Pondìlí 9. prosince 1935

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 19. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 9. prosince 1935.

Øeè posl. Kundta (viz str. 4 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die Kapitel 1 bis 9, die hier jetzt zur Diskussion stehen, betragen eine Summe von 2.562,000.000 Kè an Gesamtausg.aben und wenn man den Anteil der Selbstverwaltungskörper an den staatlichen Steuern ohne Straßenfond hinzurechnet, die Summe von 4.179,891.000 Kè, wobei der jährliche Rüstungsbeitrag von 315 Millionen und der außerordentliche Rüstungskredit dieses Jahres von 360 Millionen Kè sowie die Investitionsanleihe nicht eingerechnet sind. Es ist interessant, nach den früheren Staatsvoranschlägen zu untersuchen, wie sich diese Ausgaben gegenüber den früheren Jahren verhalten. Der Staatsvoranschlag von 1928 z. B., des letzten guten Wirtschaftsjahres, weist für die gleichen Kapitel 1 bis 9 einschließlich der Anteile der Selbstverwaltungskörper eine Summe von 3.271,000.000 Kè aus, ohne den Rüstungsbeitrag von 315 Millionen Kè. Wir müssen also feststellen, daß gegenüber dem Jahre 1928 eine Mehrausgabe von 907 Millionen zu verzeichnen ist und ohne den Anteil der Selbstverwaltungskörper eine Mehrausgabe von 448 Millionen, trotz Ersparungsgesetzen, trotz Ersparungskommissionen, trotz zunehmender Wirtschaftskrise und sozialer Krise, trotz geringerer Steuerleistung der Bevölkerung und trotz des Gehaltsabbaues der Beamtenschaft. Nimmt man den heurigen außerordentlichen Rüstungskredit sowie den ordentlichen Rüstungsbeitrag hinzu, so müssen wir feststellen, daß die Kapitel 1 bis 9 und ihr Wirkungskreis eine Mehrausgabe von 1.267,000.000 Kè gegenüber dem Jahre 1928 ausmachen. Demgegenüber sind die Einnahmen dieser Kapitel um 55 Millionen gesunken, so daß die Kapitel 1 bis 9 der Wirtschaft und der Bevölkerung 2.517,000.000 Kè kosten, und nimmt man den Anteil der Selbstverwaltungskörper an Steuern hinzu, 4.810,000.000 Kè. Wenn man aber noch in Betracht zieht, daß die Bevölkerung für die Verwaltungsgebiete, die unter der Hoheit der Ministerien der Kapitel 1 bis 9 stehen, aufkommen muß, und daß dazu noch kommt die Verzinsung der Schulden dieser Gebiete einschließlich der Länder, Bezirke und Gemeinden von jährlich 31/2 Milliarden, sowie die Ausgaben für die Budg.ets der Gemeinden, Bezirke und Länder - abgezogen schon den vorhin genannten Anteil der Selbstverwaltungskörper an staatlichen Steuern mit 6 Milliarden - so müssen wir feststellen, daß die Gesamtbelastung unserer Bevölkerung auf diesem Gebiete der Staatsverwaltung mit jährlich mindestens 14 Milliarden festgesetzt werden muß, wobei die Pensionen, Ruhegenüsse und allerhand anderes nicht einbezogen erscheinen.

Es ist daher berechtigt, daß man dieses Gebiet, die Kapitel 1 bis 9 des Voranschlages, einer grundsätzlichen und eingehenden Untersuchung unterzieht und diese Berechtigung ergibt sich von deutscher Seite umso mehr, als die deutsche Bevölkerung dieses Staates, wenn man nur den Bevölkerungsschlüssel zugrunde legt, eine jährliche Leistung von 3.144,000.000 Kè beizutragen hat, ganz abgesehen davon, daß die Bevölkerung des deutschen Gebietes nach dem Bevölkerungsschlüssel zur Staatsschuld und zu der Schuld der Gemeinden, Bezirke und Länder jährlich mindestens 31/2 Milliarden Kè beiträgt. Sie werden mir gestatten, dazu etwas Grundsätzliches zu sag.en, wenn auch in einer der letzten Sitzungen des Hauses Koll. Zeminová erklärt hat, daß man unsere Meinungen und unsere Stimmen zu diesen Dingen nicht benötigt. Sie werden uns das Recht hiezu geben, weil wir ja auch die Verpflichtung haben, zur Steuerleistung beizutragen. Wenn man uns das Recht absprechen will, in diesen Dingen mitzureden, dann wäre die logische Folge daraus, uns auch der Pflichten zu entheben, die wir bei diesen Kapiteln haben.

