Ètvrtek 30. listopadu 1933

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 302. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 30. listopadu 1933.

1. Øeè posl. dr Hodiny (viz str. 10 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Unter immer heftiger sich äußernden Krisenerscheinungen sind wir in die Behandlung des Staatsvoranschlags für 1934 eingetreten. Wie schon der Herr Hauptberichterstatter hervorgehoben hat, war die Arbeit nicht leicht, ein ausgeglichenes Budget aufzustellen. Unter Zusammenarbeit aller berufenen Faktoren wurde es möglich, daß uns der Herr Finanzminister ein ausgeglichenes Budget vorlegen konnte. Es wird wohl erst die Krisenzeit erweisen müssen, ob dieser Ausgleich auch standhalten wird, d. h. ob die in Aussicht genommenen Einnahmen des Staates tatsächlich die Höhe erreichen werden, die bei vorsichtiger Schätzung in diesem Staatshaushalt angesetzt worden ist. Die oft herbe Kritik des Herrn Hauptberichterstatters unterstreiche ich zur Gänze. Was da Jahre hindurch gesündigt worden ist, trägt wohl die Mitschuld, daß sich die Krisenerscheinungen auch in unserem Staat so außerordentlich auswirken und das einmal gefaßte Mißtrauen wieder in Vertrauen umzuändern förmlich unmöglich erscheint.

Es sind meines Erachtens drei Kardinalfehler geschehen. Es wurde zu lang der Revolution gelebt, es wurde der Reichtum des Landes und die Leistungsfreiheit der Bevölkerung überschätzt und zu tief ausgebeutet. Der wohl wichtigste Fehler ist der, daß die Èechoslovakei nach der Grenzziehung in die Reihe der Industriestaaten eingereiht wurde.

Hiezu einige Bemerkungen: Es wurde zu lang der Revolution gelebt. Auch heute noch finden wir revolutionäre Manieren. Noch immer finden wir Anzeichen von Nebenregierungen. Die ehemaligen Gewalthaber können bis heute sich noch nicht daran gewöhnen, daß aus diesem Staat unterdessen ein Rechtsstaat geworden sein will. Sie versuchen noch immer, über den Kopf der verantwortlichen Stellen hinweg ihren Willen durchzusetzen und sehen das einzige Heil des Staates darin, die täglichen Quälereien, Sticheleien der Deutschen fortzusetzen. Damit holen sie sich ihre Qualifikation als beste Èechen und hoffen damit andere Qualitäten, die allenfalls das Licht der Sonne zu scheuen hätten, zu decken. Ich verweise da auf ein Vorkommnis im Laufe des letzten Jahres bei der Bürgerschule in Kornitz. Es waren keine èechischen Kinder vorhanden, sie mußten aus dem rein èechischen Gebiete zugeführt werden. Das Ministerium verschließt sich den vorliegenden Tatsachen nicht und beschließt, diese Schule nicht zu bauen. Die èechische Bevölkerung findet sich damit ab, indem sie mitteilt, die Kinder seien nicht vorhanden, auch die Mittel nicht; wir leben in den Jahren des Sparens, müssen uns das gewaltsame Sparen zu eigen machen und können derartige Kunststücke niccht mehr geschehen lassen. Und siehe da, wer greift ein, über den Kopf des Ressortministeriums? Einzelne beamtete Größen aus dem Arbeitsministerium, ja aus dem Ministerratspräsidium sind es, die die Verfügung treffen, den Schulbau aufzunehmen. Es sind dies Auswüchse, die noch der Revolutionszeit entsprechen; die noch sehr, sehr weit entfernt davon sind, die Rechtslage im Staate erscheinen lassen. Wir finden aber auch noch die Bereicherungssucht, wie wir sie in den Revolutionsjahren deutlich erkennen konnten, an der Tagesordnung als willkommene Beschäftigung und sehen, daß nebst den Revolutionsmillionären heute noch plötzlich da oder dort große Vermögen hervorsprießen, die oft nicht auf ganz rechtmäßigem Wege entstanden sind. Was für Formen die Bereicherung angenommen hat, können wir aus dem vom Finanzministerium erhaltenen Ausweis ersehen, daß trotz der Ausgabe von 5.000 Kronen Scheinen in einer Anzahl von 186.000 Stück im Verkehr kaum welche konstatiert werden können, also alle thesauriert und zumeist auch noch in das Ausland in Depots verschoben worden sind. Auch dies ist wohl noch Revolutionserscheinung., wenn der kleine und mittlere Steuerträger bis zum Weißbluten ausgepreßt wird, während bei den großen und größten Steuerträgern die entsprechend scharfen, gleichen Maßnahmen viel zu wünschen übrig lassen und es ihnen dadurch ermöglicht wird, mit dem Vermögen das Weite zu suchen und dem Staate vorzuenthalten, was zu geben sie ebenso verpflichtet gewesen wären.

