Nun gestatten Sie mir einige Worte zur inneren Politik zu sagen, soweit sie mit dem Exposé zus ammenhängen. Der Herr Minister sagt an einer Stelle, daß "sich die ganze Bevölkerung ohne Unterschied der Partei und der Nationalität hinter die Demokratie und Freiheit stellen soll". Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß der Beweis geschlossen gelungen wäre dafür, daß sich irgendein Teil der Bevölkerung bewußt oder mit irgendwelchen Tatsachen gegen diese vom Herrn Minister Dr. Beneš geforderte Stellung gewehrt hätte. Ich glaube nicht, daß im Sudetendeutschtum eine antidemokratische Bewegung oder Entwicklung gewesen ist, weil wir doch seit dem ersten Augenbick erkannt haben, daß die demokratische Grundlage der Verfassung uns sowohl die zahlenmäßige als auch die praktische Auswirkung der Tatsache gestattet, daß wir ein Viertel der Bevölkerung dieses Staates ausmach en. Ich glaube auch nicht, daß heute irgendeine Änderung dieses ursprünglichen Standpunktes eingetreten ist: Wir waren und müssen, sowie die Èechen in Österreich für die Konstitution waren, Anhänger und Verfechter einer wahren und ehrlichen Demokratie sein. Eine Demokratie aber, die nicht wahr und ehrlich ist, kann unsere Interessen nicht wahren, andererseits kann sie nicht den Einzelnen in seinen Bedürfnissen, die er beim Staat anzumelden ein Recht hat, befriedigen. Und deshalb ist die demokratische Gesinnung auf sudetendeutscher Seite davon abhängig, wie die staatliche Demokratie durchgeführt wird.
Da möchte ich feststellen, daß das Staatsoberhaupt mit seinem Entschluß einer Amnestie gleichzeitig Dinge aus der Welt räumen mußte, die unnötig gewesen wären, wenn man die wahre Demokratie tatsächlich durchgeführt hätte. Es gab eine Zeit - vor etwa 1 1/2 Jahren und 1 Jahre - wo eine Psychose speziell über die Ämter und vielleicht auch über einzelne Ministerien gekommen ist, daß einfach jeder Deutsche als ein Gegner des Staates und als Gegner der Demokratie angesehen wurde; die Amnestie des Präsidenten hat wenigstens die kleinlichsten, aber umso schwerer empfundenen politischen Bestrafungen aus der Welt geschafft und sie hat auch die Möglichkeit geboten, weitere Prozesse und weitere Verurteilungen dort aus dem Wege zu räumen, wo effektiv ein Mißgriff der Behörden vorlag. Ich stehe nicht an, diesen Entschluß des Präsidenten hier mit Dank zu quittieren. Was wir aber wünschen müssen, ist, daß diesem Entschluß jene Interpretation von Seite der Behörden gegeben wird, die dem Entschluß zugrunde lag, nämlich eine Beruhigung auf deutscher Seite hervorzurufen, effektives Unrecht aus der Welt zu schaffen. Dies kann geschehen, dies ist noch nicht geschehen.
Wir haben vor Kurzem der Kanzlei des Präsidenten und der Regierung ein Verzeichnis von 490 Fällen überreicht, wo Beamte im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung des Vorjahres gemaßregelt worden waren. In diesem Zusammenhang und in Bezug auf den Appell des Herrn Außenministers, uns hinter Demokratie und Freiheit zu stellen, muß ich erwarten, daß die Regierung diese 490 Fälle überprüft und das schwere Unrecht, das einzelnen Beamten und ihren Familien auferlegt wird, aus der Welt geschafft wird. Ich kenne die meisten dieser Bamtenmaßregelungen ich konnte mich von der Haltlosigkeit der Mehrzahl der Fälle überzeugen. Wenn wir an die Aufrichtigkeit der demokratischen Regierung glauben sollen, müssen wir verlangen, daß diese oft vollkommen willkürlichen, auf administrativem Wege getroffenen Maßregelungen wieder gutgemacht werden. Warum? Sie haben doch mit einem Umbruch der politischen Auffassungen auf deutscher Seite zu rechnen. Ich glaube, daß unsere Bevölkerung Ihnen das gegeben und das offenkundig zum Ausdruck gebracht hat, was Sie immer von ihr verlangt haben: Eine loyale Gesinnung zum Staat, Anerkennung der Staatsnotwendigkeiten, Erfüllung der Staatspflichten. Das ist heute nicht der Zug in gewissen Teilen der Bevölkerung, sondern das ist ein gemeinsamer Zug, der durch die ganze Bevölkerung geht, aus dem jedoch die Staatsverwaltung Konsequenzen ziehen muß, will sie ihn nicht bösartig ignorieren.
