Zu § 31 - Probedienstzeit.

Die Probedienstzeit war bisher zeitlich nicht beschränkt. Eine alte Forderung der Angestellten beinhaltet die völlige Unterbindung jedes Probedienstverhältnisses. Diesem Verlangen in einer Hinsicht Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, daß ein Dienstverhältnis auf Probe nur für die Höchstdauer eines Monates vereinbart und während dieser Zeit vom Angestellten jederzeit, vom Arbeitgeber unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist.

Zu § 32 - Kündigung.

Das Gesetz über Betriebsausschüsse hat unter bekannten Voraussetzungen den Betriebsvertretungen ein Mitwirkungsrecht bei der Entlassung einzelner Arbeitnehmer als auch bei Massenentlassung eingeräumt. Jene Gesetzesstelle ist als erste Maßnahme zum Abbau des seitherigen Privilegs der Arbeitgeber anzusehen, die Arbeitnehmer willkürlich und ohne Bedachtnahme auf irgendwelche Allgemein-Interessen aus der Beschäftigung zu entlassen. Besser denn lange Worte bekunden die bekannten Rückwirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise auf die breiten Schichten der Arbeitnehmerschaft, daß es dem Arbeitgeber nicht mehr anheimgestellt sein kann, die Frage der Entlassung und Kündigung als sein persönliches Privileg zu behandeln. Die unzähligen Erfahrungen der Vergangenheit und der Gegenwart bezeugen, welches ungeheure Unheil durch die Willkür unsozialer Unternehmer durch Entlassungen bereitet wurde und noch bereitet wird. Es sei weit weggewiesen, die gesamte Unternehmerschaft für die verderblichen, oft geradezu aufreizenden Handlungen ihrer rückschrittlichen Kreisen verantwortlich zu machen. Wohl aber kann unter Beweis gestellt werden, daß noch immer die Entlassung von Angestellten an der Tagesordnung ist, die durch lange Jahre, häufig durch Jahrzehnte in einem Betriebe gute Dienste leisteten und die durch ihre getreue Pflichterfüllung am Gedeihen des Unternehmens einen sehr ansehnlichen Anteil gewonnen haben; sie werden eines Tages Knall und Fall gekündigt, weil sie altes geworden sind, weil sie dem neuen Betriebsinhaber nicht zu Gesichte stehen, weil die neue Direktion mit dem berühmten eisernen Besen eine andere Ordnung schaffen will, weil Platz für irgendeinen Günstling gemacht werden still u. dgl. m. (In dieses Gebiet fallen auch die zahlreichen Entlassungen aus nationalen und politischen Gründen.) Nicht selten ist eine solche Entlassung auch eine unmittelbare schwere Schädigung des Betriebes selbst, weil mit dem entlassenen Angestellten wertvolle Erfahrungen und äusserst nutzbare Kenntnisse verloren gehen. Der Mitwirkung der Betriebsausschüsse bei Kündigungen und Entlassungen sind nun allerdings so enge Grenzen gezogen, daß die Mitwirkung tatsächlich nur auf ein unansehnliches Beratungs- und Einspruchsrecht hinausläuft.

Dem Verlangen nach einer Erweiterung des Kündigungsschutzes sei zunächst die Begründung vorangeschickt, die der Motivenbericht der szt. Wiener Regierung zum heutigen Handlungsgehilfengesetze bringt: Die Notwendigkeit der Beschränkung der Vertragslösung wird mit Rücksicht auf den Mißbrauch, den einzelne Unternehmer mit der ihnen durch ihre wirtschaftliche Lage den Dienstnehmern gegenüber eingeräumten Macht trieben, nahezu einmütig anerkannt.

Ist es die ernste Absicht der Sozialgesetzgebung, die wirtschaftliche, soziale und rechtliche Lage der Angestellten zu heben, muß dieser Wille vor allem auch durch die Beschränkung der Vertragslösung im Sinne des Antrages sichtbaren Ausdruck finden, Gleichermaßen würde dadurch beigetragen, den sozialen Frieden zu fördern.

