verweise auf den Bericht, den 47
nordböhmische Arbeitsvermittlungsanstalten im Juli 1935 publizierten.
In diesem Zeitpunkt, also mitten in der Bausaison, wiesen diese
47 Bezirksanstalten nicht weniger als 10.242 Bauarbeiter als arbeitslos
aus, neben einer weit größeren Zahl von Hilfsarbeitern
und Tagarbeitern. Im November des abgelaufenen Jahres wurde ein
Bericht der Nationalbank publiziert, in dem es heißt (ète):
"Der gesamte Umfang der Bautätigkeit in diesem Jahre
ist nicht bedeutend, obwohl auch hier in den letzten Monaten durch
Adaptierungsarbeiten und Reparaturen infolge von Steuererleichterungen
eine gewisse Belebung zu konstatieren wäre". Die ganze
Hoffnung der Nationalbank richtet sich auf das Jahr 1936, u. zw.
einmal wegen der Herabsetzung des Zinsfußes, das anderemal
wegen der besseren Rentabilität der Bauten, da die leichtere
Kalkulation der Mietzinse der Nationalbank die Voraussetzungen
zu geben scheint, daß wir es im Jahre 1936 mit einer fühlbaren
Besserung auf dem Wohnungsmarkte zu tun bekämen. Dazu sollen
auch Steuerermäßigungen dienen, nach der Regierungsverordnung
Nr. 1 vom Jahre 1936. Man erhofft sich einen wirtschaftlichen
Antrieb von der Tatsache, daß aus der Steueramnestie, die
dem Steuerzahler die Möglichkeit gibt, verheimlichte Einnahmen
in der Reparatur als auch im Neubau von Wohnungen anzulegen, eine
Belebung des Zinshausbaues im Jahre 1936 zu erwarten sein wird.
Allerdings muß ich sagen, mir erscheint die Prognose der
Nationalbank in diesem Falle aus mehr naheliegenden Gründen
zu optimistisch.
So sehr die Vorlage zu begrüßen ist, so erfüllt
sie doch nicht die Erwartungen, die die Bevölkerung eigentlich
an sie knüpft. Aber es sind technische Mängel, die ihre
unmittelbare Auswirkung unmöglich machen, vor allem nach
der krisenlindernden Seite hin. Der Geldmarkt ist, wenn ich das
deutsche Gebiet unserer Republik in Betracht ziehe, auf großzügige
Investitionen nicht vorbereitet. Geldmittel stehen insbesondere
bei den Sparkassen für Hypothekarkredite heute eigentlich
noch kaum zur Verfügung. Es ist richtig, daß wir seit
Monaten ein Ansteigen der Spareinn ahmen feststellen können,
das reicht aber noch lange nicht aus, um die notwendige Liquidität
der Sparkassen zu ssichern, erst recht natürlich nicht, um
eine großzügige Investitionsförderung oder die
Gewährung von Hypothekardarlehen möglich zu machen.
Also einmal ist es die mangelnde Mobilität der Sparkassen,
die ein Hindernis darstellt. Von den 160 deutschen Sparkassen
dürften nach meiner Kenntnis der Dinge kaum 150 Millionen
für Hypothekarkredite bereitgestellt werden können.
Dazu kommt, daß die Sparkassen durch die Erschütterung
des Realitätenmarktes heute noch sehr schwer zu kämpfen
haben. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob die zentralen Geldinstitute,
die Zentralsozialversicherungsanstalt, die Allgemeine Pensionsanstalt,
die Arbeiterunfallversicherungsanstalten in der Lage sein werden,
die Beträge zur Verfügung zu stellen, die man für
Hypothekarkredite braucht.
Das zweite Moment, das dabei eine Rolle spielt, sind die Gemeinden.
Die Vorlage sieht ja vor, daß die Gemeinden Wohnungen für
die Armen erbauen sollen. Ich habe die Überzeugung, daß
die Gemeinden auf diese Aufgabe nicht vorbereitet sind. Erstens
fehlt ihnen die Lösung der Entschuldungsfrage. Hier liegt
also eine Schwierigkeit vor, die die wirtschaftliche, krisenlindernde
und arbeitschaffende Auswirkung nicht unmittelbar ermöglicht.
