Pflichten des Lehrherrn.
§ 67.
(1) Der Lehrherr ist verpflichtet, sich die berufliche Ausbildung des Lehrlings angelegen sein zu lassen und ihm in allen im Unternehmen vorkommenden Arbeiten zu unterweisen.
(2) Zeit und Gelegenheit für eine gründliche, umfassende Berufsausbildung darf dem Lehrling nicht durch unkaufmännische Arbeiten (z. B. tägliche umfangreichere Botengänge, Beschäftigung in der mit betriebenen Landwirtschaft, in mitbetriebenen Transportunternehmungen oder Gaststätten, in der Hauswirtschaft, durch Lastenbefördern, Austragen der Waren zur Kundschaft, regelmäßiges Kassieren von Geldern außerhalb des Geschäftes, tägliche umfangreichere Pack- oder Lagerarbeiten, Entladen von Eisenbahnwaggons u. dgl.) entzogen werden.
(3) Der Lehrherr ist weiters verpflichtet, über eine gesunde und gute Lebensführung des Lehrlings im Geschäft und außerhalb zu wachen, ihn vor körperlicher Überanstrengung, vor unsittlichen und rohen Handlungen wie vor Mißhandlungen zu bewahren.
(4) Im Falle des Fernbleibens des Lehrlings vom Geschäft, seiner Erkrankung oder anderer wichtiger Vorkommnisse hat der Lehrherr die Eltern bezw. den Vormund sogleich zu benachrichtigen.
§ 68.
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling bei der zuständigen Gewerbebehörde, bei der Krankenkasse, mit Vollendung des 16. Lebensjahres bei der Pensionsanstalt, ferner zur Ablegung der Eignung- (Lehrlings- prüfung und der Gehilfen- (Leistungs-) prüfung rechtzeitig anzumelden und die ihm auf Grund des Pensions- und des Krankenversicherungsgesetzes zustehenden Leistungen zu tragen.
Besuch der kaufmännischen Fortbildungsschule.
§ 69.
(1) Lehrlinge, welche den kaufmännischen Fortbildungsschul- oder einen anderen, mindestens gleichwertigen Unterricht noch nicht mit Erfolg zurückgelegt haben, sind verpflichtet, die kaufmännische, oder wo eine solche nicht besteht, die gewerbliche Fortbildungsschule zu besuchen.
(2) Der Lehrherr ist verpflichtet, dem Lehrling die zum Besuch der Fortbildungsschule erforderliche Zeit einzuräumen, den regelmäßigen Schulbesuch zu überwachen und ihn bei der Schulleitung an und abzumelden.
Sämtliche mit dem Schulbesuche verbundenen Auslagen hat der Lehrherr zu tragen.
Vorzeitige Lösung des Lehrvertrages.
§ 70.
(1) Der Lehrvertrag kann von seiten des Lehrlings sofort gelöst werden, wenn seine berufliche Ausbildung oder seine Gesundheit gefährdet sind, wenn ihn der Lehrherr vom Besuche der Fortbildungsschule abhält, wenn er die übernommenen Verpflichtungen gröblich vernachlässigt, ihn zu unsittlichen oder ungesetzlichen Handlungen verleitet, ihn mißhandelt oder züchtigt oder ihn vor Übergriffen seitens der Mitbeschäftigten, Hilfsarbeiter oder Hausangestellten nicht in Schutz nimmt, wenn der Lehrherr länger als einen Monat eingesperrt ist oder für die Unterkunft und den Lebensunterhalt des Lehrlings nicht gesorgt wird.
(2) Der Lehrvertrag kann von Seiten des Lehrherrn sofort gelöst werden, wenn sich der Lehrling den Anordnungen des Lehrherrn dauernd widersetzt, wenn er sich Unehrlichkeiten zu Schulden kommen läßt, länger als einen Monat eingesperrt wird oder länger als 3 Monate krank ist.
Kündigung.
§ 71.
Der Lehrling bezw. seine gesetzlichen Stellvertreter können das Lehrverhältnis 14tägig aufkündigen, wenn der Lehrling seinen Beruf wechselt öder im elterlichen Unternehmen gebraucht wird.
Erlöschen des Lehrvertrages.
§ 72.