Der Reichtum und die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung wurden überschätzt. Es wäre wohl am Platze, einmal nach den Vermögensverhältnissen bei den großen Vermögen etwas näher auszuschauen. Es würde dadurch auch ein Teil des verloren gegangenen Vertrauens wieder hergestellt werden, da doch die kleinen und mittleren Steuerträger kaum mehr ihren Steuerverpflichtungen nachzukommen vermögen, nur unter größten Opfern und steigender Verschuldung dies tun - wenn demgegenüber sichtbar würde, daß auch die großen Einkommen entsprechend erfaßt werden. Es wäre von Interesse zu erfahren, ob nicht doch noch recht oft und recht sehr, zweierlei Maß bei uns geübt wird.

Seinerzeit wurde ausgewiesen, daß im Zuge der Zeichnung der Arbeitsanleihe ca 40.000 Steuerschuldner bis zu einem Ausmaß von 1000 Kronen Steuerschuld seit Ende 1930 Gebrauch von der bevorzugten Zeichnung gemacht haben. Es wäre interessant zu untersuchen, wie viele von diesen 40.000 1000 Kronen Steuerrestanten der deutschen und wieviele der èechischen Nation angehören, da ich als gegeben annehme, daß kaum deutsche kleine und mittlere Steuerträger mit einem Steuerrest von 1000 Kronen seit dem Jahre 1930 zu finden gewesen sind, denen nicht schon der Steuerexekutor während der Jahre 1931 und 1932 den 1000 Kronen Steuerrest abgerungen hätte.

Zum dritten Punkt, der die Erschwernisse hervorzurufen scheint: Es wurde bei der Grenzziehung die Èechoslovakei unter die Industriestaaten eingereiht. Ein hervorragender Staatsmann auf èechischer Seite sagte seinerzeit: "Der Landwirt hat sich während der Kriegs- und der ersten Nachkriegszeit so unendlich bereichert, daß wir nun unbesorgt um ihn ein paar Jahre auf seine Kosten wirtschaften können." Es war das ein recht hübscher Satz, den sich sehr viele zu eigen machten, trotzdem die Verhältnisse sie doch schon eines anderen belehren mußten. Der Landwirt hat sich bereichert aus den Zwangsverhältnissen heraus. Es war ein Inventarverkauf, der ihm die größeren Mittel zur Verfügung stellte. Die Ställe waren leer, das Inventar kaput, ohne Instandsetzungsmöglichkeit. Es war eine gewisse Bereicherung hier, die aber in nichts zerfiel, als nach Beendigung des Krieges die Wiederinstandsetzung der ganzen Wirtschaft notwendig und möglich wurde. Da ist diese künstliche Bereicherung sehr schnell wieder zerflattert. Wir sahen es ja an dem Ansteigen der bücherlichen landwirtschaftlichen Schulden - die heute schon in die 50 Milliarden hinaufreichen - wie groß die sogenannte Bereiicherung der Landwirtschaft gewesen sein mag. Vor drei Jahren wurden noch bücherliche Schulden von 30 Milliarden, außerbücherliche von 5 Milliarden ausgewiesen und heute finden wir schon einen bücherlichen Ausweis von über 40 Milliarden und einenn außerbücherlichen von annähernd 7 Milliarden, sicherlich ein Zeichen der außerordentlichen Bereicherung der Landwirtschaft, die nach der Eins chätzung und dem Ausspruche eines èechischen Staatsmannes sich so bereichert hat, daß die übrigen auf ihre Kosten ein paar Jahre wirtschaften können! Die paar Jahre dauerten recht lange, sie dauern heute noch an, trotzdem heute schon jedermann einsieht, daß diese infolge der Knebelung und der Unvernunft, die den landwirtschaftlichen Fragen entgegengebracht wurde, vernichtete Landwirtschaft alles Übrige mit ins Grab reißt, angesichts der großen fürchterlichen Erscheinungen der Krise, die nicht nur bei uns, sondern in allen Staaten Europas und in der übrigen Welt ihre Kreise zieht und vernichtend ins Wirtschaftsleben eingreift.

