Wir haben in der Regierungserklärung über die versprochene
Gesellschaft zur Finanzierung der Selbstverwaltungskörper
eine Äußerung vermißt, von welcher Gesellschaft
der Herr Ministerpräsident vor einem halben Jahr gesprochen
hat, einer Anstalt, die mit einer halben Milliarde Kapital arbeiten
sollte und von der man seither nichts gehört hat. Erfreulich
in der Regierungserklärung war vor allem eines, nämlich
das Eingeständms von einer besonders großen Not im
sudetendeutschen Lebe nsraum. Und wenn wir uns die Karte, die
Sie gestern gesehen haben, noch einmal vor Augen führen,
müssen wir feststellen, daß tatsächlich der sudetendeutsche
Lebensraum das einzige Notstandsgebiet in diesem Staate ist. (Potlesk.)
Und wir müssen diese Entwicklung der Dinge uns vor Augen
halten und sie auch zu verstehen such en. Die Verluste, die die
sudetendeutsche Wirtschaft in diesem Staate in den letzten Jahren
erlitten hat, können wir insbesondere daran ermessen, wenn
wir uns vor Augen halten, daß die sudetendeutsche Wirtschaft
44.000 Staatsbeamtenstellen weniger hat, daß der Arbeitsmarkt
überhaupt stark geschmälert ist und wir wohl größere
Steuerlasten zu tragen haben, daß wir aber weniger berücksichtigt
werden bei den Staatsaufträgen, bei den Dotierungen und Subventionen
verkürzt werden, alles Verluste, die man ruhig auf jährliche
gute 2 Milliarden Kè schätzen kann, und die man damit
nicht zu hoch einschätzt. Rechnet man davon mindestens 1
1/4 Milliarden auf Arbeitslöhne und Gehälter, so entspricht
dies einem Einkommen von gut 250.000 Arbeitern und Verdienern,
und das ist jene Zahl, um welche das sudetendeutsche Volk mehr
Arbeitslose hat als ihm bei normaler Verteilung der Krisenschäden
nach dem Bevölkerungsschlüssel zukommen würden.
(Potlesk.) Alle diese Zahlen zeigen ebenfalls, wohin eine
falsche Wirtschaftspolitik überhaupt führt.
Bodenreform, Industrie- und Kreditreform haben zu Verlusten geführt,
die heute nicht nur das sudetendeutsche Volk, sondern der ganze
Staat und die Wirtschaft des ganzen Staates als Verlust zu tragen
hat. Wir verweisen an dieser Stelle in aller Klarheit auf diese
falsche Politik und ihre Folgen und verlangen im Interesse des
Staates und der Gesamtwirtschaft eine Abkehr davon und entsprechend
den demokratischen Grundsätzen dieses Staates eine gerechte
Verteilung der Pflichten und Rechte, Vorteile und Opfer. Im Interesse
der Gesamtwirtschaft haben wir aber auch ganz bestimmte Forderungen
zu stellen und Anregungen zu geben.
Von den beiden Grundwerten einer Volkwirtschaft, Rohstoffe und
geistige Kräfte für die Wirtschaft sind es nur die geistigen
Kräfte, auf die wir noch unbeschränkt zurückgreifen
können. Ohne die Erhaltung dieser geistigen Kräfte für
den Ausbau der Wirtschaft ist eine Konkurrenz gegenüber anderen
Staaten auf die Dauer nicht möglich. Wir haben bisher nicht
erlebt, daß man diese geistigen Kräfte zur Erhaltung
unserer Wirtschaftsorganisation gefördert hätte. Im
Gegenteil, man baut die Arbeitskräfte ab und läßt
die qualifizierten Facharbeiter abwandern, und wenn doch einmal
der Zustand eintreten wird, daß man diese Kräfte brauchen
wird, wird man nicht einmal über fachtechnisch genügend
geschulte Arbeitskräfte mehr verfügen können, daß
sie dem neuen Anstoß entsprechen können. Im Interesse
unserer Exportförderung müssen wir uns diese geistigen
Kräfte erhalten, um jederzeit konkurrenzfähig zu sein.
Wir verlangen daher vor allem die Förderung unseres Fachund
Hochschulwesens und zwar nach der praktischen Seite.