Der Lehrvertrag erlischt durch das Aufhören des Unternehmens, durch den Tod des Lehrlings, durch den Tod des Lehrherrn, durch das Abtreten des Lehrherrn vom Gewerbe. Bei Übergehen des Geschäftes in anderen Besitz ist der bisherige Lehrherr verpflichtet, das Zustandekommen des gleichen Lehrvertrages mit seinem Nachfolger nach Kräften zu fördern.
Lehrlings- und Gehilfenprüfung.
§ 73.
(1) Jeder Lehrling hat sich während seiner Probezeit der Lehrlingsprüfung (Eignungsprüfung) und am Ende seiner Lehrzeit der Gehilfenprüfung (Leistungsprüfung) zu unterziehen.
(2) Beide Prüfungen werden vor einer paritätisch aus Kaufleuten und Angestellten zusammengesetzten Prüfungskommission abgelegt, in welche die Kaufleute von der zuständigen Handelsgenossenschaft, die Angestellten vom Gehilfenausschuß entsandt werden.
(3) Die Lehrlingsprüfung soll die Eignung für den Beruf, die Gehilfenprüfung die in der Lehre erworbenen praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten feststellen. Das Prüfungsstatut wird von den zuständigen Handelsgenossenschaft im Einvernehmen mit dem Gehilfenausschuß festgesetzt und jährlich den Berufserfordernissen angepaßt.
(4) Das Nichtbestehen der Lehrlingsprüfung hat sofortiges Ausscheiden aus dem Berufe zur Folge.
(5) Besteht der Lehrling die Gehilfenprüfung nicht oder nur mangelhaft und stellt sich unzweifelhaft heraus, daß er das ungünstige Ergebnis durch Nachlässigkeit während der Lehre selbst verschuldet hat, kann die Lehrzeit bis ein halbes Jahr verlängert werden. Ist jedoch das mangelhafte Prüfungsergebnis auf eine ungenügende Ausbildung durch den Lehrherrn zurückzuführen, wird diesem das weitere Ausbilden von Lehrlingen verboten.
(6) Eine nichtbestandene Lehrlingsprüfung kann überhaupt nicht und an keinem anderen Orte, eine nichtbestandene Gehilfenprüfung nur einmal wiederholt werden.
(7) Über die bestandene Gehilfenprüfung wird ein Zeugnis ausgestellt.
Lehrzeugnis und Bestätigung über die zugebrachte Lehrzeit.
§ 74.
(1) Am Ende der Lehrzeit hat der Lehrherr dem Lehrling ein Lehrzeugnis auszustellen, welches die Dauer der Lehre und die gewonnene Ausbildung hinsichtlich des Geschäftszweiges erkennen läßt.
(2) Das Lehrzeugnis ist von der zuständigen Gewerbebehörde zu bestätigen.
Weiterbeschäftigung nach der Lehrzeit.
§ 75.
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling mindestens ein halbes Jahr nach der Auslehre zu dem im Kollektivvertrage festgesetzten Gehalte oder den für die Angestellten bei Fehlen eines Kollektivvertrages ortsüblichen Sätzen als Angestellten weiter zu beschäftigen.
Vereinigungsrecht des Lehrlings.
§ 76.
Der Beitritt zu einem Berufsverbande und die Teilnahme an dessen bildenden und sonstigen Einrichtungen darf dem Lehrling durch den Lehrherrn nicht untersagt werden.
Lehrlings- und Angestellteninspektorate.
§ 77.
Bis zur Schaffung eigener Organe für die Aufsicht über die Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes sowohl in Bezug auf die Angestellten als auch auf die Lehrlinge (Lehrlings- und Angestellteninspektorate) sind mit der Aufsicht die bestehenden Gewerbeinspektorate zuständig.
§ 78.
Für die Lehrlinge (Praktikanten) gelten im übrigen, falls in diesem Gesetze nicht ausdrücklich abweichende Bestimmungen enthalten sind, die Bestimmungen wie für die Angestellten.
Schlußbestimmungen.
§ 79.
Die Rechte, die dem Angestellten auf Grund der Bestimmungen der §§ 10, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 44, 46, 49, 50, 52, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76 zustehen, können durch den Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden.
§ 80.
Für Streitigkeiten aus den in diesem Gesetze geregelten Dienstverhältnissen sind die Gewerbegerichte solange zuständig, bis an ihre Stelle besondere Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus Dienstverhältnissen nach diesem Gesetze treten.
§ 81.
