Diese Betriebsauflassungen sind nicht allein wegen Absatzmangels erfolgt. Sie hängen mit der Praxis einiger in diesem Industriezweige tätigen Kartelle zusammen, ohne Rücksicht auf die betroffenen Arbeiter und Angestellten, ohne Rücksicht auf allgemein-wirtschaftliche Interessen die Konkurrenz zwischen den einzelnen Betrieben auszuschalten, indem sie Fabriken gegen eine laufende Kontingent-Entschädigung an die bisherigen Inhaber aufkaufen und zusammenlegen.

Nach unseren, zuverlässigen Informationen wurden und werden die Stillegung nachstehender Betriebe Kontingententschädigungen bezahlt:

Papierfabrik Birkogt (Bezirk Tetschen), Papierfabrik Franzensthal (Bezirk Winterberg). Papierfabrik Pøibyslavice (Bezirk Okøiško). Papierfabrik Písek. Papierfabrik Bubeneè (Prag). Papierfabrik Krinsdorf (Bezirk Dux).

Nach unseren Informationen beträgt die jährliche Kontingententschädigung allein für die hier aufgezählten Betriebe etwa 5 Millionen Kè. Darüber hinaus gibt es aber noch andere durch das Kartell zur Einstellung gebrachten Betriebe, bei denen die Höhe der Kontingententschädigungen nicht bekannt ist. Die schwere Schädigung öffentlicher Interessen durch die Anwendung dieser Methode liegt auf der Hand. Der Einzelunternehmer wird durch die Kontingent-Entschädigungen in die Lage versetzt, seine Produzen-tenrolle gegen ein bequemes Rentnerdasein einzutauschen. Auf der anderen Seite müssen die laufenden Kontingent-Entschädigungen von den Konsumenten in der Form höherer Preise bezahlt werden, während Staat und Gemeinden die Lasten der unzureichenden Fürsorge für die entwurzelten Arbeiter und Angestellten zu tragen haben.

Unter diesen Umständen ist es erklärlich, warum in der Tschechoslowakei der Papierpreis um 30 bis 50 Prozent über Weltmarktparität steht. Darin drückt sich vor allem die unerträgliche Höhe der unsozialen Lasten aus, welche Produktion und Konsum beschweren. Die luxuriöse Verwaltung des Papierkartells kostet allein pro Jahr 12 Millionen Kronen.

Die außerhalb des Kartells stehenden kleinen Papierfabriken anheilen trotz Krise und meist geringer Leistungsfähigkeit fast ohne Einschränkungen. Dort aber, wo das Kartell eingreift, sind traurige Ruinen und verzweifelte, hungernde Menschen zurückgeblieben. Wir führen zwei Beispiele an:

Durch die Stillegung der Papierfabrik Franzenstal ist namentlich die große Böhmerwaldgemeinde Aussergefild verheerend betroffen worden. In dieser Gemeinde stehen nun nurmehr 16 beschäftigte Arbeiter und Angestellte 202 Arbeitslosen gegenüber. Durch dauernde Einstellung der Papierfabrik Franzenstal, hervorgerufen durch die Kontingentübertragung auf den Großbetrieb KrumauPötschmühle, hat dieses ärmste Gebiet des Böhmerwaldes wirtschaftlich zugrunde gerichtet. Der Unternehmer aber bezieht eine jährlich Kontingent-Entschädigung, die nach verläßlichen Informa-

tionen den Bruttoertrag der letzten Produktionsjahre übersteigt!

Die Zellulosefabrik Josefihütte war der einzige industrielle Betrieb des ganzen politischen Bezirkes Plan. Mit der Auflassung des Betriebes ist die Gemeinde selbst und ihre ganze Bevölkerung ruiniert. Der Unternehmer zieht ungeschädigt von dannen und läßt das Gemeinwesen mit untragbaren Armenlasten und mit unerfüllbaren. Darlehensverpflichtungen zurück. Öffentliche Investitionen, wie Schule, Bohnhof, Postamt, sind entwertet und dazu kommt das unlösbare Existenzproblem der entlassenen Arbeiter sowie ihre Familien, für die der Kartellvertrag ein wirtschaftliches Todesurteil bedeutet.

Schon diese Beispiele, die nur zur Illustration dienen, den Umfang der angerichteten Schäden aber keineswegs erschöpfen, lassen keinen Zweifel offen, daß Staat und Gesetzgebung vor der unabweislichen Pflicht stehen, durch wirksame Maßnahmen vermeidbare Betriebsstillegungen hintanzuhalten und die mit schweren Opfern geschaffenen kommunalen, Kultur- und Verlehrseinrichtungen vor Zerstörung zu bewahren.