Was nun die einzelnen Kapitel betrifft, so habe ich bereits im Budgetausschuß zum Kapitel "Präsident" und "Präsidentenkanzlei" gesagt, daß wir im Grunde hiezu nichts Wesentliches einzuwenden haben. Im Gegenteil, wir anerkennen die Notwendigkeit der staatlichen Repräsentanz und mit ihr das ganze demokratische System, welches durch diese Repräsentanz dargestellt wird. Wir haben uns aber erlaubt, darauf hinzuweisen, daß es ein Verdienst des Herrn Staatspräsidenten wäre, die bisher schon einmal erlassene Amnestie zur Beseitigung psychologischer Momente, die in der Zusammenarbeit zwischen den Nationen störend wirken, zu wiederholen und ich freue mich, in der letzten Zeit darüber etwas gelesen zu haben und hoffe, daß es wahr ist, daß eine Amnestie und Abolition platzgreifen wird. Ich möchte nur wünschen, daß sie mit derselben Großzügigkeit von Seiten des Justizministeriums beantragt würde, mit welcher von Seiten der Staatsanwaltschaften immer gleich rasch und ohne Beweise das Verfahren nach § 2 eingeleitet wurde. Ich meine hier die Zeit vom Jahre 1931 bis 1934.

Zum Kapitel "Ministerratspräsidium" hatte ich mir erlaubt vorzuschlagen, daß nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Behandlung und Lösung der nationalen Frage beim Ministerratspräsidium eine Abteilung eingerichtet werden möge. Das hat den "Sozialdemokrat" dazu veranlaßt zu behaupten, ich hätte die Gedanken des Koll. Jaksch gestohlen. Ich stelle fest, daß ich mich schon seit 10 Jahren mit der Nationalitätenfrage beschäftige und daß ich in verschiedenen Kreisen, so z. B. im Jahre 1932 in der Gesellschaft zum Studium der Minderheitsfragen, die unter dem Vorsitz des Ministers Krofta tagt, die verschiedensten Gedankengänge zur Bereinigung der Nationalitätenfrage vorgetragen habe. Ich stelle mir auch nicht die Abteilung beim Ministerratspräsidium in der bescheidenen Weise des Koll. Jaksch vor, sondern in einer Weise, die wirklich durchgreifend endlich ein Problem löst, welches mit neben der sozialen Frage zu den wesentlichsten Problemen unseres Staates gehört. Ich freue mich natürlich, wenn auch bei Koll. Jaksch Gedankengänge wachgerufen worden sind, dem Nationalitätenproblem mehr Aufmerks amkeit zu schenken, als es von dieser Seite seit Jahren geschehen ist.

Zum Kapitel "Außenministerium" haben wir unsere Stellungnahme im Budgetausschuß eindeutig bezogen. Ich möchte hier nur auf die schädigende Auslandspropaganda hinweisen, die von einem Teil der vom Außenministerium subventionierten Presse getrieben wird. Bedenken Sie doch, wie es im Auslande wirken muß, wenn durch die offiziöse Presse ununterbrochen 31/2 Millionen Staatsbürger in einem Sinne qualifiziert werden, als wenn sie staatsfeindliche Elemente wären und die unverläßlichsten Bürger des Staates, abgesehen davon, daß man im gleichen Atem auch andere Minderheiten dieses Staates ähnlich qualifiziert. Was für ein Ansehen muß der Staat im Auslande bekommen, wenn die offiziöse Presse immer darauf verweist, daß ein so ungeheuerer Prozentsatz der Bevölkerung staatsfeindlich sei. Was muß man über die Konsolidiertheit unseres Staates denken, wenn die offiziöse Presse des Außenministeriums sich dem Ausländer fortwährend in der Weise präsentiert, daß der Staat sich in hohem Maße aus Staatsfeinden zusammensetzt. Es muß damit die Wertung des Staates im Auslande und auch sein Bündniswert sinken und es wäre zweckmäßig, die hohen Millionen, die aus diesem Kapitel und es ist wieder erhöht worden - der Propaganda zufließen, in einer Weise zu verwenden, die nicht das Ansehen des Staates im Auslande in der Weise schädigt, wie es die offiziöse Presse zu tun beliebt. Es ist auch nicht richtig, wenn die offiziöse Presse, die von allen Bürgern des Staates mit bezahlt wird, bei politischen Wahlen in innerpolitischen Angelegenheiten eingesetzt wird, um gewissen politischen Parteien Dienste zu leisten. Es verträgt sich dies auch nicht mit dem überparteilichen und seriösen Charakter, den gerade das Außenministerium in der Innenpolitik einzunehmen hätte, wenn es das Vertrauen aller Bevölkerungskreise genießen will.