Insoweit dieses Gesetz nicht etwas anders bestimmt, finden die Vorschriften des allgemeinen Bürgerrechtes, über den Dienst- und Lohnvertrag auf die in diesem Gesetze, geregelten Dienstverhältnisse Anwendung, ebenso, die bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnung, der Gesetze über die Pensions- und Krankenversicherung der Angestellten, über die 8stündigen Arbeitszeit, über die Betriebs- und Revierräte und die Betriebsausschüsse.
§ 82.
Alle Vorschriften, welche mit den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht übereinstimmen, insbesondere die §§ 1-42 des Artikels I und die Artikel II und III des Gesetzes vom 16. Jänner 1910 (Handlungshilfengesetz) und die Kaiserliche Verordnung vom 10. Jänner 1915, die §§ 56-60 des ungarischen Handelsgesetzes, der Gesetzesartikel aus dem Jahre 1875, treten außer Kraft.
§ 83.
Nach Anhören der Interessenten-Körperschaften (Handels- und Gewerbekammern, Advokaten-, Notariats-, Ingenieur-, Ärztekammern, Gehilfenausschüsse) und den Gewerkschaften kann durch Verordnung bestimmt werden, daß die Vorschriften über die Sonntagsruhe und Arbeitszeit entsprechend auch auf Dienstverhältnisse, die durch dieses Gesetz geregelt wurden, erstreckt werden, auch wenn diese nicht unter die Gewerbeordnung fallen würden.
§ 84.
Übertretungen dieses Gesetzes und der Verordnungen über Schutzbestimmungen und die Sonntagsruhe werden durch die politischen Behörden mit Strafen bis Kè 10,000.- oder Haft bis zu 3 Monaten geahndet, Bei Wiederholung kann auch das Recht zur Beschäftigung von Hilfskräften oder der Entzug der Gewerbeberechtigung ganz oder zeitweise ausgesprochen werden, Wenn es sich um Berg- und Hüttenbetriebe handelt, ahndet diese Übertretungen die Bergbehörde I, Instanz. Die aufgelegten Strafen fließen in die Staatskasse für soziale Fürsorge, War die Geldstrafe uneinbringlich, wird diese in eine Freiheitsstrafe bis höchstens 3 Monate umgewandelt. Gegen die Entscheidung der politischen Behörde 1, Instanz ist innerhalb 14 Tagen, beginnend von dem der Einhändigung folgenden Tage ab, an die politische Behörde 2. Instanz die Berufung möglich, die endgültig entscheidet.
§ 85.
Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten, soweit sie für die Angestellten günstiger sind, auch für Dienstverhältnisse, die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestehen.
§ 86.
Dieses Gesetz erlangt mit dem Tage der Kundmachung Wirksamkeit, Seine Durchführung obliegt dem Justizminister im Einvernehmen mit dem Minister für soziale Fürsorge den weiter beteiligten Ministern.
Begründung:
Für die Regelung den Dienstverhältnisse dir Handlungsgehilfen und anderer zu höheren Diensten angestellter Personen ist das Handlungsgehilfengesetz (HGG) vom 16. Jänner 1910 maßgebend. Das Handlungsgehilfengesetz (HGG) wurde zu einem wesentlichen Teile auf Gesetzesbestimmungen aufgebaut, die vor 50, ja vor weit über 100 Jahren geschaffen wurden, also auf Bestimmungen, die sich zwar durch ein ehrwürdiges Alter, nicht aber in jedem Falle durch ihre Anpassungsfähigkeit an die gegebenen Verhältnisse auszeichnen. Wenn das Handlungsgehilfengesetz immerhin im Zeitpunkte seiner Schöpfung als ein ganz gewaltiger Fortschritt gewürdigt werden mußte, so trug es darum doch von Haus aus viele Halbheiten und Mängel in sich, die die Organisationen der Angestellter immer wieder veranlaßten, die Forderung nach einer gründlichen Neuformung de; HGG geltend zu machen.
Es kann nicht bestritten werden, daß das Handlungsgehilfengesetz in vielfacher Hinsicht den gegenwärtigen Ansprüchen keineswegs mehr genügt und daß seine zeitgemäße Ausgestaltung ein tief empfundenes Bedürfnis ist. Die Verhältnisse, die bei der szt. Vorlage zum Handlungsgehilfengesetz maßgebend waren, können mit den heutigen Verhältnissen auch nicht entfernt in eine Linie gestellt werden.
