Meine Damen und Herren! Die Kapitel 1 bis 9, die hier jetzt zur
Diskussion stehen, betragen eine Summe von 2.562,000.000 Kè
an Gesamtausg.aben und wenn man den Anteil der Selbstverwaltungskörper
an den staatlichen Steuern ohne Straßenfond hinzurechnet,
die Summe von 4.179,891.000 Kè, wobei der jährliche
Rüstungsbeitrag von 315 Millionen und der außerordentliche
Rüstungskredit dieses Jahres von 360 Millionen Kè
sowie die Investitionsanleihe nicht eingerechnet sind. Es ist
interessant, nach den früheren Staatsvoranschlägen zu
untersuchen, wie sich diese Ausgaben gegenüber den früheren
Jahren verhalten. Der Staatsvoranschlag von 1928 z. B., des letzten
guten Wirtschaftsjahres, weist für die gleichen Kapitel 1
bis 9 einschließlich der Anteile der Selbstverwaltungskörper
eine Summe von 3.271,000.000 Kè aus, ohne den Rüstungsbeitrag
von 315 Millionen Kè. Wir müssen also feststellen,
daß gegenüber dem Jahre 1928 eine Mehrausgabe von 907
Millionen zu verzeichnen ist und ohne den Anteil der Selbstverwaltungskörper
eine Mehrausgabe von 448 Millionen, trotz Ersparungsgesetzen,
trotz Ersparungskommissionen, trotz zunehmender Wirtschaftskrise
und sozialer Krise, trotz geringerer Steuerleistung der Bevölkerung
und trotz des Gehaltsabbaues der Beamtenschaft. Nimmt man den
heurigen außerordentlichen Rüstungskredit sowie den
ordentlichen Rüstungsbeitrag hinzu, so müssen wir feststellen,
daß die Kapitel 1 bis 9 und ihr Wirkungskreis eine Mehrausgabe
von 1.267,000.000 Kè gegenüber dem Jahre 1928 ausmachen.
Demgegenüber sind die Einnahmen dieser Kapitel um 55 Millionen
gesunken, so daß die Kapitel 1 bis 9 der Wirtschaft und
der Bevölkerung 2.517,000.000 Kè kosten, und nimmt
man den Anteil der Selbstverwaltungskörper an Steuern hinzu,
4.810,000.000 Kè. Wenn man aber noch in Betracht zieht,
daß die Bevölkerung für die Verwaltungsgebiete,
die unter der Hoheit der Ministerien der Kapitel 1 bis 9 stehen,
aufkommen muß, und daß dazu noch kommt die Verzinsung
der Schulden dieser Gebiete einschließlich der Länder,
Bezirke und Gemeinden von jährlich 31/2 Milliarden, sowie
die Ausgaben für die Budg.ets der Gemeinden, Bezirke und
Länder - abgezogen schon den vorhin genannten Anteil der
Selbstverwaltungskörper an staatlichen Steuern mit 6 Milliarden
- so müssen wir feststellen, daß die Gesamtbelastung
unserer Bevölkerung auf diesem Gebiete der Staatsverwaltung
mit jährlich mindestens 14 Milliarden festgesetzt werden
muß, wobei die Pensionen, Ruhegenüsse und allerhand
anderes nicht einbezogen erscheinen.
Es ist daher berechtigt, daß man dieses Gebiet, die Kapitel
1 bis 9 des Voranschlages, einer grundsätzlichen und eingehenden
Untersuchung unterzieht und diese Berechtigung ergibt sich von
deutscher Seite umso mehr, als die deutsche Bevölkerung dieses
Staates, wenn man nur den Bevölkerungsschlüssel zugrunde
legt, eine jährliche Leistung von 3.144,000.000 Kè
beizutragen hat, ganz abgesehen davon, daß die Bevölkerung
des deutschen Gebietes nach dem Bevölkerungsschlüssel
zur Staatsschuld und zu der Schuld der Gemeinden, Bezirke und
Länder jährlich mindestens 31/2 Milliarden Kè
beiträgt. Sie werden mir gestatten, dazu etwas Grundsätzliches
zu sag.en, wenn auch in einer der letzten Sitzungen des Hauses
Koll. Zeminová erklärt hat, daß man unsere
Meinungen und unsere Stimmen zu diesen Dingen nicht benötigt.
Sie werden uns das Recht hiezu geben, weil wir ja auch die Verpflichtung
haben, zur Steuerleistung beizutragen. Wenn man uns das Recht
absprechen will, in diesen Dingen mitzureden, dann wäre die
logische Folge daraus, uns auch der Pflichten zu entheben, die
wir bei diesen Kapiteln haben.