Die Unterzeichneten fragen daher die Gesamtregierung:

Wann gedenkt die Regierung ein rigoroses Karlellgesetz vorzulegen, welches das Prinzip öffentlicher Preiskontrolle bei den wichtigsten Industrieerzeugnissen verwirklicht, unbegründete Betriebsstillegungen verhindert und den unmoralischen Handel mit Erzeugungskontingenten unter schärfste Strafsanktion stellt?

Prag, den 27. Juni 1932.

Jaksch, Schäfer, Macoun,

Nový, Jaroš, Vácha, Roscher, Beèko, Grünzner, Pohl, Häusler, Taub, Hackenberg, Dietl, Heeger, Schweichhart, Kirpal, Katz, Leibl, de Witte, Kaufmann, Kremser, Müller, Blatny.

Pùvodní znìní ad 1930 XIV.

Interpellation

des Abgeordneten Rudolf Kasper

und Genossen

an den Minister des Innern,

in Angelegenheit einseitiger Amtsführung

des Bezirkshauptmannes JUDr. Adolf Srb

in Neustadt a. d. M.

Anläßlich eines Lohnkonfliktes bei der Firma Semerak in Giesshübel im Adlergebirge, ergab sich die Notwendigkeit einer Vorspräche durch den Vertreter des »Gewerkschaftsverbandes deutscher Arbeiter« Sekr. Fischer, Trautenau, beim Bezirkshauptmann J. U. Dr. Srb, um das Eingreifen der Bezirksbehörde zu erwirken, damil der Lohnkon-

flilit nickt unnötige Weiterungen annimmt, bezw. in einer für beide Teile, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, annehmbaren Form beendet werde. - Im Verlaufe der Aussprache über den Streik, bezw. über seine Entstehung, konnte festgestellt werden, daß sich der Herr Bezirkshauptmann auf einen ganz einseitigen Standpunkt stellte. Der Herr Bezirkshauptmann gebrauchte auch die Äußerung, er dulde keinen Streik in seinem Gebiete, umsomehr als die Firma in diesem konkreten Falle im Rechte sei. Der intervenierende Gewerkschaftssekretär Fischer wurde nicht im Zweifel darüber gelassen, daß seitens der Bezirksbehörde die Geneigtheit besteht, den Streik abzuwürgen und die Lage solcherart für die bestreikte Firma günstig zu beeinflußen. Wenn die Arbeiterschaft nicht in der von der Firma festgesetzten Zeit die Arbeit aufnehme, so werde die Bezirkshauptmannschaft durch die Arbeitsvermittlungsanstalten ortsfremde Arbeiter in die Fabrik Semerak schicken und die ansäßigen Arbeiter hätten für alle Zukunft den Arbeitsplatz verloren.

Durch diese Stellungnahme eines Vertreters der Behörde, welcher doch in solchen Fragen unbedingt einen unparteiischen Standpunkt einnehmen sollte, ist die Arbeiterschaft auf das höchste erbittert. Sieht sie doch in dieser Vorzugsweise eine Verletzung ihrer primitivsten staatsbürgerlichen Rechte, insbesondere hinsichtlich der sehr oberflächlichen Überprüfung des Lohnkonfliktes. Hätte sich die Bezirksbehörde, bezw. deren Leiter, Herr Bezirkshauptmann J. U. Dr. Adolf Srb der Aufgabe unterzogen, die Ursachen und die Entstehung des Lohnkonfliktes zu überprüfen, so hätte er zu einer anderen Ansicht über den Lohnkampf kommen müssen. Was aber schließlich die erste Pflicht eines auf so einem verantwortungsvollen Posten stehenden Staatsbeamten, wäre, ist die absolute Objektivität und volkommen unparteiische Amtsführung.

Die Unterfertigten fragen daher den Herrn Minister des Innern:

1. Ist er geneigt vorstehenden Tatbestand zu erheben und den Herrn Bezirkshauptmann zur Verantwortung zu ziehen?

2. Ist der Herr Minister insbesondere bereit, das Nötige zu verfügen, daß eine derartige den primitivsten Rechten der Staatsbürger zuwiderlaufende Amtsführung sich nicht wiederholt und daß auch Arbeiterfragen, eine gerechte Behandlung erfahren?