Wir haben zwei Grundstoffe in der Rohstoffwirtsch aft zu
unterscheiden, heimische und fremde Rohstoffe. Die fremden Rohstoffe
können ohne weiteres einer Zwangswirtschaft unterworfen werden.
Was aber die heimischen Rohstoffe anbetrifft, verstehen wir absolut
nicht die Notwendigkeit einer Zwangsbewirtschaftung der Getreideproduktion
in der Form des von uns grundsätzlich anerkannten Getreid
emonopols. Wir müssen heute feststellen, daß Vorräte
von 50.000 Waggons Getreide vorhanden sind, während wir auf
der anderen Seite tausende Menschen haben, die nicht das Notwendigste
zum Leben besitzen. Auf der einen Seite müssen wir die Lagerung
und Speicherung und die Verderbnisverluste tragen, andererseits
haben wir höchstens die Verluste zu tragen, die im Preis
gegenüber den wirtschaftlich schwächer gestellten Arbeitern
entstehen. Für die Notstands- u. Wirtschaftszwecke müssen
wir uns vor allem noch ein wenig mit unserer Industrie beschäftigen,
die unbedingt der Qualitätserzeugung zuzuführen ist.
Vor allem ist bei der Exportindustrie unter keinen Umständen
die Rationalisierung weiter fortzuführen, weil das unbedingt
zu unrentablen Investitionen führt und andererseits bei gleichen
Märkten zu einer Erzeugungssteigerung, nach der nur ein schwächerer
Arbeitsmarkt die Folge wäre.
Zur Frage der Arbeitszeitregelung können wir uns nur mit
Begrüßung äußern, doch fürchten wir,
daß die Form, unter der man diese Arbeitszeitregelung durchführen
will, unbedingt zu einer Verschlechterung der Arbeitsmarktverhältnisse
führen wird. Vom Staate verlangen wir, daß er selbst
nicht als Unternehmer auftritt, wie es bei der Frainer Talsperre
leider der Fall war, sondern die Investitionen der Privatwirtschaft
zur Verfügung stellt, wobei vor allem die heimischen und
örtlichen Arbeitskräfte ausgenützt werden sollen
und zwar nach dem Bevölkerungsschlüssel. Für uns
sind die Verhältnisse schon derart, daß infolge der
Krise und der Nichtberücksichtigung der örtlichen Industrie
die Glas-, Porzellan-, Seiden-, Wirk- und Strickwarenindustrie,
die chemische und Zweige der Metallwarenerzeugung durchaus dem
Besitzstand der deutschen Wirtschaft entzogen worden sind. Das
sind gerade jene Industrien, die bisher verhältnismäßig
die meisten deutschen Arbeiter beschäftigten, für die
aber auch bisher eine nennenswerte Konkurrenz nocht nicht vorhanden
war.
Was den Handels- und Gewerbestand betrifft, so vermissen wir in
der Regierungserklärung jene Berücksichtigung, die diesem
Stand als einem der wichtigsten Steuerträger des Staates
zukommt. Wenn auch die bisherige liberal-kapitalistische Einstellung
sehr vieler Handels- und Gewerbetreibender nicht die Voraussetzung
zu einem Selbstschutz sch affen konnte, vermissen wir auf der
anderen Seite doch jene Maßnahmen, die von Staats wegen
ergriffen werden müßten, um diesem Stande als einem
der wichtigsten Stände die nötige Förderung angedeihen
zu lassen. Immer noch ist die Frage der Einheitspreisgeschäfte
offen, die Frage der Grenzzahlfestsetzungen der Filialen der Großbetriebe,
die Frage der Reparaturwerkstätten und der drückenden
Besteuerung des Standes, obwohl sie seit langem nach einer Lösung
rufen. Die daraus erwachsenden Schäden haben vermehrt durch
die Wirkung der übergroßen Besteuerung des Standes
Marktverluste für den ganzen Stand zur Folge gehabt, die
die Existenz tausender und abertausender Gewerbetreibender in
Frage stellen. Welche Verluste der Wirtschaft dabei durch die
Konkurse und Ausgleiche entstehen, zeigen die Verlustziffern bei
den tatsächlich durchgeführten Verfahren mit 799 Millionen
im Jahre 1930, 830 Millionen im Jahre 1931, 737 Millionen im Jahre
1932 und 752 Millionen im Jahre 1933. Das sind ungeheuere Zahlen,
die der Volkswirtschaft entzogen wurden! Eine weitere Folge der
Marktverluste und der Konkursverluste für den ganzen Stand
liegt in dem geringen Beschäftigungsgrad der einzelnen gewerblichen
Wirtschaftseinheiten, wodurch der Anteil der Spesen am Bruttoertrag
derart hoch ist, daß heute vielfach eine Konkurrenz gegenüber
den sogenannten marktpreisregelnden, inWahrheit aber marktstörenden
Elementen der liberalen Wirtschaft schwer möglich ist.
