Pondìlí 4. prosince 1933

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 305. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 4. prosince 1933.

1. Øeè posl. Scharnagla (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy)

Hohes Haus! Bei der Verhandlung des Jahresvoranschlages zeigt sich dasselbe Bild wie in der gesamten Wirtschaft. Die Einnahmen sind gewaltig gesunken und die Ausgaben lassen sich trotz aller Sparsamkeit blutwenig herabsetzen. Der Herr Generalberichterstatter hat zwar mit Stolz darauf hingewiesen, daß sich die Ausgaben um 1 Milliarde Kè gesenkt hätten. Ob auch die präliminierten Einnahmen wirklich erzielt werden, ist bei dem heutigen Stand der Wirtschaft sehr, sehr fraglich. Das Traurigste ist jedenfalls, daß die Ersparnisse, die hier ersichtlich sind, bei den Beamtengehältern und Pensionen gemacht werden müssen. Wir sind der Überzeugung, daß die allergrößten Opfer hier wieder unse re deutschen Beamten bringen müssen, weil beim Abbau sie zu allererst an die Reihe kommen. Bei dieser Gelegenheit muß ich auf das Vorgehen der Staatsbahndirektion Pilsen verweisen. Dortselbst ist noch ein Rest von deutschen Beamten angestellt; und da haben wir es im Vorjahr erlebt, daß ein gewisser Revident Felbinger aus Plan, der sich weder dienstlich noch politisch irgendetwas zu schulden kommen ließ, und der dort seit Jahren den Kassiererposten in der Direktion versah, eines schönen Tages plötzlich in Pension geschickt wurde, trotz seiner Jugend. Ein zweiter Fall betrifft den Inspektor Berten bei derselben Direktion, der eines schönen Tages einfach als Schreibkraft zur Steueradministration nach Plan versetzt wurde. In letzter Zeit wurde er allerdings wieder einberufen. Ein dritter, der weitaus krasseste Fall ist der des Inspektors Grohmann aus Plan. Dieser Mann war ebenfalls bei der Direktion in Pilsen beschäftigt und mußte sich wegen Erkrankung seiner Frau vor wenigen Jahren in Plan zwecks Luftveränderung ein Häuschen bauen. Kürzlich erhielt er die Verständigung, daß er der Steueradministration zur Dienstleistung zugewiesen wurde. Vom Finanzministerium wurde er als zu teuere Kraft abgelehnt, und darauf bekam er die Verständigung, daß er ab 1. Jänner pensioniert sei. Der Mann hat sich durch den Hausbau in Schulden gestürzt, eine Tochter studiert auf der Hochschule in Prag, heute ist er aber nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Alle diese Dinge sind für uns äußerst schwerwiegend und wir müssen bei jeder Gelegenheit darauf verweisen.

Besonders aber müssen wir darauf verweisen, daß Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Der Staat als größter Wirtschafter spürt selbst, wie schwer ihn die Krise betrifft. Das traurigste Kapitel am ganzen Voranschlag ist sicherlich die Bodenreform. Zu dem Kapitel Bodenreform das Wort zu ergreifen, ist eine der unangenehmsten Aufgaben eines jeden Parlamentariers. Unsere Pflicht ist es, in der Kritik Wege der Besserung und Ausgestaltung zu suchen und ich habe es immer als die vornehmste Au gabe angesehen, in der Kritik ehrlich und offen, aber aufbauend und nicht zerstörend zu wirken. Das Bodenamt, die Bodenreform und alle in diesem Rahmen wirkenden Kräfte zwingen mich, gegen meinen Willen von dem Grundsatz der kritischen Betrachtung abzuweichen. Denn hier gibt es nichts aufzubauen, hier ist es unmöglich Werte zu schaffen, hier kann ich nur die traurige Genugtuung finden, daß alles, was von meiner Partei seit unserem Einzug ins Parlament als Warnung und Kritik an der Bodenreform vorgebracht wurde, zur traurigen Wirklichkeit wurde. Was die Bodenreform geschaffen hat, ist ein Trümmerfeld einstiger blühender Land- und Forstwirtschaft, ist die Vernichtung von zehntausenden Existenzen und die traurige Genugtuung für die èechoslovakischen nationalen Heißsporne, èechische Elemente als Fremdkörper in unser deutsches Siedlungsgebiet gesetzt zu haben. Ob für die mit Kolonien und Restgütern Beglückten die Neuerwerbung tatsächlich ein Glück ist, will ich bezweifeln. Auch hier hat sich der alte Satz "Unrecht Gut gedeihet nicht" neuerlich bewahrheitet. Es ist bezeichnend, daß der Präsident des Bodenamtes Dr. Voženílek in seiner Rede im Budgetausschuß weit weniger einen Einblick in die wirtschaftspolitischen Erfolge der Bodenreform zu geben versucht, als die Berechtigung der Weiterexistenz des Bodenamtes aus der Tatsache zu beweisen trachtet, daß das Bodenamt zur Durchführung grundbücherlicher Aktionen weiterhin bestehen muß. Zu der Katastrophe gesellt sich die Groteske. Ein Amt, das heute noch nach den Angaben des Budgets 874 Beamte beschäftigt, darunter einen außerhalb der Rangsklassen, fünf Beamte in der ersten Rangsklasse und 18 in der zweiten, bemüht sich nichts anderes zu tun, als die Notwendigkeit seiner Existenz zu beweisen und führt hiebei nichts anderes als grundbücherliche Transaktionen und die Verwaltung einiger mysteriöser Fonds ins Treffen. Eine ärgere Bankerotterklärung der ganzen Bodenreform kann wohl kaum ausgesprochen werden, als es hier von offizieller Seite aus geschah.