Der vorliegende Entwurf macht es sich nun zur Aufgabe, den dringendsten Erfordernissen auf dem Gebiete der Neuregelung des Dienstvertragsrechtes der Angestellten zu genügen. Seine Bestimmung ist den sozialen Schutz im notwendigsten Ausmaße zu erweitern; gewisse Schutzbestimmungen zur zwingenden Norm für alle Arbeitgeber zu gestalten; vielfache, aus der bishergen unzulänglichen Fassung des Handlungsgehilfengesetzes entstandene Unklarheiten zu beseitigen; zur Schaffung eines einheitlichen selbständigen Rechtes für die verschiedenen Berufskreise der Privatangestellten (Privatbeamten) beizutragen.
Der Entwurf dient lediglich der Neuregelung der privatrechtlichen Seite des Dienstverhältnisses, Grundsätzlich hält er daran fest, daß er nur für jene Dienstnehmer-Kreise Geltung erlangen soll, die wirklich Angestellten-Dienstleistungen verrichten, also für Handlungsgehilfen und Dienstnehmer, die zwar nicht kaufmännische, jedoch ähnliche, bezw. höhere Dienste leisten. Die Gründe hiefür liegen so durchaus nahe, daß sich das Eingehen in Einzelheiten von vornherein erübrigt. Es sollen jedoch Gruppen einbezogen werden, die bisher ausgeschlossen waren, obzwar sie Angestelltendienste leisten (z. B. angestellte Zahntechniker usw.). Im besonderen sei noch betont, daß die im vorliegenden Antrage enthaltenen Forderungen zur Neugestaltung des Dienstvertragsrechtes der Privatangestellten lediglich das Mindestmaß des Notwendigen bilden.
Sie können keinesfalls als Ausfluß einseitig egoistischer Interessenpolitik angesehen werden, da sie unabweisbaren Bedürfnissen entspringen. Ihre Durchführbarkeit ist erwiesen durch die Praxis, in der sie im Wege freier Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Angestellten oder durch kollektive Abkommen längst vielfach zur Anwendung gelangten. Im Übrigen wurde von der Erwägung ausgegangen, daß durch die Beschränkung auf das Maß der unbedingten Notwendigkeit sowohl der Gesetzgebung als auch den anderen beteiligten Kreisen die Annahme des Entwurfes in seinem vollen Umfange erleichtert wird.
Die von allen Gesichtspunkten aus äußerst wünschenswerte Hebung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Lage des Privatangestelltenstandes ist Ausgangspunkt dieses Antrages. Seine Verwirklichung muß daher als sehr wertvoller sozialer Fortschritt bezeichnet werden.
Zu §§ 1 und 2 - Anwendungsgebiet.
Der Entwurf beabsichtigt, den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes in wirksamerer Weise abzugrenzen, als dies bisher durch das Handlungsgehilfengesetz erfolgt ist. Die Absicht kommt dadurch zum Ausdruck, daß der Entwurf zunächst einmal eine Aufzählung von diesem Gesetze unterstehenden Unternehmungen und Anstalten bringt, die ausführlicher als jene des Handlungsgehilfengesetzes gehalten sind. Dann zielt der Entwurf darauf ab; auch solche Angestelltenschichten zu erfassen, deren Dienstverhältnisse bisher durch andere Gesetze ganz oder teilweise geregelt wurden, (Angestellte im Bergbau, im Schiffahrtswesen, Zahntechniker usw.) Die Erweiterung des persönlichen Anwendungsgebietes ist auf das Bestreben der Angestelltenschaft zurückzuführen, zu einem möglichst alle Schichten des Berufsstandes der Privatangestelltenschaft einschließenden einheitlichen Dienstvertragsrecht für die Privatangestellten (Privatbeamten) zu gelangen.
Als weiteres Merkmal zur Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis diesem Gesetze unterliegt, ist die Leistung von Kanzleiarbeiten angefügt. Es wird ausdrücklich bemerkt, daß durch diesen Zusatz das bisherige Anwendungsgebiet des Handlungsgehilfengesetzes ebenso wenig eingeengt werden soll, wie durch diesen Zusatz, keineswegs Personen dem Angestellten-Gesetz unterstellt werden sollen, die zwar in einer Kanzlei tätig sind, jedoch lediglich untergeordnete Arbeiten verrichten (Kanzleidiener, Handelshilfsarbeiter, Aufräumerinnen u. ä.). Die in Rede stehende Ergänzung bezweckt nur, den wirkliche Angestellten-Dienste leistenden Dienstnehmern möglichst ausnahmslos und ohne zeitraubende Rechtsstritte den Schutz dieses Gesetzes angedeihen zu lassen.