Prag, am 11. Juli 1932.

Kasper,

Ing. Jung, Köhler, Schubert, Knirsch, Geyer, Krebs, Simm, Dr. Keibl, Dr. Schollich, Dr. Hanreich, Matzner, Horpynka, Ing. Kallina, Dr. Hassold, Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky, Fedor, Dobránsky, Hokky, Szentiványi.

Pùvodní znìní ad 1930 XV.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Jung

und Genossen

an den Minister des Innern,

den Justizminister und Finanzminister

in Angelegenheit der Beschlagnahme einer

Büchersendung aus dem Deutschen Reich.

Die Büchereigenossenschaft »Neue Zeit« in Troppau bestellte auf Grund einer Ankündigung des Verlages Franz Eher Nachf., München, 10 Stück Bücher »Hitler über Deutschland« (ein Bildbericht). Diese Sendung traf am 24. Juni 1. J. in Troppau ein und wurde von der Zollexpositur beim Pastamte Troppau I zurückbehalten, mit dem Hinweis, daß l Stück angeblich der Polizeidirektion vorgelegt werden müsse. Am 27. Juni wurde der Leiter der Büchereigenossenschaft »Neue Zeit« zur Polizeidirektion geladen und ihm mitgeteilt, daß das auf dem Deckblatt befindliche Hakenkreuz (oder die Hakenkreuze) entfernt werden müsse. Nachmittags sollte der Fall endgültig erledigt sein. Bemerkt muß werden, daß der Besteller diese Bücher vorher nicht gesehen hatte, weil die Bestellung - wie bemerkt - auf Grund einer Ankündigung des Verlages erfolgt war. Weiters sei bemerkt, daß die Büchereigenossenschaft »Neue Zeit« keine offene Buchhandlung besitzt, sondern bloß den Versand von Büchern an Mitglieder der Genossenschaft durchführt. Es kann sich also in diesem Zusammenhange überhaupt nicht um einen Verstoß gegen das Verbot der öffentlichen Benützung des Hakenkreuzes handeln. Daher ist es unerfindlich, mit welchem Rechte die Zollexpositur Bücher aus dem Grunde zurückhält, weil sich auf der Titelseite zufällig ein Hakenkreuz befindet.

Die Angelegenheit entwickelte sich jedoch noch weiter. Statt daß ihm die Bücher endlich ausgefolgt wurden, erhielt der Leiter der Büchereigenossenschaft »Neue Zeit« eine neuerliche Vorladung zur Polizeidirektion für den 28. Juni. Dabei wurde ihm mitgeteilt, daß bei Durchsicht des Buches in dem (nebenbei bemerkt sehr spärlichen) Text - da es sich hauptsächlich um Bilder handelte - der Ausdruck "Sudetenland" enthalten sein soll und überdies der Satz »daß 90 Sudelendeutsche von der tschechischen Soldateska erschossen wurden. « Daher wurde das Werk der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung vorgelegt und von dieser nach Prag an die zuständige Behörde weitergeleitet.

Die Anfragesteller wenden sich mit aller Entschiedenheit gegen eine derartige Handhabung der Zensur, die nachgerade jeden Bezug eines Buches aus dem Deutschen Reiche unmöglich macht. Angesichts des ständigen Anwachsens der reichsdeutschen Nationalsozialisten ist zu erwarten, daß immer mehr Bücher sich mit ihnen beschäftigen und mit dem Hakenkreuze versehen werden. Nach der gegenwärtigen Sachlage kann also der Sudetendeutsche derartige Bücher nicht mehr beziehen,

oft lediglich aus dem Grunde, weil sie mit einem Hakenkreuz geschmückt sind. Eine derartige Vorgangsweise widerspricht doch dem ausgesprochenen Verbot« der Benützung des Hakenkreuzes, weil ausdrücklich nur die »öffentliche Benützung und das öffentliche Tragen des Hakenkreuzes« verboten wurde. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann doch nicht darin liegen, daß eine Privatperson ein Buch besitzt, welches mit dem Hakenkreuz versehen ist.

Andererseits dulden sowohl die politischen Behörden wie auch die Zensur ruhig die öffentliche Benützung des Hakenkreuzes, wenn es sich um eine Verhöhnung dieses Sinnbildes und seiner Anhänger handelt. Siehe beispielsweise die Nummer des in Reichenberg erscheinenden Fachblattes »Der Textilarbeiter« vom 7. Juni 1. J.