Es ist selbstverständlich, daß man heute versucht, den Schleier der Vergessenheit über das zu breiten, was man unter triumphalen Fanfarenstößen als die Großtat einer sogenannten Bodenreform pries. Was ist geschehen? Von insgesamt 1,310.038 ha landwirtschaftlichen Bodens wurden 846.329 ha neuen Erwerbern zugeteilt. Hievon entfielen rund 626.000 ha auf 600.000 Kleinzuteilungen. Der Durchschnitt der Kleinzuteilung erreicht somit kaum mehr als 11/4 ha. Man hat somit das erreicht, was unter allen Umständen vermieden werden sollte. Nicht neue selbständige Existenzen sind auf dem Lande geschaffen worden, sondern die Zahl unrationeller Zwergwirtschaften ist vermehrt worden. Nahezu 200.000 ha landwirtschaftlichen Bodens fielen an Restgüter, die in der Zahl von 2.185 gebildet wurden. Immer und immer wieder hat meine Partei an dieser Stelle hervorgehoben, daß die Bildung von Restgütern, ein Spezifikum der cechoslovakischen Bodenreform, mit dem eigentlichen Sinn einer Bodenreform nichts zu tun hat. Der Charakter des landwirtschaftlichen Großbetriebes bleibt in unveränderter Form gewahrt und es tritt lediglich an die Stelle des bisherigen Eigentümers ein anderer, der sich fast regelmäßig durch mangelnde Qualifikation und durch ungenügende Kapitalsstärke charakterisiert. Diese Betriebe, auch in normalen Zeiten kaum existenzfähig, haben sich in der Krisenzeit unmöglich bewähren können. Das Bodenamt hat uns zwar nach längerem Drängen bekanntgegeben, wer Restgüter bei erstmaliger Zuteilung erhalten hat. Die Veröffentlichung läßt jedoch nicht ersehen, ob und inwieweit Restgüter noch in der ersten Hand sind. Nach privaten Schätzungen sind kaum mehr 50 % der Restgüter in der Hand derer, die mit der Zuteilung bedacht wurden, und mit den Restgütern hat sich ein schwunghafter Handel und eine schwunghafte Bodenspekulation entwickelt. Die Verwaltung der Restgüter durch fachlich ungebildete und kapitalsschwache Hände hat noch anderweitige Folgen. Die Arbeitsintensität auf den Restgütern ist stark gesunken und anstatt in der Landwirtschaft neue Kräfte zu beschäftigen, sind die Restgüter zu einer besonderen Quelle der Arbeitslosigkeit geworden und damit zu einem gesamtstaatlichen Problem. Nach den Angaben des statistischen Staatsamtes hat die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft Berufstätigen in den historischen Ländern vom Jahre 1921 bis 1931 von rund 3,158.000 auf 2,728.000, also um rund 134.000 Köpfe und 131/2% abgenommen. Die Zugehörigkeit zur Landwirtschaft sank in Böhmen in der gleichen Zeitperiode von 28.43 % auf 23ÿ03 %. Wir müssen somit feststellen, daß im Zusammenhang mit der Bodenreform also die Anzahl der landwirtschaftlich Berufstätigen zurückgegangen ist und daß die Bodenreform letzten Endes nichts anderes ist als die Zerstörung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, als eine Ursache steigender Arbeitslosigkeit und die Grundlage einer gefährlichen Landflucht. Ein besonders beachtenswertes Studienobjekt sind hier die fast rein landwirtschaftlichen Bezirke Südböhmens. In den Bezirken Budweis, Kamenitz a. d. K., Kaplitz, Krumau, Moldauthein, Neuhaus, Písek, Prachatitz, Schüttenhofen, Strakonitz und Wittingau hat die Bevölkerung in dem Jahrzehnt 1921/31 um 18.664 Seelen abgenommen, das sind rund 3% der Bevölkerung, gegen eine gesamtstaatliche Zunahme von 8.2 %. Die tvpisch landwirtschaftlichen Bezirke haben eine Differenz von nahezu 12% an Bevölkerungszuwachs im Verhältnis zum gesamtstaatlichen Durchschnitt zu ihren Ungunsten zu verzeichnen. Es läßt sich ohne weiteres erweisen, daß nicht nur der allgemeine Zug in die Stadt, sondern vor allem die Bodenreform am Lande den Bevölkerungsrückgang schafft. Die neugebildeten Restgüter beschaffen weit weniger Arbeit als der ehemalige Großgrundbesitz. Die Bodenreform ist somit, wie Dozent Dr. Boháè einmal feststellte, zu einem Faktor der Entvölkerung geworden und zum Anlaß schwerster struktureller Erschütterungen des gesellschaftlichen Aufbaues der Republik. Das Bodenamt sollte eher ein Amt zur Förderung der Landflucht genannt werden. Es ist für uns ein geringer Trost festzustellen, daß wir, die wir immer gegen diese Art der Bodenreform Sturm gelaufen sind, im gesamtstaatlichen Interesse das richtige taten, ohne freilich dem Vernichtungswerk Einhalt bieten zu können.