Zum Kapitel "Justizministerium" hat bereits mein Koll. Neuwirth gesprochen. Ich will mir nur gestatten, auf das wesentliche Gebiet der innerstaatlichen Verwaltungszustände überzugehen. Der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža hat von dieser Stelle aus darauf verwiesen, niemand möge sich mit flüchtigem Blick auf die Oberfläche des täglichen öffentlichen Lebens zufrieden geben. Und wenn wir uns nicht mit einem flüchtigen Blick auf die Oberfläche zufrieden geben, die immer so erscheint, als wäre alles in Ordnung und als wäre die Demokratie in musterhaftester Weise im Sinne der Staatsverfassung durchgeführt, dann kritisiert man uns als Gegner des Staates. Unsere Meinung zu der ganzen Verwaltungs- und Rechtspraxis und den Auslagen für die Kapitel 1 bis 9 möchte ich nur kurz folgendermaßen präzisieren: Es wird bei einem verhältnismäßig geringen Anteil der Justizorgane an den Ausgaben dieser Kapitel bei uns viel zu teuer militarisiert, politisiert und verwaltet. Es wird vor allem politisiert und verwaltet über ein Maß hinaus, welches nicht der Wirtschaftskraft unseres Staates und auch nicht der Größe des Staates, der doch letzten Endes ein mittlerer Kleinstaat ist, entspricht.

Wenn man beachtet, was ich nur streifen will, daß die Militärausgaben vom Jahre 1918 bis heute die gleiche Höhe ausmachen, wie unsere Staatsschuld, wobei wir in der Staatsschuld noch Posten haben, die aus den österreichischen Zeiten übe nommen worden sind, so muß ich auch hier unterstreichen, daß auch hier vielleicht nicht ganz den wirtschaftlichen Verhältnissen, der Kraft unseres Staates angemessen gewirtschaftet wird, obwohl es verständlich und notwendig ist, daß jeder Staat auf seine äußere Sicherheit entsprechenden Wert legt. Vor allem aber verwalten wir viel zu teuer und wie ich aus einem Vergleich zwischen dem Jahre 1928 und heute erwiesen habe, immer teuerer. Dazu möchte ich betonen, daß wir vielfach schlecht verwaltet werden, vielfach ungerecht und immer undemokratischer verwaltet werden. Das möchte ich nur ein wenig zu beweisen versuchen und nachher hinzufügen, aus welchen politischen Gründen wir unobjektiv. vielfach verantwortungsleicht und undemokratisch bei uns Politik machen.

Ich kann mich bei meiner Feststellung, daß vielfach schlecht verwaltet wird, indirekt auf niemanden anderen berufen, als auf den Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža selbst, der erst vor wenigen Tagen hier ein großes Referat gehalten hat. Wenn er feststellt, daß es notwendig ist, die Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung zu befestigen und zu erhöhen, wenn er eine Verbesserung der allgemeinen Rechtsvorschriften verlangt, so ist damit angedeutet, daß nicht alles geschehen ist, was das entsprechende Vertrauen der Bevölkerung zur Verwaltung herbeigeführt hätte. Er weist auch darauf hin, daß dafür gesorgt werden wird, daß die Judikatur des Verwaltungsgerichtes auch von den Verwaltungsorganen beachtet wird. die bisher immer nur eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes als Entscheidung für den einzelnen Fall, aber niemals als Norm der Darnachachtung in ähnlichen Fällen betrachtet haben. Wenn der Herr Ministerpräsident es für notwendig befindet, einen Rechtsbeirat als Beratungsorgan des Ministerpräsidenten zu schaffen, um eine eindeutige und einheitliche Interpretierung der Rechtsnormen zu sichern und ein ungesetzliches Vorgehen von Staatsorganen zu hindern, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, daß in unserer Verwaltung in diesem Sinne nicht alles in Ordnung ist. Was den Rechtsbeirat betrifft, möchte ich mir gestatten, immerhin den Anspruch anzumelden, daß in diesem auch das deutsche Element des Staates entsprechend vertreten sei, u. zw. durch Männer der Justiz, die das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung genießen und nicht durch Männer, die man sich entgegen den demokratischen Grundsätzen des Mehrheitsprinzips vielleicht auszusuchen gedenkt. Ich kann nicht anders als mich darüber freuen, daß alle die Feststellungen, die ich zur Verwaltung bereits im Budgetausschuß gemacht habe, eigentlich durch den Herrn Ministerpräsidenten bestätigt worden sind, und daß er alles das, was dort von mir als notwendig dargestellt wurde, nun durchzuführen ankündigt. Wir wollen hoffen, daß es geschieht und wollen dann entsprechend mitwirken, wie wir auch bisher immer auf alle die Unmöglichkeiten und unobjektiven und undemokratischen Vorgänge in unserer gesamten Staatsverwaltung aufmerksam gemacht haben.