Da ich nicht ein gelernter Aktivist bin, sondern mich schon Jahre vor meiner parlamentarischen Tätigkeit zur positiven Politik bekannt habe, möchte ich feststellen, daß für uns eine positive Politik nur insolange möglich ist, als sie auf èechischer Seite eine Anerkennung und eine Änderung des bisherigen Verhältnisses nicht nur des Staates zu den Deutschen, sondern auch des èechischen Volkes zum deutschen Volke nach sich zieht. Ich glaube nicht, daß heute in Europa die Frage "Diktatur oder Demokratie?" gestellt ist. Gerade das sowjetrussische Beispiel und das Bemühen Sowjetrußlands, wieder in den europäischen Bereich einzudringen, hat gezeigt, daß für das, was das Verhältnis der Staaten zueinander anlangt, das Regime überhaupt keine Rolle spielt, daß Freundschaft oder Feindschaft ganz unabhängig vom Regime ist und daß man sich mit jedem verständigt, weil man die inneren Angelegenheiten als private Angelegenheiten betrachtet. Ich glaube auch nicht, daß die Frage "Demokratie oder Diktatur?" in der Èechoslovakei in irgendeiner Form aufgerollt ist. Wenn die Demokratie ihre Pflicht erfüllt, glaube ich, daß sie hierzulande keinen Gegner finden wird, der ihr an den Leib gehen will. Es ist aber vielleicht ein Fehler, daß man die Demokratie bei uns nicht der freien Entwicklung überläßt, sondern sie in der Form von verschiedenen Gesetzen sozusagen unter einen Glassturz stellt, wo sie nicht freie Luft atmen kann und letzten Endes zur Machtfrage wird, wie wir ja speziell in diesem Hause ständig und stündlich erleben, insoferne als ja die Mitarbeit - also der Beitrag aller zur Gestaltung und zur Gesetzgebung einfach aus dem Gesichtswinkel heraus ausgeschaltet wird, daß die Kompromisse abgeschlossen sind und durch nichts mehr gebogen werden sollen. Dann kann es natürlich zu so unliebsamen Vorkommnissen kommen, wie die Äußerungen des Herrn Ministerpräsidenten im Verfassungsausschuß, die ich doch hier mit Bedauern berührt haben möchte.
Ich möchte vom deutschen Standpunkt hier feststellen, daß wir die innerpolitische Entwicklung doch in der Hauptsache von dem Gesichtspunkt aus betrachten, daß hier Ruhe, Ordnung und ruhige Entwicklung möglich ist. Ich glaube, daß wir als Menschen und Bürger die beste Qualifikation dazu schon mitgebracht haben, denn wir sind doch wohl alles eher als irgendwie revolutionäre oder auch nur negativ veranlagte Bürger. Wir müssen aber gewisse nationale Sicherheiten haben. Wir können uns, speziell in kultureller Beziehung, nicht irgendeinem fremden Willen unterordnen. Wir müssen hier im Lande die volle Freiheit unserer geistigen Entwicklung haben. Speziell Sie auf èechischer Seite! Beachten Sie, in welch furchtbarer seelischer Verfassung wir uns heute befinden. Überlegen Sie, daß auf uns Nachrichten einstürmen, die wir nicht lediglich als innerpolitische Angelegenheiten in einem anderen Staat betrachten können, sondern die schwer an unsere Seele greifen und uns an dem irre machen, woran wir geglaubt haben, was wir als die größte Stütze unseres kulturellen, politischen und nationalen Daseins gehalten haben. Wir mußten doch schon im Feber d. J. die Ungeheuerlichkeit des Geschehens in Wien aufnehmen und irgendwie innerlich damit fertig werden. Nun müssen wir uns tief innerlich mit den Ereignissen in Deutschland auseinandersetzen. Hier ist die Frage des Bluts aufgerollt, das doch nicht nur dieselbe Sprache, sondern auch dieselbe Kultur der Welt geschenkt hat. Gerade bei dieser Bindung des Bluts empfinden wir viel tiefer und erschütterter diese Ereignisse im Auslande und wir müssen von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der èechischen Seite, verlangen, daß Sie mit Takt und mit Verständnis es uns möglich machen, innerlich, ohne viel Worte nach außen, mit diesen Dingen fertig zu werden.