Leider muß ich feststellen, daß den Ergebnissen der Bodenreform auf landwirtschaftlichem Grund die Ergebnisse der Waldreform gleichkommen. Von insgesamt rund 2,460.000 ha beschlagnahmten Waldbodens wurden 636.000 ha neuen Erwerbern zugeteilt, hievon vielmehr als die Hälfte an den Staat. Nach dem Staatsrechnungsabschluß für 1931 waren die Staatsgüter, deren Verwaltungen dem Landwirtschaftsministerium angeschlossen sind, mit rund 70 Millionen passiv. Im Jahre 1932 betrug das Passivum rund 60 Millionen, trotzdem in beiden Jahren der Staatsvoranschlag ein Aktivum der Staatswirtschaft auswies. Im heurigen Jahre haben sich die Verhältnisse in der Forstwirtschaft leider nicht zum Guten entwickelt und es ist deshalb nicht verständlich, daß das jetzt vorliegende Budget für die Staatsgüterdirektion einen Ertrag von 16 Millionen Kè ausweisen kann. Man will offenbar die Wirtschaft der staatlichen Forste und Güter als prosperierend hinstellen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre kann es mir nicht verübelt werden, wenn ich den aktiven Voranschlag der staatlichen Güter und Forste auch im heurigen Jahr nicht glaubhaft finde und neuerlich ein Passivum erwarte. Ein solches Passivum wird dann im gesamtstaatlichen Rechnungsabschluß hineinbezogen und der Ausfall muß entweder aus direkten zusätzlichen Leistungen des Finanzministeriums oder aus gesamtstaatlichen Anleihen heraus gedeckt werden, d. h. die Gesamtheit der Volkswirtschaft muß für jene Defizite aufkommen, die die staatlichen Güter in ihrem Budget nachweisen. Ein Privatunternehmer müßte den Verlust selbst tragen, d. h. er müßte durch Aufnahme von Darlehen oder durch Veräußerung von Vermögenswerten den Betriebsverlust zu decken versuchen. Bei den Staatsgütern und Forsten wird dieser selbstverständliche Grundsatz jeder Unternehmertätigkeit nicht beachtet und für das Defizit muß die Gesamtheit der Steuerträger aufkommen. Jahrhundertelange Erfahrungen haben erwiesen, daß es Aufgabe des Staates ist, die Bahnen der allgemeinen Wirtschaftsführung vorzuschreiben, aber nicht selbst Wirtschafter zu sein. Das Abgeben von diesem Grundsatz hat sich bitter gerächt.

Pøedseda (zvoní): Upozoròuji pana reèníka, že není dovoleno èísti øeè.