Was nun die einzelnen Kapitel betrifft, so habe ich bereits im
Budgetausschuß zum Kapitel "Präsident" und
"Präsidentenkanzlei" gesagt, daß wir im Grunde
hiezu nichts Wesentliches einzuwenden haben. Im Gegenteil, wir
anerkennen die Notwendigkeit der staatlichen Repräsentanz
und mit ihr das ganze demokratische System, welches durch diese
Repräsentanz dargestellt wird. Wir haben uns aber erlaubt,
darauf hinzuweisen, daß es ein Verdienst des Herrn Staatspräsidenten
wäre, die bisher schon einmal erlassene Amnestie zur Beseitigung
psychologischer Momente, die in der Zusammenarbeit zwischen den
Nationen störend wirken, zu wiederholen und ich freue mich,
in der letzten Zeit darüber etwas gelesen zu haben und hoffe,
daß es wahr ist, daß eine Amnestie und Abolition platzgreifen
wird. Ich möchte nur wünschen, daß sie mit derselben
Großzügigkeit von Seiten des Justizministeriums beantragt
würde, mit welcher von Seiten der Staatsanwaltschaften immer
gleich rasch und ohne Beweise das Verfahren nach § 2 eingeleitet
wurde. Ich meine hier die Zeit vom Jahre 1931 bis 1934.
Zum Kapitel "Ministerratspräsidium" hatte ich mir
erlaubt vorzuschlagen, daß nicht nur für die Wirtschaft,
sondern auch für die Behandlung und Lösung der nationalen
Frage beim Ministerratspräsidium eine Abteilung eingerichtet
werden möge. Das hat den "Sozialdemokrat" dazu
veranlaßt zu behaupten, ich hätte die Gedanken des
Koll. Jaksch gestohlen. Ich stelle fest, daß ich
mich schon seit 10 Jahren mit der Nationalitätenfrage beschäftige
und daß ich in verschiedenen Kreisen, so z. B. im Jahre
1932 in der Gesellschaft zum Studium der Minderheitsfragen, die
unter dem Vorsitz des Ministers Krofta tagt, die verschiedensten
Gedankengänge zur Bereinigung der Nationalitätenfrage
vorgetragen habe. Ich stelle mir auch nicht die Abteilung beim
Ministerratspräsidium in der bescheidenen Weise des Koll.
Jaksch vor, sondern in einer Weise, die wirklich durchgreifend
endlich ein Problem löst, welches mit neben der sozialen
Frage zu den wesentlichsten Problemen unseres Staates gehört.
Ich freue mich natürlich, wenn auch bei Koll. Jaksch
Gedankengänge wachgerufen worden sind, dem Nationalitätenproblem
mehr Aufmerks amkeit zu schenken, als es von dieser Seite seit
Jahren geschehen ist.
Zum Kapitel "Außenministerium" haben wir unsere
Stellungnahme im Budgetausschuß eindeutig bezogen. Ich möchte
hier nur auf die schädigende Auslandspropaganda hinweisen,
die von einem Teil der vom Außenministerium subventionierten
Presse getrieben wird. Bedenken Sie doch, wie es im Auslande wirken
muß, wenn durch die offiziöse Presse ununterbrochen
31/2 Millionen Staatsbürger in einem Sinne qualifiziert werden,
als wenn sie staatsfeindliche Elemente wären und die unverläßlichsten
Bürger des Staates, abgesehen davon, daß man im gleichen
Atem auch andere Minderheiten dieses Staates ähnlich qualifiziert.
Was für ein Ansehen muß der Staat im Auslande bekommen,
wenn die offiziöse Presse immer darauf verweist, daß
ein so ungeheuerer Prozentsatz der Bevölkerung staatsfeindlich
sei. Was muß man über die Konsolidiertheit unseres
Staates denken, wenn die offiziöse Presse des Außenministeriums
sich dem Ausländer fortwährend in der Weise präsentiert,
daß der Staat sich in hohem Maße aus Staatsfeinden
zusammensetzt. Es muß damit die Wertung des Staates im Auslande
und auch sein Bündniswert sinken und es wäre zweckmäßig,
die hohen Millionen, die aus diesem Kapitel und es ist wieder
erhöht worden - der Propaganda zufließen, in einer
Weise zu verwenden, die nicht das Ansehen des Staates im Auslande
in der Weise schädigt, wie es die offiziöse Presse zu
tun beliebt. Es ist auch nicht richtig, wenn die offiziöse
Presse, die von allen Bürgern des Staates mit bezahlt wird,
bei politischen Wahlen in innerpolitischen Angelegenheiten eingesetzt
wird, um gewissen politischen Parteien Dienste zu leisten. Es
verträgt sich dies auch nicht mit dem überparteilichen
und seriösen Charakter, den gerade das Außenministerium
in der Innenpolitik einzunehmen hätte, wenn es das Vertrauen
aller Bevölkerungskreise genießen will.