Ich will bei diesen Dingen noch an einige Tatsachen erinnern. Ich muß feststellen, daß wir eine sehr langsame Verwaltung besitzen. Die Verwaltung bei uns ist zum Teil sehr unmodern, zum Teil außerordentlich formalistisch und stark mit Papier zugedeckt. Sie ist unmodern, weil das Telephon und die modernen Mittel der Betriebstechnik der Kanzleien meistens unbekannte Angelegenheiten sind. Sie ist langsam, weil es sich erweist, daß meistens ohne Nachhilfe auch nur in angemessenen Fristen Verwaltungsakte nicht erledigt werden.

Ich habe mir die Mühe genommen, etwa 1000 Verwaltungsakte der letzten zwei Jahre zu untersuchen. Ich muß aus dieser Sachkenntnis heraus feststellen, daß es unheimlich ist, wie lange Zeit für die einfachsten, gesetzlich ganz klaren Angelegenheiten manche unserer Verwaltungszweige zur Entscheidung brauchen. Wenn in einem privatwirtschaftlichen Betrieb eine derart langsame Arbeitsweise vorkäme, würde sofort in entsprechender Weise vorgegang.en werden. Der Staat kann es sich leisten, mit den hohen Steuergeldern langsam zu verwalten. Diese langsame Verwaltung hat es mit sich gebracht, daß das sogenannte Interventionswesen eine der Hauptbeschäftigungen der Parlamentarie. unseres Staates geworden ist. Das Interventionswesen ist nur darauf gerichtet, dafür zu sorgen, daß die Akten nicht jahrelang in irgendeiner Schublade liegen bleiben, sondern erledigt werden. Damit wird der Parlamentarier seinen eigentlichen großen Aufgaben entzogen und zum Laufburschen seines Wählers herabgedrückt, weil die Verwaltung nicht so funktioniert, wie es notwendig ist. Hier möchte ich gleich eine Bemerkung zur Feststellung des Herrn Ministers Spina machen. Er hat in Brüx darauf verwiesen, daß derjenige, der eine Intervention abgewiesen wissen will, zur Sudetendeutschen Partei gehen soll. Ich möchte doch zum großen Teil unsere Verwaltungsbeamten gegen die Verdächtigung in Schutz nehmen, daß sie unobjektiv nur Interventionen von Regierungsparteien berücksichtigen. Ich muß diese Beschuldigung unserer Verwaltungsbeamten durch einen aktiven Minister zurückweisen, weil ich aus meiner eigenen Erfahrung festgestellt habe, daß sie nicht zutrifft, zumindestens nicht in dem Maße, als ein aktiver Minister sagen durfte. Anderseits muß ich feststellen, daß, wenn der Herr Minister Spina das Wesen der politischen Tätigkeit und Erfolghaftigkeit darin sieht, daß man interveniert und damit eigentlich das tut, was die Beamtenschaft schließlich von selbst tun sollte, dies für die Aufgaben, die einem èechoslovakischen Parlamentarier gestellt erscheinen, ein enger Gesichtskreis ist. Im übrigen wird ja noch Gelegenheit sein, von höherer Seite auf die Anfrage zu antworten, die diese unobjektive und sicherlich der Verärgerung und Nervosität entsprungene Äußerung eines Ministers notwendig gemacht hat.