Posl. Scharnagl (pokraèuje): Ein eklatanterer Beweis für die Unfähigkeit des Staates als Wirtschaftsführer ist kaum denkbar. Hiezu kommt noch, daß der Staat dem Bodenamt rund 800 Millionen Kè für zugeteilten Boden schuldet und keine Mittel zur Rückzahlung vorhanden sind.

lch habe schon zu wiederholtenmalen darauf verwiesen, daß wir mit dieser Bodenreform, wie sie hier gemacht wird, uns nicht einverstanden erklären können, und deshalb erlaube ich mir am Schluße meiner Ausführungen zu sagen, daß wir auch diesem Kapitel des Staatsvoranschlages die Genehmigung nicht erteilen können. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Kremsera (viz str. 18 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! In der Debatte zum vorliegenden Staatsvoranschlag wurde sehr viel über die Wirtschaft und über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit gesprochen. In den letzten Tagen wu rde von Seiten der èechischen Agrarier sehr oft der Ruf laut nach Abbau der sozialen Lasten. Dieses Rufen nach dem Abbau der sozialen Lasten verstehen wir nicht recht, da doch dem Hause ein Kompromißvorschlag vorliegt über die Novellierung der Sozialversicherung, der gemeinschaftlich zwischen den Vertretern der Landwirtschaft, der Industrie und der Arbeiter abgeschlossen wurde und dem wir unsere Zustimmung gegeben haben, obwohl er auf der einen Seite von uns ein großes Opfer für die Erkrankten fordert, und auf der anderen Seite eine Erhöhung der Invalidenrente bringen soll. Wir haben diesem Kompromiß unsere Zustimmung gegeben in der Erwartung, daß dadurch die Überalterten aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden werden können und Jüngere in den Arbeitsprozeß eintreten könnten. Wenn die Herren von der anderen Seite glauben, daß sie durch den Ruf nach weiterem Abbau der sozialen Lasten noch weitere Herabsetzungen erreichen können, so sind sie auf einem Irrweg, weil jeder Abbau dieser Soziallasten auch eine Verschlechterung des Lebens der Arbeiterklasse mit sich bringt und damit eine Verschlechterung der ganzen wirtschaftlichen Situation. Dasselbe gilt bezüglich der Arbeitszeit. Diese zweite Frage wurde einigemale hier angeschnitten und damit im Zusammenhang auch die Frage der Hebung der Kaufkraft. Wenn jemand glaubt, daß die Arbeiter es mit dem heutigen Zustand weiter aushalten können, wenn er gegen die Verkürzung der Arbeitsziit auftritt und dadurch in der Lage sein kann, Arbeitslose in den Arbeitsprozeß einzustellen, so ist er wohl in einem großen Irrtum. Die Kaufkraft des konsumierenden Publikums kann nur gehoben werden, wenn wir die 600.000 bis 700.000 Arbeitslosen allmählich wieder in den Arbeitsprozeß einstellen, wodurch sie in der Lage sind, zu konsumieren.

Der Obmann des Budgetausschusses Herr Abg. Dr. Èerný hat in seiner Rede erklärt, daß das Arbeitslosenproblem nicht nur ein Problem der sozialistischen Parteien, sondern auch des Staates sei. Ich behaupte, daß das Arbeitslosenproblem nicht nur ein Staatsproblem ist, sondern ein Problem der ganzen Menschheit und daß die ganze Menschheit, ohne Unterschied welcher Kategorie oder Standes, an der Lösung dieses Probles interessiert ist, weil mit seiner Lösung eine ganze Reihe von Fragen zusammenhängt, die gleichzeitig damit ihre Erledigung finden würden. Die Arbeitszeitverkürzung soll und muß ein Werk sein, um zur Einstellung von Arbeitskräften in den Produktionsprozeß zu kommen, um die Möglichkeit zu schaffen, daß die Arbeitslosen wieder Arbeit erhalten und zu Vollkonsumenten werden. Wenn die Bauern die Früchte ihrer Arbeit verkaufen wollen, wird das nur möglich sein, wenn die Arbeiter guten Verdienst haben. Solange die Arbeiter zu hunderttausenden hungern, wird der Bauer seine Früchte nicht zu entsprechenden Preisen anbringen können. Daher ist die Argumentation, sich gegen die Arbeitszeitverkürzung auszusprechen, gerade von dieser Seite vollständig falsch, weil wir nur durch die Verkürzung der Arbeitszeit zur Einstellung von Arbeitslosen in den Produktionsprozeß kommen. Und wenn in der vorbereiteten Konferenz in Genf sich die Mehrheit dafür ausgesprochen hat, der Arbeitskonferenz den Vorschlag zur Einführung der vierzigstündigen Arbeitswoche durch eine internationale Konvention möglich zu machen, was dann durch die Vertreter der Hakenkreuzlerregierung auf der Arbeitskonferenz verhindert wurde, indem das Problem der Arbeitszeitverkürzung durch die Stellung der von Deutschland entsendeten Regierungsvertreter auf die Unendlichkeit verschoben wurde, so ist uns wieder unverständlich, warum gerade jene Kreise sich so gegen die Arbeitszeitverkürzung aussprechen.