Die Frage der Pauschalierung der Umsatzsteuer bedarf unbedingt
einer raschen Lösung, wie auch die Frage der gewerblichen
Organisation, um dem ganzen Gewerbestand die Möglichkeit
zu geben, vor allem sein Kreditorganisationswesen auszubauen.
Die Hilfe des Staates bedarf damit auch einer Ergänzung bezüglich
der Förderung des gewerblichen Kreditgenossenschaftswesens,
der Beschaffung billigen Kredits, der Verfügung einer Gewerbesperre
für kurze Zeit, ausgenommen für ausgelernte Gehilfen.
Im Jahre 1900 kam auf 230 Einwohner ein Handelsund Gewerbetreibender,
im Jahre 1930 bereits auf 60 Einwohner 1 Gewerbe- und Handelstreibender.
Weiters müßte eine Beschränkung der Einheitspreisgesch
äfte durchgeführt werden bei ausdrücklichem Verbot
der Errichtung neuer Einheitspreisgeschäfte, durch Festsetzung
einer beschränkten Zahl von Filialen von Erzeugerfirmen,
Verbot der Errichtung neuer Filialen, Aufhebung der Verordnung
116 vom Jahre 1935 für Konsumvereine, die den Verkauf auch
an Nichtmitglieder ermöglicht, durch Schaffung einer Selbständigenversicherung
für Invalidität und Alter, Förderung der Meisterkrankenkassen
und ähnliches.
Was das Kreditwesen betrifft, müßte allgemein der Staat
sich zu einer weitgehenden Förderung der sogenannten Volksgeldanstalten
bekennen. Es müßte auch hier noch berührt werden
die Frage der Förderung der Meisterkrankenkassen und der
Errichtung von Förderungsstellen für Handel und Gewerbe.
Vor Herausgabe neuer Gesetze und Verordnungen müßte
der Staat unbedingt alle maßgebenden Faktoren hören
und berücksichtigen, soweit es zumindest Angelegenheiten
des Handels- und Gewerbestandes betrifft.
Was das Kreditwesen betrifft, müßte allgemein der Staat
sich zu einer Aufhebung der Beschränkung im letzten Genossenschaftsgesetz
bekehren. Das Übergewicht der liberal-kapitalistischen Großbanken
ist unbedingt ungünstig für die Volkswirtschaft und
bedarf dringend einer Korrektur. Zur Zinsfrage hätten wir
zu fordern, daß der Staat Sorge trägt, daß für
alle Zweige der Wirtschaft die teueren kurzfristigen Kredite in
billige langfristige umgewandelt und daß bei der Behandlung
der Entschuldungsfrage nicht nur ein Stand, sondern alle berücksichtigt
werden. Zur Sicherung des Kredites im allgemeinen wären die
Sparschutzmaßnahmen der Einleger und Gläubiger zu fördern
und vor allem den Volksgeldanstalten weitgehendste Beteiligung
an der Schuldenkontrolle bei der Evidenz, vor allem der großen
Debitoren, einzuräumen.
Im Steuerwesen müßten durch Verbilligung der Steuern,
durch Schaffung von Finanzgerichten und durch Beschleunigung im
Rekursverfahren Erleichterungen geschaffen werden, deren Kosten
man durch höhere Besteuerung des sogenannten anonymen Einkommens
und Kapitals einbringen könnte. Der Geldmarkt müßte
vor allem durch Verhinderung der Kapitalswanderung in jeder Form
gesichertwerden. Darüber hinaus sollte man vom Staat und
vonallen Teilen derWirtschaft aus eine Zusammenarbeit der Stände
in den großen Volkswirtschaften des Staatsgebietes erreichen.