Wenn ich zum Schlusse zus ammenfassen darf, möchte ich noch zweierlei hervorheben: Erstens, daß uns leider der Herr Minister über die wirtschaftliche Entwicklung, über die wirtschaftlichen neuen Bindungen und Konzeptionen nichts gesagt hat und nichts sagen konnte. Meine sehr geehrten Damen und Heren! Ich glaube aber, daß doch die Geschichte nachgewiesen hat, daß alle politischen Konzepte, alle politischen Pläne letzten Endes mitbestimmt werden von ihrer wirtschaftlichen Tragweite, und der schönste politische Plan kann - ja, ich möchte sagen muß scheitern, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht die gleich guten sind wie die politischen. Ich glaube, daß die Tatsachen, die auf wirtschaftlichem Gebiet entstanden sind, insbesondere die Vernichtung der wirtschaftlichen Grundlagen in den einzelnen Staaten und auch in der Èechoslovakei, es notwendig machen werden, doch einmal nicht nur nach politischen Konzeptionen, sondern nach einer wirtschaftlichen Konzeption eine neue Entwicklung in Europa zu suchen. Wir werden bald sehen, daß die budgetären Grundlagen auch in unserem Staate auf Grund der ganz ruinösen Wirtschaftsentwicklung wieder wesentlich geschwächt worden sind. Das Parlament hat vor kurzem vier Milliarden mobilisiert, um die Landesverteidigung zu verbessern - bei der gegenwärtigen Situation eine Notwendigkeit, vom wirtschaftlichen Standpunkt eine Katastrophe! Und es ist mir noch ganz unklar, woher diese vier Milliarden genommen werden sollen.
Das zweite, was ich zum Schlusse sagen wollte, ist dies: Gewiß will man den Frieden. Es gibt keinen Bösewicht in Europa, der den Krieg will, vielleicht da und dort ein kleiner Unteroffizier oder Offizier, der irgendwelche ehrgeizige Träume hat, oder irgendein politischer Narr. Wer aber politisch verantwortlich ist, glaube ich, will den Krieg nicht! Aber der Friede, in dem wir leben, ist ein bewaffneter Friede, ein Friede, der sich immer mehr und mehr bewaffnet und der infolgedessen wieder vollständig hineinmündet in die Politik Europas vor dem großen Kriege. Ich halte das für eine verhängnisvolle Entwicklung, ich halte das für eine Entwicklung., die vielleicht zwangsläufig ist, die aber trotzdem unglücklich ist. Ich halte sie für zwangsläufig und sage gleichzeitig: Der größte Wohltäter der Menschheit wäre derjenige, der den Weg fände, um den bewaffneten Frieden in einen Frieden umzukurbeln, der den natürlichen Voraussetzungen eines friedlichen Europa dienen könnte. Wie aber soll das möglich werden?
Ich glaube, es wäre möglich, wenn man in Genf neuerdings alle Staaten versammeln könnte und wenn man dort mit einem ganz neuen Konzept käme, mit einem Konzept, das aufgebaut wäre auf der wahren Gleichberechtigung aller, nicht nur der Groß en und Kleinen, sondern auch der Groß en unter den Großen, und wenn man unter dem Eindruck und Einfluß dieser neuen Konzeption die Mauern des Mißtrauens beseitigen, die hundertfachen seelischen Wünsche der Bevölkerung nach Ruhe gegenüber den Wünschen einzelner Staatsmänner als die gestaltende und fo rmende Idee der europäischen Politik auffassen würde. Ich möchte den Herrn Minister des Äußern bitten, gerade in diese Richtung seine Bemühungen um den europäischen Frieden zu drängen. Vielleicht gehört dazu Selbstverleugnung - zugegeben aber Selbstverleugnung ist Größe. Aber solange die europäische Diplomatie diese Größe nicht aufbringt, kann es nichts anderes geben als einen bewaffneten Frieden, der jeden Augenblick umkippen kann in einen friedlosen Krieg. Zumindest aber hält dieser Zustand alle Völker und alle Staaten im Banne einer katastrophalen Unsicherheit, in einem Gefühle, wieder wie damals vor 20 Jahren bereit zu sein und sich nicht überraschen zu lassen, schnell zuzupacken, also in der Gefahr, wiederum dem Zufall zu unterliegen und die Entwicklung irgendwelchen plötzlichen Entschlüssen zu überlassen, die wiederum nur zur Katastrophe führen können.