Aber der Ausgleich zwischen Landwirtschaft und Industrie wird nur ein halber sein, wenn nicht auch ein Ausgleich getroffen wird, der die Möglichkeit gibt, das Arbeitslosenproblem zu lösen. Die Industrie und Landwirtschaft kann einen Ausgleich in ihren Reihen treffen, der aber durchaus nicht wirksam werden muß, wenn nicht auf der anderren Seite die groß en Probleme, die heute die ganze Menschheit berühren - und da ist eine der wichtigsten die Arbeitslosigkeit - gelöst sind.

Es ist auch oft von Planwirtschaft geredet worden. Mit dem Wort "Planwirtschaft" wird heute sehr viel Unfug getrieben. Viele Menschen stellen sich unter Planwirtschaft eine ganz leichte Regelung vor; von einer wirklichen Planwirtschaft, daß man ernstlich bemüht ist, anstelle der heutigen Produktionsanarchie eine planmäßige Produktion zu setzen, davon wollen jene entscheidenden Herren, die sich zusammengesetzt haben, um das Problem der heutigen Krise zu lösen, nichts wissen.

Sie lehnen eine wirkliche Planwirtschaft ab, weil sie an die Grundpfeiler des Profites greift und weil in einer wirklichen Planwirtschaft ihre Profitinteressenten wesentlich geschädigt würden.

In dem Zusammenhang haben aber auch die Gewerbetreibenden, vor allem Koll. Eckert es für notwendig gehalten, sich ausführlich mit den Konsumgenossenschaften zu beschäftigen und die Klage zu erheben, daß diese angeblich vom Staate zu sehr bevorzugt werden. Wenn man die Rede aufmerksam verfolgt hat, mußte man den Eindruck gewinnen, daß die Konsumgenossenschaften eine kleine Bewegung darstellen, vielleicht noch kleiner als die Gewerbetreibenden, daß ein paar Menschen zusammenkommen, die an den Staat weiß Gott welche großen Ansprüche stellen. Die größten vier Verbände der Èechoslovakei, der Zentralverband der Genossenschaften, die Unie, der deutsche Verband der Wirtschaftsgenossenschaften und der Verband in Mähren und Schlesien zählen zusammen allein in der Èechoslovakei 1.476 Genossenschaften. Von diesen Genossenschaften sind 612 Konsumgenossenschaften. Diese 612 Konsumgenossenschaften haben insgesamt 767.058 Mitglieder. Wenn man das mit der Versorgungszahl, mit 3.8 multipliziert, kommt man annähernd auf 3 Millionen Menschen, die durch die Konsumgenossenschaften versorgt werden; also ein Viertel der gesamten Staatsbevölkerung ist in diesen Konsumgenossenschaften - in diesen vier Verbänden - organisiert. Ich bin der Auffassunng, daß der Staat da, wenn hier ein Viertel der Bevölkerung organisiert ist, die Pflicht hat, dieser Organisation, in der sich ein so großer Teil der Bevölkerung zusammengefunden hat und dessen ganze Versorgung mit Bedarfsartikeln und Lebensmitteln durch eine eigene Organisation vollzogen wird, in weitestgehendem Maße entgegenzukommen, nachdem es sich hier zum großen Teil um minderbemittelte Schichten handelt. Und wenn wir sehen, daß diese Konsumgenossenschaften einen Umsatz von 1.900 Millionen Kè haben, daß sie 175 Millionen Kè in Anteilscheinen besitzen und daß die Spare lagen 388 Millionen Kè ausmachen, so müssen wir gestehen, daß diese Organisation, verglichen mit der deutschen Gewerbepartei oder mit den Gewerbegenossenschaften ein Mammut ist gegen diesen kleinen Zwerg, der hier glaubt, mit Berechtigung die Stimme zu erheben, um die Regierung gegen die Konsumgenossenschaften aufzuhetzen. (Posl. Blatná: Nicht angekränkelt von Sachkenntnis!) Ich setze voraus, daß Koll. Eckert von den Konsumgenossenschaften sonst nichts weiß, als das, was er gelegentlich irgend eines Kaufmannstages, bei dem er zu Gaste geweilt hat, von einem Vertreter der Kaufmannschaft in entstellter Weise über die Konsumgenossenschaften erfahren hat. Er wird sich mit dem Problem der Genossenschaftsbewegung überhaupt noch nicht befaßt haben, weil es vielleicht doch etwas zu anstrengend wäre, in das Problem einzudringen.