Wir haben bei der Erbteilung der österreichisch-ungarischen Monarchie in den Ländern der Staatsgrenzen der Èechoslovakischen Republik eine Industrie von 65 bis 74% im Durchschnitt der Industrie von ganz Österreich-Ungarn übernommen. Auf dem Gebiete der Spinnerei und Leinenweberei wurden in unseren Grenzen sogar 94% dieser Industrie Österreich-Ungarns übernommen. Wir haben jedoch nur 25 % des Innenmarktes, 25% der Käufer übernommen, die infolge ihrer Lebensstellung in den Grenzen unseres Staates in erster Linie als Käufer in Betracht kommen. Es war dies vielleicht ein grober Rechenfehler, der sich heute bitter rächt, daß unsere Volkswirte, daß unsere Industriellen, die sonst gute Rechner waren, zur Zeit der Konjunktur nicht an einen Abbau des außerordentlich großen Prozentsatzes der ererbten Industrie dachten, daß im Gegenteil die Konjunktur dazu ausgenützt wurde, um die Industrie erst recht noch zu vergrößern, ja nicht nur das; es wurden sogar im großen Neuschaffungen von Industrien in die Wege geleitet. Das alles sollte die Landwirtschaft bezahlen. Denn die hat sich ja in der Kriegszeit und in der Nachkriegszeit so bereichert, daß man ohne Rücksicht auf sie zu wirtschaften vermag! Meine verehrten Damen und Herren! Wir sahen, wie rasch die Arbeit in Angriff genommen worden ist, wie zum Schutze der Industrie die Zölle in den Jahren 1920 und 1921 hinauflizitiert worden sind in ganz ungemessene Höhen, während man auf den Schutz der Landwirtschaft gänzlich vergaß und dieser Schutz erst im Jahre 1926 nach fürchterlichen Kämpfen der Landwirtschaft in nicht ausreichendem Maße zuteil wurde.

Als der Innenmarkt die Produktion nicht mehr aufnehmen konnte, als die Konjunktur vorüber war, als die Haushalte, die verschiedenen öffentlichen Körperschaften und Einrichtungen wieder ihre Vorräte aufgefüllt hatten, der Innenmarkt infolgedessen zu stocken begann, warf sich alles auf den Export. Es muß exportiert werden, ansonsten ist die Industrie nicht zu erhalten! Gewiß kam dadurch das große Problem zur Lösung, was mit den Menschen geschehen soll, die in dieser Industrie beschäftigt waren, die durch das Funktionieren der Industrie ihre Existenz gegeben hatten. Es kam die Frage der steigenden Arbeitslosigkeit auf, die sich bei uns bis zum heutigen Stande auf über 700.000 steigerte. Für den Export mußte der Käufer gesucht werden, der nicht nur die Ware übernimmt, sondern sie auch tatsächlich bezahlt. Unsere Verbindungen mit dem Westen brachten es zustande, daß wir von dort eher etwas in den Staat aufzunehmen als zu exportieren hatten. Deutschland und Österreich gegenüber wurde viel zu lange immer nur die geballte Faust gezeigt. Es waren dies unsere größten Abnehmer und die Verhältnisse wären vielleicht doch besser geraten, wenn nicht in den ersten Jahren der Republik immer nur die geballte Faust gezeigt worden wäre. Ich verweise nur auf ein uns naheliegendes Gebiet, auf das Gebiet der Zuckerindustrie, auf dem Österreich unser bester Käufer war, uns den gesamten Zucker abgekauft hat und sich dann infolge des Verhaltens der Èechoslovakei gegenüber bemüßigt sah, mit der Zeit die Zuckererzeugung selbst in die Hand zu nehmen und heute bereits auf dem Gebiete der Zuckererzeugung bis zur Autarkie gekommen ist. Es mußte die große Industrie, die Schwerindustrie gefördert werden, die durch den Absatz ihrer Maschinen selbst nur gefördert wurde. Ich erinnere daran, daß der Zucker seinerzeit in èechischen Kreisen immer nur "naše vojsko, naše bílé zlato" genannt wurde. Auch dieses weiße Gold fiel der Industrie zum Opfer.