Die Presse berichtet in der letzten Zeit, daß in 38 größeren
Städten der Republik noch im Jahre 1929 ein monatlicher Zuwachs
von 1.400 Wohnungen bestand. Diese Zahl ist im Jahre 1930 auf
1.000 ges unken, stieg im Jahre 1931 auf 1.600 und stürzte
im Jahre 1935 auf 400 herab. Dieses Bild zeigt also ganz deutlich,
daß die Schaffung von Wohnungen, und darum geht es mir bei
diesen Erwägungen, weit hinter dem notwendigen Bedarf zurückbleibt.
Wenn die Eheschließungen als wohn unggsgründender Faktor
in Betracht gezogen werden, so verweise ich darauf, daß
in der Èechoslovakischen Republik im Jahre 1934 118.270
Ehen geschlossen wurden; im Jahre 1935 waren es in den Monaten
Jänner bis Juni 49.800. Man darf annehmen, daß sich
Eheschließ ungen und Neuschaffungen von Wohnungen ungefähr
die Parität halten. Das würde also bedeuten, daß
wir bei planvoller Erfüllung der Aufgaben, die uns die Wohnungswirtschaft
stellt, annähernd einen jährlichen Bedarf von 100.000
Wohnungen hätten. Die Ziffer wird vielleicht etwas zu hoch
gegriffen sein, sie wird aber nicht wesentlich unter der hier
genannten Zahl liegen. Wenn wir als Vergleich den Bevölker
ungszuwachs heranziehen, so verweise ich darauf, daß wir
in den letzten fünf Jahren einen solchen von 400.000 nachweisen
können. Auch hier zwingt eine weitschauende Wohnungspolitik
selbstverständlich zu entsprechenden planvollen Maßnahmen.
Dabei spielt die sinkende Kurve der Eheschließungen keine
so ausschlaggebende Rolle. Sie ändert im Grunde genommen
den hier bezeichneten Prozentsatz nicht allzuviel.
Die Vorlage will das ärgste Wohnungselend mildern, sie will
15.000 bis 18.000 Einzimmerwohnungen durch die Garanties umme
von 300 Millionen schaffen, sie will Wohnungen für die Armen
durch die Gemeinden unter Zuhilfenahme eines Staatsbeitrages auf
der Basis schaffen, daß die Mietzinse zu ungefähr 3%
des Bauaufwandes kalkuliert werden können. Das Problem der
Wohnungsschaffung kann sich aber in der Bereitstellung von Wohnungen
für die Armen nicht erschöpfen. Das Wohnungsproblem
muß also in großzügiger Weise angegangen werden,
wozu ich nur noch sagen möchte: die Frage, ob Kleinst- oder
Kleinwohnungen, ist nach unserem Ermessen vom volksgesundheitlichen
Standpunkt zu beurteilen und nicht ausschließlich vom fiskalischen
Gesichtspunkt. Schließlich sollen ja die Wohnungen, die
jetzt unter Zuhilfen ahme der Mittel der öffentlichen Hand
errichtet werden, eine normale Lebensdauer aba solvieren. Aber
Kleinstwohnungen, sogenannte Wohnküchen, werden bei günstiger
Entwicklung der Wirtschaftsverhältnisse sehr bald eine, in
volksgesundheitlichem Sinne gesprochen, überholte Wohnform
sein. Und daher glaube ich, daß die öffentliche Hand
sich bei Schaffung neuer Wohnungen auf lange Sicht einzustellen
und das Problem nicht ausschließlich von der augenblicklichen
Not her anzugehen hat. Wir haben eine großzügige und
grundlegende Lösung gefordert unter Beachtung von zwei Gesichtspunkten:
Erstens die systematische Bekämpfung des Wohnungsmangels
und zweitens die grundlegende Beseitigung des Wohnungselends.
Beide Faktoren sind da und spielen eine ausreichende Rolle. Wir
können begreifen, daß gewisse Hindernisse bestehen.