Die Konsumgenossenschaften haben beim gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung einige Beschränkungen und Behinderungen, welche der private Handel nicht hat. Es wird immer betont, daß sie steuertechnische Erleichterungen haben, es wird aber nicht von den Beschränkungen und Behinderungen gesprochen, denen sie unterworfen sind. Vor allem sind sie verpflichtet, der Öffentlichkeit Rechnung zu legen, die Bilanzen der Konsumgenossenschaften sind jederzeit jedermann zugänglich und es wäre interessant, wenn uns auch die Bilanzen der Kaufmannschaft zugänglich wären. Wenn die Herren uns vorwerfen, daß wir steuertechnische Vorteile besitzen, so möchte ich nur daran erinnern, daß schon vor der Steuerreform des Herrn Prof. Engliš alle Konsumgenossenschaften bis zu einem Reingewinn von 6.000 Kronen jährlich vollständig steuerfrei waren, schon im alten Österreich, wo die Konsumgenossenschaften noch am Anfang ihrer Entwicklung standen, als sie noch kein bedeutender Wirtschaftsfaktor waren. In der Zeit hat man schon den Konsumgenossenschaften als Selbsthilfeorganisationen der Verbraucher wesentliche Steuervorteile eingeräumt, die in der Steuerreform weggenommen wurde. Dafür wurde aber der Konsumverein nur nach den eingezahlten Anteilen besteuert. Wenn aber die Kaufmannschaft bereit ist, sich mit ihrer Bilanz der öffentlichen Rechnungslegung zu unterziehen, und wenn sie bereit wäre, sich den Revisionen zu unterziehen, wie die Konsumgenossenschaften gezwungen sind, hätten wir nichts dagegen, daß auch sie irgendwelche Begünstigungen erhalten würden. Wenn die Konsumvereine die allgemeine Erwerbssteuer zu zahlen hätten, wenn ihnen das Recht eingeräumt würde, an jedermann zu verkaufen, würde keine große Differenz bei ihnen entstehen. Ich werde dann an der Hand von Ziffern nachweisen, daß der private Handel weniger besteuert ist als die Konsumvereine. Dann ist noch folgender Unterschied: Die Konsumgenossenschaften müssen ihre Steuerverpflichtungen vollständig erfüllen. Die Konsumgenossenschaft kann in keinen Ausgleich oder in den Konkurs gehen, so wie der private Kaufmann, die Konsumgenossenschaft kann die Steuer nicht schuldig bleiben, um in den Ausgleich zu gehen, weil die Verantwortlichkeit der Funktionäre und die Verantwortlichkeit der ganzen Genossenschaft gegenüber der Öffentlichkeit groß ist, so daß hier eine vollständige Steuerverpflichtung in vollem Umfange vorliegt, der Konsumverein sich also der Steuer nicht entziehen kann. In einem Gerichtsurteil hat ein Richter ausgesprochen: "Was die Kontrolle der Steuern anlangt, unterstehen die Konsumgenossenschaften als der öffentlichen Rechnungslegung unterliegende Institute der öffentlichen Kontrolle, während die Privatkaufleute dieser Einsichtnahme nicht unterliegen. Auf Grund der Statistik ist bewiesen, daß gerade bei der Umsatzsteuer, welche die einzelnen Geschäftsleute vom Kunden einheben und die sie dem Staate als eigentlich anvertrautes Geld abführen sollten, sich bedeutende Rückstände zu Ungunsten der Staatskasse ergeben." Es hat also der Richter in einem Prozeß festgestellt, daß die Konsumgenossenschaften infolge ihrer öffentlichen Rechnungslegung ihrer Steuerpflicht dem Staate gegenüber voll nachkommen müssen, wogegen der Kaufmann durch die ungeheuer große Steuerrückständigkeit auffällt.

Koll. Eckert hat auch von einer einseitigen Begünstigung der Konsumvereine gesprochen und gemeint, daß der legitime Handel und ganze Gruppen, die mitbeteiligt sind, durch diese einseitige Begünstigung leiden, und ihnen dadurch ungeheuerer Schaden erwächst. Auch hier muß der Herr Koll. Eckert wieder von dem Gesichtspunkt ausgehen, daß die Begünstigungen nicht nur die Konsumgenossenschaften, sondern allen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, also allen Genossenschaftsorganisationen zugute kommt. Dazu gehört auch eine Reihe von Genossenschaften, an denen er selbst mit interessiert ist, die genossenschaftlichen Gewerbekassen, die Versicherungsgesellschaften, öffentliche Kreditinstitute, Sparkassen, landwirtschaftliche Vorschußkassen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, brauberechtigte Bürgerschaften. Alle die sind begünstigt durch das Gesetz und all diesen vorgenannten Unternehmungen wurden unter gewissen Voraussetzungen dieselbe Begünstigung eingeräumt, wie den Konsumvereinen. Es ist nicht so, daß gegenüber dem Privathandel nur die Konsumgenossenschaften irgendwelche Begünstigungen haben, diese Begünstigungen haben gesetzmäßig auch alle die zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen.