Zu § 3 - Lehrlinge.
Die Lehrlinge und Praktikanten sollen durch den Entwurf ebenfalls diesem Gesetze unterworfen werden. Bisher herrschte auf diesem Gebiete Rechtsunsicherheit. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Vorbereitungszeit für den Angestelltenberuf nicht vollgültige Angestelltendienstzeit sein sollte.
Zu § 7 - Inhalt des Dienstvertrages.
Die Unzulänglichkeit des § 6, Absatz 1, des Handlungsgehilfengesetzes hat dahin geführt, daß Angestellte vielfach Dienstleistungen in mehr oder weniger beträchtlichem Umfangs verrichten müssen, die mit ihrer eigentlichen Berufstätigkeit oder gar mit jenen besonderen Diensten, für die sie aufgenommen wurden, nicht den mindesten Berührungspunkt haben. Es wird deshalb Gewicht darauf gelegt, nunmehr unzweideutig zum Ausdruck zu bringen, daß der Angestellte zu Dienstleistungen, die außerhalb der beruflichen Ausbildung und der bisherigen Art seiner Berufstätigkeit liegen, nur mit seinem ausdrücklichen Einverständnis herangezogen werden kann. Dadurch allein wird Klarheit auf einem Gebiete geschaffen, das sich bislang wegen der sehr abweichenden Beurteilung der Angemessenheit durch die völlige Unsicherheit des Rechtszustandes wenig rühmlich hervorhob.
Einem fühlbaren Bedürfnis entspringt das Verlangen, daß der Dienstgeber in jedem Falle verpflichtet ist, dem Angestellten nach Abschluß des Dienstvertrages eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichsten der gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrage auszufolgen.
Zu § 8 - Kosten der Vorstellung.
Bisher kam es immer wieder vor, daß der Angestellte sich den Ersatz der gehabten Kosten für eine verlangte Vorstellung erst erstreiten mußte. Das soll der beantragte § 8 unmöglich machen.
Zu §§ 10-18 - Ansprüche bei Dienstverhinderung.
Der Entwurf dehnt den Anspruch auf Entgelt (Geld- und Naturalbezüge) im Falle der Krankheit oder eines sonstigen Unglücksfalles über die bisher bestimmte Dauer von sechs Wochen aus, wobei die seither im Betriebe zurückgelegte Dienstzeit besonders berücksichtigt wird. Dadurch wird eine Forderung der Angestellten erfüllt, die zweifellos vollauf berechtigt und nichts mehr denn billig ist.
Die von Seite einiger Unternehmer immer wieder geltend gemachte Einwendung, daß durch die angestrebte Verbesserung der gegenwärtig wirksamen einschlägigen Vorschriften des HGG, die Dienstnehmer veranlaßt würden, in Fällen leichten Unwohlseins aus Gründern der gleichzeitigen Erlangung des Entgeltes und des Krankengeldes ihre Arbeit einzustellen, entbehrt ebenso jeglicher sachlicher Berechtigung, wie die aus denselben Kreisen kommende Behauptung, die Dienstgeber würden schon durch die seitherigen Bestimmungen zu drückenden, ja unerträglichen Doppelleistungen dadurch gezwungen, daß sie einen Teil der Versicherungsbeiträge und überdies das Entgelt für die Dauer der ersten sechs Krankheitswochen leisten müßten.
Diesen Einwänden gegenüber ist vorerst festzustellen, daß die Dienstgeber die Lasten der Versicherungen keineswegs tragen, Wenn sie auch gesetzmäßig die Hälfte zu den Versicherungsbeiträgen beischießen müssen, wenn darüber hinaus sozialgesinnte Dienstgeber die Versicherungsbeiträge freiwillig auch zur Gänze aus Eigenem bestreiten, so bezahlen die Angestellten die Prämien in Wirklichkeit doch immer selbst, Jeder Dienstgeber rechnet erklärlicherweise von Haus aus mit jenen Beiträgen, die er für die Sozialversicherung der Angestellten zu entrichten hat, und bemißt demgemäß die Gehaltsbezüge, bezw. bürdet die damit verbundenen geldlichen Verpflichtungen durch Einrechnung auf die Gestehungs- oder Geschäftsunkosten auf die Allgemeinheit wieder ab, Angesichts dieser bekannten Tatsache ist es durchaus unangebracht, von einer drückenden Doppelbelastung der Dienstgeber gegenüber den Dienstnehmern zu sprechen.
