Ich will darauf verzichten, des weiteren noch auf die Unzuständigkeiten
einzugehen, die in der Debatte vielfach aufgeworfen wurden. Ich
will nur einiges zurückweisen. Wenn hier dem Koll. Karmasin
gegenüber der Vorwurf gemacht wurde, er arbeite bei dem Minderheitsschulkapitel
mit unrichtigen Daten, so erwidere ich: Jedes Jahr werden bei
der Beratung des Schulkapitels von deutscher Seite diese Daten
voll aufgedeckt und zur Verfügung gestellt, jedes Jahr ist
von deutscher Seite an die èechische Seite die Bitte gerichtet
worden: Gebt doch auch ihr einmal die Daten her, damit ein Weg
gefunden werde, auf dem eine Ausgleichung dieser schmerzlich empfundenen
Verhältnisse erfolgen kann! Bis heute ist das aber nicht
geschehen. Ja, im Gegenteil, selbst in der Spar- und Kontrollkommission,
in der Jahre hindurch die unangenehmsten Sachen behandelt worden
sind, war es mir nicht möglich, eine Überprüfung
des Minderheitsschulwesens durchzuführen. Es ist dies scheinbar
etwas, wovor man sich auf èechischer Seite fürchtet,
und doch hat Švehla seinerzeit die Deutschen aufgerufen,
als er im Kampfe mit seinen èechischen Kollegen, sagte:
"Nein, ich nehme die Deutschen nicht hinein ihrer schönen
blauen Augen wegen, sondern ich brauche im Staate ihre Kontrolle".
Und er wird gewußt haben, daß es Anlaß zu dieser
Kontrolle gibt. Und zu dieser Kontrolle meldeten sich seinerzeit
die Regierungsparteien und zu dieser Kontrolle melden wir uns
jetzt in der Gesamtheit unseres Volkes, von dem wir bei den Wahlen
70% aller Stimmen erhalten haben. Diese Kontrolle durchzuführen
ist selbstverständlich unangenehm, aber es wird Zeit, daß
die Èechen mit uns zusammen an die Kontrolle dieser Zustände
und Verhältnisse herantreten, um dadurch Befriedigung und
Sicherheit im eigenen Staate zu schaffen. Erst die Befriedung
der Minderheitenfrage gibt dem Staate die große Sicherheit.
Was sagte Ministerpräsident Dr. Hodža in seinem
Schlußworte, bei seinen Ausführungen im Abgeordnetenhaus:
"Niemand möge sich mit einem flüchtigen Blick auf
die Oberfläche unseres täglichen öffentlichen Lebens
zufriedengeben; wenn er dann in dessen Tiefe schaut, wird er sehen,
was für eine groteske Unwahrheit es ist, daß wir infolge
unserer Parteischichtungen gegenseitig irgendwie bedenklich voneinander
entfernt wären, da der èechoslovakische Bürger
auch inmitten seiner großen Sorgen und inmitten seiner persönlichen
und Gruppeninteressen gemeinsam mit uns als den verantwortlichen
Faktoren höher strebt". Ja, meine Herren, bis heute
einigten sich die Èechen immer wieder nur in dem Rufe:
Nìmci, Nìmci! Aber es muß nicht immer sein
und das hat schon seinerzeit Neruda als Warnung ergehen lassen,
die sich so mancher von den Unentwegten noch einmal zu Gemüte
führen sollte. Die Unterschiede zwischen dem èechischen
Volke sind so tiefgehend und leidet der Staat darunter in so hohem
Maße, daß wohl der alte Haßruf nicht mehr am
Platze ist. Gerechtigkeit dem andern Volk gegenüber ist sicherlich
wertvoller für den Aufbau am Staate als die Duldung dieser
wüsten Hetze und des brutalen Schimpfes. Schimpf beweist
nur den Mangel sachlicher Beweisgründe. Derart mißbrauchte
Demokratie zur wahren Meinung der Völker im Staate umzugestalten,
unternimmt Ministerpräsident Dr. Hodža, während
die èechischen Parteien noch recht fleißig um das