Ich fasse zusammen: Solange die
èechoslovakische Außenpolitik den Weg des Friedens suchen wird
- vielleicht suchen wird in dem zum Schlusse von mir angedeuteten
Sinne, glauben wir, daß sie richtig ist, glauben wir auch verpflichtet
zu sein, sie zu unterstützen, freiwillig - weil wir sonst keine
andere Möglichkeit dazu haben - zu unterstützen dadurch, daß wir
zur inneren Ruhe und Ordnung beitragen. Um aber das wahr machen
zu können, sage ich Ihnen klar und offen: Nur dann, wenn sich
die èechoslovakische Innenpolitik ändert und sich unserer absolut
loyalen, aufrichtigen Mitwirkung anpaßt. Das kann nur geschehen,
wenn die kleinliche nationalistische Expansion aufhört, wenn man
uns wirklich als gleichwertige Bürger ansieht, denen man das Recht
zubilligt, nicht nur national, sondern auch wirtschaftlich leben
zu können. (Pøedsednictví pøevzal p. místopøedseda Roudnický.)
In diesem Sinne glaube ich wäre es ein Bedürfnis der Außenpolitik,
wäre es auch Aufgabe des Herrn Ministers des Äußeren, dahinzuwirken,
daß es uns Sudetendeutschen ermöglicht wird, eine ehrliche, aufrechte,
innere politische Linie bewahren zu können, zu der wir bereit
sind unter der Voraussetzung, daß weder unsere Würde, noch unsere
Ehre, noch unsere nationalen Interessen hintangesetzt werden.
Ansonsten befürchte ich, daß hier Unaufrichtigkeit und Unehrlichkeit
entstehen würden, denen ich als anständiger, ehrlicher Mensch
auswchen möchte. Deshalb sage ich für mich und meine Freunde und
alle diejenigen, die ebenfalls bereit sind, eine solche aufrichtige,
politische Linie zu halten: Eine deutsche positive Politik ist
nur möglich, wenn eine positive èechische Politik dem Sudetendeutschtum
gegenüber gemacht wird; und erst bis die Bereitschaft dazu auf
èechischer Seite bestehen wird, werden wir imstande sein, wirklich
eine ehrliche èechoslovakische Innenpolitik zu machen. (Potlesk.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bild, das der Herr Außenminister über die Vorgänge und Strömungen in Europa vor uns entrollt hat, ist diesmal in so ernsten Farben gemalt, daß der Herr Minister offenbar in dem Gefühle, diesen Ernst der Lage nicht allzu offen hervortreten zu lassen, schließlich wiederum sein Bekenntnis zum Optimismus wiederholt. Die Weltlage und die europäische Lage ist in der Tat verworrener denn je. Die alten traditionellen, durch die Friedensverträge hervorgerufenen Konflikte und Konfliktstoffe haben sich im Verlaufe der 14 Jahre nicht verkleinert, im Gegenteil, sie haben vielmehr an Schärfe und Dynamik zugenommen. Das große, ebenso aktuelle, wie gefährliche europäische Problem liegt nun darin, durch welche Neuregelung der Beziehungen zwischen den Völkern der Zusammenbruch der Nachkriegsordnung oder gar eine neue europäische Katastrophe ve rmieden werden kann. Und wir sehen nicht nur aus dem Exposé des Herrn Ministers Dr. Beneš, sowohl aus seiner fierberhaften außenpolitischen Tätigkeit, als auch aus der der übrigen europäischen Kabinette, daß die verantwortlichen Staatsmänner alles daran setzen, um ihre Völker und Länder durch entspprechende Präventiv- und Schutzmaßnahmen für das schwere Gewitter vorzubereiten, das sich immer dunkler auf dem europäischen Horizont zusammenzieht. Man darf Dr. Beneš zubilligen, daß seine Außenpolitik wie früher so auch heute sich nicht bloß mit solchen Präventivmaßnahmen begnügt, sondern auf die Schaffung größerer zwischenstaatlicher Konzeptionen und Bindungen hinarbeitet, in deren Rahmen nicht nur unser Staat, sondern auch die anderen nach dem Krieg entstandenen kleinen und Mittelstaaten einen stärkeren Rückhalt finden können als durch bloße lokale oder regionale Bindungen. Aus diesem Bestreben ist nicht nur seine Politik nach einer immer intensiveren Vertiefung der Kleinen Entente, sondern auch seine Genugtuungüber den Balkanpakt, seine Bereitwilligkeit einer Mitarbeit am Donaupakt Mussolini-Dollfuss, vor allem aber seine Bemühungen um das Zustandekommen des Ostpaktes und die nunmehr erfolgte Anerkennung Sowjetrußlandds zu verstehen.