Ebenso wenig ist die angedeutete Behauptung begründet, daß in den Fällen leichten Unwohlseins mit dem Doppelbezuge des Entgeltes und des Krankengeldes ein die Arbeitslust hemmender Vorteil verbunden wäre. Die Haltlosigkeit dieser längst abgetanen, aber von gewissen rückständigen Unternehmern immer wieder hervorgeholten Behauptung wird im besonderen durch die bisherigen reichen Erfahrungen mit der Anwendung des § 8 des Handlungsgehilfengesetzes erhärtet, die zur Genüge erwiesen haben, daß die Angestellten den sozialen Charakter der Versicherungseinrichtungen gebührend zu würdigen wissen. Ganz abgesehen davon bringt es die Natur der Berufstätigkeit der Angestellten mit sich, daß sie selbst bemüht sein müssen, ihre Dienstleistung zeitlich so wenig wie möglich zu unterbrechen, Zudem ist zu bedenken, daß sich der Erkrankte, sofern er Anspruch auf Krankengeld erheben will, in ärztliche Behandlung begeben muß, es liegt alsdann beim Kassenarzt, also einen Vertrauensmanne des Versicherungsträgers, festzustellen, ob die Arbeitsunfähigkeit gegeben ist oder nicht. Überdies sieht der Entwurf die Verpflichtung vor, daß der Angestellte auf Verlangen des Dienstgebers einen einwandfreien Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, widrigenfalls er des Anspruches auf das Entgelt verlustig geht.
Jede ernsthafte, mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrangung verursacht unbestritten größere Geldaufwendung. Dieser Umstand ist schon bei der Fassung des § 8 des Handlungsgehilfengesetzes Anlaß gewesen, dem erkrankten oder durch einen Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhinderten Angestellten den Anspruch auf das volle Entgelt bis zur Dauer von sechs Wachen einzuräumen.
Es ist eine Erfahrungstatsache, daß nicht wenige Dienstgeber die Erkrankung eines Angestellten benützen, diesen zu kündigen. Solchen ungerechten Kündigungen einigermaßen entgegenzuwirken, ist Absicht des Entwurfes, soweit er dem erkrankten Angestellten das Entgelt über die bisherige Höchstdauer von sechs Wochen hinaus sichern will. Diese Schutzmaßnahme erfaßt im wesentlichen jene Angestellten, die längere Jahre in einem Betriebe beschäftigt sind und die meist im vorgeschrittenen Lebensalter stehen.
Es ist im weiteren ein Gebot der Selbstverständlichkeit, daß auch den niederkommenden Frauen ein besonderer Schutz zuteil wird. Hiebei muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich der bisherige Mangel ähnlicher Fürsorgebestimmungen bitter fühlbar macht und seine Beseitigung eine der wichtigsten Forderungen ist, die an die Sozialgesetzgebung überhaupt gestellt werden müssen.
Schließlich treffen ähnliche Gründe, wie sie für den Fortbezug des Entgeltes im Falle einer durch Krankheit oder eines Unglücksfalles herbeigeführten Verhinderung an der Dienstleistung auch dann zu, wenn die Verhinderung durch militärische Pflichtdienstleistungen herbeigeführt wird. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung hat deshalb schon das Handlungsgehilfengesetz vom Jahre 1910 einschlägige Vorschriften vorgesehen.
Zu §§ 20-23 - Provision.
Die vorgeschlagenen Ergänzungen zu den seitherigen Bestimmungen gehen ebenfalls auf praktische Bedürfnisse zurück. Wichtig erscheint vor allem, restlose Klarheit darüber zu schaffen, welche Geschäfte als im Namen des Dienstgebers vom Angestellten mit dem Dritten abgeschlossen zu gelten haben. Gleiche Bedeutung kommt der Neuregelung der Frage zu, inwieweit vom Dienstgeber dem Dritten gewährte Nachlässe bei der Berechnung der Provision berücksichtigt werden dürfen. Das Handlungsgehilfengesetz hat bislang festgelegt, daß die Abrechnung über die Provision mangels Vereinbarung mit Ende Juni und Ende Dezember eines jeden Jahres stattzufinden hat; beantragt wird, daß die Abrechnung fortan mangels einer Abrede mit Ende eines jeden Kalendervierteljahres erfolgt.