Wirken èechisch lizitieren. Nerudas Mahnung möge als
Warnung dienen. Wir Deutschen sind bereits einen Schritt weiter:
an Stelle des falschen "Ich" ermächtigte uns die
große Mehrheit unseres Volkes durch den Wahlausgang das
"Wir" des deutschen Volkes im sudetendeutschen Gebiet
zu setzen und Politik zu betreiben im Interesse unseres Volkes
und unseres Staates. Ich schließe mit den Worten des Ministerpräsidenten
Dr. Hodža, der sagte: "Auch heute müssen
wir das Selbstvertrauen unseres Volkes anrufen und alle Menschen
zur Mitarbeit rufen an dem großen Werk der moralischen und
wirtschaftlichen Erneuerung. Die ärgsten Gegner des eigenen
Volkes sind immer die Menschen kleinlichen Glaubens. Das Volk
darf sich nicht fürchten, das Volk ist nur dann Volk, so
lange es an sich glaubt und an seine Kraft. Wir wollen alle gemeinsam
arbeiten, damit an Stelle der unfruchtbaren Skepsis die Hoffnung
auf eine bessere Zukunft kommt und anstatt der zerstörten
Kleingläubigkeit Wagemut tritt und anstatt des ermüdenden
sich besiegt Fühlens der feste Glaube und die Sicherheit,
der Glaube an sich und die Sicherheit über den Erfolg der
ehrlichen Arbeit". Die Herren von der èechischen Seite
müssen uns schon gestatten, daß wir diese Worte des
Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža zu unseren
eigenen machen. Ich glaube an die eigene Kraft, an die Arbeit
im Interesse unseres Volkes. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké
strany.)
Meine Damen und Herren! Vor wenigen Minuten wurde hier die Frage
gestellt, ob man unter den gegebenen innerpolitischen Neuerungen
überhaupt noch zu dem Voranschlag für 1936 hier Stellung
nehmen soll. Wir sind der Ansicht, daß wir unsere grundsätzliche
Stellungnahme zum Budget jederzeit beziehen können ohne Rücksicht
darauf, welche Regierung diesen Staat verantwortlich leitet und
wir sind der Ansicht, daß wir auch diese grundsätzliche
Stellungnahme hier einnehmen müssen.
Wir haben uns im Detail mit dem Voranschlag in seinen sämtlichen
Kapiteln in den verschiedenen Unterausschüssen und im Budgetausschuß
besonders befaßt und wir können es uns hier versagen,
auf die einzelnen Kapitel auch der Wirtschaftsgruppe im Detail
näher einzugehen. Wir stehen, meine Herren, heute am Ende
dieser sogenannten Budgetberatungen und gerade ich, der mit vielen
meiner Kameraden zum erstenmal vor wenigen Monaten in das Parlament
eingezogen ist, kann es mir erlauben zu sagen, daß wir uns
gerade von den Budgetberatungen etwas ganz anderes erwartet haben.
Denn das Wort Beratung läßt darauf schließen,
daß das Budget, welches man nach diesen sogenannten Beratungen
beschließt, das Ergebnis dieser Beratungen wäre. Hingegen
muß man feststellen, daß das Budget bis in die letzten
Ziffern vollkommen ausgearbeitet dem Hause vorliegt und daß
dem Hause nichts anderes übrig bleibt, als zu dem Budget
Ja oder Nein zu sagen. Dazu kommt noch, daß mein sehr geschätzter
Herr Vorredner von dieser Stelle aus verkündet hat, daß
jener, der gegen den Voranschlag sei und gegen ihn stimme, damit
seine Staatsfeindlichkeit dokumentiere. da es sich ja hier um
den Voranschlag des Staates handle und wenn man gegen den Voranschlag
des Staates sei, -so sei man auch gegen den Staat selbst. Meine
Herren, es ist hier große Mode geworden, das Wort Demokratie.