Die bisherigen Kündigungsfristen sind vollständig unzureichend. Die Kündigungsschutzverordnung der ersten Nachkriegsjahre wurde mit dem Hinweis darauf, daß bereits an dem neuen Angestelltengesetze gearbeitet werde, 1923 aufgelassen, Seither bestehen für die alten Angestellten die gleichen Kündigungsfristen, wie für die ganz jungen, was zweifellos ein schwerer Nachteil für die älteren Angestellten ist, die erhöhten Kündigungsschutz brauchen. Der Antrag zielt ersichtlich darauf ab, im besonderen den älteren und durch längere Jahre im gleichen Unternehmen tätigen Angestellten einen weitergehenden Kündigungsschutz angedeihen zu lassen, eine Forderung, deren Billigkeit heute wohl kaum jemand noch zu bezweifeln wagt. Differenzierung der Mindestkündigungsfrist nach der Dauer der bereits vollstreckten Dienstzeit wurde bereits bei der Schaffung des Handlungsgehilfengesetzes sehr eingehend erwogen, doch wurde sie damals unter dem Drucke einiger DienstgeberKörperschaften fallen gelassen. Gegenwärtig teilen - wie aus Hunderten bekanntgewordener Meinungsäußerungen maßgebender Unternehmer, sowie aus den vorliegenden Kollektivverträgen erhellt - weiteste Kreise der Dienstgeber die Auffassung, daß der verlangte Kündigungsschutz nicht mehr denn eine vollauf gerechtfertigte soziale Forderung ist. Es muß also erwartet werden, daß das gestellte Verlangen nunmehr durch die Gesetzgebung erfüllt wird.

Das Begehren, die Kündigungsfristen sollen mit Ablauf des Kalendervierteljahres endigen, geht von dem Gedanken aus, daß es für beide Teile vorteilhaft ist, Angebot und Nachfrage an Arbeitskräften zu gewissen Zeitpunkten zusammenzufassen, um einen geregelten Austausch zu erzielen.

Die Absicht dieses Teiles der Vorschläge wird aber nur dann vollerreicht werden können, wenn die einschlägigen Bestimmungen keinen Raum zu beliebigen, falschen Auslegung bieten. Ihre Eigenschaft als zwingendes, unabdingbares Recht muß klar erkenntlich sein, weshalb sich die Vorschrift, daß die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen durch Vereinbarung nicht herabgesetzt werden können, unumgänglich erweist.

Grundsatz ist, daß die Kündigungsfrist für den Angestellten unter keinen Umständen länger sein darf als die des Dienstgebers. Angestrebt wird, dem Angestellten eine kürzere Frist zur Lösung des Dienstverhältnisses einzuräumen, Die Begründung ist in der Tatsache gegeben, daß für den Angestellten - also dem wirtschaftlich weitaus Schwächeren - die Erlangung eines neuen Postens bei dem bekannten steten Überangebot an freien Kräften schwieriger wird als dem Dienstgeber die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzes. Bietet sich dem Angestellten in einem anderen Unternehmen die Gelegenheit zu besserem Fortkommen, so soll er davon ohne das Hindernis Langfristiger Vertragslösung auch Gebrauch machen können.

Sofern das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart wird, kann es während des ersten Monates vom Angestellten jederzeit vom Arbeitgeber unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden. Diese Bestimmung bezieht sich vornehmlich auf Saison- und Kampagne-Betriebe.

Zu § 34 - Freizeit zum Stellenbewerb.

Die Fassung des § 22 HGG, genügt nicht den aus den Verhältnissen erwachsenden Anforderungen. Die vorgeschlagene Fassung weicht von der gegenwärtig wirksamen insofern ab, als sie den recht dehnbaren und daher sehr oft willkürlich ausgelegten Begriff der angemessenen Zeit durch die Vorschrift ersetzt, daß dem Angestellten zum Aufsuchen einer neuen Stellung mindestens sechzehn Arbeitsstunden wöchentlich freizugeben sind. Über die Notwendigkeit der Sicherung genügender Freizeit zur Stellenbewerbung braucht in Ansehung der eigenartigen Verhältnisse unter denen sich der Austausch zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkte für Angestellte vollzieht, keine weitläufige Begründung gegeben werden. Hingewiesen mag lediglich darauf werden, daß die Angestellten, denen doch in der Regel an einem friedlichen Scheiden aus dem seitherigen Dienstverhältnis, an guten Zeugnissen und günstigen Referenzen erheblich gelegen ist, von dem Rechte der Freizeit zur Stellenbewerbung keinen unbilligen Gebrauch machen werden.

Zu § 35 - Abfertigung.

Die Forderung nach der Gewährung von Abfertigungen an solche Angestellte, die nach Zurücklegung einer längeren Dienstzeit ihren Arbeitsplatz verlassen, steht seit langem im Vordergrunde der öffentlichen Erörterung. Es kann vorweg bemerkt werden, daß ihre Berechtigung auch seitens der sozialgesinnten Dienstgeber durchaus anerkannt wird. Diese Anerkennung findet sichtbaren Ausdruck in vorliegenden Kollektivverträgen, sowie in der Tatsache, daß in zahlreichen Unternehmungen aller Art und jeden Umfanges die Gewährung solchen Abfertigungen eingeführt ist.