Zweck des erlassenen Verbotes kann doch nicht sein, dem Anhänger einer durch das Hakenkreuz versinnbildlichten Weltanschauung den Gebrauch dieses Sinnbildes zu. verbieten, die Verhöhnung dieses Sinnbildes jedoch zu gestatten. Denn dann tritt der Grundsatz »Gleiches Recht für alle«, der die Grundlage eines jeden modernen Staates bildet, tatsächlich außer Wirksamkeit.

Die Gefertigten stellen, da der oben geschilderte Vorfall nicht vereinzelt dasteht, an die Herren Minister folgende Anfrage:

1. Hat der Herr Minister des Innern Weisungen erlassen, durch welche auch der nichtöffentliche Gebrauch des Hakenkreuzes« in bestimmten Fällen verboten und andererseits sein Gebrauch zum Zwecke der Verhöhnung erlaubt wird?

2. Wenn nicht, was gedenkt er zu tun, um den nichtöffentlichen Gebrauch des Hakenkreuzes keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten?

3. Hat er Weisungen herausgegeben, welche den Gegnern des Hakenkreuzes den öffentlichen Gebrauch desselben zum Zwecke der Verhöhnung gestatten?

4. Hat der Herr Finanzminister den Zollämtern einen Auftrag erteilt, Büchersendungen zu öffnen und darnach zu forschen, ob in den Sendungen Bücher vorhanden sind, welche das Hakenkreuz tragen? Wenn nicht, auf welche Weise gedenkt er das unbefugte öffnen von Paketsendungen künftig hintanzuhalten?

5. Hat der Herr Justizminister irgend welche Weisungen an die Staatsanwaltschaften erlassen, die sich mit dem Verbot der öffentlichen Benützung des Hakenkreuzes beschäftigen?

6. Ist der Herr Justizminister der Ansicht, daß das Wort »Sudetenland« in irgend einem Werke, das schwerlich für den Massenverbrauch bestimmt ist, beanständet werden soll? Entspricht eine derartige Beanständung seiner Auffassung von Demokratie?

Prag, den 8. Juli 1932.

Ing. Jung,

Geyer, Knirsch, Köhler, Simm, Kasper, Krebs, Schubert, Dr. Hassold, Dr. Schollich, Dr. Hanreich, Dr. Keibl Horpynka, Matzner, Ing. Kallina, Hokky, Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky, Fedor, Dobránsky, Szentiványi.

Pùvodní znìní ad 1930 XVII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Jung und Genossen

an den Minister des Innern

betreffend das Verhalten des Regierungs-

kommissärs von Kauthen gegenüber

Arbeitslosen.

In der Gemeinde Kauthen (Bezirk Hultschin) wurde vor einigen Tagen die Gemeindevertretung behördlich aufgelöst und ein Beamter der Bezirksbehörde Hultschin als Verwaltungskommissär eingesetzt. Dieser handhabt die Ernährungsaktion nicht unparteiisch, wie nachfolgende Beispiele erweisen. Um die Zusicherung der Ernäihrungskarte für die Zeit vom 9. bis 26. Juni bewarben sich u. a. auch die arbeitslosen Söhne des Ortsinsaßen Kerlin wie der arbeitslose Familienvater Willaschek. Als die erstgenannten am festgesetzten Tage die Lebensmittelkarten beheben wollten, wurden ihnen diese vom Verwaltungskommissär mit folgender Begründung nicht ausgefolgt: »Wenn es der Haushalt der Arbeitslosen erlaubt, die Auslagen für ihre jüngeren Geschwister, die in Troppau die deutsche Schule besuchen, zu bestreiten, brauchen sie keine Karten. «

Ähnlich erging es dem Arbeitslosen Willaschek. Er wurde vom Verwaltungskommissär einem Verhör unterzogen. Hiebei richtete dieser an ihn auch die Frage, wohin Willaschek seine Kinder zur Schule schicke. Als er erfuhr, daß die Kinder des Willaschek die deutsche Schule in Troppau besuchen, wurden ihm ebenfalls die Lebensmittelkarten verweigert.

Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, daß der von der Bezirksbehörde Hultschin eingesetzte Verwaltungskommissär sein Amt nicht unparteiisch, sondern in einem gegen die deutsche Bevölkerung der Gemeinde gerichteten Sinne ausübt. Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Minister folgende Anfragen:

1. ) Ist er gewillt, den geschilderten Vorfall sofort untersuchen zu lassen?