Das kann man sich erklären, wenn man die dafür vorgebrachten
Gründe auch durchaus nicht zu billigen vermag. Zur systematischen
Bekämpfung der Wohnungsnot und zur Lösung des Wohnungsproblems
reicht vor allem die Privatwirtschaft nicht aus, weil sie insbesondere
zur Krisenzeit den Wohnungsmarkt vernachläßigt, weil
die Rente des Hausbesitzes zu sinken beginnt. Lohn und Miete,
wie sie sich aus Grundrente, Baukosten und Hypothekarzinsen ergibt,
stehen in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu einander
und diese Tatsache hindert eigentlich die Gesundung des Wohnungswesens
von der privatwirtschaftlichen Seite her. Der Wohnungsbau kann
aber nicht ausschließlich als Kapitalsanlage aufgefaßt
werden, das verbietet allein schon die volksgesundheitliche Bedeutung
der Wohnung. Ohne Mithilfe der öffentlichen Hand ist das
Wohnungsproblem überhaupt nicht zu lösen.
Von diesen Gesichtspunkten sind wir bei Beurteilung dieser Frage
immer ausgegangen. Die Mehrzahl der Wohnungen in der Èechoslovakischen
Republik sind Kleinst- und Kleinwohnungen, sie dienen also den
wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungsschichten. Wenn
man das eben erschienene Statistische Jahrbuch zur Hand nimmt,
so findet man, daß aus einer Zählung bestimmter Städte
folgende Tatsachen hervorgehen: Es wurden im ganzen 980.034 Wohnungen
gezählt. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen: Wohnungen
mit einem Hauptraum 219.378, d. i. 22ÿ4%, zwei Haupträume
396.684, d. i. 40ÿ5%, drei Haupträume 176.114, d. i.
18%. Insgesamt ergeben die Wohnungen von einer Wohnküche
bis zu 2 Zimmern und Küche 792.176 Wohnungen oder
80ÿ9% der hier aufgezählten Fälle. Die übrigen
Wohnungen von 4 bis 7 und mehr Haupträumen zählen also
insgesamt nur 19ÿ1%. Im Jahre 1932 gab es vorübergehend
keinen empfindlichen Mangel an Zwei-Zimmer-Wohnungen. Wir spürten
das auch in den Krisengebieten. Die Entwicklung der öffentlichen
Finanzen aber hat hier das Wohnungsproblem sehr zu Ungunsten beeinflußt.
Die Tatsache, daß die Gemeinden die Mietzinsabgabe zu den
Höchstsätzen von den Wohnungen zwecks ihrer eigenen
Sanierung einheben mußten, hat dazu geführt, daß
ein Strukturwandel in den Wohnungen eingetreten ist, daß
Hunderte und Tausende von Mietern größere Wohnungen
abgegeben und sich kleinere Wohnungen genommen haben. Wer 4 oder
mehr Zimmer hatte, ging in eine 3-Zimmer-Wohnung, wer eine 2-Zimmer-Wohnung
hatte, ging in eine 1-Zimmer-Wohnung, um der sehr starken Belastung
durch die gemeindliche Mietzinsabgabe einigermaßen zu entgehen
und sich finanziell zu entlasten, was begreiflich erscheint, wenn
man weiß, in welch hohem Maße das Volkseinkommen in
den letzten Jahren gesunken ist. Dadurch entstand aber ein sehr
starker Druck auf die Klein- und Kleinstwohnungen, nicht nur nach
der Seite des Bedarfes hin, sondern auch nach der Seite des Preises,
denn je größer die Nachfrage, desto höher insbesondere
bei nicht geschützten Wohnungen die Mietpreise.
Es hat - wir dürfen das heute mit besonderer Befriedigung
feststellen - in der abgelaufenen Zeit seit 1929 nicht an großzügigen
Vorschlägen und gangbaren Wegen gefehlt. Ich verweise auf
den Entwurf des Ministeriums für soziale Fürsorge und
des Ministers Dr. Czech, der die Probleme von der grundlegenden
Seite her anzupacken versuchte: nicht allein einfach die Lösung
der Mieterschutzfrage, nicht allein das Problem der Bauförderung
und nur die Neuschaffung von Wohnungen, sondern darüber hinaus
die Feststellung des Wohnungsbedarfes, die kommunale Wohnungsvermittlung,
die Wohnungsaufsicht, die Unterstützung der Baubewegung,
die Erhaltung der alten Häuser und ihre Instandsetzung, den
Mieterschutz, die Frage des Baubeitrags, die Behandlung der gemeinnützigen
Baugenossenschaften, die Wohnungsfürsorge des Staates und
der Gemeinden und die notwendige Schaffung von beratenden Organen.