Wenn wir das Exposé des Herrn Ministers richtig verstanden haben, dann scheint Herr Dr. Beneš als den nächsten bedenklichsten Gefahrenherd nicht so sehr den europäischen Raum als den fernen Osten und die anscheinend unvermeidliche kriegerische Auseinandersetzung zwischen Japan und Rußland anzusehen. Diese seine Auffassung über die nächste Zukunft wird zweifellos zumindest von Rußland selbst geteilt, denn ansonsten könnte man die ganze jähe Wendung der russischen Auß enpolitik, die plötzliche Völkerbundfreundlichkeit Rußlands und nicht zuletzt die Konturen einer neuen russisch-französischen Entente cordiale gar nicht verstehen. Zweifellos ist auch das französische Außenamt von den gleichen Bedenken und Erwägungen beherrscht, die dahin gehen, allfällige Konflikte im fernen Osten zu lokalisieren. Dr. Beneš hat dieses Bestreben in die prägnanten Worte gekleidet: "Es handelt sich also darum, vor allem zu verhindern, daß sich in keinem Falle in Europa etwas rühren möge, im Osten geschehe was wolle". Und er fügt gewiß nicht mit unrichtigem Optimismus hinzu, daß es höchstwahrscheinlich im Augenblick, wo es sicher sei, daß in Europa Ruhe bleibt, wo auch die Westgrenze Sowjetrußlands unangetastet bleibt, auch wahrscheinlich der Konflikt im fernen Osten vermieden werden kann. Wir respektieren vollauf die Bemühungen Dr. Benešs auf diesem Wege und im Rahmen dieser Konzeption. Aber wir können das Bedenken nicht unter drücken, daß sich diese ganze Politik in einem circulus vitiosus bewegt. Dr. Beneš scheint nämlich unseres Erachtens das Heil ausschließlich in rein mechanischen, politischen Sicherungen zu erblicken, indem er die wirtschaftlichen Gegebenheiten, die allein diese politischen Sicherungen verläßlich fundieren können, entweder übersieht oder zumindest zu wenig beachtet. Sich erlich ist es seine Pflicht, an j eder Garantie und an jeder Kon zeption mitzuarbeiten, die für den Ernstfall unserem Staat den möglichst großen und verläßlichen Rückhalt bieten können. Diesem Gedanken ist ja auch die Konzeption der Kleinen Entente entsprungen, der Dr. Beneš im siebenten Absatz seines Exposés ein so begeistertes Lob singt, indem er mit dem Stolz eines Vaters sagt: "Die Kleine Entente wird heute nach ihrer fast 14jährigen intensiven Arbeit in der internationalen Welt von allen ernsten Faktoren der internationalen Politik als entscheidender Faktor in der Politik Mitteleuropas und als einer der wichtigsten Faktoren der europäischen Politik überhaupt anerkannt." Wir wollen das politische Ge wicht der Kleinen Entente sicherlich nicht in Abrede stellen. Aber wir fragen uns, ob der wirtschaftliche Inhalt und Effekt dieses Gebildes diesem politischen Gewicht auch entspricht. Wir müssen uns als nüchterne B eobachter fragen, welchen Wert ein solches politisches Gebilde im Frieden und für den Frieden haben kann, wenn es ansonsten weder imstande ist, ein wirtschaftliches Ausgleichsreservoir zwischen den beteiligten Staaten zu bilden, noch eine gangbare Wirtschaftsbücke zu den Nachbarn zu schaffen. Wir fragen, ob die Bedeutung eines solchen Gebildes wie die Kleine Entente nicht hundertmal dtärker wäre und weit größ ere