Zum Kapitel "Justizministerium" hat bereits mein Koll.
Neuwirth gesprochen. Ich will mir nur gestatten, auf das
wesentliche Gebiet der innerstaatlichen Verwaltungszustände
überzugehen. Der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža
hat von dieser Stelle aus darauf verwiesen, niemand möge
sich mit flüchtigem Blick auf die Oberfläche des täglichen
öffentlichen Lebens zufrieden geben. Und wenn wir uns nicht
mit einem flüchtigen Blick auf die Oberfläche zufrieden
geben, die immer so erscheint, als wäre alles in Ordnung
und als wäre die Demokratie in musterhaftester Weise im Sinne
der Staatsverfassung durchgeführt, dann kritisiert man uns
als Gegner des Staates. Unsere Meinung zu der ganzen Verwaltungs-
und Rechtspraxis und den Auslagen für die Kapitel 1 bis 9
möchte ich nur kurz folgendermaßen präzisieren:
Es wird bei einem verhältnismäßig geringen Anteil
der Justizorgane an den Ausgaben dieser Kapitel bei uns viel zu
teuer militarisiert, politisiert und verwaltet. Es wird vor allem
politisiert und verwaltet über ein Maß hinaus, welches
nicht der Wirtschaftskraft unseres Staates und auch nicht der
Größe des Staates, der doch letzten Endes ein mittlerer
Kleinstaat ist, entspricht.
Wenn man beachtet, was ich nur streifen will, daß die Militärausgaben
vom Jahre 1918 bis heute die gleiche Höhe ausmachen, wie
unsere Staatsschuld, wobei wir in der Staatsschuld noch Posten
haben, die aus den österreichischen Zeiten übe nommen
worden sind, so muß ich auch hier unterstreichen, daß
auch hier vielleicht nicht ganz den wirtschaftlichen Verhältnissen,
der Kraft unseres Staates angemessen gewirtschaftet wird, obwohl
es verständlich und notwendig ist, daß jeder Staat
auf seine äußere Sicherheit entsprechenden Wert legt.
Vor allem aber verwalten wir viel zu teuer und wie ich aus einem
Vergleich zwischen dem Jahre 1928 und heute erwiesen habe, immer
teuerer. Dazu möchte ich betonen, daß wir vielfach
schlecht verwaltet werden, vielfach ungerecht und immer undemokratischer
verwaltet werden. Das möchte ich nur ein wenig zu beweisen
versuchen und nachher hinzufügen, aus welchen politischen
Gründen wir unobjektiv. vielfach verantwortungsleicht und
undemokratisch bei uns Politik machen.
Ich kann mich bei meiner Feststellung, daß vielfach schlecht
verwaltet wird, indirekt auf niemanden anderen berufen, als auf
den Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža selbst,
der erst vor wenigen Tagen hier ein großes Referat gehalten
hat. Wenn er feststellt, daß es notwendig ist, die Achtung
und das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung zu
befestigen und zu erhöhen, wenn er eine Verbesserung der
allgemeinen Rechtsvorschriften verlangt, so ist damit angedeutet,
daß nicht alles geschehen ist, was das entsprechende Vertrauen
der Bevölkerung zur Verwaltung herbeigeführt hätte.