Die Darlegungen zu § 32 des Entwurfes, die sich auf die Kündigung beziehen, gelten im wesentlichen auch für diesen Teil des Antrages. Wie der Inhalt der erstgenannten Bestimmung durch die Erstrekkung der Kündigungsfristen, so verfolgt auch die in Rede stehende Bestimmung den Zweck, eine weitere Beschränkung der Lösung der Dienstverhältnisse herbeizuführen. Darüber hinaus aber soll dadurch auch erreicht werden, daß dem nach längerer Dienstleistung tatsächlich zur Entlassung gelangten Angestellten durch die Zahlung einer Abfertigung eine Entschädigung geboten wird, die ihn zugleich für die Dauer der nächsten Monate der Sorge um die Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz enthebt. Dieser Schutz erweist sich umso dringender, als erklärlicherweise die Angestellten mit längerer Dienstleistung in einem Betriebe zumeist in den vorgeschrittenen Lebensjahren stehen und bei der offenkundigen Abneigung der Unternehmer zur Anstellung älterer Arbeitnehmer nur wenig Aussicht für sie auf die rasche Erlangung eines halbwegs entsprechenden neuen Postens gegeben ist.

Die unverschuldete Arbeitslosigkeit ist stets mit wirtschaftlicher Not und tiefster menschlicher Erniedrigung verbunden. Sie trifft gerade die Angestellten umso härter, als die Angestellten heute und auf lange Jahre hinaus aus wirtschaftlichen Gründen in ihrer Gesamtheit auf eine ununterbrochene Arbeitsleistung und auf ein fortlaufendes Einkommen angewiesen sind. Die allgemein unzulängliche Bezahlung für ihre Dienstleistung hat die Ansammlung von Ersparnissen nicht zugelassen. Welche Not unter den Stellenlosen heute herrscht, muß wohl nicht besonders dargelegt werden, besonders dann, wenn daran erinnert wird, daß es stellenlose Familienerhalter gibt, die schon Jahre hindurch ohne Posten sind! Leider folgt ja eine Wirtschaftskrise nach ganz kurzer Erholung der anderen, die Rationalisierungsmaßnahmen, Fusionierungen u. a. Umstände bringen immer neue Entlassungen mit sich und so sehen wir uns einem Heere von Stellenlosen gegenüber; daß diese Tatsache mehr als eine Gefahr in sich birgt, steht außer Zweifel. Hilfe ist umgänglich notwendig, um dem lawinenartigen Anwachsen der Zahl der stellenlosen Familienerhalter Einhalt zu tun. Die Arbeitslosigkeit ist in der Angestelltenschaft nicht mehr eine vorübergehende Erscheinung wie ehedem, Während in der Zeit vor dem Kriege die Stellenlosigkeit des einzelnen Angestellten wegen des ziemlich ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkte nur kurz währte, ist jetzt und auf unabsehbare Zeit das Gegenteil die Regel.

Schließlich kann grundsätzlich auch dem unsozialen Unternehmer nicht die Berechtigung mehr zugestanden werden, langjährige Angestellte (Mitarbeiter, deren Arbeitskraft er in den wirtschaftlich günstigen Zeiten zu seinem Vorteil ausgenützt hat) anläßlich einer Konjunkturschwankung oder aus anderen bereits früher angedeuteten Gründen glattweg zu entlassen und sie damit dem furchtbaren Elend der Arbeitslosigkeit zu überantworten. Wie sich heute bereits ein Teil der Unternehmerschaft in der Frage der Entlassung von Angestellten von den einfachsten Grundsätzen moralischer Einsicht, menschlichen Empfindens und vom Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der Gesamtheit leiten läßt, so muß die gesamte Unternehmerschaft im Wege der Gesetzgebung zur gleichen Auffassung erzogen werden, sofern nicht die ohnedies tiefgebende Erbitterung in den Kreisen der Angestellten ob der Unsicherheit ihrer Existenz noch weiterhin verschärft werden soll. Nicht blaß die Allgemeinheit auch der einzelne Unternehmer hat im Notfalle Opfer zu bringen.

Zu § 36 - Dienstwohnung.