Wenn wir uns nun die Konkurrenzfähigkeit der Genossenschaften gegenüber den Kaufleuten ansehen, so müssen wir von dem Gesichtspunkte ausgehen, daß die Genossenschaften oft 30 bis 40 Verteilungsstellen haben. Es kann eine Verteilungsstello als Konkurrent des betreffenden Kaufmannes nur in dem bet effenden Orte angenommen werden, es kann aber nicht so sein, daß ein Konsumverein in seiner Gesamtheit mit allen 40 Verteilungsstellen gleichzeitig Konkurrent eines einzelnen Privatkaufmannes ist. Das Statistische Staatsamt hat in seinen Mitteilungen über die allgemeine Erwerbssteuer für das Jahr 1928 einige ganz interessante Feststellungen gemacht. Wenn wir annehmen, daß wir es bei Steuerpflichtigen zur allgemeinen Erwerbssteuer bis zu einer Besteuerungsgrundlage von 30.000 Kè mit Handelsunternehmungen mit nur einem Laden zu tun haben, und wenn die Steuerleistung dieser mit der Erwerbssteuerleistung jeder konsumgenossenschaftlichen Verteilungsstelle vergleichen, so ergibt sich Folgendes: Von 160.765 Steuerpflichtigen zur allgemeinen Erwerbsteuer, das sind 0ÿ9 aller Steuerpflichtigen zur allgemeinen Erwerbsteuer, entfällt auf einen eine durchschnittliche Erwerbssteuerleistung von 29 Kè. Unter der Voraussetzung, daß alle Konsumgenossenschaften die sogenannte Begünstigung bei der besonderen Erwerbsteuer in Anspruch nehmen, ergibt sich, wieder auf Grund von Daten des Statistischen Staatsamtes, daß auf die Verteilungsstelle einer Konsumgenossenschaft im Durchschnitt 36 Kè an besonderer Erwerbsteuer entfallen, also um 7 Kè mehr als beim Kaufmann. Wenn wir dazu nehmen, daß im Durchschnitt die Zuschläge für Land, Bezirke und Gemeinden bei der allgemeinen Erwerbsteuer 447% - nach dem Statistischen Staatsamt - und bei der besonderen Erwerbsteuer 415% betragen, so ergibt sich, daß eine Verteilungsstelle des Konsumvereines an besonderer Erwerbsteuer mit den autonomen Zuschlägen 185 Kè bezahlt, während auf den Kaufmann samt Zuschlägen ein Betrag von 158 Kè entfällt. Die Genossenschaften sind also mit durchschnittlich 24% Steuer beteiligt, wogegen der Handel nur mit 10ÿ7% an der Steuer beteiligt ist. Daraus ergibt sich, daß die Konsumvereine heute schon von vornherein bezüglich der Steuerleistung, verglichen mit dem Kaufmann, schärfer herangezogen werden. Dabei müssen wir berücksichtigen, daß es sich hier um Ziffern aus dem Jahre 1928 handelt. Seither hat sich eine wesentliche Verschiebung zu Ungunsten der Genossenschaften ergeben, die darin besteht, daß die Geschäftsanteile der Mitglieder gestiegen sind, aber der Konsum der Mitglieder gefallen ist. Beim Kaufmann ist die Steuer nach dem Ertrag gerechnet, bei dem Konsumverein nach dem Geschäftsanteil. Wir haben also eine fallende Tendenz des Ertrages, aber eine steigende Tendenz des Geschäftsanteiles, so daß seit dem Jahre 1928 sich eine Verschiebung um mindestens 15% zu Ungunsten der Genossenschaften ergeben hat. Es haben sich auch Leute wissenschaftlich mit dem Genossenschaftswesen beschäftigt. Im März dieses Jahres ist eine wissenschaftliche Untersuchung von Dr. Fajfr, Sektionsrat im Statistischen Staatsamt erschienen, u. zw. in Bezug auf die Preise. Koll. Eckert hat gemeint, daß das Genossenschaftswesen kein Preisregulator wäre. Auf Grund der wissenschaftlichen Erhebungen hat nun Sektionsrat Fajfr festgestellt, daß die Genossenschaftspreise, unmittelbar mit den allgemeinen Preisen verglichen, fast durchwegs niedriger sind. In einer konkreten Berechnung kommt Sektionsrat Fajfr - er hat die Untersuchungen bezüglich 35 Städten in der Èechoslovakei angestellt - zu dem Ergebnis, daß der Unterschied in den Preisen 5·1% zu Gunsten der Genossenschaften beträgt, daß also die Genossenschaften mit ihren Preisen um 5·1% niedriger als die Kaufmannschaft sind.