2. ) Ist er bereit, den Verwaltungskommissär von Kauthen, der sein Amt nicht unparteiisch versicht, sofort seines Dienstes zu entheben und durch eine unparteiische Persönlichkeit zu ersetzen?

P r a g, den 12. Juli 1932.

Ing. Jung,

Knirsch, Schubert, Köhler, Simm, Kasper, Geyer,

Krebs, Dr. Schollich, Dr. Hanreich, Horpynka, Dr.

Hassold, Ing. Kallina, Matzner, Dr. Keibl, Dr.

Szüllö, Hokky, Fedor, Dr. Jabloniczky, Nitsch,

Szentivanyi, Dobránsky.

Pùvodní znìní ad 1930/XVIII.

Interpellation

des Abgeordneten Kremser und Genossen

an den Minister des Innern, wegen Mißachtung der Gemeindeautonomie durch die Landesbehörde in Prag.

Die Bezirksbehörde in TeplitztSchönau hat dem Bürgermeisteramt von Turn dem nachstehenden Bescheid übermittelt:

»Bezirksbehörde in Teplitz-Schönau! Zahl: 729/31. Am 28. Juni 1932.

Herrn Bürgermeister in Tun l

Auf Grund des Erlasses der Landesbehörde vom 22. dieses Monates, Zl. 5 f-2845 ai 1931, wird die Gemeindevertretung im Sinne des Erlasses vom 22. Jänner 1. J., Zl. 5-125 ai 1932 nochmals aufgefordert, über die Erhöhung des Wasserzinses und Abänderung der Einhebungsvorschriften nach den der Gemeinde bereits erteilten Weisungen Beschluß zu fassen, damit die Wasserleitung keinen Abgang aufweist.

Sollte dieser Aufforderung nicht nachgekommen werden, müßte die Gemeindevertretung aufgelöst werden, außerdem wird die Gemeinde darauf aufmerksam gemacht, daß im Falle der Nichtbefolgung beim Landesausschuß die Aberkennung das der Gemeinde nach § 11, Abs. 2 des Gesetzes Nr. 169/ 1930 S. d. G. u. V. bewilligten Beitrages beantragt werden wird, weil die gesetzlichen Voraussetzungen, für die Gewährung dieses Beitrages fehlen würden.

Ober den Erfolg des Veranlaßten ist spätestens bis 15. Juli 1. J. anher zu berichten.

Der Bezirkshauptmann und Regierurgsrat: Hesslova m. p. «

Die Verantwortung für dieses Schriftstück trägt selbstverständlich nicht der Bezirkshauptmann, sondern die Landesbehörde, auf deren Weisung er sich ausdrücklich beruft. Die Unterfertigten müssen gegen dieses Vorgehen der Landesbehörda mit aller Entschiedenheit Verwahrung einlegen.

Nach Artikel XVI des Gesetzes vom 5. März 1462, Nr. 18 R. G. Bl. bezw. § 102 der böhmischen Gemeindeordnung übt die Staatsverwaltung das Aufsichtsrecht über die Gemeinden dahin, daß dieselben ihren Wirkungskreis nicht überschreiten und nicht gegen die bestellenden Gesetze vorgehen. Die wirtschaftliche und finanzielle Gebarung der Gemeinden ist danach überhaupt nicht Gegenstand des Aufsichtsrechtes der politischen Behörden, sofern ein solches besteht, kommt es vielmehr den höheren Selbstverwaltungisverbänden zu. Daran bat auch das Gesetz über die Organisation der politischen Verwaltung (Nr. 125 1927 Slg. d. G. u. V. ) nichts geändert, wie aus der Bestimmung des § 99 (1) des zitierten Gesetzes hervorgeht.

Insbesondere läßt sich für das Verlangen der Landesbehörde, daß die Gemeinde Turn auf Grund

der der Gemeinde erteilten Weisungen Beschlüsse fasse, das heißt den Wasserzims erhöhe, eine gesetzliche Stütze absolut nicht finden. Selbst das Gesetz vom 15. Juni 1927, Nr. 77 Slg. d. G. n. V., das allerdings die Finanzhoheit der Selbstverwaltungskörper sehr wesentlich einschränkt, hat den politischen Behörden kein Recht eingeräumt, den. Selbstverwaltungskörpern die Einführung bestimmter Abgaben oder ihre Einhebung in bestimmter Höhe vorzuschreiben. Dieses Recht ist vielmehr ausschließlich den Bezirksausschüssen, bezw. Landesausschüssen zugestanden worden, aber auch diese Bestimmungen des Gesetzes Nr. 77/1927 wurden durch das Gesetz vom 27. November 1930, Nr. 169 Slg. d. G. u. V. wiederum außer Kraft gesetzt. Die Landesbehörde war also überhaupt niemals berechtigt, der Gemeinde Turn über die Höhe der Abgaben, die sie einheben soll, irgend welche Vorschriften zu machen.