Hier müssen wir leider eine gewisse Divergenz bei den Deutschen
und Èechen feststellen. Während die Not materiell
und geistig das sudetendeutsche Volk zu einer Überwindung
der kleinen Splitterstandesparteien zum Vorteil einer großen
Volkspartei gebracht hat, entwickelt sich auf èechischer
Seite, wohl nur begünstigt durch die national bevorzugte
Lage die Standespartei, während die Nationale Vereinigung
eine vollkommeneNiederlage erlittenhat. Auf deutscher Seite erfolgt
die Anpassung der Forderungen dereinzelnenStändeinnerlich
in der großen Volkspartei, bei den Èechen aber nach
außenhin durch die einzelnen Ständeinteressen im Parlament,
wodurch eine entsprechende reibungslose Entwicklung verhindert
ist, die jetzt vor allem zu einer Verständigung zwischen
Arbeitnehmer und Arbeitgeber einerseits und den ständischen
Gruppen andererseits führen sollte.
Das sudetendeutsche Volk hat das Problem bereits erfaßt
und in der Sudetendeutschen Partei die Voraussetzungen zu einer
Lösung geschaffen und durch Stärkung dieser Partei bis
zur 3/4 Mehrheit des ganzen Volkes die nötigen Kräfte
zur Lösung zur Verfügung gestellt. Auf èechischer
Seite fehlt dafür jedes Verständnis, wie die Stellungnahme
der èechischen Parteien auch in den letzten Tagen wieder
bewiesen hat. Sie und die èechischen Parteien verlangen
von uns Verständnis für denStaat, ihrePolitik und Ihre
Stellung, und vergessen ganz, daß wir 16 Jahre Verständnis
bewiesen haben, daß aberjene Forderung, welcher primär
zu entsprechen wäre, die ist, daß Sie Verständnis
für das Sudetendeutschtum aufbringen. Leider aber denken
und reden Sie in Unkenntnis der Dinge an uns vorbei. Sie suchen
Zusammenhänge, die nicht da sind, lediglichweiISiesich davon
eine Entschuldigung für das bisher Verfehlte erwarten. Das,
was Sie suchen, ist nicht da. Was aber da ist, das ist die Krise,
die Not des sudetendeutschen Volkes, die Not des Arbeiters, aber
auch der Lebenswille des sudetendeutschen Volkes, der Lebenswille
des Arbeiters, ihre Forderungen nach Schutz und damit eine Macht,
der Sie im Interesse des ganzen Staates und seines Wohlstandes
Rechnung tragen müssen. Sie fühlen sich für die
Politik des Staates verantwortlich, vergessen aber, daß
die Grundzüge der Politik in einem demokratischen Staate,
wie es dieser ist, der allein demokratisch haltbarist, vomVolkeausgehen
muß. Sie können diese Politik entweder fördern
oder hemmen. Im ersteren Fall werden Sie gute Politiker, voll
Verständnis für das Volk sein, im zweiten Fall werden
Sie schlechte Politikersein, über diediepolitische Entwicklung
des Volkes und des Staates hinweggehen wird.
Politische Auffassungen, wie sie von den Herren Abg. Dr. Slávik,
David, Pik und anderen in fast bedenklicher Übereinstimmunggeäußertwurden,
bedeutenfür uns keine Gefahr und keine Drohung. Sie sind
höchstens abschreckende Beispielefürdie Politik jener
Menschen im èechischen Volk, die unsere Partner sein werden
und hoffentlich, im Sinne aller Völker dieses Staates gesprochen,
schon da sind.
Diese werden es mit uns erreichen, daß die demokratischen
Grundlagen, wie sie in den Völkern verankert werden und damit
endlich Verwirklichung finden. Zu dieser Arbeit in Wirtschaft
und Politik sind und bleiben wir gerne bereit. (Potlesk.)