Es ist die Annahme leider nur zu berechtigt, daß mit der gegenwärtigen Wohnungsnot noch durch längere Jahre in unvermindertem Maße gerechnet werden muß. Die Angehörigen eines verstorbenen Angestellten, die mit ihm im gemeinsamen Haushalte in einer von dem Unternehmen beigestellten Wohnung gelebt haben, vor der vollen Gefahr der Obdachlosigkeit wenigstens für einige Zeit zu schützen, ist Aufgabe der gewünschten Erweiterung des Gesetzes.

Zu § 37 - Wechsel des Inhabers.

Die beantragte Ergänzung ist notwendig, um die Existenz der Angestellten in solchen Fällen sicherzustellen. Bisher war trotz entsprechender Spruchpraxis nicht die notwendige Klarheit vorhanden. Vor allem darf auch die Änderung der Rechtsform eines Unternehmens keinen Einfluß auf den Dienstvertrag haben.

Zu § 38 - Konkurs und Ausgleich.

Eingefügt wurde der Zusatz, daß die Entgelts-Forderungen des Angestellten an den Dienstgeber zu den im Ausgleichsverfahren ein Vorrecht genießenden Forderungen gehören, (S. Ausgleichsordnung.)

Zu §§ 39-48.

In diesen Anträgen werden die Rechtsverhältnisse bei fristloser Lösung des Dienstverhältnisses, beim Rücktritt vom Vertrage usw. geregelt. Ihnen liegen die praktischen Erfahrungen zu Grunde, die mit den bisherigen Bestimmungen gemacht worden sind.

Zu § 49 - Kaution.

Die angestrebte Änderung ist auf die vielfachen ungünstigen Erfahrungen zurückzuführen, die die Angestellten infolge der geltenden unzureichenden Fassung der einschlägigen Gesetzesstelle (§ 35 HGG.) machen mußten. Das Verlangen nach ausschließlichem gerichtlichen Erlag der Kaution soll den sich immer wieder ereignenden Fällen des Mißbrauches der Kaution vorbeugen. Ebenso zielt die Bestimmungen, daß Ansprüche auf die Kaution nur im gerichtlichen Wege erhoben werden können, darauf ab, zu verhindern, daß der Dienstgeber die Kaution oder einen Teil derselben ungebührlich zurückhält. Diese letztere Bestimmung wird auch im Gefolge haben, daß der Dienstgeber im allgemeinen weitaus sorgfältiger denn bisher prüfen wird, ob ihm tatsächlich ein Anspruch auf die Kaution zusteht, wodurch zahlreiche Rechtstritte von Haus aus vermieden werden können.

Zu § 50 - Wettbewerbsverbot.

Dem bisher als zuläßig erklärten Wettbewerbsverbote (Konkurrenzklausel) liegt der bei der heutigen wirtschaftlichen Entwicklung vorzugsweise nurmehr auf starker Einbildung beruhende Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses zu Grunde. Von wirklichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann gegenwärtig nurmehr in sehr vereinzelten Fällen gesprochen werden. Weder deren Zahl noch die tatsächlichen Erfahrungen mit der Konkurrenzklausel rechtfertigen diese Maßnahme, die auf die Verhütung des wirtschaftlichen Verrates wohl abzielt, aber die Zukunft und das Fortkommen eines bedeutsamen Teiles der Angestelltenschaft unberechtigter Weise abschnürt. Die Wettbewerbsabrede hat sich noch immer als unwirksam gegen den Verrat erwiesen. Sie stellt vielmehr - soweit sie überhaupt die Sicherung wirklicher Geschäftsgeheimnisse zum Inhalte hat eine Art Versicherung gegen strafbare Handlungen dar, deren Prämie viele Ehrliche einiger weniger Unehrlicher wegen bezahlen müssen. Die Angestellten, die eine Konkurrenszklausel unter dem bekannten wirtschaftlichen Drucke eingehen müssen, werden unter ein Ausnahmerecht gestellt, das einerseits den Unehrlichen vom Verrate keineswegs abschreckt (also auch nach dieser Seite hin dem Dienstgeber durchaus nicht nützt) und das anderseits den tüchtigen Angestellten das Vorwärtskommen erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Daß durch die Wettbewerbshabrede, die die fähigsten Kräfte an der freien Entfaltung hindert, der gesamten Wirtschaft und damit der Allgemeinheit ein schwerwiegender Schaden bereitet wird, bedarf wohl keiner besonderen Erörterung.