Wenn in unseren Verfassungsgesetzen das Recht auf Wohnung auch
nicht statuiert ist, so liefen doch die Bemühungen des Fürsorgeministeriums
in dieser Richtung. Es versuchte, den vorhandenen Mängeln
zu begegnen, wollte vor allem an Stelle des freien Spiels der
Kräfte auf dem Wohnungsmarkte eine planvolle Wirtschaft der
öffentlichen Hand errichten, nach den Grundbegriffen der
modernen Hygiene und den Grundsätzen zweckmäßiger
Bevölkerungspolitik. Wir dürfen wohl feststellen: es
gibt kein Gebiet der Wirtschaft, das der Regelung durch planwirtschaftliche
Maßnahmen so nahe kommen würde, wie die Wohnungswirtschaft,
schon mit Rücksicht auf seine so hervorragend bevölkerungspolitische
und volksgesundheitliche Bedeutung. Wenn ich vom Wohnungselend
spreche, so will ich damit nicht nur noch einmal den Hinweis unterstreichen,
den der Herr Fürsorgeminister Neèas in seinem
Bericht im sozialpolitischen Ausschuss gegeben hat, als er darauf
verwies, daß tausende Familien noch in Wohnwaggons und anderen
unzulänglichen provisorischen Behelfen, die man kaum als
Wohnungen ansprechen kann, vegetieren.
Wir können aus dem Statistischen Jahrbuch das Wohnungselend
statistisch nachweisen. Es wurde eine Zählung veranstaltet,
an der 980.034 Wohnungen mit 2,505.120 Haupträumen beteiligt
waren. In diesen Wohnungen lebten 3,553.749 Personen. In 5022
Wohnungen lebten mehr als 11 Personen, in 12.098 Wohnungen 9 bis
10 Personen, in 48.492 Wohnungen 7 bis 8 Personen, in 187.269
Wohnungen 5 bis 6, in 442.668 Wohnungen 3 bis 4, in 207.668 Wohnungen
2 und in 76.817 Wohnungen 1 Person. Der Durchschnitt ergibt also
auf eine Wohnung 3ÿ63 Personen, auf einen Raum 1ÿ42
Personen. Damit gehen wir über den europäischen Durchschnitt
hinaus.
Hinsichtlich der Arbeiterwohnungen steht die Sache, wieder nach
dem Statistischen Jahrbuch, folgendermaßen: Es wurden im
ganzen 301.227 Arbeiterwohnungen gezählt. Davon hatten ein
Bad 9915, das. heißt, auf 100 Arbeiterwohnungen entfallen
in der Republik 3 Bäder. Mit Gas waren 3317 Wohnungen, also
knapp 1%, ausgestattet. Die Versorgung mit elektrischem Licht
ist besser. Die Wasserversorgung: von den 301.227 Arbeiterwohnungen
hatten nur 39.602 das Wasser in der Wohnung, das heißt auf
100 Arbeiterwohnungen entfällt nur 10 mit direkter Wasserversorgung.
Gemeinschaftsklosetts hatten 215.453 oder 70 von 100. Von 100
Arbeiterwohnungen bestanden 40ÿ9 aus einem Raum und 50ÿ2
aus zwei Räumen.
Im Jahre 1930 hat in Bodenbach eine Wohnungszählung stattgefunden
und ich möchte das Bild hier durch die Erfahrungen ergänzen,
die wir im Grenzgebiet gemacht haben. Die Ziffern darüber
sind längst veröffentlicht, ich wiederhole sie nur,
weil sie beweisen, daß es wirklich ein Wohnungselend gibt.