Die Langsamkeit unserer Verwaltung ist auch mit Folgendem begründet: Die Gesetze geben zwar den unteren Instanzen unserer Verwaltung ein ungemein großes Maß des freien Ermessens, aber damit weiß die niedere Beamtenschaft oft nichts anzufangen. Es ist Praxis geworden, daß kein Akt oder zumindestens gewisse Arten von Akten von der politischen Bezirksbehörde erledigt werden, bevor nicht auf dem gesetzlich nicht vorg.esehenen telephonischen Wege bei der Landesbehörde angefragt wurde, und bevor nicht wiederum dann von der Landesbehörde erst telephonisch beim Innenministerium angefragt wird. Auf diese Art hat man trotz der in den Gesetzen festgelegten Dezentralisation durch das an sich viel zu weitg.ehende Ermessen der Bezirksbehörden praktisch eine Zentralisierung eingeführt, die der Gesetzgebung und dem Sinne unserer Staatsverfassung nicht entspricht. Daher ist es so, daß der gewöhnlichste Akt, z. B. die Bewilligung eines Vereinsfestes ewig dauert, bevor er erledigt wird. weil durch diese Art und Weise - hier mache ich die politischen Parteien haftbar, die in alle Dinge der Verwaltung hineinsprechen der Bezirksbeamte sich gar nicht getraut. auch nur ein kleines Sommerfest zu bewilligen, ohne sich vorher die Rückendeckung. bei der Landesbehörde und diese wiederum beim Innenministerium und dort womöglich beim Ministerrat oder den führenden Männern der politischen Parteien zu sichern. Auf diese Weise hat das Parteiensvstem, welches ununterbrochen in die politische Verwaltung hineinredet und die Freiheit der Beamten zunichte macht, einen Zustand herbeigeführt, der nicht nur gesetzwidrig ist, sondern auch die Staatsbürger und die Wirtschaft schädigt.

Dazu kommt noch, daß nicht nur die Staatsbeamten Parteibeamte sind, sondern daß vielfach die Staatsbeamten sich auch nicht als Beamte eines Staates mehrerer Nationen, sondern als Nationsbeamte in der Staatsverwaltung fühlen. (Potlesk.)

So kommt es, daß Rekurse in der politischen Verwaltung eigentlich ein Nonsens sind, denn wenn sich die unterste Behörde vorher bei der Oberbehörde gedeckt hat und diese wieder weiter oben, so muß natürlich ein Rekurs gegen die Entscheidung der ersten Instanz bei der zweiten Instanz abgewiesen werden, weil die zweite Instanz sich nicht vor der ersten Instanz blamieren kann, indem sie die Entscheidung, die sie telephonisch gegeben hat, als gesetzwidrig aufhebt. Wenn dann das Oberste Verwaltungsgericht jahrelang zur Erledigung einer Beschwerde benötigt, so bedeutet ein Sieg beim Obersten Verwaltungsgericht keinen praktischen Erfolg, weil der Gegenstand längst überholt ist und die wirtschaftliche Schädigung für die Staatsbürger bereits eingetreten ist. Aus diesem Grunde wäre es notwendig, sich selbst an die Verfassung und die Gesetze zu halten, an die Verfassung, die Sie selbst beschlossen haben, und an das Verwaltungsorganisationsgesetz vom Jahre 1927, das auch Sie beschlossen haben. Beide sehen ausdrücklich Verwaltungssenate und die entsprechende Mitarbeit des Lalienelementes zur Entlastung und Förderung unserer Verwaltungstätigkeit vor. Man hat weder die Verfassung.. noch das Verwaltungsg.esetz vom Jahre 1927 bish er durchgeführt. Es ist dies charakteristisch für den Ernst. mit dem man die demokratischen Grundsätze der Staatsverfassung und der eigenen Gesetzgebung zu befolgen beabsichtigt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit würde dann nicht so viel kosten, man würde umso mehr an Panier ersparen und die Beamtenschaft würde in hohem Maße entlastet werden. Man würde es der Beamtensch aft auch möglich machen. tiefgehender zu arbeiten und sie hätte auch Zeit. sich noch weiter fortzubilden.