Der Käufer im Osten wurde gesucht. Er war jedoch arm, ausgebeutet durch die dort in den letzten Jahren und Jahrzehnten tobenden Kämpfe und Kriege. Sie hatten nichts, womit sie hätten zahlen können, als ihre landwirtschaftlichen Produkte, die sie uns wohl zur Verfügung stellen wollten und konnten, mit denen jedoch die Èechoslovakei die eigene Landwirtschaft unter die Räder brachte. Das Nichtverstehenwollen, beizeiten einzugreifen, brachte die Landwirtschaft unter die Räder und je länger der Zugriff auf sich warten läßt, um hier beginnend wieder Aufbauarbeit zu leisten, indem man daran geht, eine leistungsfähige, widerstandsfähige Landwirtschaft aufzubauen und dadurch den Innenmarkt zu stärken und darüber hinaus die Existenzsicherung der Übrigen zu betreiben - je länger dies dauert, desto größer wird das Chaos werden, aus welchem heraus vielleicht dann ein Ausweg sich dann nur außerordentlich schwer wird finden lassen. Ich verweise darauf, daß wir nie werden damit rechnen können, unsere gesamte Industrie in dem Ausmaße zu erhalten, wie wir sie hatten. Es war dies eine hochentwickelte, prächtige Arbeit, die jedoch infolge der während des Krieges und der Nachkriegszeit durchgeführten Industrialisierung der Oststaaten nicht mehr zur Geltung kam, da unterdessen auch heimische Industrielle, den Arbeitsmarkt dort ausnützend, ihre eigene Ausfuhr unterbanden. Es sind grobe Sünden in der Wirtschaft selbst geschehen, im Staate und von den Staatsbürgern beider Nationen, Sünden, die sich jetzt schwer rächen. Es wird die Frage des Abbaues der Industrie bis zu einem gewissen Prozentsatz sicherli ch einmal spruchreif werden, wenn sie nicht schon heute spruchreif geworden ist, und wir werden uns, so bitter es uns auch ankommen mag, dazu entschließen müssen, lieber mit einem scharfen Schnitt den Traum, der nicht mehr ausgeträumt und verwirklicht werden kann, zu beenden, als daß wir unserer Volkswirtschaft immer tiefere Wunden schlagen.

Vor allem muß heute in der ganzen Bevölkerung eines Anerkennung finden: niemand hat heute mehr das Recht, große Gewinne einstecken zu wollen. Etwas mehr Bescheidenheit, etwas mehr Mäßigkeit in dem Wunsche, Gewinne einheimsen zu wollen, wird überall platzgreifen müssen, auch bei denen, die heute noch zwischen uns, den Produzenten der landwirtschaftlichen Produkte, und den Konsumenten der landwirtschaftlichen Produkte stehen; es sind dies ein paar hundert oder tausend Menschen, die am illoyalen Zwischenhandel ohne Arbeit aus der Not dieser beiden Gruppen, der Produzenten und Konsumenten, noch immer große Gewinne ziehen wollen. Dort wäre wohl zu allererst die Sonde anzulegen und diesen Menschen, die aus der Not der übrigen ohne Arbeit ihren Reichtum ziehen wollen, ehestens das Handwerk zu legen. Also nicht nur Abbau, sondern direkt Abschaffung jedes illoyalen und illegalen Zwischenhandels, möglichste Verbilligung und Verkürzung des Weges, den die Erzeugnisse vom Produzenten bis zum Konsumenten nehmen!