Es wurden 6504 Wohnungen gezählt, in denen 6707 Familien
wohnten, so daß also in dieser kleinen Stadt von knapp 20.000
Einwohnern 203 Familien ohne eigene Wohnung waren. Die Einwohnerzahl
der Stadt betrug damals 21.941. Es gab 600 Wohnküchen, 3263
Wohnungen mit Zimmer und Küche, 1476 Wohnungen zu 2 Zimmer
und Küche und nur 532 Wohnungen zu 3 und mehr Zimmern. Nahezu
zwei Drittel aller Wohnungen sind also minder entsprechend befunden
worden. Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Wie schaut es
denn mit den Schlafräumen aus? In den Wohnräumen, in
den Küchen, in denen alle Verrichtungen der Hauswirtschaft
durchgeführt worden sind, schlief in 801 Fällen 1 Person,
in 361 Fällen 2 Personen, in 143 Fällen 3 Personen,
in 56 Fällen 4 Personen, in 18 Fällen 5 Personen, in
4 Fällen 6 Personen und in 1 Fall sogar 7 Personen. Die Stadt
Bodenbach hat den guten Willen, hier helfend einzugreifen, es
fehlen ihr aber die finanziellen Unterlagen. In einem Zimmer schliefen:
in 811 Fällen 1 Person, in 2499 Fällen 2 Personen,
in 1790 Fällen 3 Personen, in 868 Fällen 4 Personen,
in 312 Fällen 5 Personen, in 117 Fällen 6 Personen,
in 38 Fällen 7, in 20 Fällen 8, in 2 Fällen
9 und in einem Fall sogar 10 Personen. Das ist also in einem Zimmer
von knapp 20 Quadratmetern Flächenraum.
In Kammern schliefen in 1170 Fällen 223 Personen, in einer
Kammer sogar 8 Personen. In Korridoren schliefen in 20 Fällen
29 Personen. Sogar die Bäder wurden herangezogen, in 11 Bädern
schliefen 11 Personen. Ein eigenes Bad hatten 12·2% aller
Familien, ein gemeinsames 0·4%, 87% der Bevölkerung
hatten kein Bad, 31·4% hatten ein eigenes Klosett, 68·6%
hatten ein gemeinsames Klosett. Im staatlichen Maßstabe
könnte man das Kapitel Wohnungskultur entsprechend ergänzen.
Bei den 980.034 Wohnungen, die im statistischen Handbuch enthalten
sind, weisen 360.080 oder cca 40% ein eigenes Klosett auf. Unsere
Bauförderung stößt auf gewisse Hemmnisse. So gut
der Gesetzgeber jeden Akt der Bauförderung meint, so sind
doch Kräfte am Werke, die unausgesetzt den Versuch machen,
diesen guten Willen zu hemmen. Es ist wiederholt, und vor allem
in der Presse darauf hingewiesen worden, daß die Preise
der Baumaterialien bei uns unerschwinglich hoch sind. Aus einer
Publikation, die im Herbst vorigen ahres erschien, konnten wir
entnehmen, daß beispielsweise Betonrundeisen bei uns 144
Kè kostet, während die gleiche Ware aus dem nichtkartellierten
Ausland um 60 bis 70 Kè geliefert wird. Wir konnten aus
derselben Publikation feststellen, daß beispielsweise Heizkörper,
ein zweigliedriger Radiator, der bisher 43 Kè kostete,
mit Rücksicht auf die Kartellbestimmungen auf 67 Kè
erhöht wurde. Die Verteuerung betrug also 55·8%. Ich
könnte diese Beispiele noch weiter ergänzen und will
nur auf die vollkommen veränderten Preise verweisen, die
durch die Kartellierung gewisser Materialien auf dem Baumarkt
hervorgerufen wurden, nämlich bei Ziegeln, Steinen, Zement,
Dachziegeln, Fenstern und Eichenparketten. Diese Preise ziehen
jetzt an. Aber es gibt im Bauberuf auch nicht einen einzigen Unternehmer,
bei dem etwa die Löhne der Maurer, der Zimmerer oder Betonarbeiter
auch nur um 1% gestiegen wären. Ich mache darauf aufmerksam,
weil das außerordentlich charakteristisch ist beim Zement.