Wettbewerbsverbot und freier Arbeitsvertrag sind zwei unverträgliche Dinge, Es muß grundsätzlich verlangt werden, daß die erstere als sachlich und sittlich durchaus ungerechtfertigte Maßnahme vollständig unterbunden wird. Die Wettbewerbsabrede dient nach den vielfachen Erfahrungen zudem nicht so sehr zur Sicherung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, als sie dem Arbeitgeber ein wirksames Mittel gegen lästige Konkurrenz und zur Erhaltung billiger Arbeitskräfte ist. Der tüchtige Angestellte, dessen besonderes fachliches Wissen sich bei der heutigen, weitverzweigten Wirtschaft erklärlicherweise immer nur auf ein bestimmtes Sondergebiet erstrecken kann, ist naturgemäß bei der Verwertung seiner Arbeitskraft auf einen ziemlich kleinen Kreis angewiesen, der nun durch das Wettbewerbsverbot nach der Willkür des wirtschaftlich stärkeren Arbeitgebers noch weiter eingeengt wird. Er ist also gezwungen, auf bessere Stellungen und auf die bestmöglichste Verwertung seiner Arbeitskraft überhaupt zu verzichten. Die Angestelltenschaft von der drückenden Fessel der Wettbewerbsabrede zu befreien, ist eine Handlung wahrhaft sozialer Gerechtigkeit.

Zu § 51 - schwarze Listen.

Es ist geradezu ein Gebot der Menschlichkeit, die sogenannten schwarzen Listen unter Strafe zu stellen. Tausende von Existenzen sind schon dank der Einrichtung der schwarzen Listen schwer gefährdet worden. Was nützt dann das Zeugnis und was helfen dem Stellenlosen alle Bemühungen, wenn ihm schwarze Listen unerbittlich die Türen zu neuen Stellungen sperren. Das gleiche gilt von den geheimen Auskünften. In jedem festgestellten Falle, muß der betreffende Dienstgeber einem Stellensuchenden dem neuen Posten durch eine schlechte Auskunft verdorben hat, zum Ersatz des Schadens herangezogen werden können.

Zu § 52 - Zeugnis.

Eine sorgfältige Regelung des Zeugnisrechtes erweist sich als dringend notwendig, Beantragt wird, den geltenden Vorschriften einzufügen, daß das Zeugnis auf Verlangen des Angestellten auch auf die Führung und auf die Leistungen auszudehnen ist. Das bisher vorgesehene Dienstzeugnis soll zum Verwendungszeugnis gestaltet werden. Die Zeugnisse sind für das wirtschaftliche Fortkommen des Angestellten von größter Bedeutung die nach Erfüllung der erhobenen Forderungen zur Vorbildung der verschiedenen Angestelltenschichten zweifellos noch steigen wird.

Es verdient hier festgehalten zu werden, daß schon im mehrfach erwähnten Wiener Regierungsentwurf zum HGG, im § 30 vorgesehen war, daß dem Dienstnehmer ausser dem Zeugnis über die Art und Dauer der Dienstleistung (Dienstzeugnis) auf sein Verlangen ein besonderes Zeugnis über seine Leistungen und Verhalten (Verwendungszeugnis) auszustellen ist. Die damalige Regierung begründete diesen Teil ihres Entwurfes u. a. in sehr treffender Weise wie folgt:

Der Dienstnehmer hat ein berechtigtes Interesse, wenn er seine Pflichten erfüllt und gute Dienste geleistet hat, darüber eine Bestätigung zu empfangen. Dieses Interesse bedarf umsomehr eines Schutzes, als unter Umständen gerade die Aussicht auf ein gutes Zeugnis für den Dienstnehmer den wertvollsten Teil des Dienstverhältnisses bildet. Ein gerecht und billig denkender Arbeitgeber wird das verdiente Zeugnis ohnedies gerne geben und nur gegenüber dem übelwollenden und ungerechten Dienstgeber ist die Gewährung eines rechtlich durchsetzbaren Anspruches notwendig.

Diese Ausführungen können nur unterstrichen und ihre volle Beachtung muß empfohlen werden. Es würde dadurch erreicht, daß jene überaus zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die wegen der Ausstellung und Berichtigung von Zeugnissen geführt werden, weiterhin zum größten Teile vermieden werden.

Zu § 53 - Kaufmannslehrling.