Das Abwürgen der Industrie hat zur Folge, daß immer mehr Arbeiter ohne Erwerb bleiben und der Staat muß, wenn sie nicht voll verelenden sollen, unterstützend eingreifen. Aber die Form der Zuteilung der Arbeitslosenunterstützung zu ändern, wäre schon hoch an der Zeit. Wir sind die letzten, die einem Menschen, der ohne sein Verschulden seine Verdienstmöglichkeit verloren hat, es nicht vergönnen würden, über die schwere Zeit hinweg irgendwie unterstützt zu werden, bis sich wieder eine Arbeitsmöglichkeit findet. Wir finden aber heute schon viele Tausende, die infolge der Art der Zuteilung der Arbeitslosenunterstützung auf den Gedanken gekommen sind, sich lieber mit weniger zu bescheiden und nicht mehr zu arbeiten. Das wirkt natürlich demoralisierend und erweckt allenfalls auch bei anderen den Eindruck: Wozu sich um Arbeit sorgen, wenn man mit etwas weniger Ansprüchen ohne Arbeit eine Unterstützung bekommen kann? Es ist dringendst notwendig, an eine Reform dieses Hilfswerkes zu schreiten, es ist dringendst notwendig, bei einem Ledigen einen schärferen Maßstab anzuwenden; wir sehen sehr gerne ein, daß der Familienvater, der Familienerhalter infolge seiner schwereren Beweglichkeit an einen Ort gebunden ist, daß es nicht gut möglich ist, einen solchen Familienvater bei sich bietenden Arbeitsgelegenheiten dahin oder dorthin zu schieben. Der Ledige hat jede Arbeit zu übernehmen, wo immer sie sich findet, wenn er ihr körperlich gewachsen ist.

Die Verhältnisse bei uns erfordern aber auch gebieterisch eineÄnderung der anderen Lastenveranlagungen. Alle diese Lasten wurden zu einer Zeit aufgebürdet, wo wir für unsere Produkte mit ganz anderen Zahlen rechnen konnten, mit Zahlen, die heute nicht mehr zurecht bestehen. Ich verweise hier auf die Sozialversicherung, die aufgebaut ist auf Leistungen des Arbeitgebers zu einer Zeit, wo wir durchschnittlich für das Getreide 280 bis 300 Kronen bekommen haben. Heute sind wir schon auf 80 Kè angelangt bei Korn, auf 140 Kè bei Weizen, die Leistungen sind aber dieselben geblieben, die Belastung ist daher außerordentlich. Das bedarf einer Überprüfung und einer Regelung. Dasselbe ist aber auch von der Steuerveranlagung zu sagen. Auch auf dem Gebiet der Produktenpreise, die das Zwei- bis Dreifache des heutigen Standes ausmachten, ist für die Steuerveranlagung heute die frühere Basis nicht mehr vorhanden. Auch hier wäre ein Abbau entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen, wenn ich auch gerne einsehen will, wie notwendig der Finanzminister zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushaltes jeden Heller an Steuern braucht. Dabei erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß unsere Steuerträger sich selbst eine große Steuer auferlegt haben. Es ist dies der Verzugszinsendienst, der eine Höhe von annähernd 182 Millionen erreicht. Das ist schon eine ganz hübsche Steuer, die von dem Steuerträger angesichts der Unmöglichkeit, rechtzeitig bezahlen zu können, abgefordert wird.