Portlandzement kostete 1931 25 bis 30 Kè. Als das Kartell
zusammenbrach, kostete dieselbe Ware 9 bis 14 Kè. Als im
vorigen Jahre das Kartell wieder aufgerichtet wurde, stieg der
Preis wieder auf 15 bis 20 Kè und jetzt Anfang 1936 sogar
auf 22 Kè. Die Materialienpreise sind zu hoch. Die Gestehungskosten
sind daher zu teuer. Es wird zu teuer gebaut und in diesem Falle
sind die Mieten unerschwinglich hoch. Wenn man für eine Wohnung
mit Zimmer und Küche beispielsweise in einem genossenschaftlichen
Großbau annähernd 50.000 Kè Gestehungskosten
hat, so erfordert diese Summe immerhin bei 6%iger Verzinsung 3.000
Kè jährlich oder 250 Kè monatlich. Bringngen
wir den Staatsbeitrag mit 2% in Abschlag, so ergibt sich noch
immer ein Bauaufwand, der annähernd 167 Kè im Monat
ausmacht. Der Herr Fürsorgeminister hat im September 1935
nachgewiesen, daß bestimmte Träger der Kartelle, vor
allem die Aktiengesellschaften, meistens also Großunternehmer,
nach den Berichten der Nationalbank in den letzten 8 Jahren so
außerordentlich hohe Gewinne eingesgesteckt haben, daß
man von ihnen billigerweise in der Krise eine Leistung für
die allgemeine Wohlfahrt verlangen darf. Wir lesen in diesem Jahre
neuerlich von Rekordkursen von Industriepapieren. Im Gegensatz
dazu also steht das ungelöste Problem der Wohnwirtschaft.
Die Erfahrungen der Vorkriegszeit haben ergeben, daß ein
Angestellter ungefähr 15% seines Einkommens für die
Deckung seines Wohnbedürfnisses aufwendet, ein Arbeiter 20
%. Heute gibt es keinen kleinen Angestellten und Beamten, der
mit 15% seines Lohneinkommens auskommen würde, um den Wohnungsbedarf
zu decken.
Ich will noch auf andere Umstände und Hindernisse hinweisen.
Es bestehen in der Wohnungswirtschaft, vor allem in der Bewilligung
der Staatsgarantie, schwere bürokratische Hemmungen. Es ist
kaum möglich, daß eine Gemeinde oder eine gemeinnützige
Baugenossenschaft, die um die Staatsgarantie für einen Hausneubau
ansucht, in einer kürzeren Zeit als in einem halben Jahr
zur ersten Zahlung kommt. Wenn dies Tempo bei der gegenwärtigen
Vorlage nicht geändert werden könnte, so würde
das beweisen, daß wir im besten Falle im September dieses
Jahres mit der Erbauung der Häuser beginnen könnten.
Hier bitten wir den Herrn Fürsorgeminister dringend, daß
er sich für eine Beschleunigung des bürokratischen Verfahrens
einsetzt, weil an sich zunächst schon die Vorbereitungen
der Kreditbeschaffung sehr weitwändig sind und lange Zeit
in Anspruch nehmen, bevor es soweit kommt, daß man die Akte
für die Staatsgarantie überhaupt ins zuständige
Ministerium bekommt.
Nun möchte ich mich ganz kurz noch mit den Fragen des Mieterschutzes
beschäftigen. Nach dem statistischen Handbuch unterlagen
1931 in 356.896 geschützten Wohnungen 1,260.429 Personen
noch dem Mieterschutzgesetz, von allen Mietwohnungen 52ÿ1%.
Wir wissen schon, der Mieterschutz hängt mit der Wohnungsfürsorge
aufs Engste zusammen. Die Lösungen der Wohnungsverhältnisse
. . .
Místopøedseda Onderèo (zvoní):
Prosím pána reèníka, aby skonèil.
Posl. Kögler (pokraèuje): Sofort.
Die Lösungen der Wohnungsverhältnisse bedingen aber
eine Lösung des Wohnproblems. Ich möchte hier auf folgenden
Umstand hinweisen. Die Herren vom Deutschen Hausbesitzerverein
haben in Aussig vor kurzer Zeit eine Versammlung abgehalten. Sie
stellen sich die Lösung des ganzen Wohnproblems riesig einfach
vor. Das Wohnungsproblem wird gelöst, wenn dem Wunsche der
deutschen Hausbesitzer auf Erhöhung des Mietzinses um das
Siebenfache Rechnung getragen wird, d. h. valorisierte Mieten.
Was bedeutet das aber für das heutige Lohnniveau? Es ist
dabei außerordentlich interessant, daß der Herr Koll.
Dr. Peters von der Sudetendeutschen Partei, der an dieser
Versammlung der deutschen Hausbesitzer teilnahm, seine "eindeutig
soziale" Einsstellung so verstanden hat, daß er den
Hausbesitzern erklärte, er identifiziere sich mit ihren Forderungen.