Bisher, wurde das Lehrverhältnis für alle Lehrlinge, ob kaufmännisch oder gewerblich, durch die Gewerbeordnung geregelt, während die Praktikanten in den Kanzleien der Fabriksbetriebe dem Handlungsgehilfengesetze unterlagen. Diese ungleiche Behandlung der Lehrlinge und Praktikanten vor dem Gesetze führte zu vielen Unklarheiten. Zudem waren die Schutzbestimmung der Gewerbeordnung für die kaufmännischen Lehrlinge, besonders roden Kontoren, ganz unzulänglich und lückenhaft. Schon längst machte sich das Bedürfnis nach Einbeziehung sämtlicher Lehrlinge des Angestelltenberufes in ein Angestellten-Gesetz bemerkbar. Diesem Bedürfnisse soll durch diese Vorlage ebenfalls abgeholfen werden, Es wurde bereits erwähnt, daß die heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen über das Lehrlingswesen zur wirksamen Bekämpfung der vorhandenen Mißstände nicht ausreichen. Nachdrücklicher denn je muß heute auf genügende Vorbildung, gründliche Ausbildung und Steigerung der Leistungsfähigkeit unserer Angestelltenjugend hingewirkt werden.

Zu § 54 - Berufseignung.

An das Berufskönnen der Angestellten werden immer höhere Anforderungen gestellt, Zugleich aber haben in unseren Beruf in steigendem Maße Elemente Eingang gefunden, die, weil sie nicht die rechte Eignung bezw. Vorbildung besitzen, den gesamten Berufsstand schädigen und auch persönlich nie vorwärts kommen können. Darum ist die Forderung nach gründlicher, abgeschlossener Vorbildung und einer Eignungsprüfung voll gerechtfertigt.

Zu §§ 55 und 56.

Besonders in der Nachkriegszeit traten immer wieder Fälle zu Tage, wo Kaufmannslehrlinge ohne Rücksicht auf die Eignung des Lehrbetriebes oder des Lehrherrn zur Ausbildung von Lehrlingen aufgenommen wurden, Betrieben, welche den Lehrling nur in einem Teilfache des Berufes auszubilden vermögen (Advokatenkanzleien, Vervielfältigungsbüros usw.) ist das Recht der Lehrlingshaltung abzusprechen. Es darf künftig auch nichtmehr vorkommen, daß die Ausbildung von Lehrlingen Menschen überantwortet werden kann, welche nur ungenügende Berufskenntnisse besitzen. Auslese nicht allein der Berufsanwärter, sondern auch der Lehrherren ist heute dringender denn je, wenn unsere Wirtschaft lebensfähig bleiben soll.

Zu § 57 - Aufnahmt der Lehrlinge.

Zunächst ist es notwendig, den Lehrvertrag von Rechtes wegen als Dienstvertrag zu bezeichnen. Erst dadurch erlangt er in allen arbeitsrechtlichen Fragen volle Bedeutung. Ferner muß der Zwang zum schriftlichen Abschluß des Lehrvertrages klar ausgesprochen werden. Es erscheint geboten, auf die Ungültigkeit privater Abmachungen zur Änderung der vorliegenden Gesetzesbestimmungen ausdrücklich hinzuweisen, besonders was die Dauer der Lehrzeit betrifft.

Zu § 58 - Zahlenverhältnis zwischen Angestellten und Lehrlingen.

Der Angestelltenberuf gehört zu den von der Arbeitslosigkeit am meisten betroffenen Berufen. Schon von diesem Gesichtspunkte aus ist die Unterbindung des übermäßigen Zustromes zum Berufe gerechtfertigt. Dazu kommen als weitere Gründe für eine Einschränkung der übermäßig hohen Lehrlingszahlen die Tatsache der mangelhaften Ausbildung durch die sogenannte Lehrlingszüchterei und die große Stellenlosigkeit gerade unter den jüngeren Angestellten, die heute durch Lehrlinge ersetzt werden.

Zu §§ 59 u. 60 - Probezeit, Bauer der Lehrzeit.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß nur die dreijährige Lehrzeit eine genügende Berufsausbildung, vor allem hinsichtlich der Kundenbehandlung, Warenkenntnisse, Buchhaltung und Kalkulation, vermitteln kann. Darum ist an der dreijährigen Lehrzeit im Interesse einer guten Berufsleistung unbedingt festzuhalten.

Zu §§ 61 bis 63, - Arbeitszeit, Urlaub, Sonntagsruhe.

Wenn wir die Forderungen dieser Paragraphen erheben, lassen wir uns von der Tatsache leiten, daß der Organismus des jungen Menschen zu seiner vollen Entfaltung und Erholung mehr Zeit und Ruhe benötigt, als der des Erwachsenen, Ferner darf nicht verkannt werden, wie notwendig der Lehrling außerberufliche Eindrükke zu seiner persönlichen Entwicklung benötigt, so z. B. durch Lesen, auf Reisen, in der Gemeinschaft gleichstrebiger Berufskameraden, auf Spaziergängen, Wanderfahrten und Geländespielen. Die Abendstunden müssen dem Lehrling für die Erweiterung seines persönlichen Gesichtskreises und zur theoretischen Ausbildung belassen werden, der Sonntag und freie Samstag Nachmittag haben der körperlichen Erholung zu dienen.