das Wort Staatsg.esinnung, das Wort Staatstreue jeder für
sich nach seiner eigenen Meinung auszulegen. Wir müssen Ihnen
empfehlen. das ganze Parlament nachhause zu schicken, wenn es
Ihnen unangenehm ist, eine Opposition zu haben, die sich gegen
eine Gruppe des Budgets aus Überzeugung oder gegen den ganzen
Voranschlag wendet. (Potlesk.) Aber die Männer, die
für die Regie dieser sogenannten Beratungen verantwortlich
zeichnen, können sich gratulieren. denn es ist Ihnen eine
Reihe von Kunststücken geglückt. von denen wir noch
in der letzten Woche nicht annehmen konnten, daß sie so
reibungslos durchgeführt werden könnten. Da ist es Ihnen
zunächst gelungen, neuerdings unter Aufrechterhaltung der
sogenannten demokratisch-parlamentarischen Fassade das Budget
durch sämtliche Ausschüsse, Unterausschüsse und
durch das Plenum fristgerecht zu treiben, so daß man das
Provisorium für die ersten Monate des Jahres 1936. mit dem
man allseits rechnete. noch vermeiden kann. Es ist weiter das
große Kunststück gelungen. daß man dem Hause
ein ausgeglichenes Budget vorgelegt hat, obzwar sich sämtliche
Finanzmänner und insbesondere auch der Finanzreferent darüber
im Klaren waren. daß die Ausgeglichenheit lediglich formaler
Natur sei und daß man am Ende des Jahres 1936 mit einem
Abgang von mehr als 1.3 Milliarden Kè wird rechnen müssen.
Meine Herren, wir haben uns, die wir noch verantwortlich von politischer
Arbeit denken, oft gefragt, wie denn eine Koalition in der Lage
ist, ein so vorgelegtes und auf diese Weise sogenannt durchberatenes
Budget überhaupt zu bewilligen und damit eine so schwere
Verantwortung auf sich zu nehmen, wie sie durch die Bewilligung
des Budgets bei der heutigen wirtschaftlichen Lage des Gesamtstaates
auf sich genommen werden muß. Ich habe den Voranschlag des
Arbeitsministeriums genau studiert und ich muß mich wundern,
wie es dem Herrn Arbeitsminister möglich ist zu verkünden,
daß ihm eine Milliarde für Investitionszwecke zur Verfügung
stünde. Diese Milliarde ist nicht hier. Man hat darauf hingewiesen.
daß man heuer der Verbesserung und Schaffung neuer nichtstaatlicher
Straßen einen Betrag von 122 Millionen Kronen mehr zur Verfügung
stellen würde, als es im Vorjahre geschehen ist. 122 Millionen
mehr als im Gesetz begründet sind Meine Herren. wenn Sie
näher Einblick nehmen in den Voranschlag. können Sie
feststellen. daß diese 122 Millionen Subventionen sind,
die in früheren Jahren bewilligt, aber nicht ausgezahlt wurden
und wenn man schon im Jahre 1936 der Hoffnung ist, sie auszahlen
zu können, was fraglich ist. da die wirtschaftliche Lage
im Jahre 1936 schlechsein wird als während der vorhergehenden
Jahre, so bedeutet das keineswegs Investition. sondern die Bezahlung
längst fälliger Schulden, die normalerweise ein Kaufmann
solange überhaupt nicht hätte offen lassen dürfen
Es kommt darauf an, daß der Staat die Initiative ergreift
und daß von staatswegen die Voraussetzung zur Schaffung
von zusätzlichen Arbeitskräften geschaffen wird.
Verschiedene Abgeordnete der Koalition haben auf diese meine ernsten
Bedenken erwidert. daß man jahrelang Mitglied des Hauses
sein müsse. um in die Gepflogenheiten des Hauses und in das
Getriebe des Parlamentes selbst. die richtige Einfühlung
zu bekommen. Ich bin der Ansicht. daß eine meh rjährige
Gewöhnung an dieses Svstem mit der Zeit jede Kritikfähigkeit
ausschließen muß und ich bin daher der Ansicht. daß
gerade jene Menschen, die noch vor kurzer Zeit aus der großen
Masse der Bevölkerung hierher abgesandt wurden, in der Lage
sind, verantwortliche Kritik an diesem Svstem zu üben. Uns
liegt keineswegs daran. uns durch meh rjährige Gewöhnung
Routine anzueignen. die sich lediglich in der Handhabung der sogenannten
Maschinerie des Parlamentes auswirken kann. uns kann lediglich
da ran liegen, hier im Parlamente praktische und positive aber
auch verantwortliche Arbeit zu leisten. Routine, meine Herren,
ist uns nie das Primäre gewesen. Wir können aber also
auch dem Lob der Schnelli gkeit, das im Prager deutschen Rundfunk
über die Behandlung des Budgets gesungen wurde, nicht zustimmen,
insbesondere deshalb nicht, weil diese Schnelligkeit notwendigerweise
erkauft werden müßte mit dem Verlust an Gründlichkeit,
mit dem Verluste an Sachlichkeit und letzten Endes auch unter
Einbuße der Verantwortlichkeit der betreffenden Faktoren.