(Hört, Hört!) Was bedeutet das? Das bedeutet
700% Mietzinssteigerung. Man muß in die Krisengebiete gehen,
um zu wissen, welche Löhne die Arbeiter in den Krisengebieten
haben. Ich erinnere an den Bezirk Schluckenau. Wir haben dort
Arbeiterinn. nnen in der Blumenindustrie, die kaum auf mehr als
20 Heller Stundenlohn kommen. Ist es tragbar und möglich,
daß solche Arbeiterkategorien eine siebenfache Erhöhung
der Mieten ertragen können? Das ist unmöglich. Ich verweise
auf eine Statistik der Zentralsozialversicherungsanstalt, aus
welcher hervorgeht, daß von 2,012.018 Versicherten mehr
als die Hälfte in der ersten bis vierten Lohnkategorie steht,
d. h. nur über ein Einkommen von 36 bis 105 Kronen verfügt.
Wenn diesen Leuten eine siebenfache Miete aufgelastet würde,
so würde das bedeuten, daß ihr ganzer Lohn nicht hinreichte,
um die Mieten bestreiten zu können. Sie müßten
zu ihrem Lohn noch fremde Mittel in Anspruch nehmen, um überhaupt
nur die Mieten bezahlen zu können. Daher lehnen wir die Forderungen
des deutschen Hausbesitzervereines auf das Entschiedenste ab,
weil sie sozial untragbar sind. Wir müssen aber auch sagen:
wie vereinbart sich der Standpunkt dieser Körperschaft mit
der "eindeutig sozialen" Einstellung der Sudetendeutschen
Partei? Der Herr Abg. Ing. Richter hat im sozialpolitischen
Ausschuß anscheinend unter dem Druck seines Gewissens erklärt,
daß eine sofortige Liquidierung des Mieterschutzes nicht
möglich sei, aber schließlich müsse einmal diese
Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft werden. Da muß man
doch fragen, worin besteht das größere Unrecht, darin,
daß die deutschen Arbeiter vom deutschen Unternehmer so
schlecht bezahlt werden, oder darin, daß die demokratische
Republik, daß die Koalition den Versuch unternimmt, in der
gegenwärtigen Vorlage des Mieterschutzgesetzes vor allem
die ärmsten Schichten der Bevölkerung vor einer Verteuerung
der Lebenshaltung zu schützen?
Ich könnte noch auf den Lebenshaltungsindex verweisen, könnte
darauf verweisen, daß er sich seit dem Jahre 1927 kaum verändert
hat. Was die gegenwärtige Vorlage bringen soll und was sie
bringt, das ist, daß sie vor allem die ärmsten Menschen
schützt, schützt vor Verteuerung der Wohnungen und dadurch
schützt vor einer Schmälerung ihres Einkommens. Aus
diesem Grunde und vorwiegend aus diesem Grunde stehen wir dieser
Vorlage zustimmend gegenüber. Aber wir wollen sagen, damit
ist die Frage des sozialen Wohn- und Mietrechtes nicht von der
Tagesordnung abgesetzt, weil es sich dabei um ein Grundproblem
der Volksgesundheit, um die physische und die seelische Wohlfahrt,
handelt. Der Präsident Masaryk hat in seinem Werke
"Die Weltrevolution" erklärt, unsere zweite große,
besondere Aufgabe besteht darin, uns mit Hilfe des Staates, der
Gemeinden und aller sogenannten humanen Einrichtungen um die physische
und seelische Gesundheit der Nation zu kümmern.
Die deutsche Arbeiterschaft ist heute durch die Krise in ihrer
physischen Gesundheit bedroht. Daher erfüllt die Koalition
durchaus ein Werk der Humanität und Volkswohlfahrt, wenn
sie dieses Gesetz vorgelegt hat und wenn wir diesem Gesetze die
Zustimmung geben.
Místopøedseda Onderèo (zvoní):
Upozornujem pána reèníka, že prekroèil
o 10 minút reènickú lehotu.
Posl. Kögler (pokraèuje): In einer früheren
Regierungserklärung hieß es: "Aufgabe der Staatsverwaltung
ist es, jenen zu helfen, die ohne Not die sozial Schwächsten
sind." Dieser Aufgabe kommt die Vorlage nach und deshalb
stimmen wir für sie. (Potlesk.)