Hohes Haus! Meine Aufgabe am heutigen Tage ist vom Standpunkt
der praktischen Landwirtschaft zur Regierungserklärung Stellung
zu nehmen. Die Auseinandersetzung zwischen dem Bund der Landwirte
und der Sudetendeutschen Partei am gestrigen Tage und auch die
Hinweise in der Presse, daß in der Vergangenheit die Vertreter
der Landwirtschaft die Bauern haben zugrundegehen lassen, veranlaßt
mich, einen Rückblick auf die agrarpolitische Entwicklung
in diesem Staate zu werfen. Ich will damit beweisen, daß
die Vertreter der deutschen Landwirtschaft keinesfalls in ihrer
zehnjährigen parlamentarischen Tätigkeit die Hände
in den Schoß gelegt haben, sondern daß die Vertreter
des Bundes der Landwirte es gewesen sind, welche oftmals die Initiative
für die Landwirtschaftshilfe ergriffen haben. Sie waren die
Mahner, Dränger und Streber in der landwirtschaftlichen Interessenvertretung.
In vielen Gesetzen, die der Landwirtschaft nützlich geworden
sind, ist deutsches Gedankengut verankert. Es ist eine vollständig
falsche Auffassung, wenn heute draußen in der Öffentlichkeit
gesagt wird, daß die wirtschaftlichen Forderungen der sudetendeutschen
Landwirtschaft auch ohne den BundderLandwirtedurchgesetztworden
wären, was ja übrigens auch der Herr Senator Vraný
vor zwei Tagen im "Venkov" so treffend widerlegt hat.
Denn es gibt doch gewisse Unterschiede zwischen dem Bauer in der
Ebene und dem Bauer im Gebirge und es hat uns oftmals viel Mühe
gekostet, in den Gesetzesvorlagen auch die Interessen der sudetendeutschen
Bauern zu wahren. Gestatten Sie mir, auf den März 1926 hinzuweisen,
wo gerade von unsererStelle die Initiativanträge kamen, die
dann zu der sogenannten Schutzzollgesetzgebung führten, nachdem
wir aufrecht durch ein Trommelfeuer der Opposition durchgegangen
waren. Dieser Schutz der inländischen landwirtschaftlichen
Produktion gegen die ausländische Konkurrenz reichte bis
zum Jahre 1930. Zu diesem Zeitpunkt kamen dann die Auswirkungen
der Anbauflächenerweiterung in der Höhe von 26 Millionen
Hektar in Übersee, die ungünstigen Auswirkungen der
russischen Handelspolitik, die Erhöhung der Zölle in
allen umliegenden Staaten, die Auswirkungen der Errungenschaften
des Menschen-Geistes, der Technik auch in der Landwirtschaft in
ihrem vollen Umfange zu Tage. Wir mußten deshalb im Jahre
1929 einen Preisrückgang aller landwirtschaftlichen Produkte
feststellen und schon am 12. Dezember 1929, einige Tage nach dem
Zusammentritt des neuen Parlaments, sowie am 10. Jänner wurde
von uns ein Gesetzesantrag vorgelegt, der vor allem die Zollerhöhung
für alle landwirtschaftlichen Produkte so wie in den umliegenden
Staaten und nicht höher, verlangte. Weiter aber auch die
Anwendung des Artikels 8 der ZollgesetznovellevomJuni 1926. Weitersverlangten
wir die Erweiterung des Einfuhrscheinsystems auf Kolonialwaren
und landwirtschaftliche Maschinen und für Steuerzahler, die
Kündigung des ungarischen Handelsvertrags und die Einleitung
eines Wirtschaftsbündnisses im mitteleuropäischen Lebens-Raum,
von dem wir uns auch in diesem Staate eine Gesundung für
alle Berufsschichten versprachen. Die "Hospodáøská
Politika", ein führendes èechisches Wirtschaftsblatthat
am 20. Septemberl930 geschrieben: "Die Vertreter der deutschen
Landwirtschaft haben zum zweitenmale die Initiative für die
Landwirtschaftshilfeergriffen." WieeinKartenhaus bricht also
die Behauptung zusammen, daß der Bund der Landwirte keine
Gesetzentwürfe von positiver Bedeutung eingebracht hat. Ich
behaupte, wenn damals unsere Anträge angenommen worden wären,
so hätten wir zwar die Not der Landwirtschaft nicht beseitigt,
aber doch bedeutend gemildert.
Wie fanden nun diese Gesetzentwürfe Aufnahme in der Öffentlichkeit?