Es ist hier üblich geworden, daß man jenen, der sich
getraut, an den parlamentarischen Formen und an den schlechtangewandten
Formen der Demokratie Kritik zu üben, glattweg als Staatsfeind
und als Feind der Demokratie betrachtet und ihn auf diese Weise
zu diffamieren sucht. Ich muß mich gegen dieses Vorgehen
verwahren, und wenn ich Kritik an der Form der sogenannten Budgetberatung
geübt habe, so geschah dies lediglich aus dem Gefühl
heraus. daß Sie es nicht zulassen können, daß
dieses Parlament zu einem zweiten Hvdepark in Europa wird. Man
mag sagen, daß der Hydepark in England eine außerordentliche
demokratische Einrichtung ist, weil es dort jedem Menschen gestattet
ist, zu allem und jedem ungestraft Stellung zu nehmen. über
das und jenes zu reden. ohne daß die Regierung jemals die
Absicht hat, zu dem, was dort gesprochen wurde, in irgend einer
Form Stellung zu nehmen. Wir glauben aber, daß sich jeder
Engländer energisch dagegen verwahren würde. wenn man
sagen würde: Ihr habt einen Hvdepark in London und deshalb
seid ihr ein demokratisches Land. Für eine verantwortlichere
Behandlung des Budgets spricht auch die Tatsache, daß die
gesamte Öffentlichkeit von dem Staate heute eine Linderung
der wirtschaftlichen Verhältnisse erwartet. Nach dem totalen
Zus ammenbruch der Privatwirtschaft erwartet man, daß nun
der Staat initiativ für die Wi rtschaftsbelebung eintritt
und man sieht im Sta atsvoranschlag die Voraussetzung für
diese Notwendigkeiten. Die Einstellung der breiten Öffentlichkeit
ist längst der Einstellung gewisser maßgebender Faktoren
vorausgeeilt. Man ist sich heute längst im Klaren, daß
es sich nicht mehr um eine jener zyklischen Kreise handelt, die
im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Wirtschaft zu erschüttern
pflegten, man ist sich im Klaren darüber, daß der tiefste
Punkt der Krise, auf dem wir seit Jahren angelangt zu sein scheinen,
nicht automatisch abgelöst werden wird durch eine aufsteigende
Linie der Wirtschaft. Man ist sich in den breiten Massen der Bevölkerung
darüber im Klaren, daß es sich hier um eine strukturelle
Änderung der Wirtschaftsvoraussetzungen handelt und daß
diese Änderung hauptsächlich durch politische Einflüsse
der letzten 20 Jahre bewirkt wurde. Insbesondere die Sudetendeutschen
wissen ein Lied davon zu singen, denn gerade unsere Industrie
und unser Gewerbe hatte früher in der großen österreichisch-ungarischen
Monarchie ein großes Absatzgebiet mit 54 Millionen Menschen.
Durch politische Einflüsse wurde dieses Absatzgebiet zertrümmert.