Auf keinen Fall geht es an, die Landwirte damit abzuspeisen, daß man darauf hinweist, es gehe ihnen noch viel besser, als den Landwirten in Rumänien, in Südslavien oder Ungarn, daß man darauf hinweist, was unsere Landwirte noch immer für das Kilo Lebendschwein, für den Meterzentner Korn oder Weizen bekommen. Wenn wir da die Preise hören, die man in Südslavien oder in Ungarn zahlt, eine Krone pro Kilogramm Lebendschwein, 14 bis 18 Kè pro Meterzentner Korn, 30 bis 40 Kè pro Meterzentner Weizen bitte, wir wären schließlich auch bereit, auf dieses Niveau herunterzugehen, aber es müßte alles auf dieses Niveau mit heruntergehen und es müßten sich dann vor Ilem andere darum umsehen, wie die Landwirtschaft die unterdessen zwangsläufig abgelaufenen Schulden decken soll. Es ist bei dem ständigen Herabgleiten der Preise für unsere landwirtschaftlichen Produkte nicht daran zu denken, diese Schulden irgendwie abzudecken, wenn unsere Preise gesenkt werden, die anderen Produktenpreise aber nie oder nur sehr spät und nicht in ausreichendem Maße die Senkung mitmachen. Ich wiederhole nochmals: Wir leben in einer Zeit, wo wir alle zusammen ohne Unterschied infolge der Not gewisser Gruppen, die bereits voll ergriffen sind, unsere Ansprüche auf das denkbar geringste Maß herabsetzen müssen. Wir dürfen es nicht bloß dem Landwirt, dem Arbeiter, dem Gewerbetreibenden zumuten, sondern auch die Festbesoldeten müssen daran denken, daß in einer solchen Zeit, wo die Erwerbsmöglichkeiten für alle diese Steuerträger bis aufs äußerste eingeschränkt sind, nicht mehr die Möglichkeit besteht, dem Festbesoldeten das für seine Leistung zu geben, was er verdient und daß er daher auch in seinen Ansprüchen entsprechende Abstriche machen muß.

Die letzten Verhandlungen, die unter den Staaten der Kleinen Entente vorbereitet werden, können unmöglich das Ergebnis zeitigen, daß dem Gedanken der Entente die Landwirtschaft der Èechoslovakei geopfert wird. Es ist möglich, daß wir vielleicht eine Mittlerrolle übernehmen, um nach dem Westen hinaus, wo noch große aufnahmsfähige Länder liegen, unsere Überschüsse gelangen zu lassen, wofür wir die der unteren Länder zu uns hereinnehmen. Es ist ausgeschlossen, daß wir bei der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft, die sie trotz der schlechten Preise bewiesen hat, das Aufnahmegebiet für Produkte bilden, in denen wir selber Überschüsse haben. Ich erwähnte vorhin bereits die auß erordentlich angestiegene Verschuldung der Landwirtschaft, die heute schon einen Zinsendienst verlangt, der annähernd der Produktionssumme der Milch gleichkommt. Es sind dies langsam dreieinhalb Milliarden nur an Zinsendienst. Wer soll in der Landwirtschaft bei den heutigen Preisen an die Verzinsung und Amortisation dieser ungeheuerlich angewachsenen Schulden auch nur denken?

Wir stehen zum Ende des Jahres vor dem Ablauf des Exekutionsschutzgesetzes, dadurch würden tausende und abertausende von Besitzen, die derzeit durch den Aufs chub der Exekution gedeckt sind, direkt dem Hammer verfallen, wenn nicht rechtzeitig auch auf diesem Gebiete Wandlung geschieht. Der Exekutionsaufschub hat sich nicht so ausgewirkt, wie wir Deutschen es wollten. Wir wollten einen Exekutionsaufschub über die Zeit der Frühjahrsmonate bis in den Sommer hinein, wo der Bauer nichts mehr zu verkaufen hat, im Herbst aber hat er nach Einsetzen der Ernte doch wieder Einnahmen, wenn auch infolge der Verhältnisse verringerte und da hätte er wenigstens teilweise seinen Verpflichtungen nachkommen können. Die Frist wurde aber bis Ende des Jahres ausgedehnt, da kamen die Schwierigkeiten bei unseren ländlichen Geldanstalten dazwischen, es kam auch vor, daß gewisse Künstler, wie wir solche ja in allen Ständen finden, es verstanden haben, durch den Exekutionsaufschub gedeckt, auch wenn sie sie hätten leisten können, die Zahlungen nicht zu leisten und dadurch die Schwierigkeiten nur noch zu vergröß ern. Es kann nun wohl an eine Aufhebung des Exekutionsaufschubes nicht gedacht werden, es wäre dies eine Katastrophe für unverschuldet in diese schlechten Verhältnisse geratenen Besitzer. Aber es wird eine Überprüfung und eine Änderung des Gesetzes erfolgen müssen, so wie es die tatsächlichen Verhältnisse erfordern. Selbstverschuldete Schuldenmacher haben keinen Anspruch auf Schutz, die können und wollen wir nicht retten. Aber unverschuldet in Not Geratene, insbesondere unsere jungen Übernehmer müssen irgendwie instand gesetzt werden, aus diesem Elend herauszukommen.