Friedenssicherungen in sich schlöße, wenn sie vor allem ein aus den Bedürfnissen und Geboten der mitteleuropäischen Wirtschaft entsprungenes Gebilde wäre und wenn bei dieser Konzeption in der Praxis diese wirtschaftliche Bindung vorhanden wäre. Wir sehen auch, daß die Nachbarn diese Schwäche des Bündnisses, dieser Kleinen Entente wohl begreifen und daß jene Nachbarn, gegen die die Kleine Entente den Revisionswall darstellen soll, diese innere wirtschaftliche Heterogenität der Kleinen Entente gut durchschauen und darauf die Fortsetzung ihres Widerstandes gegen die jetzige Ordnung hauptsächlich gründen. Dr. Beneš hat selbst zugegeben, daß die Pazifizierungsrolle der Staaten der Kleinen Entente zum Beispiel gegenüber Ungarn vollständig versagt hat, und wenn er meint, daß für die Kleine Entente dasselbe gilt, was oft von der anderen Seite für sich reklamiert wird, daß wirtschaftliche Zugeständnisse nicht mit territorialen bezahlt werden können, und mit einer gewissen Genugtuung hinzufügt, es sei gut, daß in dieser Angelegenheit auf beiden Seiten eine endgültige Einigung herrscht, so können wir diese Genugtuung nicht teilen; denn das heißt nichts anderes, als das Verhältnis zu ihrem Nachbarn auf die Formel festzulegen: Wir haben uns geeinigt, daß wir uns nicht einigen werden.
Wir Vertreter des Bundes der Landwirte identifizieren uns mit diesem Staate und daß wir gewillt sind, im Konflikts falle zusammen mit unseren èechischen Mitbürgern jeden Handbreit Bodens mitzuverteidigen, brauchen wir nicht neuerdings zu betonen, daß wir an der Integrität unseres Staates und seiner demokratischen Einrichtungen unerschütterlich festhalten. Gerade, weil wir um das Wohl unseres Staates besorgt sind und aufrichtig wünschen, daß seine Entwicklung ruhig und gedeihlich verläuft, müssen wir gerade an dem Beispiel der Kleinen Entente mit Bedauern feststellen, daß in unserer Außenpolitik Widersprüche zwischen Politik und Wirtschaft bestehen, die den Respekt der Nachbarn oder ihren Willen, mit uns zu einem friedlichen Zusammenleben zu gelangen, keineswegs erhöhen können. Die gleiche Bemerkung können wir auch bei der Betrachtung unseres Verhältnisses zu Sowjetrußland nicht unterdrücken. Gewiß haben wir, insbesondere wenn es zu dem vergrößerten Ostpakt kommen sollte, einen neuen außerordentlich wertvollen Garanten für die Unversehrheit unseres Staatsgebiets und die Erhaltung unserer staatlichen Selbständigkeit erworben. Über die wirtschaftspolitische Aussicht dieses neuen Verhältnisses herrscht aber allgemeine Skepsis, die, wenn wir nicht irren, selbst vom Außenamt geteilt wird. Und ist es notwendig, in diesem Zus ammenhang über die argen Enttäuschungen zu sprechen, die uns unser Hauptverbündeter, Frankreich, in wirtschaftspolitischer Hinsicht bereitet hat und immer noch bereitet? Wir wollen daher zusammenfassend sagen: Wir erkennen das ehrliche Bestreben unseres Herrn Außenministers nach Frieden an. Wir stehen unbedingt hinter ihm, wenn er gerade in der heutigen schweren Zeit alles aufbietet, um einen Konflikt für unseren Staat oder für Europa hintanzuhalten. Wir erkennen durchaus die Notwendigkeit an, dem Staat in der heutigen Zeit alles zu geben, was er zur Erhaltung seiner Unabhängigkeit und zur Aufrechterhaltung des äußeren und inneren Friedens bedarf. Aber wir bitten den Herrn Außenminister, nicht übersehen zu wollen, daß sich Politik und Wirtschaft im internationalen Verkehr ebenso harmonisch ergänzen müssen, wie im innerstaatlichen Leben und daß daher eine gesunde Außenpolitik gleichzeitig auch eine gesunde Außenwirtschaftspoolitik sein muß.