Er weist auch darauf hin, daß dafür gesorgt werden
wird, daß die Judikatur des Verwaltungsgerichtes auch von
den Verwaltungsorganen beachtet wird. die bisher immer nur eine
Entscheidung des Verwaltungsgerichtes als Entscheidung für
den einzelnen Fall, aber niemals als Norm der Darnachachtung in
ähnlichen Fällen betrachtet haben. Wenn der Herr Ministerpräsident
es für notwendig befindet, einen Rechtsbeirat als Beratungsorgan
des Ministerpräsidenten zu schaffen, um eine eindeutige und
einheitliche Interpretierung der Rechtsnormen zu sichern und ein
ungesetzliches Vorgehen von Staatsorganen zu hindern, so ist damit
klar zum Ausdruck gebracht, daß in unserer Verwaltung in
diesem Sinne nicht alles in Ordnung ist. Was den Rechtsbeirat
betrifft, möchte ich mir gestatten, immerhin den Anspruch
anzumelden, daß in diesem auch das deutsche Element des
Staates entsprechend vertreten sei, u. zw. durch Männer der
Justiz, die das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung genießen
und nicht durch Männer, die man sich entgegen den demokratischen
Grundsätzen des Mehrheitsprinzips vielleicht auszusuchen
gedenkt. Ich kann nicht anders als mich darüber freuen, daß
alle die Feststellungen, die ich zur Verwaltung bereits im Budgetausschuß
gemacht habe, eigentlich durch den Herrn Ministerpräsidenten
bestätigt worden sind, und daß er alles das, was dort
von mir als notwendig dargestellt wurde, nun durchzuführen
ankündigt. Wir wollen hoffen, daß es geschieht und
wollen dann entsprechend mitwirken, wie wir auch bisher immer
auf alle die Unmöglichkeiten und unobjektiven und undemokratischen
Vorgänge in unserer gesamten Staatsverwaltung aufmerksam
gemacht haben.
Ich will bei diesen Dingen noch an einige Tatsachen erinnern.
Ich muß feststellen, daß wir eine sehr langsame Verwaltung
besitzen. Die Verwaltung bei uns ist zum Teil sehr unmodern, zum
Teil außerordentlich formalistisch und stark mit Papier
zugedeckt. Sie ist unmodern, weil das Telephon und die modernen
Mittel der Betriebstechnik der Kanzleien meistens unbekannte Angelegenheiten
sind. Sie ist langsam, weil es sich erweist, daß meistens
ohne Nachhilfe auch nur in angemessenen Fristen Verwaltungsakte
nicht erledigt werden.
Ich habe mir die Mühe genommen, etwa 1000 Verwaltungsakte
der letzten zwei Jahre zu untersuchen. Ich muß aus dieser
Sachkenntnis heraus feststellen, daß es unheimlich ist,
wie lange Zeit für die einfachsten, gesetzlich ganz klaren
Angelegenheiten manche unserer Verwaltungszweige zur Entscheidung
brauchen. Wenn in einem privatwirtschaftlichen Betrieb eine derart
langsame Arbeitsweise vorkäme, würde sofort in entsprechender
Weise vorgegang.en werden. Der Staat kann es sich leisten, mit
den hohen Steuergeldern langsam zu verwalten. Diese langsame Verwaltung
hat es mit sich gebracht, daß das sogenannte Interventionswesen
eine der Hauptbeschäftigungen der Parlamentarie. unseres
Staates geworden ist. Das Interventionswesen ist nur darauf gerichtet,
dafür zu sorgen, daß die Akten nicht jahrelang in irgendeiner
Schublade liegen bleiben, sondern erledigt werden. Damit wird
der Parlamentarier seinen eigentlichen großen Aufgaben entzogen
und zum Laufburschen seines Wählers herabgedrückt, weil
die Verwaltung nicht so funktioniert, wie es notwendig ist. Hier
möchte ich gleich eine Bemerkung zur Feststellung des Herrn
Ministers Spina machen. Er hat in Brüx darauf verwiesen,
daß derjenige, der eine Intervention abgewiesen wissen will,
zur Sudetendeutschen Partei gehen soll. Ich möchte doch zum
großen Teil unsere Verwaltungsbeamten gegen die Verdächtigung
in Schutz nehmen, daß sie unobjektiv nur Interventionen
von Regierungsparteien berücksichtigen. Ich muß diese
Beschuldigung unserer Verwaltungsbeamten durch einen aktiven Minister
zurückweisen, weil ich aus meiner eigenen Erfahrung festgestellt
habe, daß sie nicht zutrifft, zumindestens nicht in dem
Maße, als ein aktiver Minister sagen durfte. Anderseits
muß ich feststellen, daß, wenn der Herr Minister Spina
das Wesen der politischen Tätigkeit und Erfolghaftigkeit
darin sieht, daß man interveniert und damit eigentlich das
tut, was die Beamtenschaft schließlich von selbst tun sollte,
dies für die Aufgaben, die einem èechoslovakischen
Parlamentarier gestellt erscheinen, ein enger Gesichtskreis ist.
Im übrigen wird ja noch Gelegenheit sein, von höherer
Seite auf die Anfrage zu antworten, die diese unobjektive und
sicherlich der Verärgerung und Nervosität entsprungene
Äußerung eines Ministers notwendig gemacht hat.