Der heutige Lehrlingsurlaub von 8 Tagen ist ganz unzureichend für die Erholung und Entwicklung des jungen Menschen. Der Unterschied zwischen den langen Schulferien (8 Wochen) und dem kurzen Lehrlingsurlaub ist zu schmerzlich. Die Unterschiede in der gesellschatflichen Stellung der Jugend zu einander (z. B. zur studentischen Jugend) machen sich auf das Gemüt des Jungen als Ansätze zum Klassenhaß unangenehm bemerkbar. Die Kaufmansjugend muß Gelegenheit haben, grössere Urlaubsreisen zu unternehmen, um ihren Blick in beruflichen Dingen zu weiten, andere Städte und ihre Wirtschaft kennen zu lernen und körperlich wie geistig auszuspannen. Nur der dreiwöchige Lehrlingsurlaub bietet die Gewähr für Erholung und Fortbildung.

Zu § 64 - Entschädigung.

Das Verlangen nach einer Lehrlingsentschädigung ist voll gerechtfertigt. Der Kaufmannslehrling stammt meist aus der Arbeiterfamilie, welche für die Erziehung des Lehrlings zumeist keinerlei Mittel anwenden kann, Begabten Kindern ist es oft nicht möglich, in den Angestelltenberuf vorzustossen, weil sie von den Eltern frühzeitig zum Mitverdienen herangezogen werden, also unter den heutigen Verhältnissen wieder in den Arbeiterberuf eintreten müssen. Die gesetzliche Verankerung einer Lehrlingsentschädigung würde manche wirtschaftliche Notlage im Elternhause überwinden helfen, und im Sinne einer positiven Berufsauslese wirken.

Zu § 65 - Kost und Wohnung.

Die Bestimmungen dieses Paragraphen werden erst durch eine gründliche Überwachung durch die geforderten Lehrlingsinspektorate zu voller Bedeutung für das soziale Wahl der Lehrlinge gelangen.

Zu § 66 - Pflichten des Lehrlings.

Hier soll der Lehrzweck zum Ausdruck gebracht werden: Der Lehrling steht für seine eigene Ausbildung in Verwendung. Mit diesem Bewußtsein soll er aber das Gefühl der Pflicht verbinden und auf die Erfüllung der Pflicht bedacht sein.

Zu § 67 - Pflichten des Uhrherrn.

Auch hier steht der eigentliche Zweck des Lehrverhältnisses, die Ausbildung des Lehrlings, im Vordergrunde. Alles, was an der gründlichen Ausbildung hindert, muß beseitigt, was zur Pflichtvernachläßigung oder körperlichen und sittlichen Schädigung des Lehrlings beiträgt, vermieden werden.

Zu § 73 - Lehrlings- und Gehilfenprüfung.