Abgesehen von der formalen Umzuläßigkeit ist die Weisung der Landesbehörde aber auch sachlich unerfüllbar, denn die Gemeinde Turn hebt bereits seit dem Jahre 1922 sowohl den allgemeinem, als auch den besonderen Wasserzins in der hochstzulässigen Höhe ein. Es ist also geradezu unbegreiflich, wie die Landesbehörde von der Gemeindevertretung, noch dazu unter Androhung der Auflösung, eine Erhöhung des Wasserzinses aufträgt, bezw. daß die Landesbehörde eine Maßnahme imperativ anordnet, die höchstens die Regierung bewilligen könnte.

Wenn daher die Landesbehörde wegen Nichteinhaltung einer Weisung, zu deren Erfassung sie absolut nicht befugt gewesen ist, der Gemeindevertretung der Stadt Turn die Auflösung androht, so muß darin ein schwerer Übergriff erblickt werden.

Ebenso muß der Versuch entschieden zurückgewiesen werden, daß sich die Landesbehörde in die Verteilung der nach den §§ 10 und 11 des Gesetzes Nr. 169/1930 den finanziell schwachen Bezirken und Gemeinden zuzuweisenden Beiträge einmengt, ja eine Gemeinde gewissermaßen beim Landesausschuß denunziert; wobei noch bemerkt werden muß, daß der Antrag, den die Landesbehörde beim Landesausschuß stellen will, geradezu gesetzeswidrig ist. Denn der § 11, Abs. (2) des zitierten Gesetzes sieht allerdings vor, daß die Beträge an jene Bezirke und Gemeinden zu gewähren sind, welche das gesetzlich zulässige Ausmaß der Zuschläge zu den direkten Steuern voll ausgenützt und auch geeignete Abgaben und Gebühren eingeführt haben, aber diese Bestimmung gibt dem Landesausschuß doch nur das Recht, einen Beitrag zu verweigern, weil die erwähnten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sie läßt aber keineswegs die Möglichkeit zu, der Gemeinde einen bereits bewilligten Betrag abzuerkennen, weil damit überhaupt jede Rechtssicherheit aufhören würde und weil doch der Landesausschuß vor der Bewilligung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11, Albs. 2 des Gesetzes Nr. 169/1930 geprüft hat und daher die in der Gemeinde bereits damals eingeführten Abgaben und Gebühren als geeignet anerkannt haben muß, worüber eben nur er allein und keineswegs die Landedbehörde zu urteilen berechtigt ist.

Die Gefertigten stellen daher die Frage:

Ist der Herr Minister bereit zu veranlassen, daß die angeführten Weisungen der Landesbehörde zurückgezogen werden?

Prag, dem 12. Juli 1932.

Kremser,

Kaufmann, Pohl, Taub, Grünzner, Jaksch, Leibl,

Heeger, de Witte, Schäfer, Macoun, Müller,

Schweichhart, Dietl, Blatny, F. Svoboda, Häusler,

Klein, Kirpal, Hackenberg, Roscher, Katz.

Pùvodní znìní ad 1930/XIX.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Jung und Genossen

an den Minister des Innern, betreffend neuerliche Übergriffe von Gendarmen.

In einer am 21. Juni 1. J. eingebrachten Interpellation (Druck 1907/XIX) haben die Abgeordneten Ing. Jung und Genossen darauf hingewiesen, daß der Gendarmerieposten von Mladetzko die Ausfolgung der Mitgliederlisten der Ortsparteien Mladetzko und Dorfteschen der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei forderte und erzwang.