Einesteils offene Feindschaft, andernteils Hinausziehen der Verhandlungen,
Abschwächung der von uns gestellten Forderungen, Widerstand
von allen Seiten, aberauchWiderstand vonjener Seite, die heute
wiederum im Parlamente als Abgeordnete einer neuen Partei sind
und wir hoffen, daß das Verständnis für dieschweren
Lebensbedingungen des bodenständigen Menschen im Jahre 1935
bei allen Berufsschichten weiter vorgeschritten ist als in der
Vergangenheit. Man bezeichnete damals unsere Anträge als
unverschämte Herausforderung des gesunden Menschenverstandes,
man nannte unsere berechtigten Forderungen einen unverantwortlichen
Vorstoß, man sagte, die Verbraucher bringen Opfer für
die sogenannten Agrarier. Man behauptete, man zahle über
den Weltmarktpreis und es war damals überhaupt der Ruf, daß
der Bauer wirtschaftlich und kulturell das Niveau der südöstlichen
Agrarstaaten auch bei uns erreichen soll. Gegen uns waren alle
anonymen Kräfte der Finanz, der Schwerindustrie und des internationalen
Handels gerichtet, ebenso die Mehrheit der Presse, wie auch heute,
wenn auch in etwas anderer Form. Nach all dem kann gesagt werden,
daß die bodenständigen Menschen geduldige, ausdauernde
Gegner haben. Dessen ungeachtet ist es uns mit Hilfe der Republikánská
strana, der èechischen Agrarpartei, gelungen, eine Reihe
vonlandwirtschaftlichenHilfsgesetzen durchzusetzen. Die Zeit langtnicht
aus, um sie alle hier zu nennen, im übrigen soll es auch
der Großteil der versammelten Abgeordneten wissen. In den
stenographischen Protokollen ist die Parlaments- und Ausschußarbeit
unsererseits in der Vergangenheit verankert und verkörpert.
Hinzufügen möchte ich, daß politische Einflüsse
innerhalb einer Regierung nicht imstande sind, eine Umwälzung
zum Besseren zu bringen, sondern unsere Aufgabe war es und wird
es sein, auch in Zukunft der Ärgste abzuwenden und das haben
wir Vertreter der deutschen Landwirtschaft der Landwirtschaft
und dem deutschen Volkes gegenüber getan. Wir haben es nicht
mit einer Bauernnot, nicht mit einem Arbeiterelend, nicht mit
einer Industriekrise, nicht mit einer Bedrohung des Gewerbestandes
im Èechoslovakischen Staat zu tun, sondern mit einer Not
auf der ganzen Welt. Zusammenfassend kann ich wohl sagen, in der
Vergangenheit, also vor Eröffnung dieses Parlaments, hat
man nicht so recht verstanden: Ist das Bauerntum gesund, werden
alle anderen leben. Man wollte nicht wissen, daß die Urquelle
jeder Erneuerung vom Lande fließt und der Kampf des Bauern,
der Kampf seines Volkes ist. Niemals und hier widerspreche ich
einem Redner der S. P. von gestern, kann eine Bauernpolitik reine
Standespolitik sein. Im Gegenteil, gerade in unserem Falle können
wir von einem Träger der Volkspolitik sprechen, denn alle
Berufe deutscherseits haben sich an die bäuerliche Bewegung
des Bundes der Landwirte in allen Angelegenheiten gewendet. Ich
muß aber am heutigen Tage auf die Widersprüche hinweisen,
die draußen über unsere Arbeiten herrschen. Ich habe
vor mir eine Broschüre liegen. In der steht geschrieben,
daß 54 Abgeordnete - damit ist die Republikánská
strana und sind wir aus der alten Parlamentsperiode gemeint -
das Parlament beherrschen. Hier habe ich eine Kundgebung des viel
bekannten Herrn Theodor Liebig, des Vorsitzenden des Textilindustriellenverbandes,
und er spricht in seiner Kundgebung zweimal von dem ungeheueren
Einfluß der landwirtschaftlichen Vertreter. Anderseits wird
uns vorgeworfen, daß zu wenig geschehen ist, und daß
die wirtschaftliche Lage für die Landwirtschaft nicht zufriedenstellend
ist. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
Langr.)