Schon in der Begründung zu dem § 54 wurde klar ausgesprochen, wie notwendig für die heute geforderte größte Leistungsfähigkeit der Wirtschatf das Fernhalten ungeeigneter Elemente vom Berufe ist. Zu der Forderung nach Prüfung der Berufseignung bei den Berufanwärtern muß ein Ansporn für die Lehrzeit treten, welcher bewirkt, daß sowohl der Lehrherr wie auch der Lehrling die Lehrzeit nur im Sinne der gründlichen Ausbildung des Lehrlings für den Beruf verwenden. Das einzige Mittel, diesen Ansporn zu erzielen, sehen wir in der Gehilfenprüfung (Leistungsprüfung) für die kaufmännischen Lehrlinge und Praktikanten. Die Leistungsprüfungen ermöglicht eine Kanuolle über die Verwendung der Lehrzeit. Sie spornt einerseits den Lehrling an, alle seine Kräfte zusammenzunehmen und keinen Augenblick der Lehrzeit ungenützt verstreichen zu lassen, auf der anderen Seite aber wird, auch der Lehrherr angeeifert, den Lehrling so auszubilden, daß die Prüfungskommission einen guten Eindruck von den Lehrfähigkeiten seiner Firma erhält. Überall dort, wo die, Gehilfenprüfung bisher eingeführt worden ist (Brünn, Iglau, M. Ostrau, Jägerndorf), sind die Erfahrungen die denkbar besten. So schreibt z. B. das Handelsgremium in Brünn an den D. H. V. in Aussig: Durch die bestandene Prüfung ist das Lehrverhältnis beendet, der Lehrling wird in die Reihen der Gehilfen aufgenommen. Der Übertritt; durch die Prüfung gekennzeichnet, kommt dem Lehrling zu Bewußtsein, erinnert ihn eindringlich an den Ernst des Berufes und mahnt ihn an neuen Pflichten des angehenden Kaufmanns. In dieser Richtung hat die Prüfung die in sie gelegte Hoffnung nicht getäuscht. Als Erziehunas- und zugleich Anspornungsmittel hat die Prüfung beste Erfolge zu verzeichnen. Die Kenntnisse der Lehrlinge und somit die der künftigen Handelsleute unterliegen keiner Kontrolle. Die Zeugnisse der Fortbildungsschule sind für die Beurteilung der Fachkenntnisse und der allgemeinen Intelligenz wenig maßgebend. Die Gehilfenprüfung gab den maßgebenden Faktoren in Brünn die Möglichkeit, die Ergebnisse der Lehre und die Mängel derselben festzustellen. Die Prüfungen brachten Informationen über Lehrlinge, Lehrherren und Lehrverhältnisse, wie sie anders überhaupt nicht feststellbar waren. - In diesen suggestiven und informativen Momenten also liegt bis jetzt bei den Prüfungen des Handelsgremiums das Hauptgewicht. Die Prüfungen zur allgemeinen handlichen Institution weiter auszubauen, ist das Streben des Handelsgremiums. Die Mitarbeit der Angestelltenverbände kann da nur nützlich sein und wird immer begrüßt. Auch das Handelsgremium von Mähr.-Ostrau teilt mit, daß sich die Prüfungen gut bewähren und unbestritten hohe Bedeutung für den Handelsstand wie auch für die Lehrlinge selbst besitzen.

Bei diesen übereinstimmend guten Erfahrungen müßte es selbstverständlich sein, die Gehilfenprüfung durch das vorliegende Gesetz allgemein obligatorisch einzuführen.

Das Zeugnis über die abgelegte Gehilfenprüfung soll mit dem Zeugnis der Fortbildungsschule nicht in Verbindung gebracht werden, ebenso mit dem Lehrzeugnisse nicht, da auf der einen Seite die Prüfung in der Gefahr steht, in die Theorie abzugleiten, auf der anderen die Ablegung der Prüfung ja selbstverständlich sein wird und daher auf dem Lehrzeugnis erst vermerkt werden braucht.

Zu § 76 - Vereinigungsrecht des Lehrlings.

Es gibt heute leider immer noch zahlreiche Lehrherren, welche den gemeinschaftsbildenden, erzieherischen und beruflichen Wert des Anschlusses des Lehrlings an einen Berufsverband nicht einsehen wollen. Unserer Zeit tut eine Erziehung zum Gemeinschaftssinn dringend not. Eine Bekämpfung des Klassenhasses kann nur auf dem Weg über die Bildung der Berufsstände und die ständische Erziehung der Jugend erfolgen, Die Bedeutung der Berufsverbände auf allen kulturellen und beruflichen Gebieten läßt sich heute nichtmehr leugnen.

Zu § 77 - Lehrlings- und Angestellteninspektorate.

Vorderhand bleiben für die Aufsicht nur die Gewerbeinspektorate übrig, die durch eigene Lehrlings- und Angestellteninspektorate abgelöst werden sollen.

Zu § 79.

Es ist notwendig, daß die Schlußbestimmungen dieses Gesetzes unabdingbar erklärt werden, weil sie ansonsten nach den gemachten Erfahrungen unter den Druck so manches Arbeitgebers ausgeschaltet würden.

Zu § 80.

Wir streben die Schaffung von eigenen Arbeitsgerichten für die Schlichtung von Streitigkeiten aus den Angestelltenverhältnissen an. Bis zur Schaffung dieser Gerichte müssen die Gewerbegerichte diese Tätigkeit übernehmen.

Nachdem eine Belastung des Staates aus diesem Gesetze nicht erfolgt, erübrigt sich die Angabe der Deckung.

In formeller Hinsicht beantragen wir die Zuweisung dieses Antrages an den sozialpolitischen Ausschuß.

Prag, am 17. Mai 1930.

Köhler,

Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky, Hokky, Fedor, Kasper, Simm, Dobránsky, Schubert, Ing. Jung, Knirsch, Geyer, Krebs, Szentiványi, Dr. Törköly, Nitsch, Dr. Holota, Dr. Hassold, Ing. Kallina, Dr. Keibl, Dr. Schollich, Horpynka, Matzner, Dr. Hanreich.


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