Neuerlich hat sich ein ähnlicher Übergriff in, Budigsdorf ereignet. Der Kommandant des Gendarmeriepostens in Tattenitz suchte den früheren Ortsparteiobmann der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei auf und forderte von ihm, die nationalsozialistische Jugendgruppe möge ihm regelmäßig die Monatsschrift »Jungdeutsches Volk« zustellen und ihm von jeder Zusammenkunft, sei es Leitungssitzung, Sprechabend u. dgl. Mitteilung machen, damit er teilnehmen könne. Der betreffende Postenkommandant heißt F. Žák, Tattenitz. Er war sich jedenfalls darüber klar, daß sein Verlangen in keinem Gesetze begründet ist. Denn er verlangte ausdrücklich, man möge ihm sowohl die Monatsschrift wie alle Mitteilungen an seine Privatanschrift senden. Zu diesem Zwecke hinterließ er Briefhüllen mit seiner Anschrift. Auf die Frage des früheren Obmannes namens Hegen warum diese Mitteilungen, privat erfolgen sollen, erklärte Žák, die beiden anderen Gendarmen brauchten davon nichts zu wissen. Auf die Frage, in welchen Vorschriften seine Forderung begründet sei, antwortete er: »Ich will über das Leben und Treiben der jungen Leute stets informiert sein, damit ich der Behörde auf ihre Anfragen immer Rede und Antwort stehen kann und nicht erst von einem zum anderen laufen muß, damit es nicht so aussieht, als ob ich Schwerverbrecher suche, «

Zu dem Vorfall ist zu bemerken, daß die Bezirksbehörde Hohenstadt, zu deren Gebiet die genannten Orte gehören, derartige Forderungen wie die oben geschilderten nicht gestellt hat. Es liegt vielmehr ein offenkundiger Übergriff des Gendarmerie-Postenführers Žák vor. Dieser konnte auch keinerlei behördlichen Auftrag oder dergl. vorzeigen.

Es mehren, sich die Fälle offenkundiger Übergriffe der Gendarmen. Wohin der jetzige Kurs führt, beweist eindringlich die Bluttat von Weidenau, welche Gegenstand der Interpellation de» Abgeordneten Ing. Jung und Genossen, bildete, die am 30. Juni 1. J. eingebracht wurde. In dieser Interpellation ist auch auf die Grundursache der zum täglichen Ereignis werdenden Übergriffe der Gendarmen hingewiesen worden. Es ist der aus falschverstandenem Staatsinteresse geförderte Kurs, alle Handlungen der Gendarmen, auch jene, welche vollkommen unbegründet sind, ja den geltenden Gesetzen geradezu widersprechen, zu decken und zu entschuldigen. Begreiflicherweise fühlt sich schließlich der Gendarm geradezu als Herrgott und nimmt sich alles heraus. Wird dem nicht Einhalt getan, so läuft die gesamte Bevölkerung nachgerade Gefahr, auch in ihren engsten häuslichen Verrichtungen vom Ortsgendarmen überwacht zu werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Derartige Dinge sind nicht einmal im alten Österreich vorgekommen, obzwar es sich damals um keine Republik und keine Demokratie gehandelt hat. Es ist die höchste Zeit, diesem nachgerade unwürdigen Zustand ein Ende zu bereiten und den Gendarmen nahezulegen, sich mit den eigentlichen Aufgaben ihres Wirkungskreises zu beschäftigen, statt sich als Vorgesetzte der Bevölkerung zu fühlen und zu betätigen.

Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Minister folgende Anfrage:

Ist er bereit, den geschilderten Vorfall sofort einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, den Postenkommandant Žák von Tattenitz über seinen Pflichtenkreis entsprechend aufklären zu lassen und ihn seines derzeitigen Postens, den er anscheinend nicht auszufüllen vermag, zu entheben?

Prag, den 8. Juli 1932,

Ing. Jung,

Dr. Schollich, Simm, Kasper, Dr. Hassold, Ing. Kallina, Dr. Keibl, Matzner, Krebs, Geyer, Schubert, Knirsch, Köhler, Horpynka, Dr. Hanreich, Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky, Dobránsky, Fedor, Hokky, Szentiványi.

Pùvodní znìní ad 1930/XX.

Interpellation

der Abgeordneten Babel, Hadek

und Genossen an den Eisenbahnminister wegen der zwangsweisen Versetzung des Wenzel Frank, Verschieber, in Verwendung als Kondukteur von Lobositz nach Königgrätz.

Der Verschieber und seit 9 Jahren im Fahrdienst verwendete Eisenbahner Wenzel Frank, ist seit 1912 ständig in Lobositz beschäftigt gewesen. Er hat dort seine 75jährigen Eltern, die er unterstützen muß, ebenso sind die Eltern seiner Frau auf die Unterstützung des Frank angewiesen. Frank hat 3 minderjährige Kinder, von denen l Sohn in Lobositz lernt, der andere Sohn in einer Holzhandlung als Praktikant beschäftigt ist.