Zu § 25 - Zahlungsfrist.
Der Antrag folgt einem vielfach geübten Vorgang. Ob die Gehaltszahlung monatlich einmal oder zweimal erfolgen soll, bleibt nach wie vor der freien Vereinbarung überlassen, doch soll dem wirtschaftlich schwachen Angestellten damit das Recht gesichert werden, die Entlohnung nach Bedarf in kürzeren Abständen - zweimal monatlich - beanspruchen zu können.
Zu § 26 - Remuneration.
Bei fast allen Unternehmungen ist seit langen Jahren die Gewährung eines Neujahrsgeldes (auch Weihnachts-Gratifikation o. ä. genannt) an die Angestellten üblich, dessen Höhe in der Regel dem vollen Entgelt für einen Monat entspricht. Diese Tatsache erhellt u. a. auch aus den Kollektivverträgen, die die Angestellten-Organisationen abgeschlossen haben und von denen die übergroße Mehrheit aller Angestellten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen erfaßt wird. Es steht sonach ausser Zweifel, daß die allgemein übliche Neujahrsremuneration (Weihnachtsremuneration) einen vom Dienstgeber im voraus in Rechnung gezogenen festen Bestandteil der Bezüge des Angestellten bildet, wenngleich manche Dienstgeber aus sehr naheliegenden Gründen noch immer den längst unhaltbar gewordenen Standpunkt verfechten, die Remuneration sei eine freiwillige Zuwendung. Demgegenüber ist auch auf das Handlungsgehilfengesetz zu verweisen, nach dessen § 16 Remunerationen als fester Bestandteil der Bezüge gewertet werden müssen. Die aus dem augenblicklichen Rechtszustande noch erwachsenden Schwierigkeiten ein für allemal zu beseitigen, weiters die wenigen Firmen, die sich bislang zur Gewährung der Neujahrsremuneration nicht verstehen wollen, und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern meinen, auf den Weg der sozialer handelnden anderen Unternehmungen zu führen, ist Zweck der beantragten Ergänzung.
Zu § 27 - Urlaub.
Vieljährigen Bemühungen der Angestellten um die Einführung des gesetzlichen Urlaubes wurde durch das Handlungsgehilfengesetz zu einem namhaften Teile entsprochen, Allerdings wurden damit lediglich - wie der Motivenbericht der Regierung ausdrücklich selbst besagte - Urlaubsfristen festgelegt, die nur dem allernotwendigsten Bedürfnis angepaßt und die daher von vornherein nur als das Geringsausmaß zu betrachten waren. Wenn der seinerzeitige Regierungsentwurf zum Handlungsgehilfengesetz die gesetzliche Sicherstellung des Urlaubes für die Angestellten als die Erfüllung einer dringenden sozialpolitischen und hygienischen Forderung in sehr treffender Weise mit dem Hinweise begründete, daß die immer intensivere Ausnützung der Arbeitskraft; die gesteigerte Tätigkeit und die sanitären Verhältnisse das Bedürfnis nach hinreichender Erholungsmöglichkeit namentlich bei den ausschließlich oder doch zum großen Teile geistig tätigen Arbeitnehmern besonders stark empfunden wird, so ist dem nur anzufügen, daß diese Begründung von sicherlich vorurteilsfreier Seite inzwischen an durchschlagender Beweiskraft bloß erheblich gewonnen hat.
Das gesetzliche Geringstausmaß wird leider seitens mancher Unternehmer noch immer als das Höchstausmaß angesehen. Obschon in fast allen Kollektivverträgen längere Urlaubsfristen denn die gesetzlichen vereinbart worden sind und obgleich zahlreiche andere Arbeitgeber aus eigenem denselben Vorgang einhalten, meinen rückständige Unternehmerkreise, über das gesetzliche Mindestausmaß nicht hinausgehen zu sollen. Ihre Haltung birgt die ständige Gefahr in sich, daß auch die sozial gesinnten Arbeitgeber aus naheliegenden Rücksichten veranlaßt werden ebenso zu verfahren. Nur durch die Gesetzgebung ist es also zu erreichen, daß der Urlaub im ausreichendem Umfange Gemeingut aller Angestellten wird. Darauf zielt der vorliegende Entwurf ab. in dem überdies die Dauer der Dienstleistung, also des Dienstalters, in dem betreffenden Betriebe besonders berücksichtigt erscheint.