Letzten Endes waren es auch politische Einflüsse, die mit
die gesamte Weltwirtschaft ad absurdum geführt haben. In
dieser Hinsicht gewinnen natürlich jene Faktoren an Bedeutung,
die über politische Macht und politische Verantwortung verfügen
und die einzig und allein in der Lage sind von der politischen
Seite her die Wirtschaft zu beleben. Wir müssen feststellen,
daß in dieser Richtung seitens der verantwortlichen Regierung
dieses Staates wenig geleistet wurde. Es ist zwar hie und da etwas
unternommen worden, man hat diese und jene krassen Mißverhältnisse
abgestellt, aber man kann wohl feststellen, ohne als Querulant
bezeichnet werden zu können, daß seitens der Regierung
ein großes Aktionsprogramm zur Belebung der Wi rtschaft
nicht vorgelegt wurde. Seit einigen Monaten überschwemmt
man die Öffentlichkeit mit Nachrichten, daß Milliardenbeträge
für Investitionen zur Verfügung gestellt wurden. Als
wir hier ins Parlament einzogen, war es der Herr Ministerpräsident
Malypetr, der damals der Öffentlichkeit verkündete,
daß 5 Milliarden für Investitionszwecke zur Verfügung
stünden und im Verlaufe der Budgetbesprechungen hörten
wir vom Herrn Fürsorgeminister, daß so und so viele
Milliarden der Wirtschaft zugeführt werden sollten. Meine
Herren! Wir sind der Ansicht, daß das falsche Methoden sind,
die Öffentlichkeit zu beruhigen, denn diese Milliardenbeträge
hat man auch in früheren Jahren an Investitionen ausgegeben
und angelegt. Wir sind der Ansicht, daß man in dem Investitionsprogramm
fortfahren muß, wir sind jedoch der Ansicht, daß die
Fortführung dieser Investitionen keineswegs zu zusätzlicher
Schaffung von Kaufkraft führen kann und allein auf die zusätzliche
Schaffung von Kaufkraft kommt es überhaupt an. Wir sind daher
der Ansicht, daß man über kurz oder lang einmal auf
den Vorschlag wird zurückkommen müssen, den wir im sozialpolitischen
Ausschuß der Regierung vorgelegt haben, denn es geht nicht,
daß dieses oder jenes Ministerium verkündet, es hätte
Milliarden zur Verfügung und wenn man dann das Budget genau
prüft, sieht man, daß von den Milliarden hundert Millionen
in Abzug zu bringen sind; Wir sehen die Möglichkeit nur in
der Kreditausweitung des Staates, in der Form der Begebung sogenannter
Arbeitsbeschaffungswechsel. Großzügige Notstandsmaßnahmen
können heute ohne Mitwirkung des Staates und der Nationalbank
einfach nicht mehr durchgeführt werden. Wir müssen daher
im Interesse der gesamten werktätigen Bevölkerung dieses
Staates fordern, daß die Nationalbank aus ihrer bisherigen
Reserve heraustritt, da keine Möglichkeit mehr besteht, auf
dem Wege privater Anleihen auch nur die geringste Initiative zur
Neuentfaltung der Kaufkraft zustandezubringen. Der Staat hat also
hier die Pflicht in die Bresche zu springen, denn nur durch eine
Kreditschöpfung, die der Staat allein vermag, ist es möglich,
die Voraussetzung zu einer Belebung der Wirtschaft zu schaffen.
Es ist richtig, wenn verschiedene Seiten behaupten, daß
die Begebung von sogenannten Arbeitsbeschaffungswechseln eine
Belastung zukünftiger Jahre ist. Was tut aber denn die Regierung
heute? Schauen Sie sich das Kapitel Schulden im Staatsvoranschlage
und im Rechnungsabschluß an. Ist darin nicht eine beängstigende
Belastung der Zukunft enthalten? Die schwebende Schuld beträgt
71/2 Milliarden, man hat bereits Jahre vorweg belastet, ohne aber
die Voraussetzung zu schaffen, diese kurzfristigen Schulden abzutragen.
Hat man da nicht die Zukunft weitgehend belastet, ohne die Voraussetzung
für die Erschließung neuer Steuerquellen und neuer
Sparkapitals zu schaffen? Wir sehen in der von uns propagierten
Form der Kreditschöpfung keineswegs eine Gefahr, denn durch
die Kreditausweitung, durch die Schaffung zusätzlicher Kaufkraft
wird gleichzeitig zusätzlich auch eine neue Steuerquelle
geschaffen. Durch unseren Vorschlag wäre es möglich,
daß die neuaufgelebte Wirtschaft neues Sparkapital bildet,
wodurch die Voraussetzung gegeben ist, die schwebenden kurzfristigen
Schulden durch Begebung neuer langfristiger Anleihen zu konsolidieren.
Es ist wahr, daß sich auch heute noch eine ganze Reihe von
Menschen nicht vorstellen kann, daß der Umlauf des Bargeldes,
der Wechsel nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der sogenannten
Golddeckung stehen muß. Man sieht in unserem Vorschlag eine
Gefahr für die Stabilität der Währung und befürchtet,
durch die Begebung der Arbeitsbeschaffungswechsel eine Inflation
herbeizuführen.