Wenzel Frank ist laut chefärztlicher Diagnose zum Verschubdienste nicht geeignet und versieht deshalb den Dienst als Kondukteur seit 9 Jahren ohne Anstand. Die Direktion in Königgiätz beharrt auf der Versetzung des Frank, ohne Begründung und will ihn sogar in die IV. Gruppe zurück versetzen. Es ist klar, daß diese Versetzung einen ausgesprochenen Persekutionscharakter trägt, die auf Denunzierung zurückzuführen ist. Der Charakter der Fersekution ist umso offensichtiger, da in der Zeit, in der Frank versetzt werden soll, ein provisorischer Stationsgehilfe von Mladá Boleslav nach Lobositz versetzt wurde. Durch die Versetzung erleidet Frank und seine Familie beträchtlichen Schaden. Seine in der Lehre befindlichen Kinder müßten aus der Lehre genommen werden, die Unterstützung für die alten erwerbsunfähigen Eltern, die durch Frank geleistet wird, würde dadurch unterbrochen.

Außerdem steht fest, daß Frank in seiner jetzigem Verwendung klagelos sein Bestes leistet und es ist zumindest fraglich, ob er in Königgrätz, wo er beim Verschubdienst verwendet werden soll, oder noch um eine Kategorie, zum Stationsdienste, zurückversetzt werden soll, dasselbe wie in Lobositz zu leisten, im Stande ist.

Die Versetzung ist also nicht nur vom Standpunkte des Frank eine äußerste Härte und Persekution, sondern auch vom Standpunkte der Eisenbahnverwaltung eine unsinnige Maßnahme.

Wir fragen den Eisenbahnminister:

Ist er bereit, diese Versetzung sofort rückgängig zu machen?

Ist er bereit, die königgrätzer Direktion zu belehren, daß derart unsinnige Versetzungen nicht in das kaufmännische Programm des Eisenbahn-

ministeriums gehören, und in Zukunft zu unterlassen sind?

Prag, am 11. Juli 1932.

Babel, Hadek,

Dvoøák, Novotný, Kubaè, J. Svoboda, Kliment,

Hruška, Barša, Sliwka, K. Procházka, Török, Zá-

potocký, Gottwald, Kuhn, Vallo, Tyll, Juran,

Krosnáø, Hodinová, Èižinská, Russ.

Pùvodní znìní ad 1930 XXI.

Interpellation

des Abgeordneten Richard Köhler

und Genossen

an den Minister für Post- und Telegraphenwesen

betreffend die Bezeichnung der Streckenpakete und Zeitungsbunde.

Die Post- und Telegraphendirektion in Frag teilte unter dem 12. April 1932 mit Zl. 85. 938-VII1932 der Administration der Zeitung »D. H. V. Mitteilungen der Ortsgruppe Reichenberg« mit, daß alle Zeitungsbunde und Fahnen zu den Zeitungsbeuteln doppelsprachig bezeichnet sein müssen, daß aber die Streckenbunde ausschließlich in der Staatssprache zu bezeichnen sind. In der Zuschrift heißt es weiter: »Da sichergestellt wurde, daß Sie diese Bedingung bisher nicht genau erfüllen, wird Ihnen die Begünstigung des Zeitungstarifes beginnend vom 9. Mai 1. J. entzogen, widrigenfalls Sie nicht von diesem Tage an die erwähnte Bedingung erfüllen werden. «

Dieses Vorgehen der Post- und Telegraphendirektion ist gesetzlich nicht begründet und muß zu schweren wirtschaftlichen Schädigungen vieler kleiner Zeitungsunternehmungen führen, die infolge der Wirtschaftskrise ohnehin ein kümmerliches Dasein führen.

Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Postminister die Anfrage, ob er bereit ist, das Vorgehen der Post- und Telsgraphendirektion in Prag zu untersuchenn und das gesetzlich nicht begründete Handeln zu unterbinden?

Prag, den 15. Juli 1932.

Köhler,

Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky, Dobránsky, Dr. Schollich, Dr. Hassold, Szentíványí, Matzner, Dr. Hainreich, Simm, Fedor, Ing. Jung, Knirsch, Krebs, Geyer, Horpynka, Dr. Keibl, Ing. Kallina, Hokky, Schubert, Kasper.


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