Dazu wird wohl auch der Umstand behilflich sein, daß unsere Wirtschaft ein wenig die Lockerung des Geldmarktes zu verspüren bekommt. Es ist gar nicht notwendig, daß wir hier in unserem Staate eine Golddeckung von über 40% weiter halten, wenn die Wirtschaft überall daran krankt und es unmmöglich ist, die entsprechenden Betriebsmittel zu erhalten. Es genügt uns vollkommen eine Deckung von 30% oder etwas über 30% und diese Lockerung des Geldmarktes wird eine Erleichterung auf verschiedenen Gebieten der jetzt so arg gedrosselten Wirtschaft herbeiführen.

Wir müssen aber auch daran denken, daß alle diese zwangsmäßig gemachten Schulden einmal bezahlt werden müssen. Es kann sie uns niemand schenken, wir wollen sie auch nicht geschenkt haben, wir wollen aber die Möglichkeit bekommen, sie bezahlen zu können. Das kann nur in der Form der Konvertierung dieser kurzfristigen in möglichst langfristige Schulden geschehen, weil anzunehmen ist, daß sich irgendwie die Verhältnisse beruhigen werden und es dann der immensen Arbeitskraft und dem Arbeitswillen der landwirtschaftlichen Bevölkerung möglich sein wird, wieder mit Hilfe der kleinen, auf Grund ihrer Arbeit gemachten Ersparnisse an die Deckung dieser zwangsmäßigen Schulden denken zu können. Diese langfristigen Schulden denken wir uns sehr niedrig verzinslich, weil eine hohe Verzinsung in dem Augenblick, wo an die Abdeckung der Schulden gedacht werden soll, diese Abdeckung unmöglich macht. Insbesondere unsere jungen Übernehmer sind am Rande des Menschenmöglichen angelangt. Eine weitere Leistung ist ausgeschlossen, eine weitere Verschuldung unmöglich, weil auch unsere kleinen Volksgeldanstalten, unsere Raiffeisenkassen selbst bei voller Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers Darlehen kaum mehr geben können, weil der entsprechende Rückfluß fehlt und eine rasche Eintreibung des intabulierten Darlehens gleichbedeutend wäre mit der Vernichtung des betreffenden Darlehensnehmers. Der Landwirt schindet sich heute, um die Steuern, die Abgaben, Sozialversicherung und Schuldzinsen aufzubringen. An eine Schulddeckung ist unter den heutigen Verhältnissen nicht zu denken. Der Landwirt geht, wenn die Verhältnisse so weiter andauern, unaufhaltsam zugrunde. Auf der anderen Seite sehen wir aber, daß es in Form von Ausgleichen gewisse Ehrenmänner, die ich vorhin als Künstler bezeichnet habe, verstehen, aus diesen Ausgleichen sogar noch bereichert hervorzugehen.

Bei den Landwirten liegt kein Selbstverschulden vor. Die Abgaben können immer nur aus dem Ertrag der Wirtschaft geleistet werden. Heute sind wir aber schon so weit, daß diese Abgaben nur mehr aus der Materie des Besitzes selbst geleistet werden können und damit ist der unaufhaltsame, rettungslose Verfall der Landwirtschaft gegeben. Eine Besserung der Zahlungsmöglichkeit stärkt das Gewerbe, das in seiner Qualifikation den Konkurrenzkampf neu aufzunehmen vermag und bei gegebener Gelegenheit den Wiederaufbau unserer brachgelegten und vielfach zerstörten Industrie aufnehmen kann. Die Grundbedingung hiezu ist die Erstarkung der Kaufkraft des Landwirtes, nicht durch Geschenke, sondern durch Ermöglichung der Schuldentilgung. Dies ist nur möglich durch Ausschaltung der Menschen, die zwischen uns und dem Verbraucher stehen und ohne Arbeit aus der Not beider den großen Gewinn auch heute noch ziehen.