Der Herr Auß enminister - und wir kommen d amit zu dem innerpolitischen Teil seines Exposés - hat sich begreiflicherweise auch mit den großen antagonistischen Ideen befaßt, die heute durch ganz Europa gehen. Er hat von dem Kampf zwischen Demokratie und Diktatur gesprochen und die durchaus richtige Feststellung gemacht, daß unser Staat seine demokratische Linie und Entwicklung unerschütterlich beibehalten muß. Das ist ein Standpunkt, den wir nicht nur als Bauern, sondern auch als Sudetendeutsche von allem Anfang an eingenommen haben, an dem wir trotz aller Anfechtungen von Links und Rechts seither festgehalten haben und auch weiter festhalten werden, weil wir nur in einem demokratischen System die Möglichkeit unseres völkischen Auslebens und eines vernünftigen und reibungslosen Zusammenlebens der Völker dieses Staates erblicken. Wir übersehen aber dabei nicht, daß die heutige Demokratie und besonders auch die èechoslovakische noch sehr viel von dem schuldig geblieben ist, was sie versprochen hat. Wir übersehen dabei nicht, daß die Feinde der Demokratie nicht nur außen sitzen, sondern die schlimmsten Feinde gerade innen sind, die den Mut nicht aufbringen, der Form den wahren Inhalt zu geben. Der Demokratie wird nicht geholfen, wenn man immer von ihr und für sie spricht. (Pøedsednictví se ujal pøedseda dr Stanìk.) Für normale Zeiten mag das Wort unseres Präsidenten Masaryk, daß Demokratie Diskussion ist, ausreichen; in Zeiten wie den heutigen, wo sich die Demokratie im Kampf auf Leben und Tod befindet, wird sie sich nur halten können, wenn sie Erziehung, Beispiel, schöpferische Tat und vor allem die Verwirklichung des Grundsatzes "Gleiche unter Gleichen" bedeutet. In dieser Beziehung sollten sich die verantwortlichen Staatsmänner an das Wort des französischen Generals halten: "Nicht davon ssprechen, aber immer daran denken."
Wir Sudetendeutschen sind dem Herrn Außenminister dankbar, daß er an dem Gedanken der Demokratie und dem damit organisch zusammenhängenden Gedanken des Fortbestandes der gesamtstaatlichen Koalition festhält. Auch wir sind entschlossen, daran festzuhalten und wir können wohl jetzt mit gutem Gewissen behaupten, daß das ganze sudetendeutsche Volk diese unsere Entschlossenheit teilt und sich vorbehaltlos und loyal mit uns auf den Boden des gemeinsamen Staates stellt. (Výbornì!) Das muß gerade vom staatspolitischen Standpunkt umso höher gewertet werden, als sich dieser Wandel in einer Zeit vollzog und vollzieht, die wohl zu den schwersten und katastrophalsten Tagen des Deutschtums überhaupt gerechnet werden muß. (Výbornì!) Es darf auf èechischer Seite weder übersehen noch gering eingeschätzt werden, daß unser sudetendeutsches Volk den Gedanken des ehrlichen Zusammenlebens und der Zugehörigkeit zu unserem Staate bei den verschiedensten Gelegenheiten in spontaner Art und Weise zum Ausdruck gebracht hat. Das zeugt weder von einer erzwungenen noch einer kommandierten Loyalität, s ondern zeugt davon, daß unser Volk, wie das auch unser Minister Dr. Spina mit Recht wiederholt betont hat, die Tradition jener Schicksalsverbundenheit und jener Heimatsverbundenheit mit seinen èechischen Mitbürgern fortsetzt, die sich ja in der Geschichte unserer gemeinsamen Heimat durch Jahrhunderte zurückverfolgen läßt. (Výbornì!)