Ich muß mir an dieser Stelle gestatten, die Verantwortlichen
noch einmal darauf hinzuweisen, daß diese Befürchtungen
nicht zu Recht bestehen. Wir haben einerseits unseren Vorschlag
dahin begrenzt, daß man diese Wechsel nur in jener Höhe
begeben möge, die gleich ist der Differenz zwischen dem heute
abnormalen Notenumlauf, und dem von uns als normal angesehenen
Notenumlauf von 7 1/2 Milliarden Kè. Wir sehen in dieser
Begrenzung der Kreditschöpfung die Gewähr dafür,
daß eine Inflation durchaus nicht möglich ist. Es ist
auch darauf hinzuweisen, daß Kreditschöpfung in der
Form unseres Vorschlages auch in früheren Jahren und Jahrzehnten
stets getan wurde. Denken Sie daran, was die Handelsbanken im
Laufe der letzten Jahrzehnte getan haben, als sie die Schaffung
des Wohlstands, der sich durch die Entwicklung der Exportindustrie
ergab, zunächst einmal finanziell einleiteten. Die Handelsbanken
haben in weitem Maße Kreditschöpfung betrieben. wobei
sie Kredite für eine Basis gaben, die man wohl oft als fiktiv
bezeichnen konnte. Denn es ist nicht richtig, daß Kredite
nur auf einer durchaus liquiden Deckungsbasis gegeben werden.
Ich verweise da z. B. auf das größte finanz-politische
Kunststück. das durch die Schaffung der Rentenmark und die
Stabilisierung der Reichsmark in Deutschland gemacht wurde. Auch
das war keineswegs auf liquider Dekkungsbasis fundiert, denn der
Deckung der Rentenmark fehlte damals vor allem eine Voraussetzung,
die für die Deckung notwendig ist, nämlich die Liquidität.
Damals, als der Reichsbankpräsident Schacht die Rentenmark
schuf, um die Reichsmark zu stabilisieren, hatte er überhaupt
keine liquiden Deckungsmittel in der Hand und wenn wir heute.
im Bewußtsein der großen Reserven, in einem bestimmten
Ausmaße Arbeitsbeschaffungswechsel begeben wollen, so müssen
wir sagen, daß die liquide Deckung für diese Wechsel
sogar teilweise vorhanden ist, daß aber diese Deckung in
liquider Form nicht nötig ist, da sie in den Werten, die
diese zusätzliche Arbeit schafft, begründet ist.
Dieser von den Banken normal betriebene Vorgang der Kreditschöpfung
kann heute nur vom Staat selbst besorgt werden. Die Privatwirtschaft
ist abgeschöpft, neues Sparkapital wird nicht gebildet. Wer
soll also die zusätzliche Kaufkraft schaffen? Wer soll initiativ
die Wirtschaft beleben, wenn es nicht der einzige Wirtschaftsfaktor
sein kann, der das vermag, nämlich der Staat.
Es ist von mir bereits gesagt worden, daß eine Voraussetzung
der Begebung der Arbeitsbeschaffungswechsel natürlich auch
die sein muß, daß sie in einer kurzen Zeit liquidiert
werden. Diese Voraussetzung ist dadurch gegeben, daß die
neubelebte Wirtschaft die Erschließung neuer Steuerquellen
ermöglicht und die Bildung neuen Sparkapitals die Auflegung
langfristiger Anleihen gestattet. Wenn man daher heute noch der
Ansicht ist, daß die Belebung der Wirtschaft lediglich durch
drei Voraussetzungen, die ich hier noch anführen werde, erfolgen
kann, so ist das meiner Ansicht nach ein bedauerlicher Irrtum,
der mit Hunderttausenden und Aberhunderttausenden Existenzen bezahlt
wird. Man ist in diesen Kreisen der Ansicht, daß eine Wirtschaftsbelebung
nur finanziert werden kann: ersten durch Begebung von Anleihen
auf dem freien Markt, zweitens durch erspartes Kapital der Wirtschaft
und drittens Finanzierung dieser Belebung durch Steuern. Es ist
klar, daß alle diese drei Punkte bei den heutigen Verhältnissen
nicht mehr anwendbar sind.