Die Langsamkeit unserer Verwaltung ist auch mit Folgendem begründet:
Die Gesetze geben zwar den unteren Instanzen unserer Verwaltung
ein ungemein großes Maß des freien Ermessens, aber
damit weiß die niedere Beamtenschaft oft nichts anzufangen.
Es ist Praxis geworden, daß kein Akt oder zumindestens gewisse
Arten von Akten von der politischen Bezirksbehörde erledigt
werden, bevor nicht auf dem gesetzlich nicht vorg.esehenen telephonischen
Wege bei der Landesbehörde angefragt wurde, und bevor nicht
wiederum dann von der Landesbehörde erst telephonisch beim
Innenministerium angefragt wird. Auf diese Art hat man trotz der
in den Gesetzen festgelegten Dezentralisation durch das an sich
viel zu weitg.ehende Ermessen der Bezirksbehörden praktisch
eine Zentralisierung eingeführt, die der Gesetzgebung und
dem Sinne unserer Staatsverfassung nicht entspricht. Daher ist
es so, daß der gewöhnlichste Akt, z. B. die Bewilligung
eines Vereinsfestes ewig dauert, bevor er erledigt wird. weil
durch diese Art und Weise - hier mache ich die politischen Parteien
haftbar, die in alle Dinge der Verwaltung hineinsprechen der Bezirksbeamte
sich gar nicht getraut. auch nur ein kleines Sommerfest zu bewilligen,
ohne sich vorher die Rückendeckung. bei der Landesbehörde
und diese wiederum beim Innenministerium und dort womöglich
beim Ministerrat oder den führenden Männern der politischen
Parteien zu sichern. Auf diese Weise hat das Parteiensvstem, welches
ununterbrochen in die politische Verwaltung hineinredet und die
Freiheit der Beamten zunichte macht, einen Zustand herbeigeführt,
der nicht nur gesetzwidrig ist, sondern auch die Staatsbürger
und die Wirtschaft schädigt.
Dazu kommt noch, daß nicht nur die Staatsbeamten Parteibeamte
sind, sondern daß vielfach die Staatsbeamten sich auch nicht
als Beamte eines Staates mehrerer Nationen, sondern als Nationsbeamte
in der Staatsverwaltung fühlen. (Potlesk.)
So kommt es, daß Rekurse in der politischen Verwaltung eigentlich
ein Nonsens sind, denn wenn sich die unterste Behörde vorher
bei der Oberbehörde gedeckt hat und diese wieder weiter oben,
so muß natürlich ein Rekurs gegen die Entscheidung
der ersten Instanz bei der zweiten Instanz abgewiesen werden,
weil die zweite Instanz sich nicht vor der ersten Instanz blamieren
kann, indem sie die Entscheidung, die sie telephonisch gegeben
hat, als gesetzwidrig aufhebt. Wenn dann das Oberste Verwaltungsgericht
jahrelang zur Erledigung einer Beschwerde benötigt, so bedeutet
ein Sieg beim Obersten Verwaltungsgericht keinen praktischen Erfolg,
weil der Gegenstand längst überholt ist und die wirtschaftliche
Schädigung für die Staatsbürger bereits eingetreten
ist. Aus diesem Grunde wäre es notwendig, sich selbst an
die Verfassung und die Gesetze zu halten, an die Verfassung, die
Sie selbst beschlossen haben, und an das Verwaltungsorganisationsgesetz
vom Jahre 1927, das auch Sie beschlossen haben. Beide sehen ausdrücklich
Verwaltungssenate und die entsprechende Mitarbeit des Lalienelementes
zur Entlastung und Förderung unserer Verwaltungstätigkeit
vor. Man hat weder die Verfassung.. noch das Verwaltungsg.esetz
vom Jahre 1927 bish er durchgeführt. Es ist dies charakteristisch
für den Ernst. mit dem man die demokratischen Grundsätze
der Staatsverfassung und der eigenen Gesetzgebung zu befolgen
beabsichtigt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit würde dann nicht
so viel kosten, man würde umso mehr an Panier ersparen und
die Beamtenschaft würde in hohem Maße entlastet werden.
Man würde es der Beamtensch aft auch möglich machen.
tiefgehender zu arbeiten und sie hätte auch Zeit. sich noch
weiter fortzubilden.