Verstellunng und Bluff liegt nicht im Wesen des Deutschen, zumindestens nicht jenes Deutschtums, das noch an seinen guten alten Traditionen festhält und sich von der Psychose der heutigen Tage nicht einfangen ließ. Im übrigen hat unser Volk seit jeher praktisch dem Staate gegeben, was des Staates ist. Es hat die von ihm geforderte Loyalität dem Staate gegenüber praktisch unzähligemale bewiesen. Wenn wir Deutsche uns heute, bei verschiedenen Gelegenheiten, besonders feierlich zum Staate bekennen, so setzen wir damit eigentlich nur einen symbolischen Schlußpunkt zu einem längst bestehenden tatsächlichen Zustand.
Während solchermaßen auf Seite des Sudetendeutschtums der Weg von der Praxis zum Symbol bereits abgeschlossen ist, können wir auf èechischer Seite leider die gleiche Feststellung noch nicht machen. Wir müssen vielmehr sagen, daß unsere èechischen Mitbürger bisher den entgegengesetzten Weg eingeschlagen haben, nämlich den, der zwar mit dem Symbol des guten Willens beginnt, aber vorläufig noch vielfach auf dem Wege der Praxis des guten Willens stecken geblieben ist. Das deutsche Volk ist - und ich möchte hier wiederum das Wort unseres Ministers Dr. Spina wiederholen - für jedes Zeichen ehrlichen guten Willens dankbar und weiß sehr wohl den symbolischen Wandel zu schätzen, der in so freundschaftlicher Art wie in der Teilnahme èechoslovakischer Minister an groß en deutschen völkischen Veranstaltungen zum Ausdruck kommt. Aber wir müssen in diesem Zusammenhang das Wort wiederholen, daß ein Volk von Symbolen allein nicht leben kann. Solche Symbole müssen vollends ihre Wirkung verlieren, wenn sie mit gleichzeitigen Vorstößen gegen das völkische Interesse unseres Volkes begleitet sind. In dieser Beziehung haben wir gerade in den letzten Moanten so manche unangenehme Erfahrung machen müssen.
Und in diesem Sinne müssen wir, gerade weil wir dem Appell Dr. Beneš's auf eine Erhaltung der gesamtstaatlichen Koalition freudig nachzukommen bereit sind, sehr nachdrücklich vor der Fortsetzung solcher unangenehmer Erfahrungen warnen. Unsere èechischen Mitbürger haben das Recht, von uns Loyalität zu verlangen. Aber sie haben die Pflicht, auch ihrerseits gegen uns Loyalität zu üben. (So ist es!) Auch sie müssen wiederum an die Tradition unserer alten Schicksalsgemeinschaft anknüpfen und auch sie müssen die praktischen Folgerungen aus dieser Schicksalsgemeinschaft ziehen, wenn anders nicht das deutsche Volk früher oder sppäter an seinem so aufrichtig und feierlich bekundeten Willen irre werden soll.
Darum richten wir in dieser ernsten Stunde an die uns befreundeten èechischen Parteien und an das ganze èechische Volk den Appell, nunmehr rasch und vorbehaltlos den Weg vom Symbol zur Praxis zu gehen. Wir haben unsere Pflicht getan und werden sie weiter tun. Jetzt liegt es nur an unseren èechischen Mitbürgern, das gemeinsame Werk zu vollenden. Geschieht dies, dann werden die beiden Völker dieses Staates und mit ihnen die gemeinsame Heimat diese schwere Zeit durchhalten. Dann werden wir gemeinsam jene zweite Schlacht um die Unabhängigkeit und Freiheit unseres Staates schlagen, wie sie der Herr Auß enminister in seinem Exposé angeführt hat.
In der Erwartung, daß unser gute
Wille Verständnis auf der anderen Seite findet und daß der auß
enpolitischen Kleinen Entente die innerpolitische Große Entente
der unseren Staat bewohnenden Völker folgen wird, stimmen wir
für das Exposé unseres Außenministers. (Potlesk.)