Weiters wären hier als Hilfsmöglichkeiten: Strenge Kontrolle der großen Einnahmen in Bezug auf ihre Besteuerung, Überprüfung der Bereicherungsmöglichkeiten, wie sie seit der Staatsgründung hier vorgekommen sind. Dadurch wird die wichtigste Grundbedingung zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft geschaffen: das Vertrauen. Es ist erschlagen und ohne Vertrauen der großen Massen der Völker dieses Staates ist an einen Wiederaufbau der so kranken Wirtschaft nicht zu denken. Dazu gehört das sichtbare Erkennen, daß in diesem Staate endlich auch das Recht zum Recht wird und es auch dem Großverdiener und den Schwerstvermögenden nicht erspart bleibt, in dieser Notzeit entsprechend dem Kleinen und dem Mittelständler ebenso in jeder Richtung zur Leistung herangezogen zu werden. Bis zur Erreichung dieses Vertrauens müssen wir recht bescheiden werden. Die ungeheueren Aufgaben, die unser harren, sind es wert, daß im edelsten Wetteifer die Besten aus den Reihen der Staatsbürger ohne Unterschied der Nationalität sich um ihre Lösung bemühen. Immer noch sieht man Kleinlichkeiten statt Selbstverständlichkeiten!

Nadelstichpolitik ist noch immer an der Tagesordnung. Ich habe den Eindruck, als ob in jeder der èechischen Parteien bewußt von einem Teile der Abgeordneten daran gearbeitet würde, die deutsche Mitarbeit erschlagen zu wollen, bzw. mitzuhelfen, die deutschen Mehrheitsparteien zugrunde zu regieren in dem Gedanken, daß man mit den Übrigen dann ohnehin leichter fertig würde. Wie es gemacht wird, haben wir in den letzten Tagen an gewissen Ereignissen gesehen. Es wird so kräftig zugegriffen, daß leider Gottes neben jenen, die allenfalls Schuld auf sich geladen haben, auch Unschuldige mitbetroffen werden. Es wird lange dauern, ehe sich dann die Staatsaufsicht entscheiden wird, hier wieder Wandel zum Besseren zu schaffen. Überhebung, Gefall- und Ich-Sucht haben ein großes Unglück über unser deutsches Volk heraufbeschworen. Die Verfolgung der Schuldtragenden ist verständlich und notwendig. Nicht notwendig und gänzlich unverständlich ist jedoch die Verfolgung der Unschuldigen. Hausdurchsuchungen, Verhaftungen werden heute schon verfügt auf Grund von oft ganz niederträchtigen Denunziationen und es wäre sehr am Platze, wenn die Herren Denunzianten ein wenig unter die Lupe genommen würden, ob nicht bei ihnen dadurch etwas gedeckt werden soll. Bezahlte Kreaturen sind auf Raub aus und kühlen ihr Mütchen an ihren Gegnern und nicht nur am Gegner selbst, sondern an dessen jungem Nachwuchs, oft also an Kindern, wie wir es in Freiwaldau und Nikolsburg sehen konnten, wo man Kinder schon als staatsverratsfähig erklärte, aus den Anstalten entfernte; viele Wochen hindurch wird das dauern, ehe hier nach den Rechten gesehen und die Unschuldigen entlassen werden.

Ich möchte in dieser Beziehung von diesem Platze aus die Bitte an das Innenministerium und an das Justizministerium bzw. an die betreffenden Herren Minister richten, speziell in dem Falle der Verfolgung von Jugendlichen, wo vielfach auf Unschuldige gegriffen wird, Beschleunigung der Untersuchung eintreten zu lassen, um die Kinder wieder dem Unterrricht zurückgeben zu können. Diese Verfolgung bis ins letzte Detail zeigt uns, wie sehr der Staat bemüht ist, gegenstaatliche Strömungen zu unterdrücken. So hoffen wir aber auch in Bälde die geistigen Urheber und Führer des Kasernensturms und der übrigen nicht durchgeführten Unternehmungen der èechischen Öffentlichkeit in ähnlicher Weise vorgeführt zu sehen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)


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