Die Anrechnung der in anderen Unternehmungen zugebrachten Dienstzeit, sowie der Studienzeit innerhalb gewisser Grenzen ist so selbstverständlich, daß sich eine eingehende Beweisführung erübrigt.
Es war vorauszusehen, daß die nicht erschöpfend gehaltene Fassung des § 17 HGG, viele Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen würde. Muß es doch als außer Frage stehend bezeichnet werden, daß dem Angestellten für die Dauer des Urlaubes der Anspruch auf das ganze Entgelt, also auch auf die Naturalbezüge zusteht, die unbestritten einen maßgeblichen Bestandteil der Bezüge bilden. Sehr richtig führt zu diesem Gegenstande das Rechtshandbuch des D. H. V.-Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verbandes (Sitz Aussig) aus:
Wenn die Fürsorgebestimmung auf Erteilung eines Jahresurlaubes, die sogar als zwingendes Recht festgelegt ist, ihren Zweck erfüllen soll, dann darf man auf der anderen Seite den Betreffenden wirtschaftlich nicht so schädigen, daß es ihm unmöglich ist, die vom Gesetze beabsichtigte Wohltat zu genießen. Der Gesetzgeber war keinen Augenblick darüber im Zweifel, dem Angestellten für die Dauer des Urlaubes das Gehalt zuzusprechen. In den Stellungen mit freier Station ist die verabreichte Kost und Wohnung ein wesentlicher Teil des Einkommens, das gerade in diesen Stellungen sehr oft kaum an ein Existenzminimum heranreicht. Es wird einem solchen Angestellten ganz unmöglich, von seinen kargen Geldbezügen den Unterhalt für die Dauer seines Urlaubes zu bestreiten, Dadurch würde es ihm ganz unmöglich, von seinem Urlaubsrechte, das ihm der Gesetzgeber zwingend zuerkennen will, Gebrauch zu machen.
Die bisherige Fassung der erwähnten Gesetzesstelle einwandfrei zu gestalten, ist weiterer Zweck des Antrages.
Die Vorschrift, daß ein Verzicht oder eine Verweigerung des gebührenden Urlaubes unzulässig ist, ist durchaus im Sinne der seitherigen Bestimmung gelegen, weil auch sie den Anspruch auf Urlaub in den Charakter des zwingenden Rechtes einkleidet, Diese Eigenschaft ist, aber zu wenig nachdrücklich hervorgehoben worden, welcher Umstand noch immer des öfteren dazu verleitet, dem Angestellten den Urlaub ungebührlich vorzuenthalten. Der alte Erfahrungssatz, daß nachgiebiges Recht die Neigung erweckt, Recht zu beugen oder zu brechen, tritt auch in der Frage der Urlaubsgewährung stets erneut in Erscheinung. Durch die Annahme der vorgeschlagenen Fassung würde dem Rechtsbruch zu ungunsten des Angestellten wirksam ein fester Riegel vorgeschoben.
Schließlich sei an der Stelle wiedergegeben, was der mehrfach angezogene Wie ner Regierungsentwurf zum HGG, über die wohltätigen Folgen des Urlaubes für alle Beteiligten und über die Durchführungsmöglichkeit sagt:
Der Urlaub ist keine Belastung für den Dienstgeber, denn erfahrungsgemäß wird die Frische und Spannkraft gerade des qualifizierten Arbeiters durch eine Erholungspause gestärkt und belebt und der Arbeitsverlust der Urlaubszeit durch die gesteigerte Arbeitsenergie leicht wettgemacht. Auch haben die im Staatsdienste wie in Privatanstalten gemachten Erfahrungen gezeigt, daß selbst bei stark reduziertem Personalstand ohne Schwierigkeiten die laufenden Geschäfte durch gegenseitige Aushilfe fortgeführt werden können.
Zu § 28 - Urlaubsgeld.
Der Zweck dieser beantragten Neuerung ist klar. So mancher Angestellte kann den ihm gebührenden Urlaub nicht so ausnützen, wie das im Interesse seiner Gesundheit und Arbeitskraft gelegen wäre. Diesem Umstande soll durch die Zahlung eines Urlaubsgeldes abgeholfen werden. Die Belastung für den Arbeitgeber wird deshalb tragbar sein, weil sie sich durch erhöhte Arbeitskraft und Arbeitsfreude des wirklich erholten Angestellten bezahlt machen wird. Im übrigen gilt auch hier das zu dem § 27 Gesagte.