Die Praxis bei einzelnen Verwaltungsakten geht dahin, daß man erst 24 Stunden, bevor die betreffende, sag.en wir Veranstaltung, Ausstellung oder sonst etwas angesetzt ist. entweder die Zusage erteilt oder verweigert, um welche Wochen vorher angesucht wurde. Das geschieht ganz besonders gegenüber deutschen Vereinen und Organisationen, gleichgültig ob sie einer genehmeren oder weniger genehmen Parteirichtung angehören oder auch gar keiner Partei. Es ist Praxis geworden, daß unsere Organisationen immer erst ein paar Stunden vor der Veranstaltung die Zusage oder Absage erhalten, wodurch sie einen ungeheueren wirtschaftlichen Schaden erleiden, besonders wenn es sich um größere Veranstaltungen handelt. Es muß dann in der Bevölkerung die Überzeugung entstehen, daß das oft nicht aus Verwaltungsschlamperei, sondern aus böser Absicht geschieht, um die deutschen Veranstaltungen mindestens finanziell zu schädigen. Sie können sich dann nicht wundern, wenn in der deutschen Bevölkerung, auch in der, die nicht zu denen gehört, die Sie immer als Staatsfeinde hinstellen, einheitlich die Meinung der Bevorrechtigung gewisser Veranstaltungen entsteht. Denn es ist so, daß Sokolfeste, Veranstaltungen der Jednota usw. immer lange Zeit vorher die Genehmigung erhalten, während deutsche Veranstaltungen erst am Tage ihrer Abhaltung die Absage erhalten, wo bereits die Massen im Zureisen begriffen sind. Dann werden sie von Gendarmen und Polizisten empfangen, auseinandergetrieben, obwohl es nicht ihre Schuld ist, sondern die Schuld der Verwaltungsinstanz, daß sie angereist sind. (Posl. dr Hodina: Das nennt sich Demokratie!) Das nennt sich Demokratie, objektive, disziplinierte Demokratie.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf ein Anderes verweisen. Man kann den Staat so oder so verwalten, diese oder jene Weisungen geben, sei es objektive oder nicht objektive, demokratische oder autoritäre. Auf alle Fälle aber wird das Ansehen der Verwaltungsbehörden vor der Bevölkerung ruiniert, wenn die konfusesten und gegensätzlichsten Begründungen in den Entscheidungen der politischen Bezirksbehörden enthalten sind. Wenn z. B. die Karlsbader Polizeidirektion auf Grund des anhaltenden schönen Wetters und der kurörtlichen Rücksichten eine Veranstaltung verbietet und es gerade an dem Sonntag so gießt und regnet, wie nie zuvor, macht sich eine Polizeidirektion lächerlich, die sich in ihren Entscheidungen als Wetterprophet aufspielt. Wenn überdies dann dieselbe Polizeidirektion im Herbste bei einer Veranstaltung einer gewissen politischen Richtung die kurörtlichen Rücksichten heranzieht, aber in der höchsten Sommersaison eine Veranstaltung der èechischen Jednota oder der Sozialdemokratie gestattet und hier keine kurörtlichen Rücksichten kennt, macht sie sich außerdem der höchsten Unobjektivität gegenüber der Bevölkerung schuldig. Wenn z. B. ein Bezirkshauptmann eine Veranstaltung unserer Partei - ich habe bisher vermieden, Sachen unserer Partei heranzuziehen, sondern nur Sachen, die mit unserer Partei nichts zu tun haben; denn wenn wir von unserer Partei sprechen, gehen gleich die Scheuklappen auf und Sie verschließen sich unserer Argumentation - mit der Begründung verbietet, daß dadurch anderen Parteien Mitglieder abspenstig gemacht werden könnten, so ist das bezeichnend dafür, wie der unterste Bezirkshauptmann Ihre Politik auffassen muß, welche Demokratie und Argumentation hier platzgreifen. Oder wenn ein anderer Bezirkshauptmann eine Veranstaltung an der Grenze mit Rücksicht auf die Verhältnisse in Österreich verbietet, macht er zwar Außenpolitik, aber es ist nicht Sache der Bezirkshauptleute, Außenpolitik zu machen. Oder wenn ein dritter Bezirkshauptmann Plakate, in denen die graue Farbe vorkommt, mit dem Hinweis darauf verbietet, daß das die Farbe der Reichswehr sei, so macht er sich bei der Bevölkerung lächerlich, stärkt aber damit nicht seine Autorität. (Potlesk.)

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