Ich möchte nur noch zwei Dinge erwähnen. Wir zahlen den Mitgliedern eine Rückvergütung von 4%. Das Entscheidende ist aber die Beschäftigung und die Bezahlung der bei den Genossenschaften und der im Handel angestellten Personen. Wir haben Kollektivverträge, die von den Genossenschaften gewissenhaft eingehalten werden, wir müssen größere soziale Lasten tragen, der Kaufmann dagegen hält keinen Kollektivvertrag ein, bezahlt durchschnittlich seine Angestellten schlechter. Vor allem haben wir die skandalösesten Löhne in der Spezereibranche, eine überlange Arbeitszeit, wogegen bei den Genossenschaften die achtstündige Arbeitszeit genau eingehalten wird. Wir haben also auf der einen Seite wesentlich weitergehende soziale Einrichtungen für die Angestellten, während die Kaufmannschaft auf der anderen Seite die Angestellten mehr ausnützt, so wie es in der Vorkriegszeit gewesen ist. Die Herrschaften behandeln die Frage auch noch von einem anderen Gesichtspunkte aus und glauben, an den Dingen etwas ändern zu können, wenn sie jetzt Einschränkungen vornehmen. Nach der Statistik ist im Handelsgewerbe eine starke Zunahme zu verzeichnen. Wie immer in Krisenzeiten, auch schon vor dem Kriege, haben wir auch jetzt die Beobachtung gemacht, daß in dem Moment, wo eine große Arbeitslosigkeit eintritt, ein starker Zuzug zum Handelsgewerbe erfolgt. Der Arbeitslose fängt einen Handel mit Obst, Erdäpfeln oder Milch an, und so geht dann die Zahl der Handelstreibenden kolossal in die Höhe. Wir haben jetzt durchschnittlich in den freien Gewerben einen Zuwachs von 5000 neuen Unternehmungen jährlich. Bei den Konsumgenossenschaften beträgt der Zuwachs 180 neu errichtete Verteilungsstellen. Nunmehr hat die Reichenberger Handelskammer den Stein der Weisen entdeckt, indem sie den Vorschlag macht, es möge eine Gewerbesperre eingeführt werden. Aber diese Gewerbesperre soll sich nicht nur auf Gewerbeunternehmungen erstrecken, sondern es sollen auch die Konsumgenossenschaften einbezogen werden, d. h. sie sollen keine neuen Verteilungsstellen mehr errichten dürfen, auch dort nicht, wo sie Mitglieder geworben haben. Damit werden die Herren dem Gewerbe keine Rettung bringen. Durch die Gewerbesperre würde den Kleingewerbetreibenden durchaus nicht geholfen werden, sondern viel eher, wenn die Herren nicht in den sogenannten Steuerversammlungen im Lande herumziehen und mit falschen Argumenten argumentieren würden. Auf die Leute, die dem Staate Steuer hinterziehen, haben sie nicht den Mut loszugehen. Sie schimpfen nur im allgemeinen auf den Steuerdruck, ohne aber zu sagen, daß der Steuerdruck in der Èechoslovakei wesentlich durch die seinerzeit infolge der Steuerreform vom Jahre 1927 so viel gehobene Steuermoral verschärft wird. Die hat dazu geführt, daß die Steuerabschreibungen ein Maß erreicht haben, das heute wohl nicht nur dem Staate, sondern der gesamten Volkswirtschaft zum Schaden gereicht. Wenn die Herren hier mithelfen würden, jene Kreise zu bekämpfen, die ganz gewissenlos und absichtlich die Steuern hinterziehen, so wäre es viel zweckdienlicher als den Gewerbetreibenden Unrichtigkeiten zu erzählen. Die Herren, die für die Steuerreform gestimmt haben, obwohl wir seinerzeit erklärten, daß die Steuerreform dem Kleingewerbetreibenden nichts bringt, kommen heute mit solchen Argumenten. Es ist heute erwiesen, daß der kleine und mittlere Gewerbetreibende von der Steuerreform keinen Nutzen hatte, sondern ebenso belastet ist wie früher. Die Steuerreform hat nur den großen Steuerträgern geholfen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.)


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