Die Praxis bei einzelnen Verwaltungsakten geht dahin, daß
man erst 24 Stunden, bevor die betreffende, sag.en wir Veranstaltung,
Ausstellung oder sonst etwas angesetzt ist. entweder die Zusage
erteilt oder verweigert, um welche Wochen vorher angesucht wurde.
Das geschieht ganz besonders gegenüber deutschen Vereinen
und Organisationen, gleichgültig ob sie einer genehmeren
oder weniger genehmen Parteirichtung angehören oder auch
gar keiner Partei. Es ist Praxis geworden, daß unsere Organisationen
immer erst ein paar Stunden vor der Veranstaltung die Zusage oder
Absage erhalten, wodurch sie einen ungeheueren wirtschaftlichen
Schaden erleiden, besonders wenn es sich um größere
Veranstaltungen handelt. Es muß dann in der Bevölkerung
die Überzeugung entstehen, daß das oft nicht aus Verwaltungsschlamperei,
sondern aus böser Absicht geschieht, um die deutschen Veranstaltungen
mindestens finanziell zu schädigen. Sie können sich
dann nicht wundern, wenn in der deutschen Bevölkerung, auch
in der, die nicht zu denen gehört, die Sie immer als Staatsfeinde
hinstellen, einheitlich die Meinung der Bevorrechtigung gewisser
Veranstaltungen entsteht. Denn es ist so, daß Sokolfeste,
Veranstaltungen der Jednota usw. immer lange Zeit vorher die Genehmigung
erhalten, während deutsche Veranstaltungen erst am Tage ihrer
Abhaltung die Absage erhalten, wo bereits die Massen im Zureisen
begriffen sind. Dann werden sie von Gendarmen und Polizisten empfangen,
auseinandergetrieben, obwohl es nicht ihre Schuld ist, sondern
die Schuld der Verwaltungsinstanz, daß sie angereist sind.
(Posl. dr Hodina: Das nennt sich Demokratie!) Das nennt
sich Demokratie, objektive, disziplinierte Demokratie.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf ein Anderes verweisen.
Man kann den Staat so oder so verwalten, diese oder jene Weisungen
geben, sei es objektive oder nicht objektive, demokratische oder
autoritäre. Auf alle Fälle aber wird das Ansehen der
Verwaltungsbehörden vor der Bevölkerung ruiniert, wenn
die konfusesten und gegensätzlichsten Begründungen in
den Entscheidungen der politischen Bezirksbehörden enthalten
sind. Wenn z. B. die Karlsbader Polizeidirektion auf Grund des
anhaltenden schönen Wetters und der kurörtlichen Rücksichten
eine Veranstaltung verbietet und es gerade an dem Sonntag so gießt
und regnet, wie nie zuvor, macht sich eine Polizeidirektion lächerlich,
die sich in ihren Entscheidungen als Wetterprophet aufspielt.
Wenn überdies dann dieselbe Polizeidirektion im Herbste bei
einer Veranstaltung einer gewissen politischen Richtung die kurörtlichen
Rücksichten heranzieht, aber in der höchsten Sommersaison
eine Veranstaltung der èechischen Jednota oder der Sozialdemokratie
gestattet und hier keine kurörtlichen Rücksichten kennt,
macht sie sich außerdem der höchsten Unobjektivität
gegenüber der Bevölkerung schuldig. Wenn z. B. ein Bezirkshauptmann
eine Veranstaltung unserer Partei - ich habe bisher vermieden,
Sachen unserer Partei heranzuziehen, sondern nur Sachen, die mit
unserer Partei nichts zu tun haben; denn wenn wir von unserer
Partei sprechen, gehen gleich die Scheuklappen auf und Sie verschließen
sich unserer Argumentation - mit der Begründung verbietet,
daß dadurch anderen Parteien Mitglieder abspenstig gemacht
werden könnten, so ist das bezeichnend dafür, wie der
unterste Bezirkshauptmann Ihre Politik auffassen muß, welche
Demokratie und Argumentation hier platzgreifen. Oder wenn ein
anderer Bezirkshauptmann eine Veranstaltung an der Grenze mit
Rücksicht auf die Verhältnisse in Österreich verbietet,
macht er zwar Außenpolitik, aber es ist nicht Sache der
Bezirkshauptleute, Außenpolitik zu machen. Oder wenn ein
dritter Bezirkshauptmann Plakate, in denen die graue Farbe vorkommt,
mit dem Hinweis darauf verbietet, daß das die Farbe der
Reichswehr sei, so macht er sich bei der Bevölkerung lächerlich,
stärkt aber damit nicht seine Autorität. (Potlesk.)